how to be happy: Ascheblüte (New Adult Romance) - Kim Leopold - E-Book

how to be happy: Ascheblüte (New Adult Romance) E-Book

Kim Leopold

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Beschreibung

*Wir stehen mitten im prasselnden Regen, die Füße im Schlamm versunken, Herz an Herz, und wissen beide, dass ich alles andere als Hass für ihn empfinde.* Camille bekommt die Chance ihres Lebens: Schafft sie es, dem Bestsellerautor Ashton Parker ein neues Manuskript zu entlocken, ist ihr der feste Platz im Verlagsteam sicher. Schafft sie es nicht, muss sie einen anderen Weg finden, ihrer persönlichen Hölle zu entfliehen. Als sie jedoch den Kontakt zu Ash sucht, muss sie feststellen, dass der Autor nicht nur verdammt sexy ist, sondern auch störrisch wie ein Esel. Kurzerhand bucht Ash einen Flug nach Irland, um Camilles Verhandlungsversuchen zu entgehen, doch er hat die Rechnung ohne sie gemacht. Camille ist nämlich verzweifelt genug, ihm auf die andere Seite der Welt zu folgen. Und plötzlich hat er nicht nur mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen, sondern auch mit den Gefühlen für eine Frau, die tabu sein sollte. Immerhin ist sie nicht nur hartnäckig, sondern obendrein verheiratet … Zwei verlorene Seelen auf der Suche nach der Bedeutung von Glück. *Leserstimmen* Die Autorin hat es wieder einmal geschafft die Charaktere mit viel Tiefe auszustatten. Ash und Cami haben so viel durchgemacht und ich habe während des Lesen stets mit ihnen gelitten, gefreut und gelacht. Besonders schön fand ich, dass man Neuigkeiten von den Charakteren aus dem ersten Buch erfahren hat und eine davon sogar in der Geschichte aufgetaucht ist. - Büchermäuschen Kim schafft es, dass man sich in Irland wieder findet, das grüne Gras riechen kann, und sie nimmt einen aktiv auf die Reise mit. Ich hab mich mehr als einmal erwischt, dass ich eine Karte genommen habe, und geschaut habe, wo Ash und Camille langgewandert sind. - A. Wergen Durch den wunderbaren Schreibstil hat mich dieses Buch absolut gepackt und ich hatte viele wunderbare Lesestunden, die nicht schöner, dramatischer und spannender hätten sein können. Ich habe das riesen Gefühlschaos mitgefühlt, habe mitgelitten, mitgelacht, mitgeweint und mitgeliebt mit Cami und Ash. Und blieb am Ende des Buches wirklich sprachlos zurück. - ReadingMaddoxGirl3 *Die New-Adult-Reihe im Überblick* Band 01 | Liliennächte Band 02 | Ascheblüte Band 03 | Vergissmeinnicht Band 04 | Winterrose Band 05 | Veilchensturm Extra | Glücksklee (nur erhältlich über die Website der Autorin) Jeder Liebesroman ist in sich abgeschlossen.

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KIM LEOPOLD

how to be happy

Ascheblüte

 

Für Jens,

der mich immer begleitet,

egal, wie schwer der Weg auch ist.

And at the end of the day,

your feet should be dirty,

your hair messy

and your eyes sparkling.

 

- Shanti

 

[prolog]

Pinselstrich für Pinselstrich verschwindet das Lila unter einem gedeckten Beige. Eine dünne Schicht Puder und meine Haut sieht beinahe aus wie neu. Die Schwellung muss mein Pony verbergen. Dagegen hilft nicht einmal das beste Make-Up der Welt.

Die aufgeplatzte Stelle an meiner Lippe ist schwieriger zu verstecken. Auch hier versuche ich es mit einer Grundierung und einer auffälligen Lippenstiftfarbe, aber als jemand, der sonst kaum Lippenstift trägt, komme ich mir vor wie eine Puppe, die in die falschen Hände geraten ist.

Mit einem leisen Fluch auf den Lippen stelle ich das Wasser an, beuge mich vor und wasche die Farbe ab. Vorsichtig, damit die Wunde nicht wieder aufreißt, aber bestimmt. Wenn jemand fragt, erzähle ich, dass ich mir in der Nacht auf die Lippe gebissen habe.

Ist doch jedem schon mal passiert.

 

 

 

 

 

[toronto, kanada]

 

 

 

 

So I close my eyes to old ends

and open my heart to new beginnings.

 

- Nick Frederickson

 

 

 

 

 

 

 

 

[1]

Camille

 

Der Regen läuft an der Scheibe herunter, Tropfen für Tropfen erinnert er mich an Tränen. Mit einer Hand umklammere ich den Griff meiner Handtasche, in der anderen halte ich mein Handy, über das ich mit Kopfhörern Musik höre. Ich sitze genau hinter der Fahrerkabine des Busses und kann mein Spiegelbild in der Trennscheibe sehen. Das Make-Up hält gut, aber die Ringe unter meinen Augen und die aufgeplatzte Stelle an meiner Lippe sind Anzeichen genug dafür, dass etwas nicht stimmt.

Der Streit will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Mittlerweile müsste Mick es doch längst gewohnt sein, dass ich mal Überstunden mache. Er weiß doch, wie wichtig mir diese Stelle ist. Wie wichtig diese Stelle für uns ist.

Wie kann er glauben, dass ich mich mit einem anderen Mann treffe, obwohl ich Tag ein, Tag aus dafür schufte, unsere Rechnungen zu bezahlen, damit er in Ruhe nach einem neuen Job suchen kann?

Immer noch fassungslos befühle ich die Beule an meiner Stirn. Ja, vielleicht ist es meine Schuld. Ich hätte ihn anrufen sollen, um ihm Bescheid zu sagen. Dann hätte er nicht so viel getrunken, um die Zeit zu überbrücken, und er wäre gar nicht erst so sauer gewesen, dass sein Temperament mit ihm durchgeht. Er hat es im Moment schon schwer genug und nun sorge ich auch noch dafür, dass er sich meinetwegen Gedanken machen muss.

Mit zusammengepressten Lippen drehe ich an dem dünnen, goldenen Ring an meinem Finger. Wir gegen den Rest der Welt. Das Versprechen, welches ich ihm gegeben habe - ich sollte es nicht brechen, indem ich ihn noch mehr strapaziere. Ich sollte mich mehr anstrengen, damit er wieder der alte Mick wird und wir irgendwann wieder eine glückliche Beziehung führen können. Vielleicht sogar mit einem Kind.

Der Gedanke an ein Kind mit seinen Gesichtszügen lässt mich lächeln. Mit seinem dunkelblonden Haar und den braunen Augen, seinen Grübchen und den geraden Zähnen.

Aber was, wenn es nicht wieder besser wird? Wie soll es besser werden, wenn es immer schlimmer wird?

Ich schiebe die leisen Zweifel von mir und konzentriere mich stattdessen darauf, dass wir unsere glückliche Zeit wiederbekommen, wenn er wieder eine Arbeit gefunden hat und der Stapel mit den Rechnungen abgearbeitet ist. Jede Beziehung hat ihre Höhen und Tiefen, das hat unsere Vergangenheit schon oft genug gezeigt. Ihn jetzt zu verlassen, wäre ein Verrat an unserer Liebe, an dem Versprechen, welches wir uns gegeben haben, als wir niemanden außer uns selbst hatten. Allein darüber nachzudenken, sorgt schon dafür, dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme.

Aber er ist mir gegenüber auch noch nie handgreiflich geworden.

Erleichtert darüber, an der nächsten Haltestelle aussteigen zu müssen, schalte ich meine Musik aus, stecke das Handy zurück in meine Handtasche und streiche meinen Pony ein bisschen weiter ins Gesicht. Dann stehe ich auf und gehe wackligen Schrittes zur Tür.

In Toronto regnet es schon seit Tagen, also klappe ich meinen roten Regenschirm auf, bevor ich aussteige und mir meinen Weg in eine der Nebenstraßen bahne. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt mein großer Traum: Miller Publishing, eines der größeren Verlagshäuser in Toronto.

Wie jeden Morgen bleibe ich einen Moment stehen, atme die frische Luft ein und betrachte das Gebäude, für das ich endlich eine Eintrittskarte habe. Es ist nur ein Praktikum, doch wenn ich mich gut anstelle, habe ich große Chancen, übernommen zu werden. Schon seit Wochen gebe ich mir die allergrößte Mühe, um endlich eine Festanstellung zu bekommen. Ich frage mich, ob Mick stolz auf mich sein wird. Früher hat er immer daran geglaubt, dass ich es irgendwann schaffe, und nun ist mein Traum endlich zum Greifen nah.

Ich ziehe die Schlüsselkarte aus meiner Jackentasche, dann überquere ich die Straße und grüße Stephen, der wie immer in seinem kleinen Häuschen sitzt und die Macht über die Schranke hat. Er hebt die Hand und winkt mir zu, bevor er sich wieder der Morgenzeitung zuwendet.

Im Hauptgebäude begrüße ich die Empfangsdame Sylvie mit einem freundlichen Nicken, dann eile ich zum Fahrstuhl, um noch mit Mr Miller hinauf ins Lektorat fahren zu können.

»Guten Morgen, Mr Miller«, begrüße ich ihn und versuche, möglichst gut gelaunt zu klingen.

