How to be single in your 30s - Vanessa Rappa - E-Book

How to be single in your 30s E-Book

Vanessa Rappa

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vielleicht bin ich selbst die Liebe meines Lebens!

Dieses Buch ist (k)eine Anleitung, wie man Männer datet und so den richtigen für sich herausfischt: 10 Schritte, um ihn von dir „obsessed“ zu machen! Nein, danke. Das Letzte, was wir Frauen brauchen, sind noch mehr gut gemeinte Ratschläge, wie wir uns bis zur Unkenntlichkeit verstellen, damit uns verzweifelte Seelen ein Mann (IRGENDEIN Mann!!!) ENDLICH auswählt und liebt. Ich weiß, wovon ich spreche. In den letzten 3 Jahren habe ich über 50 Männer gedatet. Dieses Buch ist eine Abrechnung von mir (einer hoffungslosen Romantikerin) mit Männern, die mich an der Liebe haben zweifeln lassen, mit Online Dating Coaches, die mir zu mehr Weiblichkeit raten und Tante Emma, die denkt „Es passiert dann, wenn du es am wenigsten erwartest“, wäre tatsächlich ein toller Tipp.
Und kleiner Disclaimer: Ja, vielleicht bleibst du für immer allein… Aber wäre das wirklich so schlimm, wie uns immer alle versuchen einzureden? Das klingt jetzt alles düsterer als ich es meine… Das Buch ist empowerned für alle Single Frauen. Versprochen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Für Eileen, Clara & Sarina.Für meine Freundinnen in der Heimat & meine Freundinnen in meinem neuen Zuhause.

Kapitel 1 30 ist deine Superpower

Song: Growing Sideways – Noah Kahan

Die Luft riecht nach Eiscreme und Neuanfang. Schon verrückt, was ein paar Sonnenstrahlen auf der Haut ausmachen. Und wie gut diese Wärme auch von innen tut – vor allem, wenn man gerade einen nicht enden wollenden Winter in Deutschland hinter sich gebracht hat. Man sagt, dass in Valencia das ganze Jahr über die Sonne scheint … Wie schön für mich! Denn nun stehe ich hier. Voller Hoffnungen und Erwartungen – und dennoch wie ein Außenseiter in dieser Stadt, die ich zu meinem neuen zu Hause auserkoren habe. Ich habe das Gefühl, aufzufallen, noch nicht richtig dazu zu gehören, und dass mich alle anstarren. Als wäre ich ein Fremdkörper und alle wüssten es. Fast so wie es mir immer in Deutschland ging.

Aber gerade liegt es wohl eher an der Tatsache, dass ich bei knapp 30 Grad einen Hoodie und darüber sogar noch eine Jeansjacke trage. Dazu eine lange Hose und meine dicken Dr. Martens, die auch als Winterstiefel durchgehen könnten. Das passt nun wirklich nicht in diese Palmenlandschaft, die vor mir liegt. Aber ich habe keine andere Wahl. Die Menschen um mich herum können nicht wissen, dass ich das nur tue, weil alles, was ich zurzeit besitze, jederzeit mit mir reisen muss und ich keinen Platz mehr in meinem viel zu kleinen Koffer hatte. Sie ahnen nicht, wie müde ich davon bin, aus besagtem Koffer zu leben und wie sehr ich sie darum beneide, dass sie heute Abend wahrscheinlich in ihre eigenen vier Wände gehen werden: Einen Ort, den sie ihr zu Hause nennen, während ich noch auf der Suche danach bin. Sie sehen nicht, wie ich mich in diesem Moment fühle: Verschwitzt. Aber vor allem verloren. Weil ich der Stadt, die ich bis vor kurzem noch mein zu Hause nannte, den Rücken gekehrt habe, ohne zu wissen, wohin mit mir. Ohne einen wirklich Plan.

I’m afraid that I might never have met me, singt Noah Kahan mir ins Ohr, als ich auf dem Weg in meine neue vorübergehende Unterkunft ins Taxi steige.

