How to Fight Fate: Ist es wahre Liebe, wenn das Schicksal den Seelenpartner vorherbestimmt? Enemies-to-Lovers-Romantasy Young Adult Buch ab 14 Jahren (Fate Dilogie, Bd. 1) - Saskia Louis - E-Book
SONDERANGEBOT

How to Fight Fate: Ist es wahre Liebe, wenn das Schicksal den Seelenpartner vorherbestimmt? Enemies-to-Lovers-Romantasy Young Adult Buch ab 14 Jahren (Fate Dilogie, Bd. 1) E-Book

Saskia Louis

0,0
14,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Was ist stärker: Die Macht des Schicksals oder die Macht der Liebe?   Die 19-jährige Schicksalsnovizin Kiana fiebert ihrer Seelenzeremonie entgegen. Denn an der Seite ihres Seelenpartners soll sie unter der Göttin Moyra die Zukunft von Anima vorhersehen und das Land vor Bösem schützen. Doch kaum hat sie ihren Seelenverwandten gefunden, stirbt er ... und damit auch die Chance auf die wahre Liebe. Kiana weigert sich, dies anzunehmen, und macht sich auf den Weg zur Schicksalshöhle, um ihr Seelenband neu zu verknüpfen. Zu diesem Zweck verbündet sie sich mit dem Liebesnovizen Nevin und dem Kriegsnovizen Tyron. Letzterer ist zwar unausstehlich, aber äußerst mächtig …   - »How to Fight Fate« ist der Auftakt einer Young Adult Fantasy-Dilogie voller Plot-Twists, einer Prise Humor und einer starken Heldin, die sich dem Schicksal widersetzt! - Fantasy-Jugendbuch ab 14 Jahren vor dem Hintergrund eines Krieges zwischen Göttern - Herzerwärmende und mitreißende Enemies-to-Lovers-Romantasy über Vorherbestimmung und Verliebtsein - Ein Plädoyer für die wahre Liebe – egal ob romantisch, freundschaftlich oder geschwisterlich - Band 2 (»How to Kill Fate«) der Fantasy-Dilogie von Saskia Louis erscheint im Frühjahr 2026   Schicksal, Liebe, Krieg: Der Kampf der Götter und der Sieg des freien Willens   Seit nunmehr 300 Jahren kämpfen in Anima die Schicksalsgöttin und der Gott der Liebe gegen die Göttin des Kriegs. Wer zu einem der drei Götterorden gehört setzt im Kampf und zum Wohle des Lands Anima besondere Talente ein. Als Novizin der Schicksalsgöttin kann Kiana kurze Abschnitte der Zukunft vorhersehen; Liebesnovizen wie Nevin können die Stimmungen anderer beeinflussen und so talentierte Kriegsnovizen wie Tyron können nicht nur Waffen per Gedankenkraft lenken, sondern auch kurzzeitig übermenschlich stark sein. Ohne Seelenpartner ist man jedoch in Anima nichts wert – und wird dazu verdammt, ein einfaches und meist sehr kurzes Leben an der Front zu führen. Kann Kiana zusammen mit ihren Gefährten dieser Bestimmung entfliehen und den Lauf des Schicksals ändern?   Eine spektakuläre Romantasy-Dilogie, die vor widersprüchlichen Gefühlen und atemberaubenden Twists nur so strotzt! 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Kiana fiebert der Verbindung ihres Seelenbands entgegen: Endlich wird ihre Zeit der Einsamkeit enden – und ihre Kräfte als Novizin der Schicksalsgöttin werden wachsen! Doch als der ihr vom Schicksal zugedachte Partner stirbt, ist sie per Gesetz zu einem kurzen Leben als Frontsoldatin verdammt. Sollen die Opfer, die sie als Novizin erbracht hat, wirklich umsonst gewesen sein? Das will Kiana nicht hinnehmen! Sie beschließt, nach ihrem Seelenband zu suchen, um es neu zu verknüpfen. Gemeinsam mit zwei weiteren Schicksalsbrechern könnte das gefährliche Vorhaben gelingen, denn einer von ihnen ist ein mächtiger Kriegsnovize – allerdings auch absolut unausstehlich ...