»Guten Morgen, Mrs Dubois.« Der schon etwas ältere Herr nickt mir freundlich zu und hält die Aufzugtüren auf, bis ich eingestiegen bin. »Gefällt Ihnen Ihre Arbeit noch?«

Er war derjenige, der mich vor drei Monaten zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, um mir gleich im Anschluss daran zu sagen, dass ich als Praktikantin bei Miller Publishing anfangen könnte.

»Mais oui, sehr sogar.« Ich lächle zufrieden, auch wenn ich es innerlich nicht bin. Ich brenne darauf, endlich mehr Aufgaben zu übernehmen. Sehen Sie her, ich bin bereit für Verantwortung, würde ich ihm am liebsten entgegen schreien »Das Lektorat macht einfach unglaublich viel Spaß. Ich genieße meine Zeit hier sehr.«

»Das will ich hoffen.« Er zwinkert mir zu. »Kommen Sie doch um drei Uhr in mein Büro. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen.«

Überrascht öffne ich den Mund, aber ich kann mich noch stoppen, bevor die Begeisterung förmlich aus mir heraussprudelt. Er muss einfach gute Neuigkeiten für mich haben. Ich habe mich viel zu sehr angestrengt, als dass er sich über mich beschweren könnte.

»Natürlich«, erwidere ich also mit einem breiten Lächeln.

Der Fahrstuhl hält im dritten Stockwerk des Gebäudes. Ich wünsche ihm noch einen schönen Tag, dann betrete ich den Flur, auf dem für diese Uhrzeit schon reges Treiben herrscht. Für den Vormittag ist ein Meeting anberaumt, das den ganzen Flur betrifft, allerdings kann ich mir kaum vorstellen, dass meine Kollegen deshalb so früh hier sind.

 

[2]

Camille

 

Chrissy kommt mir in einem Kostüm und schwarzen Pumps entgegen. Statt ihres üblichen breiten Lächelns trägt sie heute allerdings tiefe Sorgenfalten im Gesicht.

»Was ist passiert?«, frage ich alarmiert. Wenn Chrissy so ein Gesicht zieht, ist etwas geschehen, was das ganze Lektorat betrifft.

»Oh, Süße, es ist schrecklich«, erwidert sie, packt mich am Ellbogen und zieht mich durch den Flur in ihr kleines Büro. Als Abteilungsleiterin ist sie die Einzige mit einem eigenen Büro. Es ist vollgepflastert mit Bildern von ihr und ihren Autorenbekanntschaften. Das einzige wirklich private Bild steht auf ihrem Schreibtisch und zeigt sie mit ihrem Sohn Martin.

Chrissy schließt die Tür hinter uns und lehnt sich mit einem lauten Seufzen dagegen.

»Es ist Melissa«, sagt sie ohne große Umschweife.

Melissa ist die dienstälteste Lektorin bei Miller Publishing, mit der ich sehr häufig zusammenarbeite. Von ihr habe ich schon so viel gelernt, dass ich ihr auf ewig dafür dankbar sein werde.

Der Blick, mit dem mich Chrissy nun anschaut, sagt mir allerdings, dass mit Melissa etwas nicht stimmt.

»Was ist mit ihr? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.« Mein Herz schlägt aufgeregt, während ich auf die schlechten Neuigkeiten warte.

»Sie hatte einen Schlaganfall.«

»Merde.« Schockiert stoße ich die Luft aus. »Einen Schlaganfall? Mit achtundvierzig? Aber sie ist doch noch viel zu jung für so etwas«, protestiere ich, weil es das Erste ist, was mir durch den Kopf geht.

»Ich weiß.« Chrissy schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, eine Geste, die sie heute schon häufiger gemacht haben muss, denn ihre dunklen Haare stehen in alle Richtungen ab.

»Ich weiß«, wiederholt sie und geht zu ihrem Schreibtisch. »Komm, setz dich. Wir müssen etwas besprechen, bevor das Meeting startet.«

Unsicher setze ich mich zu ihr.

Chrissy kenne ich schon seit einer halben Ewigkeit. Sie ist diejenige, die meine Bewerbungsunterlagen überhaupt erst bei Mr Miller abgegeben und ein gutes Wort für mich eingelegt hat. Wir haben uns vor ein paar Jahren zufällig in dem Café kennengelernt, in dem ich nach meiner übereilten Flucht von Zuhause gearbeitet habe. Damals ist sie noch Praktikantin bei Wentworth & Fitch gewesen und hat sich in dem Café regelmäßig mit einem ihrer Autoren getroffen. Sie haben geheiratet, ein Kind bekommen und sich wieder scheiden lassen. Unsere Freundschaft ist das Einzige, was aus dieser Zeit geblieben ist.

»Hör zu, ich hatte gestern ein Gespräch mit Mr Miller«, erklärt sie und beugt sich vor. »Es war ihm selbst unangenehm, aber er hat mir erklärt, dass er im Moment keine Möglichkeit sieht, dich als feste Lektorin einzustellen.«

Was? Mir entgleiten die Gesichtszüge. Ich klammere mich mit beiden Händen am Tisch fest und schaue Chrissy ungläubig an. »Aber …«

Sie lächelt mich mitleidig an. »Mr Miller findet dich klasse, Cami. Er hat sich wirklich darüber geärgert, dass er im Moment kein weiteres Personal einstellen kann. Aber das war gestern.«

Oh nein, ich weiß, worauf sie hinauswill. Die Sorgenfalten auf ihrer Stirn zeigen, dass sie mit der Idee, die sich in ihrem Kopf ausgebreitet hat, immer noch nicht ganz einverstanden ist, aber keine andere Möglichkeit sieht. So schaut sie auch immer, wenn sie mit der Wahl eines Covers oder den Worten eines Klappentextes noch nicht zufrieden ist.

»Ich fühle mich wirklich schlecht das zu sagen«, sagt sie leise und beugt sich noch ein kleines bisschen weiter vor, damit uns vom Flur aus auch wirklich niemand hören kann. »Melissa hat einige großartige Autoren betreut und sobald feststeht, dass sie so schnell nicht zurückkommen wird, werden sich die anderen Lektoren um ihr Programm reißen.« In ihren Augen funkelt es. »Cami, du musst unbedingt ein Stück des Kuchens abbekommen, wenn du hierbleiben willst. Du hast so hart gearbeitet für diesen Platz. Lass dir die Chance nicht wegnehmen.«

Meine Gedanken überschlagen sich. Fordert sie mich gerade auf, Melissas Platz einzunehmen? Soll ich mich mit Ellbogen dagegen wehren, dass mir die anderen Melissas Autoren wegnehmen, auch wenn ich die Jüngste und Unerfahrenste bin? Sie werden nie akzeptieren, dass ich ihre Bestsellerautoren übernehme und betreue.

»Das kann ich nicht machen«, flüstere ich. »Die anderen werden mich dafür hassen.«

»Nicht, wenn wir es geschickt angehen.« Chrissy reißt ein Blatt Papier aus dem Block auf ihrem Schreibtisch und nimmt sich einen Kugelschreiber, mit dem sie drei Namen aufschreibt. »Hier, diese drei ihrer Autoren sind eine gute Mischung für dich, die anderen beiden können wir gut an jemand anders abgeben. Schaffst du es, dir bis zum Meeting den aktuellen Stand der Dinge anzueignen?«

»Machst du Witze? Ich kenne Melissas Projekte in- und auswendig.« Ich nehme das Blatt entgegen und schaue auf die Namen. Manon Joubert, Lola Sauvage und - »Ashton Parker? Soweit ich weiß, will er kein weiteres Buch mehr veröffentlichen.«

Chrissy zuckt mit den Achseln. »Ashton Parker ist deine Goldtruhe, Cami. Selbst wenn es stimmen sollte, was du sagst, musst du ihn unbedingt überzeugen. Wenn du sein neues Buch betreust, hast du dir deinen Ruf als aufgehende Lektorin gesichert.«

Ashton Parker ist ein Phänomen. Mit seinem ersten Roman Geschwisterliebe hat er vor einigen Monaten einen Bestseller gelandet, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Die Lizenzabteilung verhandelt gerade sogar über die Filmrechte. Seine Leser warten derzeit fieberhaft auf einen neuen Roman von ihm, doch Melissa beißt schon seit Monaten auf Granit.

»Ich kann es versuchen«, erwidere ich unentschlossen. »Joubert ist gerade im zweiten Korrekturdurchlauf vom aktuellen Manuskript und wollte in der nächsten Woche den Entwurf für ihren nächsten Roman schicken. Bei Sauvage steht eine Entscheidung an, die Melissa im heutigen Meeting mit den anderen Lektoren besprechen wollte. Sie war sich nicht sicher, ob wir ihr neustes Manuskript wirklich veröffentlichen sollen.«

»Gut. Ich sehe, du bist gut informiert.« Chrissy lehnt sich zufrieden zurück und wirft einen Blick auf ihre silberne Armbanduhr. »Du hast noch eine Dreiviertelstunde Zeit. Ich spreche in der Zeit mit Mr Miller und unterbreite ihm meinen Vorschlag. Zusammen schaffen wir das, okay?«

Zum ersten Mal an diesem Morgen lösen sich die Sorgenfalten auf ihrer Stirn und weichen einem vorsichtigen Lächeln. Ich erwidere es kurz, bevor ich aufstehe und Anstalten mache, ihr Büro zu verlassen.

»Ach, Cami?«

»Ja?« Ich drehe mich noch einmal um und schaue sie erwartungsvoll an.