Diese Textzeile bringt mich zum Nachdenken: Die Angst davor, sich selbst nie kennengelernt zu haben. Ein Gefühl, das man vor allem aus seinen jüngeren Jahren kennt. Denn sich verloren zu fühlen im Prozess des Erwachsenwerdens ist normal. Es gehört in gewisser Weise dazu. Jeder kennt es schließlich: Die 20er sind wild und bestimmt von vielen Entscheidungen, die die Weichen für die Zukunft stellen – Studium, der erste Job, nicht selten eine Partnerschaft fürs Leben. Aber niemand redet darüber, dass man sich auch als erwachsene Frau, in meinem Fall 33 Jahre an der Zahl, genauso oft verloren fühlen kann. Schaut man links und rechts auf andere, sieht man nämlich vor allem eines: Ein gewisses »Angekommen-Sein« hat sich bei den meisten eingestellt. Viele sind verheiratet, haben schon Kinder oder planen es, welche zu bekommen, sind im Job erfolgreich und haben einen Ort zu ihrer Heimat erkoren. Ich bewundere all jene, die Wurzeln geschlagen haben.

Und dann gibt es da die anderen: Die, die noch auf der Suche sind. Zu denen gehöre ich. Aber auf der Suche wonach bin ich eigentlich? Und viel wichtiger: Müsste ich dieses »Was-auch-immer« nicht schon längst gefunden haben? Eine gewisse Scham schwingt immer mit, wenn man das Gefühl hat, dass es gerade nicht mehr vorwärts geht. Oder besser gesagt: Nicht schnell genug. Als würde man auf der Stelle treten, weil man falsch abgebogen ist und sich verirrt hat. Wenn man sich eingestehen muss, dass man vielleicht eine Entscheidung getroffen hat in der Hoffnung auf einfache und schnelle Antworten, obwohl man komplexe Fragen gestellt hat. Und wenn man spürt: Gerade komme ich an diesem Punkt nicht weiter. Die erhofften Antworten bleiben somit aus, und man muss dabei zuschauen, wie man von allen anderen überholt wird, die eben genau dieses »Was-auch-immer« schon gefunden haben, welches man selbst so gerne hätte.

I keep growing sideways, singt Noah dann noch.

Plötzlich fällt der Groschen: Vielleicht muss es nämlich manchmal nicht der Weg nach vorne sein. Vor allem, wenn man nicht weiß, wohin. Vielleicht ist der richtige Weg manchmal, »seitwärts zu wachsen«, bei sich zu bleiben und genau da, wo man gerade ist, anzusetzen, statt 15 Schritte weiter zu denken. Nur wir selbst entscheiden nämlich, was es am Ende bedeutet, dass man sich selbst kennengelernt hat. Mit allen Höhen und Tiefen. Es ist verrückt, wie oft man das eigene Glück trotzdem noch an der Bestätigung anderer festmacht – und daran, was allgemeingültig betrachtet richtig und falsch ist.

Denn: Unsere Gesellschaft verlangt in gewisser Weise klare Lebenswege, und dass alles geradlinig läuft. Es kann frustrierend sein, wenn man das Gefühl nicht loswird, seinen Platz nicht zu finden, egal wie sehr man sich anstrengt. Oder dass es so lange dauert und man mit über 30 nicht so »angekommen« ist wie manche Menschen mit Anfang 20. Ist alleinstehend zu sein ab einem gewissen Alter automatisch traurig und bemitleidenswert? Und wenn ich schon Single und kinderlos bin, sollte ich dann nicht wenigstens das Klischee der Karrierefrau bedienen und bereits mindestens drei Eigentumswohnungen besitzen? Ich kann nichts davon vorweisen. Und wäre da nicht der Druck von außen, wäre ich erstaunlich fein damit.