Ein fantastisch-romantisches Plädoyer für die wahre, selbstbestimmte Liebe!

Zwei Seelen: Ein Band

neue Kräfte entflammt.

Zwei Seelen, getrennt

ihr Schicksal rot brennt.

DAS WOHL BERÜHMTESTE SPRICHWORT ANIMAS

Inhalt

Prolog

Kapitel 1 Kiana

Kapitel 2 Kiana

Kapitel 3 Kiana

Kapitel 4 Kiana

Kapitel 5 Kiana

Kapitel 6 Kiana

Kapitel 7 Tyron

Kapitel 8

Kapitel 9 Kiana

Kapitel 10 Kiana

Kapitel 11 Tyron

Kapitel 12 Kiana

Kapitel 13 Kiana

Kapitel 14 Kiana

Kapitel 15 Kiana

Kapitel 16 Kiana

Kapitel 17 Tyron

Kapitel 18 Kiana

Kapitel 19 Kiana

Kapitel 20 Kiana

Kapitel 21 Kiana

Kapitel 22 Kiana

Kapitel 23 Kiana

Kapitel 24 Tyron

Kapitel 25 Kiana

Kapitel 26 Kiana

Kapitel 27 Kiana

Kapitel 28 Tyron

Kapitel 29

Kapitel 30 Kiana

Kapitel 31 Kiana

Kapitel 32 Tyron

Kapitel 33 Kiana

Kapitel 34 Kiana

Kapitel 35 Kiana

Kapitel 36 Kiana

Kapitel 37 Kiana

Kapitel 38 Tyron

Kapitel 39 Kiana

Epilog

Kaltes Blut floss langsam.

Es brachte kaum noch Energie mit sich und es kam mir respektlos vor, sie zu nehmen. Den letzten Funken eines fremden Seins zu vereinnahmen und zu benutzen.

Ich tat es trotzdem.

Presste meine zitternden Hände auf die dicke Flüssigkeit, die über das weiße Kopfsteinpflaster rann. Sog stickige Luft, aber vor allem Kraft ein, beide geschwängert von Eisen und Entsetzen. Doch ich brauchte sie, um zu retten, was zu retten war.

»Er ist ziemlich tot.«

»Ich weiß.«

»Lebendig wäre besser gewesen.«

»Hör auf, das Offensichtliche auszusprechen!«, sagte ich genervt.

»Was ich sagen will, ist –«

»Ich vermute: Danke«, zischte ich und riss die Hände aus dem Blut sowie meinen silbernen Dolch aus dem schlaffen Körper vor mir, bevor ich beides an meiner Brust abwischte und aufstand, ohne den Toten noch eines Blickes zu würdigen. Ich war nicht seinetwegen hier. Aber ich würde seinetwegen wieder gehen müssen. Bastard.

Ich hörte die Schritte bereits. Die Nacht füllte sich mit Rufen und dem Wetzen von Metall. Die Kraft, die ich genommen hatte, würde nicht reichen – es waren zu viele.

Scheiße.

Mein Puls und meine Hände schossen in die Höhe. Ich riss den Kopf herum und wusste, was kam. Was hatte kommen müssen. Das Schicksal war schon immer wütend auf mich gewesen. Es hatte mich schon immer dafür gehasst, dass ich mich ihm nicht beugen wollte. Mich dafür bestraft, dass ich nicht mitspielte.

»Lauf.«

»Ich …«

Ich ballte die Fäuste. »Du kennst unsere Abmachung – und ich sagte: Lauf!«

Das Ich ist kostbar.

Das Du wichtig.

Das Wir das höchste Gut,

geboren aus Liebe und Schicksal.

AUS DEN SEELENBAND – GESETZEN NACH PAZAN UND MOYRA

Ich erkannte ihn an seinem Schatten.