»Was ist mit deiner Lippe passiert?«, fragt sie und zieht besorgt die Augenbrauen hoch.

»Hab mir im Schlaf draufgebissen«, erwidere ich ohne zu zögern.

 

[3]

Camille

 

Zufrieden lasse ich mich wieder auf den Stuhl fallen und schiebe meine immer noch zitternden Hände unter meine Oberschenkel. Auf die Stille folgt der Sturm, aber das war nicht anders zu erwarten.

»Aber sie ist viel zu unerfahren …«

»Ashton Parker? Den sollte jemand bekommen, der wirklich Ahnung ...«

Ich versuche so zu tun, als würden mir ihre Worte nicht wehtun, aber die Wahrheit ist doch eine andere. Ihre Worte kränken mich, es verletzt mich, dass sie gestern noch bestärkend und ermunternd waren und heute kein Vertrauen mehr in meine Fähigkeiten haben.

»Ruhe jetzt.« Mr Miller steht auf. Sofort verstummen meine Kollegen. »Wir haben es hier mit einer Ausnahmesituation zu tun. Dass Mrs Grey so plötzlich erkrankt ist, muss nicht bedeuten, dass sie nicht wiederkommt. Wir wissen noch nicht, wie es um sie steht, also sollten Sie sich nicht um ihre Autoren reißen, als wäre sie schon gestorben.« Er stiert finster in die Runde, bis fast alle Anwesenden beschämt die Köpfe senken. »Mrs Dubois hat in den letzten Wochen großartige Arbeit geleistet und einen umfassenden Einblick in Mrs Greys Arbeit bekommen. Deswegen ist es nur sinnvoll, wenn sie die Vertretung übernimmt, bis Mrs Grey wieder hier ist.«

Erleichtert atme ich aus. Es tut gut, zu wissen, dass Chrissy und Mr Miller auf meiner Seite stehen.

»Sie wird die Autoren Joubert, Sauvage und Parker betreuen und ich verlange von Ihnen allen, dass Sie diese Entscheidung respektieren und Mrs Dubois unterstützen, sollte sie Ihre Hilfe benötigen.«

Hier und dort wird Zustimmung gemurmelt. Ein paar entschuldigende Blicke fliegen in meine Richtung, aber so schnell werde ich nicht vergessen, dass sie gerade noch lautstark dagegen protestiert haben, mich in ihr Team aufzunehmen. Ich hoffe, ihre Einwände verschwinden schnell, ansonsten weiß ich jetzt schon, dass ich mich hier nicht mehr lange wohlfühlen werde.

Chrissy fängt meinen Blick auf und lächelt mir ermutigend zu, bevor sie die Abstimmung zu Sauvages neuem Roman startet, der überwiegend positive Stimmen bekommt und damit der zweite Roman ist, den ich betreuen werde. Der Programmchef nickt mir zufrieden zu. Ich notiere mir die Entscheidung in Gedanken.

Lola Sauvage wird Luftsprünge vor lauter Freude machen, so viel ist sicher. Mit ihren zweiundzwanzig Jahren ist sie nur zwei Jahre jünger als ich und doch ist ihr erster Roman Das Kabinett der Wunder ein solider Auftakt für ihre Karriere gewesen. In ihrem neuen Manuskript verlieben sich zwei an Leukämie erkrankte Mädchen ineinander. Die Geschichte ist großartig und wundervoll geschrieben, doch Melissa war sich nicht sicher, ob Miller Publishing wirklich eine homosexuelle Liebesgeschichte publizieren würde. Nun ist es also beschlossene Sache, was nicht nur für Lola Sauvage ein großer Schritt sein wird, sondern auch für unser Verlagshaus.

Was Ashton Parkers neues Buch angeht, werde ich einiges an Überredungsarbeit in den jungen Autoren setzen müssen. Bisher habe ich ihn noch nicht kennengelernt. Es scheint fast, als wäre er Melissa in den letzten Wochen aus dem Weg gegangen. Seine Lesungen, die vor zwei Monaten mit einem Event in New York geendet haben, haben nie in meinen Terminkalender gepasst, auch wenn sein Buch zu meinen absoluten Lieblingsbüchern aus dem Programm gehört und ich mich sehr über ein signiertes Exemplar gefreut hätte. Nun, vielleicht komme ich jetzt dazu.

Vorausgesetzt, er redet mit mir.

Wir stimmen noch über einen Coverentwurf für den neuen Roman von Talbot Meysen ab, dann löst Chrissy das Meeting auf. Mr Miller hält uns beide zurück, während die anderen plaudernd den Besprechungsraum verlassen, um wieder an ihre Arbeit zu gehen. Er wartet, bis der Raum leer ist, dann beginnt er zu reden.

»Nun, ich hoffe, Sie wissen, dass wir unbedingt den nächsten Roman von Ashton Parker brauchen, Mrs Dubois«, erklärt er. »Wir haben im letzten Jahr einige Pleiten eingefahren und sind darauf angewiesen, dass Mr Parker bei uns bleibt. So wie ich es verstanden habe, hat er noch kein neues Manuskript und scheint sich zu weigern, eins zu schreiben. Finden Sie heraus, was los ist und besorgen Sie uns dieses Manuskript.«

»In Ordnung.« Ich greife meine Unterlagen ein wenig fester. »Ich werde sehen, was ich machen kann.«

Mr Miller nickt zufrieden.

»Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung«, sagt er schließlich. »Ich denke, ein Lektorengehalt ist nun angemessen. Sie arbeiten jetzt fast fünf Monate hier. Machen Sie Ihre sechs Monate voll, besorgen Sie uns das Manuskript und die Stelle ist Ihnen sicher. Ich schicke Ihnen einen Vertrag per Mail zu.«

Ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, so breit, dass die kleine Wunde fast wieder aufreißt. Mr Miller schüttelt meine Hand, Chrissy zwinkert mir zu und dann entlassen sie mich auf den Flur. Ich versuche, mir meine Freude darüber, wie sich die Situation entwickelt hat, nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

Mick muss sich einfach freuen. Mit dem neuen Gehalt kann ich einige unserer Rechnungen bezahlen. Der Druck, der unsere Beziehung im Moment so sehr belastet, wird bald nachlassen und dann wird sich das Blatt endlich wenden.

Das Einzige, was meine Stimmung nun noch betrübt, ist Melissas Zustand.

Ich nehme mir vor, in der Mittagspause herauszufinden, wie es ihr geht und ob sie Besuch empfangen kann. Immerhin war sie in den letzten Monaten eine großartige Mentorin und wenn es ihr möglich ist, würde ich sie gerne über meine Entscheidungen auf dem Laufenden halten.

In unserem gemeinsamen Büro öffne ich erst einmal das Fenster, um tief durchzuatmen. Erst dann fahre ich meinen Computer hoch und hole mir die wichtigsten Unterlagen von Melissas Schreibtisch. Ihrem Kalender entnehme ich, dass sie am Ende der Woche eine Verabredung zum Mittagessen mit Manon Joubert hat, die offensichtlich gerade in der Stadt ist. Ansonsten ist ihr Terminkalender für die nächsten drei Wochen noch recht leer, fast so, als hätte sie gewusst, dass etwas mit ihr geschehen würde.

Ich erschaudere und lege das schwarze Büchlein neben mich, um Jouberts Kontaktinformationen aufzurufen und ihr eine Mail zu schreiben, in der ich ihr die Situation erkläre und ihr vorschlage, dass wir uns trotzdem am Freitag zum Mittagessen treffen. Als nächstes schreibe ich Lola Sauvage eine E-Mail, in der ich ihr neues Manuskript anfordere. Dann versuche ich Ashton Parker anzurufen, doch er geht nicht ans Telefon. Also schreibe ich ihm stattdessen auch eine Mail und bitte ihn um dringenden Rückruf.

Die restliche Zeit bis zum Mittagessen verbringe ich mit den Korrekturfahnen von Ein Zufall nach dem anderen und versuche mich in den Roman einzufinden, den ich bisher noch nicht gelesen habe. Manon Joubert schreibt schon seit einigen Jahren für Miller Publishing, allerdings fühlt es sich so an, als würden ihre Geschichten immer wieder nach dem gleichen Schema funktionieren. Ich habe mich schon so manches Mal gefragt, wann ihren Fans endlich ein Licht aufgeht, aber ihre Geschichten erfreuen sich selbst nach dem fünfzehnten Buch immer noch großer Beliebtheit.

Gegen halb eins reißt mein Handy mich aus der Geschichte. Ich schaue aufs Display und stelle fest, dass Mick mir geschrieben hat.

Was gestern Abend geschehen ist, tut mir wahnsinnig leid. Ich liebe dich, Baby. Bitte verzeih mir.

Ich hebe eine Hand und betaste damit die Beule, die ich im Laufe des Vormittages schon fast vergessen habe.

Seine Entschuldigung zeigt wenigstens, dass ihm sein Fehler bewusst ist.

Mir tut es leid, schreibe ich zögernd, doch meine Gedanken gleiten zu den unzähligen Malen, an denen er mich beschimpft hat. An denen er mir das Gefühl gegeben hat, ich wäre nichts wert. Ich hätte dir Bescheid sagen sollen. Ich liebe dich auch.

Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen lege ich mein Handy wieder beiseite und checke meine Mails - fest entschlossen, mich jetzt nicht mit meinem Privatleben zu befassen. Ich habe eine mehr als glückliche Antwort von Lola, aber noch keine Nachricht von Ashton Parker. Stirnrunzelnd versuche ich noch einmal bei ihm anzurufen. Wieder erfolglos.