Growing sideways spiegelt genau dieses Gefühl wider: Das Leben ist eben KEIN Wettlauf, und es gibt für die eigenen Entscheidungen keine Jury, die darüber bestimmt, ob diese richtig oder falsch sind. Jeder von uns ist auf seiner eigenen Reise und kommt dann am Ziel an, wann er eben ankommt. Selbst, wenn das bedeutet, manchmal vom ursprünglichen Weg abzukommen und sich neu sortieren zu müssen. Selbst, wenn das bedeutet, mit über 30 verschwitzt an einem Bahnhof in Spanien anzukommen, aus dem Koffer zu leben und einen Neustart in einem fremden Land zu wagen, wo man den Ausgang noch nicht vorhersehen kann. Aber wann kann man das schon?

Die Andrew-Tate-Verschnitte dieser Welt reden uns gerne ein, dass der Wert einer Frau ab 30 sinkt. Es ist absolut furchtbar, Menschen in Kategorien zu unterteilen oder ihnen einen Wert beimessen zu wollen, und ich sage ja immer: Hört auf, Männer vor ein Podcastmikrofon zu setzen. Trotzdem erwische ich mich manchmal bei dem Gedanken: Was, wenn meine besten Jahre schon hinter mir liegen und ich wirklich für immer allein bleiben werde? Sich von diesem misogynen Bullshit freizumachen, kostet viel Kraft. Denn ich weiß, dass ich anders lebe als die meisten Frauen in meinem Alter. Nur durch meine reine Existenz gerate ich schon in Erklärungsnot.

Aber das Leben hört doch nicht auf, wundervoll zu sein, bloß weil man nicht mehr 25 ist. Und wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse, merke ich schnell: Ich würde nicht tauschen wollen mit einer 20-Jährigen. Schon gar nicht mit der 20-jährgen Version von mir selbst. Für kein Geld der Welt. Die 20-jährige Vany war zwar auch schon eine große Träumerin, aber auch zu unsicher, um wirklich in die Pötte zu kommen. Das ist jetzt – mehr als zehn Jahre später – anders. Zum Glück. Mit jedem Lebensjahr kam mehr Selbstvertrauen dazu, mehr Lebenserfahrung und mehr Geschichten, die mich auf die Probe gestellt haben. Geschichten, bei denen ich mutig sein musste und belohnt wurde.

Das heißt nicht, dass ich nicht auch heute noch ab und an auf die Schnauze falle – aber man lernt vom Auf-die-Schnauze-Fallen dazu. Deswegen sage ich nun: Ich habe alle Zeit der Welt. Überholt mich ruhig. Findet euer Glück. Ich finde meines genau hier, wo ich gerade stehe und nirgendwo anders, denn: I keep growing sideways, and I’m okay with it. Man stelle sich nur mal vor, alle Frauen würden anfangen, so zu denken, und aufhören, ihren 20ern hinterher zu trauen.

Ich sage: 30 zu sein ist unsere Superpower! Oder akzeptierst du nach wie vor Dinge, die mit Anfang 20 noch in Ordnung für dich waren? Vielleicht reden manche Männer im Internet uns deswegen ein, wir würden an Wert verlieren: weil wir jetzt unseren Wert erkennen, wissen, was wir wollen und nicht mehr wollen, und weil wir dadurch schwerer zu manipulieren sind. Wir sind nicht mehr so schnell beeindruckt, und wir glauben ihnen nicht alles blind. Bei jungen Frauen ist das vielleicht noch einfacher – zumindest, bis sie einmal eine schmerzliche Erfahrung mit einem Mann machen mussten, älter und reifer werden und diese Dinge nicht mehr mit sich machen lassen. Mit anderen Worten: Älterwerden ist unsere Superkraft.