An der Dunkelheit, die aus seinen Füßen floss und den blank polierten Kupferboden der Eingangshalle wie mit Tinte benetzte. Ja, Schatten studieren rangierte auf der Liste interessanter Zeitvertreibe wohl noch hinter Flusen pusten und Regenwolken in der Wüste zählen, aber wenn man selbst keinen Schatten besaß, wurde man zwangsläufig ein wenig besessen von denen anderer. Und mir genügte ein Blick, um zu wissen, dass dieser hier nichts verloren hatte. Ebenso wie der Mann, zu dem er gehörte.

Sein Schatten war schwärzer als die der anderen. Der Umriss dennoch nicht scharf, sondern ein flüchtiges Flackern, das ich mit dem Blick nur schwer zu fassen bekam. So, als verberge selbst noch sein dunkles Abbild, wer er wirklich war.

Er trug Pazans Farben – den goldenen Kragen und die goldenen Knöpfe der Ordensmitglieder des Gottes der Liebe. Doch sein Schatten … er flüsterte Kriegsnovize.

Ich verengte die Augen und neigte den Kopf. Was tat ein Kriegsnovize im göttlichen Palast? Soweit ich wusste, wurden Mitglieder des Kriegsordens nie als Besucher zur Seelenzeremonie eingeladen, da man sie zu dringend an der Front brauchte. Und dass der Mann nicht als Teilnehmer hier war, verriet mir seine Kleidung: Wir sollten unseren zukünftigen Partnerinnen und Partnern ohne Vorurteile gegenübertreten, sollten weder wissen, ob sie arm oder reich waren, noch woher sie kamen. Daher trugen wir Teilnehmer alle dasselbe, schlichte Gewand – nur unsere Gürtelfarben verrieten, ob wir zu einem Orden gehörten oder nicht. Oder unsere Schatten, wenn man so aufmerksam war wie ich.

Laut der Vorsitzenden meines Ordens grenzte meine Aufmerksamkeit an Besessenheit – ein Schutzmechanismus, der mir die letzten Jahre in Fleisch und Blut übergegangen war und mich im Waisenhaus vor den Angriffen der anderen bewahrt hatte. Ein Schutzmechanismus, den ich bald nicht mehr brauchen würde, denn heute würde ich einen Partner und einen Platz im göttlichen Palast erhalten, vorzugsweise in den oberen Rängen.

Hoffte ich. Betete ich zu Pazan und Moyra, die uns gleich im Seelensaal willkommen heißen würden. Sollte ich hingegen leer ausgehen … Ich schluckte und meine Finger verkrampften sich in meinem Zeremoniegewand. Das fließende Material lag so leicht auf, dass ich mich seltsam nackt darin fühlte. Um mich abzulenken, fuhr ich fort, den Eindringling mit dem verräterischen Schatten zu inspizieren.

Von den langen Beinen, die in den für Pazans Ordensmitglieder typischen hellbraunen, eng anliegenden Hosen steckten, bis zu den breiten Schultern, die gegen die Naht des goldenen Kragens der elfenbeinfarbenen Tunika ankämpften. Seine Haut hatte einen warmen bronzenen Farbton, einige Schattierungen dunkler als der meiner eigenen hellen, doch seine Augen –

Ich zuckte zusammen. Seine klaren grauen Augen waren auf mich gerichtet. Unnachgiebig und … amüsiert?

Als wäre ich es, die sich dafür schämen müsste, von ihm beim Starren ertappt zu werden. Dabei war er es, der offensichtlich unbefugt in den Palast der Götter eingedrungen war!

Ich reckte das Kinn, hielt den Blick und konnte nicht umhin, ein wenig Abscheu in ihn zu legen. Ich war noch nicht vielen Meistern oder Novizen des Krieges begegnet – doch sie alle hatten eines gemeinsam: Sie waren arrogant, hielten sich für unbesiegbar und begegneten jedem bösen Wort, jedem Flüstern von ihrem Verrat, mit einer ungesunden Prise Verachtung.

Dieser Kerl schien nicht anders zu sein. Wusste er nicht, dass ich ihn durchschaut hatte?