Nach einem Blick auf die Uhr nehme ich mir meine Handtasche, schließe das Büro hinter mir ab und gehe zu Chrissy, um sie zu unserem gemeinsamen Mittagessen abzuholen.

 

[4]

Camille

 

Auf dem Weg nach Hause klopft mein Herz schneller. Auch wenn ich weiß, dass es Mick leidtut, habe ich Angst, dass er wieder wütend werden könnte. Ich versuche das Gefühl zu verdrängen, doch selbst die Musik kann mich nicht ablenken.

In unserer Straße steige ich schließlich aus dem Bus, packe mein Handy und die Kopfhörer zurück in meine Tasche und hole stattdessen meinen Hausschlüssel heraus. Im Treppenhaus begegnet mir unsere Nachbarin, die immer leicht nach Kohl riecht. Ich begrüße sie freundlich, aber bleibe nicht stehen, um mit ihr zu plaudern. Dafür fehlen mir gerade die Nerven.

Vor unserer Wohnungstür atme ich noch einmal tief ein, dann schließe ich auf. Mir kommt der Geruch von Nudelauflauf entgegen, was mich ungemein entspannt. Wenn Mick sich sogar die Mühe macht zu kochen, ist zwischen uns wieder alles in Ordnung.

»Ich bin wieder da«, rufe ich und schlüpfe aus meinen Schuhen, bevor ich meine Jacke aufhänge. Dann gehe ich in die kleine Küche und da steht er.

Er wirft mir ein schmales, schüchternes Lächeln zu und sieht nach dem Auflauf, bevor er zu mir kommt. Mick ist groß und muskulös, doch seine braunen Augen schauen mich so reuevoll an, dass ich nicht anders kann, als meine Arme auszubreiten, um ihn zu umarmen.

»Mein Gott«, flüstert er an meinem Ohr. »Es tut mir so leid, Camille. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich für das schäme, was ich getan habe.«

Ich atme tief ein. Er riecht nach Baumwollwaschmittel und Äpfeln, ein Geruch, den ich immer mit einem sicheren Zuhause verbunden habe - egal, wie sehr bei uns die Fetzen geflogen sind.

Bis gestern.

Aber heute spüre ich, wie die Angst mich lähmt, auch wenn es meine Schuld ist, dass er so ausgerastet ist. Trotzdem zittern meine Hände und ich brauche eine Weile, bis ich mich in seinen Armen wieder gut fühle.

»Cami, sag doch etwas«, fordert er mich nervös auf.

»Ich … ich brauche noch einen Moment.« Ich lehne meine Wange an seinen Brustkorb und lasse zu, dass seine starken Hände über meinen Rücken streicheln, als hätten sie nie etwas anderes getan. Aber ich kann nur daran denken, wie diese Hände mich gestern so sehr gestoßen haben, dass ich gestürzt bin und mir den Kopf an unserem Küchentisch angeschlagen habe.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Mick löst sich ein Stück von mir und sucht meinen Blick. Ich kann ihm kaum in die Augen sehen. »Ich sehe, wie sehr du dich fürchtest und das macht mich wahnsinnig, Liebling.«

»Ich brauche einfach ein bisschen Zeit.« Ich lächle ihm schüchtern zu, bevor ich mich von ihm löse und mich an den Küchentisch setze. Er runzelt die Stirn, bevor er zwei Weingläser aus dem Schrank holt und uns einen Rotwein eingießt.

Ich beobachte meinen Mann dabei, wie er den Tisch deckt, eine Kerze anzündet und schließlich den Auflauf aus dem Backofen holt. Er setzt sich mir gegenüber an den kleinen Tisch, verteilt das Essen und hebt sein Weinglas mit einem beschämten Blick.

»Darauf, dass so etwas nie wieder passiert«, schlägt er vor.

Allmählich verlässt mich meine Anspannung.

»In Ordnung«, erwidere ich lächelnd und stoße mit ihm an.

Wir sprechen nicht über den gestrigen Abend, sondern reden stattdessen über belanglose Dinge. Er erzählt mir von seinem Tag, den er hauptsächlich damit verbracht hat, Bewerbungen zu schreiben und den Einkauf fürs Abendessen zu tätigen und dann fragt er mich nach meinem Tag. Ich erzähle ihm von Melissas Schlaganfall und meiner Beförderung.

Mick reißt ungläubig die Augen auf. »Du bist jetzt also Lektorin?«

»Sozusagen.« Ich strahle ihn an. »Es ist endlich soweit. Und das Beste: Ich verdiene von jetzt an mehr. Wir können bald also ein paar der Rechnungen bezahlen.«

Sein Gesichtsausdruck verdüstert sich und damit auch die Stimmung. Ich spüre sofort, dass ich etwas Falsches gesagt habe, aber er lässt mir gar keine Zeit, um meine Aussage irgendwie abzuschwächen.

»Willst du mir etwa sagen, ich falle dir zur Last?« Er lehnt sich mit verschränkten Armen zurück.

»Nein, ich …«

»Immerhin war es doch deine Idee, in diese Wohnung zu ziehen. Auf den meisten Rechnungen steht dein Name, Camille, nicht meiner.«

»Aber doch nur, weil du nicht mehr berechtigt bist, Verträge abzuschließen«, widerspreche ich und spüre, wie ich allmählich wütend werde. Ich schlucke die Wut herunter und strecke stattdessen meine Hand aus, um den Abstand zwischen uns zu überwinden. Meine Finger gleiten über seine zu einer Faust geballten Hand. »Mick, lass uns nicht wieder streiten. S'il te plaît.«

Er kneift immer noch wütend die Brauen zusammen, aber schließlich nickt er kurz angebunden. Dann entzieht er mir seine Hand und räumt den Tisch ab, obwohl ich noch nicht einmal fertig mit dem Essen bin. Ich bin nicht mutig genug, ihm jetzt noch zu widersprechen und so beobachte ich, wie er die Reste in den Mülleimer wirft und die Teller in die Spüle stellt.

»Du machst den Abwasch, ich habe gekocht«, sagt er, ohne mich anzuschauen. Was wir sonst jeden Abend sagen, um die Aufgabenteilung klarzustellen, hat plötzlich einen ganz anderen Klang. Jetzt wirkt es fast so, als wollte er mir zeigen, wer in diesem Haushalt das Sagen hat.

»Ich mache das gleich«, biete ich ihm an und beschließe, dass es wohl eine bessere Idee ist, wenn ich ihm erst ein paar Minuten zum Abkühlen gebe. »Ich gehe mich nur schnell umziehen und wasche mir das Gesicht.«

»Wie du meinst.« Die Kälte in seiner Stimme tut mir weh, aber ich lasse mir nichts anmerken und verlasse die Küche, um in ein T-Shirt und eine Sporthose zu schlüpfen, bevor ich mir im Badezimmer das Gesicht wasche. Die Beule an meiner Stirn ist nicht nur noch dicker geworden, sondern auch von einem so dunklen Lila, dass ich befürchte, die Farbe nie wieder loszuwerden. Die Verletzung an meiner Lippe ist verkrustet, sieht aber halb so wild aus. Ich binde meine Haare zusammen und trage eine Salbe auf beide Stellen auf, bevor ich das Badezimmer wieder verlasse, um den Abwasch zu machen.

 

[5]

Camille

 

Mick wartet in der Küche auf mich. Er sitzt wieder auf seinem Stuhl. Zurückgelehnt, mit halb geschlossenen Augen, schwenkt er das grazile Weinglas in seiner Hand. Mein Blick fällt auf die Flasche, die mittlerweile leer ist.

»Hast du den Wein etwa komplett ausgetrunken?«, frage ich alarmiert und beiße mir sofort auf die Zunge.

Er herrscht mich an. »Geht dich das etwas an?«

»Wohl nicht.« Ich wende mich ab, um Wasser in die Spüle laufen zu lassen, und zucke zusammen, als die Stuhlbeine über die kalten Fliesen scharren. Kurz darauf spüre ich ihn hinter mir stehen. Er greift um mich herum und stellt das Wasser aus.

Ich erstarre. Angst schnürt mir den Brustkorb zu.

»Du bist ganz schön unverschämt geworden, Camille.« Seine Stimme klingt gefährlich und leise. Sein Atem streicht mir über den Nacken und sorgt dafür, dass sich die Härchen auf meinen Armen aufstellen. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du vergessen hast, wer der Mann in unserer Beziehung ist.« Er legt seine Hände an meine Schultern. »Cami, meine süße Cami.«

Ich schlucke, immer noch starr vor Angst. Was stimmt nur nicht mit ihm? Wieso ist er plötzlich so merkwürdig?

»Los, sag es. Wer ist der Mann in unserer Beziehung?«

»Du«, flüstere ich beinahe tonlos. Er packt mit einer Hand in meinen Pferdeschwanz.

»Ich habe dich nicht verstanden.«

»Du«, sage ich noch einmal lauter und presse dann die Lippen aufeinander, um nicht in Tränen auszubrechen. Was spielt er für ein krankes Spiel mit mir?

Er zieht an meinem Pferdeschwanz, sodass ich den Kopf zur Seite legen muss, damit er mir nicht wehtut. Dann küsst er meinen Nacken so unendlich vorsichtig. Ich atme scharf ein. »Bitte, Mick. Ich weiß nicht, was das werden soll, aber … ich hatte heute einen anstrengenden Tag. Ich will nicht, dass wir uns wieder streiten.«

In meine Stimme hat sich ein flehender Tonfall eingeschlichen, der ihn nur noch weiter anstachelt. Mir wird übel, als er mich gegen die Küchentheke presst und ich seine Erektion in meinem Rücken spüre.