Sechs Monate ist es nun her, dass ich verschwitzt in Valencia angekommen bin. Zur Feier des halben Jubiläums setze ich mich allein in eines meiner Lieblingscafés in Rusafa, bestelle einen großen Iced Coffee mit Hafermilch und ein Stück Schokoladentorte. Es war nicht immer leicht in den letzten Monaten, aber hier bin ich nun. Eine kleine Spanierin. Über 30. Single. Glücklich. Meistens zumindest. Die Schokoladentorte hilft. Am Nebentisch sitzen zwei Frauen, die ich auf Mitte 40 schätze. Sie stecken ihre Köpfe über ihrem Journal zusammen. Nach einer Weile schauen sie sich an, ganz aufgeregt, wer als Erstes loslegen darf.

»Na los, fang schon an!«, sagt die eine.

Ihre volle Aufmerksamkeit liegt auf ihrer Freundin. Und ich kann nicht anders, als den beiden zu lauschen. Ich werde Zeugin davon, wie die beiden sich von ihren Wünschen und Zielen der letzten sechs Monate erzählen und Revue passieren lassen, was davon geklappt hat und was nicht.

»Ich habe mir gewünscht, in Valencia neue Freundschaften mit Menschen zu schließen, die die gleichen Interessen haben wie ich«, sagt sie.

»Spot on!«, entgegnet ihre Freundin laut und feiert ihren Erfolg, als wäre es ihr eigener! Sisterhood vom Feinsten. Was mir besonders positiv auffällt: Die beiden sprechen über alles Mögliche. Über das Ankommen in Valencia, das Yoga-Retreat in Marokko, das ihr Leben verändert hat, darüber, dass sie dankbar sind, in der anderen eine Freundin fürs Leben gefunden zu haben. Erst nach einer Weile merke ich: Mit keinem Wort wurde hier ein Mann erwähnt. Was nur bedeuten kann: Entweder sie sind bereits in einer glücklichen Beziehung oder sie haben es einfach geschafft, Männer nicht zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen. So oder so: Anscheinend sind die beiden mir einen Schritt voraus. Und doch haben wir etwas gemeinsam: Offensichtlich haben wir drei vor sechs Monaten ein neues Leben in Valencia angefangen. Vor sechs Monaten sah unser Leben noch ganz anders aus. Vielleicht sind die beiden auch »seitwärts gewachsen«. Ich hätte gerne mehr über sie erfahren – über diese zwei fremden Frauen, die an einem Dienstagmittag wahrscheinlich ganz stolz nach Hause gehen, weil sie ein tolles halbes Jahr verlebt haben. Wer weiß, wo sie in weiteren 180 Tagen stehen werden? Wer weiß, wo ich sein werde?

Und dann fällt doch noch ein Wort über einen Mann: »Ich bin lieber allein als mit jemandem, der mich einsam fühlen lässt«, sagt die eine Freundin zur anderen.

Bäm.

Kapitel 2Jack (das Muster)

Song: Bad Idea – girl in red

An diesem Morgen blicke ich gedankenversunken aus meinem Wohnzimmerfenster, während ich einen Schluck von meinem Iced Coffee nehme. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint und egal, in welche Richtung ich blicke, sehe ich eine Palme. Und als wäre das allein nicht die Definition von purem Glück, schickt mir meine Mutter auch noch ein Foto aus meiner verschneiten deutschen Heimat. Das Leben könnte also gerade wirklich schlechter sein. Und doch stehe ich hier mit einem schweren Herzen. Gestern habe ich mal wieder eine »Kennenlernphase« mit einem Mann beendet, den ich irgendwie mochte. Aber es hat – wie so oft im Leben – einfach nicht gepasst. Jack wollte Kinder und ich nicht. Jack hat mir sogar einmal gesagt, dass ich meine Meinung auf jeden Fall noch ändern würde, weil jede Frau tief in ihrem Herzen eigentlich Kinder will.

Jack hat mir nie auch nur ein einziges Kompliment gemacht. Und als ich es einmal angesprochen hab, hat Jack es so hingedreht, als wäre ich unsicher.