Seinen spöttisch gehobenen, schwarzen Augenbrauen nach zu urteilen, die dieselbe Farbe wie sein kurzes Haar hatten, war es ihm egal. Er sah an mir herab: Sein Blick blieb an dem kupfernen Band hängen, das eng um meine Taille geschnürt war, fuhr dann zum gleichfarbigen Saum meines Gewands. Er erkannte somit zweifellos, dass ich eine Schicksalsnovizin war. Ein Umstand, der schon immer Last und Geschenk zugleich gewesen war und Bewunderung sowie Missgunst mit sich brachte.

Doch der Blick des Kriegsnovizen machte mir keine Angst. Abgesehen von der Zeremonie, die in wenigen Augenblicken beginnen würde, machte mir schon seit Jahren nichts mehr Angst. Die kommenden Stunden … sie waren meine einzige Chance, mein Leben zu ändern. Und ich würde sie mir nicht nehmen lassen. Nicht von einem arrogant dreinblickenden Kriegsnovizen, der nichts in diesem Palast zu suchen hatte.

»Wunderschön, nicht wahr?«

Ich blinzelte und wandte mich nach rechts zu einer jungen Frau. Freundlichkeit war meiner Meinung nach attraktiver als ein Haufen hübscher Muskeln. Aber einen kurzen Moment lang wollte ich widerwillig zugeben, dass der fremde Krieger durchaus schön genug war, um als Liebesnovize durchzugehen. Wenn man seine Männer denn groß und muskulös mochte und einem hohe Wangenknochen sowie breite Schultern wichtiger waren als ein warmer Blick. Gerade noch rechtzeitig bemerkte ich allerdings, dass die Frau neben mir, deren schlichter schwarzer Gürtel sie als ordenslos verriet, überhaupt nicht auf den Kriegsnovizen achtete. Sie starrte stattdessen staunend aus einem der bodentiefen Palastfenster, offenbar entzückt von den roten Dächern Psyrs.

Sie hatte recht: Unsere Hauptstadt war tatsächlich wunderschön. Ich hatte von ihr gelesen, an einem der Nachmittage, die ich im Schutz der menschenleeren Bibliothek statt an der frischen Luft verbracht hatte, an der sich immer zu viele Leute tummelten. Psyr war vor Ewigkeiten aus Kupfer und weißem Stein gebaut worden, um Moyra zu ehren, die Göttin des Schicksals. So wie die Menschen im Osten des Landes dem Gott der Liebe mit Gold und Glas ihr Wohlwollen ausdrückten. Wie vor langer Zeit im Süden die Krieger ihrer Göttin Martia mit Silber und Holz gehuldigt hatten – bevor Martia den Krieg auslöste, der unserem Land seit 300 Jahren zahllose Opfer abverlangte. Die Mitglieder des Kriegsordens, die auf der Seite Animas verblieben waren, hatten die Huldigung gegen Hass eingetauscht und das Silber gegen Stahl, mit dem sie gegen Martia in die Schlacht zogen. Der einst prosperierende Süden bestand jetzt hauptsächlich aus ödem Land, brutalem Gestein und dem Versprechen von einem schnellen Tod an der Front.

Meine Heimatstadt stand nicht allzu weit von der ewigen Kriegslinie entfernt. Uns hatte nie ein direkter Angriff getroffen, doch wir brachten schon seit Jahren etliche verstorbene Soldaten auf unseren Friedhöfen unter. Diejenigen ohne Seelenpartner, die an die Front geschickt worden waren, weil sie nur ihr eigenes Leben zu verlieren hatten. Hier jedoch, in der Hauptstadt Animas, in der Mitte des Landes, herrschte schimmernder Frieden, der nichts als Sehnsucht und Vorfreude in mir auslöste. Denn wenn ich Glück hatte … – nein, Glück hatte keinerlei Bedeutung! – wenn das Schicksal es so wollte, würde ich nie wieder gehen müssen. Und das Schicksal war meine Freundin, also …

Die Frau neben mir seufzte und strich sich gedankenverloren über ihre dunkelbraunen Haare, die zu einem Kranz um ihren Kopf geflochten waren. »Ich war noch nie so weit von zu Hause fort«, erklärte sie. »Ich wusste nicht einmal, dass Häuser aus einem anderen Material als Sand gebaut werden können.«

»Du kommst aus Elimos?« Soweit ich wusste, waren die Wüstenlande der einzige Ort mit Häusern aus Sand, da es nirgendwo sonst so viel davon gab – und so wenig anderer Materialien.