»Ich sorge schon dafür, dass du dich wieder entspannst«, raunt er mir ins Ohr. Seine Finger graben sich schmerzhaft in meinen Rücken. »Und du wirst mir dafür dankbar sein.«

Er zerrt an meiner Hose, will sie hinunterschieben. Ich nutze seinen Moment der Ablenkung und reiße mich aus seiner Umklammerung, um zu flüchten, doch er ist schneller als ich. Schon hat er mich gepackt und wirbelt mich herum, sodass ich gleich wieder in seinen Armen lande. Seine eine Hand hält mich eisern fest, während die andere zu meiner Brust gleitet und darauf herumdrückt.

Ich stoße einen spitzen Schrei aus. »Lass mich los, du tust mir weh!«

Er drückt mich weiter zurück, bis ich den Kühlschrank im Rücken spüre und er mich mit seinem Körper festhält. Dann reißt er an meinem T-Shirt. Mit einem lauten Ratsch geht der Stoff kaputt und das ist der Moment, in dem mir klar wird, dass er keine Witze macht.

Dass er mich hier und jetzt verletzen wird, wenn ich mich nicht wehre. Dass ich mit ihm untergehen werde, wenn wir das hier nicht mehr in den Griff bekommen.

Ich beginne zu schreien und versuche, mich zu wehren, doch er ist viel zu stark. Er packt meine Arme und schiebt sie hinter meinen Rücken, bevor er mir mit einer Hand den Mund zuhält. Ich versuche, in seine Hand zu beißen, doch es klappt nicht. Egal, wie sehr ich mich wehre, wie sehr ich versuche, stark zu sein, irgendwann verlässt mich die Kraft. Er spürt, dass ich den Widerstand aufgebe und dreht mich um, um leichteres Spiel zu haben.

Heiße Tränen fließen über meine Wangen. Ich presse die Lippen aufeinander, um ihm nicht auch noch die Genugtuung zu geben, ihn anzuflehen. In dem Moment fällt mein Blick auf die Pfanne, die ein paar Zentimeter von mir entfernt liegt.

Auch wenn es mir schwerfällt, lasse ich alle Anspannung aus meinem Körper weichen, damit er denkt, ich hätte den Widerstand aufgegeben. Sein Griff lockert sich, er versucht sein Glück noch einmal bei meiner Hose.

Ich nutze den Moment und reiße meine Hände los, um nach der Pfanne zu greifen. Er packt mich an den Hüften, sodass die Pfanne beinahe meinem Griff entglitten wäre, doch ich ramme meinen Ellbogen nach hinten.

Mit einem lauten Keuchen lässt er mich los. Ich stolpere nach vorne, die Pfanne in meiner Hand und drehe mich um.

»Du verfluchtes Miststück.« Mick hält sich die Rippe.

»Komm mir nicht zu nah«, stoße ich schwer atmend hervor. Meine Hände zittern. »Ich schwöre dir, ich schlag dich damit.«

Er reibt sich über die Lippen und kommt grinsend auf mich zu, weil er mir nicht glaubt. Bevor ich es mir anders überlegen kann, schwinge ich die Bratpfanne. Es gibt einen dumpfen Knall, er schaut mich verwirrt an, bis seine Augen plötzlich zuklappen und er zu Boden geht.

Ich stoße die Luft aus. Meine Knie fühlen sich an wie Butter, während ich beobachte, wie aus einer Platzwunde an seinem Kopf Blut austritt.

Habe ich ihn getötet?

Mit zitternden Händen gehe ich in die Knie, um nach seinem Puls zu tasten.

Nein.

Er lebt.

Es ist nur eine Platzwunde. Ich weiß nicht, wie lange er noch bewusstlos ist, aber das ist vermutlich meine einzige Chance.

Ich tausche die Bratpfanne gegen ein Küchenmesser, damit er mich nicht überraschen kann, während ich in aller Eile die wichtigsten Sachen in eine Reisetasche stopfe. Bevor ich die Wohnung verlasse, überprüfe ich noch einmal seinen Puls. In dem Moment stöhnt er und blinzelt benommen.

Er wacht auf. Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Ich packe meine Tasche, lasse das Küchenmesser auf den Tisch fallen und haste aus dem Haus, nur, um im Schutz der Dunkelheit in Tränen auszubrechen.

 

[6]

Ashton

 

Mit einem Seufzen schließe ich das leere Dokument und werfe einen Blick auf die Uhr. Eine Stunde ist vergangen, seit ich einen neuen Versuch gewagt habe. Dieser verdammte erste Satz macht mich fertig. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich keine Ahnung habe, worüber ich schreiben soll.

Ich kann es einfach nicht. Dass Geschwisterliebe so gut eingeschlagen ist, muss ein Zufall gewesen sein. Oder es lag daran, dass ich diese Geschichte tatsächlich erlebt habe.

Bevor ich mich versehe, öffne ich den Browser und finde mich auf Facebook wieder. Zwei Klicks und da ist sie: Lilian Jones.

Sie hat ein neues Profilfoto.

Das weiß ich so genau, weil sie gestern noch ein Foto mit ihrer Zwillingsschwester Rose in dem kleinen, rechteckigen Kästchen hatte. Aber ihr neues Foto raubt mir den Atem. Jamie hält sie im Arm, breit grinsend, seine Hand mit ihrer verschlungen zur Kamera gerichtet, damit auch wirklich niemandem der dicke Klunker an ihrer Hand entgeht.

Ich klicke auf ihre Info und finde meinen Verdacht bestätigt: Sie haben sich tatsächlich verlobt. Jamie und Lily sind verlobt und ich sitze in Kanada in einem Zwei-Zimmer-Apartment, schaue jeden Tag auf ihre Facebook-Profile und in die New Yorker Klatschpresse, um zu sehen, wie es ihnen geht. Ich sitze hier, lasse mein Leben Tag für Tag verstreichen, während sie sich verloben und ihr Leben genießen.

Wütend schließe ich meinen Laptop und stehe auf, um ans Fenster zu treten. Vor mir liegt Torontos Skyline. Es ist noch früh und für Spätsommer ist das Wetter wirklich schlecht, was mich wieder dazu bringt, all meine Entscheidungen in Frage zu stellen. Wenn ich bei ihnen geblieben wäre, wäre es dann heute anders? Hätte Lily seinen Antrag dann angenommen?

Ich hasse mich dafür, dass ich eifersüchtig auf ihn bin. Jamie ist so lange mein bester Freund gewesen. Es war nicht geplant, dass ich Gefühle für seine Freundin entwickle. Immerhin habe ich vorher ihre Schwester geliebt. Gott, ich bin so ein Versager.

Von einer plötzlichen Entschlusskraft befallen beschließe ich, dass ich heute zum letzten Mal auf ihre Profile geschaut habe. Die ganze Geschichte ist jetzt fast zwei Jahre her. Es wird Zeit, dass ich mein Leben wieder in den Griff bekomme und nicht mehr dem hinterhertrauere, was ich vielleicht hätte haben können.

Ich nicke meinem Spiegelbild in der Scheibe zu, als wenn ich dadurch einen Vertrag mit mir selbst abgeschlossen hätte. In dem Moment klingelt mein Telefon.

Genervt rolle ich mit den Augen und schaue aufs Display. Es ist schon wieder Melissa. Was versteht sie an dem kleinen Wörtchen ,Nein' nicht? Ich zögere einen Moment, aber dann nehme ich den Anruf doch an.

»Parker«, blaffe ich in den Hörer, damit sie merkt, wie unrecht mir ihr Anruf ist.

Überrascht stelle ich jedoch fest, dass am Telefon nicht Melissa ist.

»Guten Morgen, Mr Parker. Wie schön, dass ich Sie endlich erreiche.« Ihre Stimme klingt viel jünger als Melissas und hat einen leichten französischen Akzent. Sicher kommt sie aus dem französischsprachigen Teil Kanadas. Vielleicht ist sie eine neue Praktikantin. »Mein Name ist Camille Dubois. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Melissa Grey krankgeschrieben ist und ich von nun an Ihre Betreuung übernehmen werde.« Sie zögert einen Moment. »Ich würde mich freuen, wenn ich Sie in den kommenden Tagen zum Mittagessen einladen dürfte, damit wir uns kennenlernen können.«

Ich lasse ihre Neuigkeiten einen Augenblick lang auf mich wirken. Meine Lektorin ist also krankgeschrieben. Dann kann sie mir ja endlich nicht mehr auf die Nerven gehen. Wenn diese Miss Dubois wirklich so jung ist, wie sie sich anhört, kann ich sie sicher ganz schnell abschrecken und dann habe ich endlich meine Ruhe.

Ein zufriedenes Grinsen breitet sich auf meinen Lippen aus.

»Das wird nicht nötig sein, Miss«, erkläre ich mit schroffer Stimme. »Ich habe nicht vor, ein weiteres Buch zu schreiben. Sie können Ihre Energie also auf andere Autoren verwenden.«

»Aber —«

»Ich wünsche Ihnen ein schönes Leben«, falle ich ihr ins Wort und lege auf, bevor sie noch mehr sagen kann. Dann zähle ich bis zehn und das Telefon klingelt erneut.