»Komplimente verlieren an Bedeutung, wenn man sie macht, deswegen wirst du keine von mir bekommen.«, hat Jack mir dann erklärt.

Jack hat irgendwann sogar angefangen, schlecht über meine Freundinnen zu sprechen. Was mit ihnen – und gleichzeitig also auch mit mir – nicht stimme: Über 30 und immer noch allein zu sein, das konnte er mit seinen 27 Jahren nicht verstehen. Als ich ihm sagte, dass ich das nicht mag, hat Jack nur die Augenbraue nach oben gezogen, mich mit seinen grünen Augen und den langen Wimpern angeschaut und mich dahinschmelzen lassen. An Jack war eben nicht alles schlecht. Und damit meine ich nicht nur seine Augen. So viel Selbstrespekt habe ich dann schon noch.

Nein … Anfangs war er sehr bemüht um mich und gab mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Ich bekam jeden Morgen ein Foto vom Sonnenaufgang am Meer mit den Worten Good morning gorgeaus x. Mein Herz schmolz, weil ich es in seinem unverschämt charmanten britischen Akzent las. Jedes unserer Dates plante er sorgfältig. Manchmal schickte er mir über WhatsApp eine Umfrage, bei der ich auswählen durfte, was wir als Nächstes unternehmen wollten: in die Oper, zusammen kochen, einen Ausflug nach Bilbao, ins Planetarium oder vielleicht doch lieber ein Candle Light Concert? Jack gingen nie die Ideen für besondere Dates aus, das schätzte ich sehr an ihm.

Ich habe wirklich versucht, das Gute in ihm zu sehen. Ist nicht genau dafür eine Kennenlernphase da? Na ja, »das Gute in jemandem sehen« ist sehr romantisiert ausgedrückt. Eher sollte man in dieser Zeit feststellen, ob man zusammenpasst oder nicht – und das ohne rosarote Brille. In der Theorie klingt das völlig unaufgeregt. Man lebt sein Leben, lernt jemanden kennen, geht auf ein erstes Date, versteht sich ganz gut, geht auf ein zweites, drittes, mehrere Dates – und zack: Man befindet sich nicht (wie das vielleicht früher mal der Fall war) in einer Beziehung, sondern erstmal in einer Art »Probeabo« – der Kennenlernphase. Denn zu früh schon ein Commitment eingehen – das möchte im Jahr 2025 nun wirklich niemand mehr. Bloß kein Risiko, und immer schön mit dem Flow schwimmen. Mal schauen, was passiert, lautet das Motto. Und wenn es gut geht: Yay! Du hast die Kennenlernphase erfolgreich abgeschlossen und bist jetzt in einer Situationship! Und wenn nicht? Na ja, dann ist das auch nicht so schlimm wie echter Liebeskummer. Schließlich war man ja nie wirklich zusammen. Man hat nur all die Dinge getan, die man auch in einer Beziehung so macht. Man lernt möglicherweise alle Freunde kennen, hat romantische Momente, ist in schweren Zeiten füreinander da und erzählt sich von seinen tiefsten Hoffnungen, Träumen, Sorgen und Ängsten, weil man Vertrauen aufbaut. ABERWEHE, man trauert so einem Menschen länger nach als nötig. Man war schließlich nicht »richtig« zusammen. Wenn dein Herz den Unterschied nicht kennt, bist du eben selbst schuld.