Doch ich hörte ihrer bestätigenden Antwort nur mit halbem Ohr zu, denn mit dem Blick suchte ich erneut den Kriegsnovizen in fremden Kleidern … Er war verschwunden. Gut so.

»… aus einem Dorf direkt am Rand! Praktisch auf der Grenzlinie Animas. Meine Mutter hatte Angst, dass wir zu weit nördlich wohnen, um mir einen Platz in der Seelenzeremonie zu sichern«, fuhr meine neue Bekannte fort, die nichts von meiner geistigen Abwesenheit mitbekommen zu haben schien. »Sie war überglücklich, als der Brief kam und mich herbeordert hat. Ich habe bis jetzt noch keine Fähigkeiten gezeigt, aber falls ich einen Partner bekommen sollte …« Sie zögerte und verflocht nervös ihre Finger ineinander, doch ich sah, wie schwer ihr das Wort falls auf der Zunge lag. Verstand es. »Falls ich heute meinen Seelenverwandten finden sollte, würde sich das alles ändern. Wir könnten vielleicht sogar hierherziehen. Wo es Wasser und Essen im Überfluss gibt. Je nachdem, mit wem …« Sie räusperte sich. »Wen das Schicksal für mich bereithält.«

Ich lächelte und nickte fest. Der Norden unseres Landes war so trocken, dass manche Bewohner dort das Wort Regen erst mit zehn Jahren lernten. Doch ihnen fehlten das Geld, die Kräfte und die Mittel, um gen Süden zu ziehen. Die Magie war schwach im Norden, hieß es. Nur der richtige Partner konnte ihnen einen Neuanfang ermöglichen.

»Wo kommst du her?«, wollte sie wissen und betrachtete bewundernd meinen kupfern schimmernden Gürtel. So sahen mich viele Leute an, die keine Kräfte hatten. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Neid. Ich brachte es nie übers Herz, ihnen zu verraten, dass jede Fähigkeit einen Preis hatte – den ich bereits viel zu oft hatte zahlen müssen.

»Aus einer langweiligen Stadt im Süden«, meinte ich. »Wir haben nur Holz. Nichts anderes.« Mit den Fingern tastete ich automatisch nach dem Würfel in meiner Tasche, den ich vor zehn Jahren selbst geschnitzt hatte. An dem Tag, an dem ich entschieden hatte, dass ich meine Fähigkeiten ebenso gut trainieren konnte, wenn ich sie schon nicht loswurde. »Ehrlich gesagt wollte ich schon immer mal die Wüste sehen. Schon immer mal in den Norden reisen.« Tatsächlich hatte ich schon immer mal überall hingewollt. Hauptsache weit weg von meiner Stadt und dem verdammten, kalten Haus, das sie Zuflucht getauft hatten, mir aber wie ein Gefängnis vorgekommen war.

»Es ist die Reise nicht wert«, bemerkte die junge Frau lachend. »Außer du liebst Sand an unangenehmen Orten und stachelige, vertrocknete Bäume, die deine Kleider zerreißen. Dann könntest du auf deine Kosten kommen.«

Ich seufzte dramatisch. »Ach, an den meisten Tagen sind mir Bäume lieber als Menschen. Sie reden weniger. Das weiß ich zu schätzen.«