So vorhersehbar.

»Miss Dubois«, sage ich, als sie gerade ansetzen will, um mich mit einem weiteren Redeschwall zu übergießen. »Ein ‚Nein‘ ist ein ‚Nein‘. Das verstehen Sie doch sicher?«

Sie grummelt etwas auf Französisch.

»Aber was ist mit Ihren Fans, Mr Parker?«, wirft sie schließlich ein. »So viele Menschen auf der ganzen Welt warten gespannt auf Ihr neues Buch. Das muss Ihnen doch etwas bedeuten.«

Natürlich bedeutet es mir etwas, aber ich werde den Teufel tun und das auch noch zugeben. Ich habe schon so viele Menschen enttäuscht, da werden die paar namenlosen Gesichter mehr oder weniger nicht viel ausmachen. In ein paar Monaten, wenn sich der Wirbel um Geschwisterliebe erst gelegt hat, wird sowieso keiner mehr an mich denken.

»Liegt es am Honorar?«, fragt sie mit einem flehenden Unterton. »Wir können Ihnen mehr bieten. Immerhin wäre es Ihr zweiter Roman. Nachdem der Erste ein Bestseller geworden ist, haben wir ganz andere Möglichkeiten.«

»Geld bedeutet mir nichts«, erwidere ich, wütend darüber, dass sie so etwas überhaupt denkt. Geld hat mir noch nie viel bedeutet und dank meines ersten Romans und der Hinterlassenschaft meines Vaters habe ich nun mehr als genug davon.

»Bitte treffen Sie mich zum Mittagessen«, sagt sie erschöpft. »Ganz unverbindlich. Ich würde Sie einfach gerne kennenlernen.«

Ihre Stimme lässt mich fast weich werden. Wie gerne ich plötzlich das Gesicht dazu kennenlernen würde, aber ich muss hart bleiben, sonst mache ich womöglich doch noch ein Versprechen, das ich nicht halten kann. Mein Blick gleitet zum Laptop, auf dem ich seit Monaten versuche, eine neue Geschichte zu schreiben. Irgendetwas Kreatives zustande zu bringen, aber es will einfach nicht funktionieren. Es ist, als wäre mein Kopf plötzlich vollkommen leer, sobald ich ein neues Dokument öffne.

»Es tut mir leid, Miss Dubois«, sage ich leise. Ich schaue zu dem großen Bild über meinem Schreibtisch — die Cliffs of Moher in Irland — und wie von selbst bahnt sich eine Ausrede den Weg aus meinem Mund. »Ich fahre bald in den Urlaub und habe keine Zeit für solche Sachen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

Dann lege ich auf und beschließe, ihre Anrufe nicht noch einmal zu beantworten. Doch das ist auch nicht notwendig, denn sie versucht es nicht nochmal. Offensichtlich hat sie nicht einmal das halbe Durchhaltevermögen von Melissa. Ganz sicher eine Praktikantin.

 

[7]

Ashton

 

Gegen Mittag genieße ich die Reste meiner Lasagne am Laptop und suche nach Flügen. Mein Blick gleitet noch einmal zu dem Bild über meinem Schreibtisch und ich beglückwünsche mich selbst. Dass ich nicht schon früher auf die Idee gekommen bin. Immerhin habe ich keinerlei Verpflichtungen und ich wollte schon immer mal nach Irland. Vielleicht sollte ich Camille Dubois eine Postkarte schicken, wenn ich dort angekommen bin und mich bei ihr bedanken. Wenn sie mich nicht angerufen hätte, wäre ich gar nicht erst auf die Idee gekommen, dass ein Urlaub jetzt genau das Richtige für mich ist.

Endlich finde ich einen Flug. Er geht am Freitagabend und hat noch freie Plätze. Das sollte mir genügend Zeit geben, um meine Ausrüstung zusammenzustellen. Das Einzige, was ich habe, sind meine Wanderschuhe und eine gute Regenjacke, weil man diese Sachen für Tageswanderungen in Kanada wirklich gut gebrauchen kann. Da es hier genügend Touristen gibt, die Mehrtagestouren durch die kanadischen Wälder machen, kann man mir in einem der hiesigen Outdoor-Geschäfte sicher dabei helfen, eine passende Ausrüstung zusammenzustellen.

Ich buche den Flug, dann recherchiere ich, wo das nächste Outdoor-Geschäft in meiner Nähe ist und beschließe, gleich morgen dort vorbeizuschauen und alles einzukaufen, was ich gebrauchen kann. Ob ich mir noch einen Reiseführer besorgen sollte?

In Gedanken gehe ich die Dinge durch, die ich mir anschauen möchte und beschließe, dass ein Reiseführer nur unnötiger Ballast wäre.

Vorfreude breitet sich in meinem Bauch aus, als ich den Laptop zuklappe und einen Blick auf die Uhr werfe. Es ist noch zu früh, um bei Joey vorbeizuschauen und mit ihm ein oder zwei Bier zu trinken, aber es ist schon zu spät, um noch im Outdoor-Geschäft einzukaufen. Gerade jetzt wird es in der Stadt sicher brechend voll sein, weil alle so kurz nach Feierabend noch etwas besorgen wollen, und eine gute Ausrüstung zusammenzustellen, dauert sicher eine Weile.

Ein Klopfen an meiner Wohnungstür reißt mich aus meinen Gedanken. Verwundert stehe ich auf. Vielleicht sind Megan von nebenan mal wieder die Vorräte ausgegangen.

Aber als ich die Tür öffne, steht nicht Megan vor mir, sondern eine kleine, blonde Frau. Sie wippt nervös auf den Fußballen und umklammert ihre große, blaue Handtasche so fest, dass die Knöchel ihrer Finger weiß hervortreten.

»Mr Parker?«, fragt sie und hebt den Blick, um mich aus unnatürlich blauen Augen anzuschauen. Ihre Augen lenken mich so sehr ab, dass mir zuerst gar nicht bewusst wird, dass ich die Stimme längst kenne. Erst als sie mir ihre Hand entgegenstreckt und sich als Camille Dubois vorstellt, wird mir klar, dass ich ihre Willensstärke unterschätzt habe.

Ich ignoriere ihre Hand, auch wenn ich sie wirklich gerne ergriffen hätte.

»Was wollen Sie hier?«, blaffe ich sie an.

»Ich möchte nur mit Ihnen sprechen.« Sie presst die Lippen unsicher aufeinander, dabei fällt mir auf, dass sie gar keinen Lippenstift trägt, sondern ihre Lippen natürlich gerötet sind, als hätte sie zulange darauf herumgekaut. An ihrer Unterlippe ist eine Kruste.

»Ich möchte nicht reden«, erwidere ich. »Ich möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden.«

»Das verstehe ich.« Sie hebt eine Hand und streicht ihren Pony aus dem Gesicht. Ist das eine Beule?

Ich verschränke die Arme vor der Brust, bevor ich noch auf die Idee komme, ihr hübsches Gesicht näher zu untersuchen. »Ich verstehe das wirklich, Mr Parker. Es ist nur so, dass ich wenigstens alles versuchen muss, was in meiner Macht steht. Bitte begleiten Sie mich zum Abendessen.«

»Sie haben ganz schön Nerven, vor meiner Haustür aufzutauchen, Miss Dubois.« Ich schüttle den Kopf. Wenn ich sie nicht abschrecke, werde ich vielleicht doch noch schwach. »Ihnen ist sicher klar, dass das als Belästigung ausgelegt werden kann? Sie sollten besser gehen, bevor ich die Polizei rufe.«

Sie öffnet überrascht die Lippen, aber es kommt kein Ton heraus. Resigniert lässt sie die Schultern fallen und in dieser Geste liegt so viel mehr als die Enttäuschung darüber, dass es kein weiteres Buch von mir geben wird. Es wirkt fast so, als hätte sie all ihre Hoffnungen in mich gesetzt.

»Haben Sie einen schönen Urlaub«, sagt sie schließlich, dann dreht sie sich um und geht den Flur entlang zum Treppenhaus. Ich blicke ihr noch einen Moment hinterher, beobachte, wie unsicher sie läuft, fast so, als hätte sie Schmerzen. An der Ecke bleibt sie stehen und holt etwas aus ihrer Tasche. Es ist ihr Handy. Sie steckt sich die Kopfhörer in die Ohren und strafft die Schultern, bevor sie ins Treppenhaus verschwindet.

Einerseits hoffe ich, dass ich zum letzten Mal von ihr gehört habe, andererseits haben die wenigen Augenblicke gereicht, um mich neugierig zu machen. Kopfschüttelnd schließe ich die Tür und mache mich nach einem Blick auf die Uhr fertig, um Joey zu besuchen und ihm von meinen Urlaubsplänen zu erzählen. Ich wechsle mein T-Shirt gegen ein blaues Hemd und die Sporthose gegen eine dunkle Jeans, dann wasche ich mein Gesicht und style meine Haare.

Zufrieden mit meinem Äußeren stecke ich meine Brieftasche, mein Handy und meine Schlüssel in meine Hosentaschen und verlasse die Wohnung. In Gedanken bin ich immer noch bei Dubois, deswegen erschrecke ich mich umso mehr, als ich die erste Treppe hinter mir lasse, um die Ecke biege und ihren blonden Schopf vor mir sehe.