Und so vergingen die Wochen, und ich mochte Jack immer mehr, denn: Je mehr Zeit man zusammen verbringt, desto häufiger bastelt man sich aus den roten Flaggen einfach Augenbinden. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Bei unserem zweiten Date holte Jack mich mit seiner Vespa zu Hause ab, und wir fuhren zum Parque de la Cabecera, weil man dort einen wunderschönen Ausblick auf den Sonnenuntergang über Valencia hat. Ich packte Picknickdecke und Snacks ein, und so saßen wir zwei Turteltäubchen da oben wie frisch Verliebte. Zu diesem Zeitpunkt war ich ihm eigentlich schon verfallen, da er ein Gentleman aus dem Buche war und ich das gar nicht mehr von Männern gewohnt war. Er ließ mich zum Beispiel nie auf der Straßenseite des Gehwegs laufen, hielt mir die Tür auf und machte mir immer besonders liebevoll den Helm für die Vespa auf und zu. Später an diesem Abend schaute er mir bei meinem Lieblingsitaliener in Rusafa tief in die Augen. Aber er sagte nicht etwa, was für ein bezauberndes Lächeln ich hätte oder wie sehr er die Zeit mit mir schätzte. Nein – er fragte geradeheraus, was ich alles an meinem Gesicht hätte machen lassen.

»Ähh … wie bitte?«, entgegnete ich, völlig aus meinem Liebesfilm gerissen.

»Sag schon. Ich sehe das doch sowieso.«

Warum ihm das wichtig war, verstehe ich bis heute nicht. Aber ich sagte ihm, dass ich Filler in den Lippen hätte und meine Nase gemacht sei.

»Aha. Und was ist mit deinem Kinn?«, bohrte er weiter nach.

»Was ist denn mit meinem Kinn?«

»Na ja. Das sieht so aus, als hättest du da auch mal was unterspritzen lassen und als würde es jetzt zurückkommen.«

»Als würde WAS zurückkommen?«

Ich wusste wirklich nicht, wovon er sprach. Umso schockierender war, was ich gleich hören würde.

»Na ja, dein Arschkinn.«

Er zögerte nicht mal. Er haute es einfach direkt raus. Da waren wir drei nun also bei unserem ersten romantischen Dinner: Jack, mein Arschkinn und ich.

Es hat lange gedauert, dass ich das überhaupt denken konnte, aber: Ich mochte mein Aussehen. Natürlich wachte ich manchmal morgens auf und fragte mich, ob mein Gesicht das Memo nicht bekommen hat, dass wir jetzt wach waren, so zerknautscht wie ich aussah. Aber ich sah eben aus, wie ich aussah, und fand das okay. Wenn mir ein fremder Typ was von einem Arschkinn erzählte, dann konnte ich das abschütteln. Und doch erzählte ich meinen Freundinnen von diesem Moment, während ich vor dem Spiegel stand und an meinem Kinn hin und her schob. Für meine Freundinnen gab es ab dem Arschkinnmoment keinen guten Grund mehr, ihn weiter zu daten. Aber ich machte weiter. Weil er ja – wie gesagt – auch zuckersüß sein konnte. Und weil er so gut aussah. Und weil er mir was von einer gemeinsamen Zukunft in London vorschwärmte. Ich wollte zwar gar nicht nach London ziehen, aber ich war sehr fokussiert auf den Part mit der gemeinsamen Zukunft. Mit einem Typen, den ich seit zwei Dates kannte. Der mir sagte, ich hätte ein Arschkinn.

In den nächsten Wochen, in denen ich Jack datete, sagte er immer mal wieder sehr gemeine Dinge zu mir. Ich ignorierte sie alle, bis ich eines Morgens in seiner Instagram-Story sah, dass er Trump-Supporter war. Das war dann doch einer zu viel. Anscheinend hatte ich meinen Selbstwert nicht ganz unter Kontrolle, aber immerhin schien mein politischer Radar noch zu stimmen.

Und auch, wenn Jack und ich offensichtlich nicht zusammengepasst haben und er keiner von den Guten war: Dieses Ende tat mal wieder weh. Etwas zu beenden, war nie schön. Egal, ob man sich drei Monate gedatet hat oder drei Jahre und egal, ob man eigentlich wusste, dass der future husband sich nicht so verhalten würde, wie ein Jack es getan hat. Erstmal waren das trotz allem unangenehme Gefühle. Alles, was ich wollte, waren ein paar Komplimente von jemandem, der keinen Politiker dabei unterstützte, Frauen in ihren Rechten einzuschränken. War das wirklich zu viel verlangt??? Nein. Und auch, wenn ich all das wusste, war es trotz allem eine Form der Zurückweisung. EKEEEEEEELHAFT war das.