Die junge Frau neben mir lachte erneut und mein Herz dehnte sich aus. Es war schön, mich von ihrer Heiterkeit anstecken zu lassen. Vielleicht waren meine Fähigkeiten ausgeprägt genug, dass die Götter mich hierbehalten wollten, in dem Teil des Landes, der den größten Einfluss hatte. Vielleicht könnte ich an diesem Ort sogar … Freunde finden. In diesem großen Palast auf dem Berg in der Mitte Psyrs, in dem ich mich seltsam wohl fühlte. In dem mein Gürtel und der Saum meines Gewands nichts Besonderes waren. Umgeben von lauter Schicksalsnovizen und Meistern, die wussten, wie ich mich mein Leben lang gefühlt hatte. Die mich akzeptieren würden. Mir lieber als Bäume werden würden.

»Ich bin Rese«, sagte meine Gesprächspartnerin warm. »Und du?«

»Kiana«, antwortete ich und drehte mich, um ihre entgegengestreckte Hand zu ergreifen. Dabei streifte ihr Ellbogen meinen …

Kälte überzog meine Haut wie ein klammer Schweißfilm. Hoffnungslosigkeit überflutete meine Sinne. Schnappte nach mir wie der Tod nach den Soldaten an der Front.

Emotionen und Empfindungen waren immer schneller als die Vision. So wie der Blitz dem Donner zuvorkam. Sobald die Bilder und Gedanken folgten, war ich beinah erleichtert. Egal wie grausam sie auch sein mochten, sie wirkten wenigstens fremd. Bei den Gefühlen wusste ich zwar sofort, dass sie nicht zu mir gehörten – aber ich spürte sie, als wären es meine. Ich fühlte jeden verdammten Nadelstich und jeden inneren Schmerz.

Rese saß auf einer harten, metallenen Bank. Die Ellbogen auf den Knien, die Hände aufs Gesicht gepresst. Tränen liefen über ihre Haut, tropften von ihrem Kinn. Der Boden unter ihren Füßen vibrierte. Kalte Nacht kroch durch ein einzelnes, vergittertes Fenster. Alles war verloren. Sie würde sie nie wiedersehen: Ihre Mutter, ihre Schwester, ihre Heimat, über die sie sich lustig gemacht hatte, die sie dennoch über alles liebte …

Meine Finger fanden den hölzernen Würfel in meiner Tasche und die Eindrücke stoppten genauso schnell, wie sie gekommen waren. Mir schnürte sich die Kehle zu und meine Zunge klebte am Gaumen, doch ich blinzelte die fremden Bilder routiniert weg. Vorsichtig schüttelte ich Reses Hand und die Emotionen ab, die nicht meine eigenen waren, bevor ich unauffällig einen Schritt zur Seite trat und hastig die Handschuhe höher hinaufzog. Sie waren unbemerkt über meine Ellbogen gerutscht. Mein Fehler. Der Kriegsnovize hatte mich abgelenkt, sonst wäre mir das nicht passiert. Es war unhöflich, ungefragt die Zukunft anderer zu lesen. Ich hatte schon Peitschenhiebe für weniger bekommen. Also versuchte ich zu vergessen, was ich gesehen hatte. Auch wenn mein Nacken sich versteifte und mich das altbekannte Gefühl von dumpfem Grauen und blendender Hilflosigkeit überkam. Dinge sehen, aber nicht beeinflussen zu können, machte das mit mir.

»Sehr erfreut, Kiana«, meinte Rese mit leuchtenden Augen und ich erwiderte ihr Lächeln. Tat einfach so, als wäre nichts passiert. Ich hatte gelernt, dass es manchmal besser war, einen Teil von mir zu verstecken. Die Menschen in Anima wollten nicht alles wissen, egal wie sehr sie beteuerten, dass sie es doch taten. Ich mochte die Zukunft sehen, doch ich würde sie nicht deuten. Ich weigerte mich, es zu tun. Meine Vision konnte in zehn Jahren eintreten oder in zehn Minuten. Oder niemals. Die Zukunft veränderte sich andauernd.