»Sie sind ja immer noch hier«, sage ich schärfer als beabsichtigt und fasse mir an mein rasendes Herz. Sie sitzt auf der untersten Treppenstufe und lehnt den Kopf an die Wand. Als sie meinen Ausruf hört, zieht sie ihre Kopfhörer aus den Ohren und dreht sich um. Sie schaut mich überrascht an. »Was zum Teufel machen Sie in meinem Treppenhaus?«

»Ich …« Sie blinzelt. »Entschuldigung, ich … ich konnte einfach noch nicht … ich …«

Ich lehne mich gegen das Treppengeländer und starre auf sie herab, immer noch auf eine Erklärung wartend. Eigentlich sollte ich die Polizei rufen, immerhin habe ich sie heute schon oft genug gebeten mich in Ruhe zu lassen, aber irgendetwas an ihr lässt mich zögern. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie so hilflos und unschuldig aussieht.

Sie versucht aufzustehen, verzieht das Gesicht und lehnt sich keuchend gegen die Wand. Es kostet mich all meine Beherrschung, nicht sofort zu ihr zu springen und sie zu fragen, warum sie solche Schmerzen hat. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht mit ihr und ich wäre ein richtiger Mistkerl, wenn ich sie jetzt stehenlassen würde, wo sie ganz offensichtlich Hilfe benötigt. Aber wenn ich nun Mitgefühl zeige, werde ich sie sicher nie wieder los. Zwiespältig überlege ich, was ich tun soll.

»Ach, scheiß drauf«, murmle ich und nehme die paar Treppenstufen in wenigen Schritten, bis ich bei ihr bin. Sie zuckt zusammen, als mein Schatten neben ihr auftaucht.

»Ich bin schon weg, Mr Parker. Es tut mir leid, Ihnen solchen Ärger bereitet zu haben.« Sie hebt abwehrend die Hände.

»Soll ich Sie in ein Krankenhaus bringen?«, frage ich, ohne ihre abwehrende Haltung zu beachten. Es tut mir in der Seele weh, jemanden so leiden zu sehen. »Kann ich Ihnen etwas aus der Apotheke holen? Oder Ihnen sonst irgendwie helfen?«

»Mir geht’s gut.« Ihr Blick verhärtet sich. »Ich muss jetzt wirklich los.«

Wenn sie denkt, dass ich sie so gehen lasse, hat sie sich geirrt. Ich folge ihr den letzten Absatz hinunter und durch die Haustür ins Freie. Da ich mitten in der Stadt wohne, empfängt uns sogleich der Lärm des Feierabendverkehrs. Wenigstens regnet es gerade nicht.

»Mein Auto steht gleich dort drüben. Ich bringe Sie gerne nach Hause«, schlage ich vor, um sie nicht weiter zu bedrängen, gleichzeitig aber eine Möglichkeit zu haben, mehr über sie herauszufinden.

»Danke, ich laufe lieber.« Stoisch richtet sie ihren Blick auf den Fußweg. Ich folge ihr.

»Eben wollten Sie noch mit mir Essen gehen«, sage ich, ratlos, wie ich sie überzeugen kann, sich von mir helfen zu lassen. Ich laufe ein Stück schneller als sie und stelle mich vor sie, damit sie stehen bleibt und mich wenigstens ansieht.

»Alors ... mir ist der Appetit vergangen.« Sie hebt nicht einmal den Blick, als sie einen Bogen um mich macht und weiterläuft. »Abgesehen davon haben Sie bereits klargestellt, dass ein Essen sinnlos wäre.«

Frustriert schnaufe ich auf. In den letzten Monaten habe ich vergessen, wie kompliziert Frauen sein können. »Lassen Sie sich wenigstens von mir nach Hause bringen, Miss Dubois. Es sieht aus, als würde es gleich regnen und Sie haben Schmerzen.«

»Ich habe keine Schmerzen.«

»Ach wirklich?« Ich laufe neben ihr her und versuche, aus ihrem Gang zu deuten, was genau ihr wehtut. »Jeder Idiot sieht, dass Sie Schmerzen haben. Ich tue Ihnen schon nichts, ich möchte bloß, dass Sie sicher zu Hause ankommen.«

Sie lacht auf. Irritiert stelle ich fest, dass sie etwas an meiner Aussage unglaublich witzig findet, und das macht mich fuchsteufelswild. Ich will ihr doch bloß helfen. Wieso lacht sie mich aus? Sehe ich so finster aus, dass sie nicht glauben kann, dass ich ihr nichts Böses will?

»Camille, richtig?« Ich stelle mich noch einmal vor sie. Sie bleibt abrupt stehen und ich nutze die Gelegenheit, um nach ihrer Hand zu greifen, die sie mir sofort wieder entzieht. »Nur, weil ich kein neues Buch schreiben möchte, heißt das nicht, dass ich Ihnen nicht helfen will.«

Mir fallen die blassen Sommersprossen auf ihren Wangen auf, bevor sie den Blick hebt und mich prüfend anschaut. Ich verziehe die Lippen zu einem unsicheren Lächeln. »Lassen Sie sich nach Hause fahren, Camille.«

»Bien.« Sie atmet aus und in ihren Augen blitzt es kurz auf. »Aber nur, wenn Sie sich morgen Abend mit mir zum Essen treffen.«

Sie kann von Glück reden, dass ich Mitleid mit ihr habe und tatsächlich zustimme, auch wenn ich mich später darüber ärgern werde. Aber in diesem Augenblick würde ich alles dafür tun, damit sie nicht mehr so gequält aussieht.

Ich führe sie zu meinem Wagen, einem alten Ford Mustang, den ich schon fahre, seit ich aus Kalifornien geflüchtet bin und helfe Miss Dubois ins Auto. Dabei gleitet mein Blick zu ihrer Hand, die sich an den Türgriff klammert und mir fällt das dünne, goldene Band an ihrem Ringfinger ins Auge.

Verheiratet.

 

[8]

Ashton

 

»Ich sag’s dir, Joey, mein Liebesleben ist verflucht.« Ich klammere mich an das Bierglas und beuge mich über die Theke zu dem einzigen Kumpel, den ich in Toronto bisher gefunden habe. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ich die Wohnung kaum verlasse.

»Du spinnst.« Joey wischt grinsend über die Spüle und füllt sich selbst ein Glas Bier ein. Die Kneipe öffnet dienstags nicht, also genießen wir seine freie Zeit, in dem wir hier abhängen und über Gott und die Welt reden. Nachdem ich Miss - ich korrigiere: Mrs - Dubois in einem Vorort abgeliefert und mich für morgen zum Abendessen mit ihr verabredet habe, bin ich gleich hierhergekommen. »Ich dachte, die Kleine geht dir auf die Nerven.«

»Tut sie ja auch.« Ich rolle mit den Augen. »Aber das heißt nicht, dass ich sie nicht interessant finden darf.« Ich denke an die blauen Augen und die Sommersprossen zurück. »Ist aber auch egal. Sie wohnt in einem dieser todschicken Vororte. Wahrscheinlich hat sie nicht nur einen Mann, sondern auch noch zwei kleine Kinder und so einen süßen, kleinen Hund, den sie am Wochenende in der Handtasche herumträgt.«

Joey lacht. »Du bist ganz schön hart mit ihr.«

»Ich versuche nur, mir die Vorfreude aufs Essen mit ihr auszureden.«

»Das solltest du auch besser tun. Such dir lieber eine Frau, die noch nicht verheiratet ist.« Joey hebt sein Bierglas, damit wir anstoßen können. »Wenn du nur häufiger abends vorbeischauen würdest, könnte ich dich mit ein paar Frauen bekanntmachen.«

»Ich weiß nicht.« In Gedanken zähle ich die drei Mädchen auf, die ich schon geliebt habe. Die Erste tot, die Zweite ein Miststück und die Dritte verlobt. »Vielleicht bin ich einfach kein Mann für die Liebe. Wenn ich es mir recht überlege, sollte ich mir einfach ein paar Katzen anschaffen und das Haus gar nicht mehr verlassen.«

»Aber das geht nicht.« Joey hebt die Brauen. »Schließlich hast du einen Urlaub vor der Tür stehen. Vielleicht triffst du ja in Irland die richtige Frau und kommst gar nicht mehr wieder.«

»Tja, vielleicht.«

Joey kennt meine Geschichte aus zig Gesprächen zwischen Barkeeper und niedergeschlagenem Trinker. Ich bin nicht stolz darauf, aber in meinen ersten Wochen in Toronto bin ich fast jeden Abend in seiner Kneipe gewesen und habe ihm bei Bier und Schnaps mein Herz ausgeschüttet. Er weiß, dass ich schon einmal kurz davor war, um die Hand meiner Freundin anzuhalten, bevor sie ihr Auto vor einen Baum gesetzt hat. Und er weiß auch, dass ich — Angsthase, der ich bin — daraufhin nach New York geflohen bin, um den Erinnerungen an Samantha aus dem Weg zu gehen. Nur, um mich nach einiger Zeit in meine Mitbewohnerin Rose zu verlieben, die ihren Tod vorgetäuscht hat, um persönlichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Sie und ihre Zwillingsschwester Lily, die wenige Zeit später in das leere Zimmer eingezogen ist, gehören zu den Hauptcharakteren meines Buches. Die Geschichte war einfach zu unglaublich, als dass ich so hätte weitermachen können. Also habe ich sie aufgeschrieben, in der Hoffnung, dass es mir dadurch leichter fallen würde, die Mädchen zu vergessen. Wenn sie vor vierzehn Monaten nicht durch einen dummen Zufall namens Riley in Melissas Hände geraten wäre, würde Geschwisterliebe noch heute in der Schublade versauern.