Und nicht nur das! Wenn eine Kennenlernphase endet, liegt es erstmal nahe, die Schuld bei sich zu suchen. War ich nicht gut genug? Nicht interessant, witzig, charmant oder gar schlank genug? Das Hirn ist da ganz kreativ bei der Fehlersuche. Und dann bekommt man oft das Gefühl, sich beweisen zu müssen. So nach dem Motto: Gib mir noch ein bisschen Zeit, und du wirst schon sehen, dass ich eine coole Socke bin und was du hier gerade verpasst! Manchmal – wenn man ganz verzweifelt und traurig ist – versucht man sich auch an einem Manifestations-YouTube-Ritual. Aber dem Richtigen muss man im Normalfall nix beweisen. Und der Richtige wird auch nicht über die Tarot-Dame auf TikTok mit dir kommunizieren. Der mag einen einfach. So wie man ist. Und der sagt einem das auch so direkt. Zumindest möchte ich den Glauben daran nicht verlieren. Es könnte doch alles so einfach sein, wenn man nicht jedes Mal ein Stück von seinem Herzen hergeben würde, wenn man dieses Risiko »Kennenlernphase« eingeht.

An diesem wunderschönen Morgen in Valencia muss ich mich also fragen: Wie viel kann ich noch von mir geben, ohne mich selbst dabei völlig zu verlieren? Wie viele bedeutungslose »Kennenlernphasen« kann mein Herz noch überstehen?

Wenn die rosarote Brille einmal wieder abgenommen ist und das Gehirn klar denken kann, weil es nicht mehr durch einen Hormoncocktail von anfänglicher Verliebtheit vergiftet ist, merkt man aber schnell: Die Antwort sollte lieber eine Gegenfrage sein! Nämlich: Wieso habe ich es Jack überhaupt erlaubt, mich so zu behandeln? Und wieso bin ich nicht sofort gegangen, als mir die ersten Red Flags entgegenschlugen wie die kleinen Fliegen gegen das Visier bei unseren Vespa-Fahrten?

Sagt das nicht viel mehr über mich statt über ihn aus? Wollte ich wirklich nur das »Gute in ihm sehen« oder steckt da doch mehr dahinter, wenn ich einmal ganz ehrlich zu mir selbst bin? Kann es vielleicht sein – und Gott bewahre, dass ich das wirklich denke – dass ich … Oh Mann, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … dass ICH – diejenige, die ein ganzes Buch darüber geschrieben hat, wieso es okay ist, nach sieben Jahren Beziehung Schluss zu machen und dass allein sein gar nicht so schlimm ist … dass ich eventuell Folgendes denke: Ist die Aufmerksamkeit des offensichtlich falschen Mannes besser als gar niemanden zu daten?

Für diesen Gedanken brauche ich einen großen Schluck Iced Coffee. Denn rückblickend hätte ganz klar bei der Kinderfrage der Ofen schon aus sein sollen, ALLERSPÄTESTENS beim Arschkinnmoment. Aber es war doch so schön, immerhin jemanden zu haben, dem man abends von seinem Tag erzählen und mit dem man an kalten Tagen kuscheln konnte …

Kalte Tage? In Valencia? Die sind so selten wie ein Typ auf Tinder mit ernsten Absichten. Das sollte Erklärung genug sein, wie katastrophal es um meinen Selbstwert stand. Und während ich so auf die Palmenlandschaft vor mir blicke, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Jack ist kein Einzelfall. Männer wie Jack sind mein Muster.

Kapitel 3Red Flags sind die Würze in der Suppe des Lebens

Song: Shoot me dead – Cameron Whitcomb

Ich stelle fest: Mein Liebesleben ist eine große Katastrophe. Ich habe mich nicht nur von Jack schlecht behandeln lassen, sondern Männer wie ihn in den letzten fünf Jahren wie magisch in mein Leben gezogen. Getreu dem Motto: Die Red Flags sind die Würze in der Suppe des Lebens.

»Whats another heartbreak?«, scherze ich gerne vor meinen Freundinnen, wenn ich mir mal wieder einen Typen angelacht habe, der offensichtlich in keinerlei Hinsicht gut für mich sein wird. Es ist, als würde ich immer wieder mit dem Feuer spielen wollen. So war es auch mit Jack. Als ich ihn kennenlernte, war ich direkt hin und weg. Er war ein klassischer Schönling: Grüne Augen mit langen Wimpern (was ja schon eine tödliche Kombination ist), und er sah so aus, als würde er nicht nur im Gym trainieren, sondern als wäre er dort eingezogen. Noch dazu ein britischer Akzent. Hach … Ein schöner Mann war ja auch nicht das Problem, denn das Auge aß schließlich mit. Problematisch wurde es dann, wenn er sich seines Effekts auf Frauen bewusst war. Er wusste, dass er gut aussah – das sind die gefährlichsten Männer unter der Sonne. Aus jeder Pore seines Körpers spross Fuckboy-Energy und ich dachte: Hihi, ich kann ihn ändern!

Aber für die Jacks dieser Welt ist das alles ein Spiel. Ein paar Wochen gehen sie All-in und erzählen dir alles, von dem sie denken, dass du es hören willst. Bis du ihnen aus der Hand frisst. Denn es ist ja nicht so, dass wir dumm sind. Wir sind vorsichtig – anfangs zumindest noch. Irgendwie scheint alles zu schön, um wahr zu sein, aber nach ein paar Wochen denkt man sich: Wenn er sich jetzt schon so lang Mühe gibt, dann … mag er mich vielleicht wirklich? Wieso sollte er mir sonst morgens einen Kaffee ans Bett bringen? Oder mich zurückrufen? Oder mich nach dem Sex in den Arm nehmen?

Mir wird klar: Datet man eine Zeitlang ausschließlich Fuckboys, springt man irgendwann auf das absolute Minimum an Nettigkeiten an. Menschen in einer glücklichen Langzeitbeziehung können sich wahrscheinlich nicht mal vorstellen, welches dicke Fell man als Single-Frau heutzutage braucht. Jemanden in sein Leben einzuladen und nicht zu wissen, wie das ausgeht und ob die Person überhaupt gute Absichten hat, ist generell nichts für schwache Nerven. Aber lacht man sich die falsche Red Flag an, kann es dazu führen, dass das richtig an die Substanz geht. Und dann liegt man am Boden und ist noch anfälliger für weitere Menschen, die einen genauso schlecht oder vielleicht sogar noch schlechter behandeln. Weil sie eben nur das Mindestmaß an Nettigkeiten liefern und man so ausgehungert ist, dass man lieber diese Brotkrumen nimmt, als allein zu sein.

So ist man ziemlich schnell in einem Teufelskreis gefangen. Denn, wenn so viele Männer nicht gut zu einem sind, dann muss es doch an mir selbst liegen? Haben sie alle nicht vielleicht doch Recht und ich bin … nicht gut genug, um geliebt zu werden? Und dann ist da eben dieser eine, der sich doch ein bisschen Mühe gibt und anders zu sein scheint als die anderen … Also öffnet man sich mehr und mehr, legt die Skepsis und den damit verbundenen Schutzmantel ab, blendet alles aus, was besorgniserregend wäre, nur damit … der das dann irgendwie riechen kann und sich bei ihm ein Schalter umlegt. Als hätte er jetzt alles, was er will – nämlich die Gewissheit, dass er dich geknackt hat –, und wäre dann gelangweilt. On to the next. Klassischer Fuckboy-Move. Und das Schlimmste daran ist, dass man es EIGENTLICH