»Du musst mir unbedingt eine Flasche Whiskey mitbringen«, reißt Joey mich aus meinen Gedanken. »Ich hatte vor ein paar Jahren mal eine Flasche hier, aber die hat irgendwer geklaut.«

»Du lässt dir den Alkohol klauen?«

»Seitdem nicht mehr.« Joey lacht. »Aber deshalb habe ich noch nie irischen Whiskey getrunken.«

»Ein Unding für einen Barkeeper.«

»Aber hallo.«

Daraufhin erzählt er mir etwas über verschiedene Whiskeysorten, aber ich höre ihm gar nicht richtig zu. Ich lasse meinen Tag Revue passieren: Lilys Verlobung, die mich vollkommen unerwartet getroffen hat, auch wenn mir eigentlich hätte klar sein sollen, dass es irgendwann dazu kommen würde. Meine erschreckend impulsive Entscheidung, in den Urlaub zu fliegen und dann auch noch Mrs Dubois. Camille. Eine Frau, von der ich nicht weiß, ob ich sie nervig oder interessant finden soll, was aber sowieso keine Rolle spielen sollte.

Trotzdem entscheide ich mich dafür, dass ich sie nervig finde und ihr beim Essen morgen wieder die kalte Schulter zeigen werde. Nur, weil ich sie heute nach Hause gebracht habe, werde ich mich nicht von ihr weichkochen lassen. Sie hat eine ganze Familie, die ihr helfen kann.

Ich muss also nicht den Helden spielen.

 

[9]

Camille

 

Mein Magen verkrampft sich, bevor ich überhaupt die Augen aufschlage. Panik nimmt mir die Luft zum Atmen, bis ich schließlich das ungewohnte Gefühl unter meinem Körper wahrnehme und durch die Nase einatme. Es riecht nach Zitronengras und Weichspüler, nicht nach Zuhause.

Ich presse eine Hand auf mein rasendes Herz und öffne die Augen, um die ungewohnte Umgebung bewusst wahrzunehmen. Es ist alles gut, ich bin hier in Sicherheit. Mein Blick gleitet zu dem runden Tisch, auf dem eine Vase mit frischen Blumen steht und weiter zum dem leicht geöffneten Fenster, das eine Brise in das Wohn- und Esszimmer meiner Freundin lässt. Die weißen Vorhänge wehen sanft im Sommerwind und beruhigen mein Gemüt.

Vorsichtig richte ich mich auf. Mein Körper schmerzt immer noch mit jeder Bewegung, auch wenn mir die Nacht auf einer Couch gutgetan hat. Noch eine Nacht in einem Tankstellen-Restaurant hätte mein Körper sicher nicht mitgemacht.

Am liebsten würde ich mich einfach umdrehen und weiterschlafen, aber ich weiß, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis Chrissy hinunterkommt, um ein kurzes Frühstück für Martin vorzubereiten und ihn dann zum Schulbus zu scheuchen.

Bis dahin möchte ich meine blauen Flecken unter einer dicken Schicht Make-Up versteckt haben. Auch wenn sie längst ahnt, dass etwas im Busch ist, traue ich mich nicht, mit ihr darüber zu reden, was vorgestern Abend geschehen ist. Dafür schäme ich mich zu sehr.

Sie mag Mick. Alle mögen ihn und sie haben alle Mitleid mit ihm, weil er immer noch keinen neuen Job gefunden hat, nachdem die Werkstatt schließen musste, in der er vorher gearbeitet hat.

Sie würde es nicht verstehen.

Ich verstehe es ja selbst kaum.

Aus meiner Handtasche hole ich mein Make-Up, dann mache ich mich auf den Weg ins Badezimmer, um die Spuren verschwinden zu lassen. Die Beule an meiner Stirn hat an Umfang abgenommen, auch das Lila ist schon ein bisschen verblasst, aber ich bin mir sicher, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis man nichts mehr davon sieht. Die blauen Flecken von seinem letzten Übergriff kann ich glücklicherweise unter meiner Kleidung verdecken.

Dieses Mal hat er mir keine SMS geschickt. Er hat nicht versucht anzurufen, um mich zu fragen, wo ich meine Nächte verbracht habe. Entweder interessiert es ihn nicht oder er schämt sich zu sehr für das, was er mir beinahe angetan hätte.

Die Erinnerung daran lässt mich erschaudern und treibt Tränen in meine Augen, die ich hektisch wegblinzle. Was ist nur aus uns geworden? Aus ihm?

»Cami?« Chrissy klopft an die Badezimmertür. »Möchtest du auch einen Kaffee?«

»Ja, gerne«, rufe ich zurück, wieder in der Realität angelangt. Ich schlüpfe in eine dunkle Hose und meine weiße Lieblingsbluse. Für das Abendessen mit Parker werde ich nach der Arbeit in ein Kleid wechseln.

Als ich aus dem Badezimmer komme, sitzen Martin und Chrissy schon an der Kücheninsel. Martin ist zwölf und ein toller Sohn. Er wünscht mir höflich einen guten Morgen, bevor er sich wieder seiner Schüssel Müsli zuwendet.

»Hast du gut geschlafen?«, zwitschert Chrissy und stellt einen Kaffee vor mir ab. Ich bediene mich an der Milch und schaue dabei zu, wie sich die Flüssigkeit in meiner Tasse zu einem cremigen Braun verändert.

»Es ging so«, gebe ich zu. »Ich bin ein bisschen nervös, weil ich die Sache mit Parker nicht vermasseln will.«

Das ist zwar nicht der Grund dafür, warum ich so schlecht geschlafen habe, aber es sollte ausreichen, um sie nicht weiter nachhaken zu lassen.

»Er hat dich hergebracht. Meinst du nicht, dass das ein gutes Zeichen ist?« Chrissy schließt die Augen und trinkt ein paar Schlucke Kaffee. »Mit Melissa hat er seit der letzten Lesung kaum noch ein Wort gewechselt. Du machst also Fortschritte.« Ihr Blick gleitet zur Uhr. »Oh, Martin, du bist schon wieder spät dran. Los, dein Bus fährt in ein paar Minuten.«

Martin grummelt etwas und rutscht von seinem Hocker, um seine Schultasche aufzuziehen. Er weicht Chrissys Kuss auf die Wange mit einer Grimasse aus und verabschiedet sich von mir.

»Viel Spaß in der Schule«, rufe ich ihm hinterher.

 

[10]

Camille

 

Nachdem die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, beginnt die Verhörstunde. Chrissy konnte es gestern Abend kaum erwarten mich auszuquetschen. So ist es kein Wunder, dass sie sich nun vorbeugt und kein Blatt vor den Mund nimmt.

»Also, was ist mit dir und Mick? Habt ihr euch gestritten?«

Ich schiebe den Kaffee von mir. »Ehrlich gesagt, möchte ich nicht darüber reden.«

»Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, Cami.« Sie streckt ihre Hand aus, um nach meiner zu greifen. »Ich bin immer für dich da. Egal, was los ist.«

»Ich weiß.« Ich lächle sie dankbar an. Einerseits will ich ihr erzählen, was geschehen ist, andererseits schäme ich mich viel zu sehr. Sie wird mich dafür verurteilen, dass ich ihn verletzt und allein gelassen habe. »Danke.«

Sie zieht eine Braue hoch und wirft ihr Haar über eine Schulter nach hinten. »So leicht kommst du mir trotzdem nicht davon. Du tauchst mit Ashton Parker hier auf und willst nicht zu Hause übernachten und dann glaubst du, ich würde nicht wissen wollen, was los ist? Stehst du auf ihn?«

»Was?« Ich reiße die Augen auf. »Auf wen?«

»Parker — wen sonst?«

»Nein«, rufe ich laut. »Niemals!«

»Oh, komm schon, er ist ein Prachtexemplar von einem Schriftsteller.« Chrissy lacht. »Wenn er nicht viel zu jung für mich wäre, hätte ich ihn mir längst geangelt. Wer kann so einem Lächeln schon widerstehen?«

Zugegeben, Parker sieht wirklich nicht schlecht aus mit seinen blauen Augen und den dunklen Haaren. Das Lächeln, das er mir zum Abschied zugeworfen hat, war das, was mich sofort davon überzeugt hat, dass er nicht so ein Griesgram ist, wie er vorgibt zu sein.

»Er ist ein Idiot«, widerspreche ich und versuche nicht darüber nachzudenken, dass er eine Wandlung von 180 Grad gemacht hat, als er meine Schmerzen gesehen hat. »Arrogant und unverschämt. Ich verstehe nicht, wie Melissa mit ihm zusammenarbeiten konnte.«

Chrissy grinst. »Wirklich ein Jammer, dass er erst siebenundzwanzig ist. Meinst du, er steht auf ältere Frauen mit Kindern?«

Ich schüttle belustigt den Kopf. Seit Chrissy sich von ihrem Mann getrennt hat, tut sie immer so, als wäre sie auf der Suche nach dem perfekten Liebhaber. In Wirklichkeit graut es ihr jedoch davor, sich noch einmal so sehr in einen Mann zu verlieben, dass er ihr das Herz brechen könnte.

»Glaub mir, Ashton Parker wäre eindeutig kein guter Vater.«

»Was ist mit Mick und dir?«, fragt sie. »Wolltet ihr nicht bald anfangen?«