Ich atmete tief durch und versicherte mich noch einmal, dass die Handschuhe saßen, die mir meine Ordensführerin Fraya vor einigen Jahren geschenkt hatte. Sie werden dir einen Teil deiner Verantwortung nehmen, hatte sie gemeint.

»Die Zeremonie beginnt in wenigen Minuten. Mir nach«, unterbrach eine sanfte, aber bestimmte Stimme meine eigenen Gedanken und ich schaute auf. Dutzende andere nervöse Frauen und aufgeregte Männer neben mir, alle im Alter zwischen achtzehn und einundzwanzig Jahren, folgten meinem Beispiel und fixierten den groß gewachsenen Mann mit schulterlangen, stahlgrauen Haaren, der uns nun seinen Rücken zuwandte und die Eingangshalle in langen Schritten durchquerte. Der Kragen seiner Tunika war goldbeschlagen, drei Kreise in derselben Farbe zierten seine Ärmel und zeichneten ihn als hochrangigen Meister aus, der unter dem Schutz des Gottes der Liebe arbeitete. Alle Ordensmitglieder Pazans waren mit Schönheit gesegnet – und mit der Kraft, die Gemüter von Menschen zu beeinflussen.

Doch die Kunst des Liebesmeisters war nicht der Grund, aus dem wir uns alle gleichzeitig und mit angespannter Hast in Bewegung setzten. Nein. Es war das, was uns hinter dem dichten Vorhang erwartete, der aus goldenen und kupferfarbenen Fäden gewebt war. Eine Anspielung auf unsere eigenen Schicksalsfäden, die heute hoffentlich verknüpft werden würden. Laut Legenden hingen sie in irgendeiner Höhle, die so gut verborgen war, dass die Schicksalsgöttin selbst ab und zu vergaß, wo sie sich befand.

Mein Atem wurde flacher und ich streckte den Rücken durch, während ich die Furcht niederrang und es aufs Neue mit Hoffnung versuchte. Auf der anderen Seite des Vorhangs könnte mein Seelenpartner auf mich warten. Ein Mensch, der dafür sorgen würde, dass ich nie wieder allein war und mich endlich geborgen fühlte. Ein Gefühl, das ich nie gehabt hatte. Vielleicht als meine Eltern noch gelebt hatten, doch ich erinnerte mich kaum noch an ihre Gesichter, geschweige denn an unsere gemeinsame Zeit. Ich hatte nichts mehr von ihnen, außer meinen Fähigkeiten.

Je näher wir dem Vorhang kamen, desto hibbeliger wurde Rese neben mir.

»Ich hab gehört, dass dieses Jahr auch ein Novize der Liebe seine Seelenpartnerin sucht«, wisperte sie aufgeregt. »Es gibt diesmal keinen Novizen des Krieges. Gott sei Dank. Meiner Meinung nach sollten sie den Verrätern verbieten, an der Zeremonie teilzunehmen.«

Ich hörte ihr nicht wirklich zu. Die Vorurteile, die sie dem Orden entgegenbrachte, der einst Martia gedient hatte und es in Plutavien immer noch tat, interessierten mich nicht. Ich persönlich verachtete die Kriegsnovizen und -meister nicht dafür, dass sie existierten. Ich hasste nur ihre Arroganz – und woran sie mich erinnerten. Sie führten mir jedes Mal vor Augen, was ich verloren hatte. Denn sie waren noch immer hier – und meine Eltern waren es nicht.

Als die ersten Zeremonie-Teilnehmer durch den Vorhang in den dahinter liegenden Saal traten, den ich noch immer nicht erkennen konnte, beschleunigte sich mein Puls.

Ehrlicherweise war mir egal, wer mein Seelenpartner war und ob er Kräfte besaß. Es war mir nur wichtig, dass ich einen Partner hatte. Endlich jemanden, der mich bedingungslos liebte und auf meiner Seite war, egal, was passierte. Der mich verstand, mir Sicherheit und die Chance gab, einen Unterschied zu machen. Und durch den ich neue Macht bekommen würde, sobald unsere Schicksalsfäden sich verknüpften. Ich wollte Menschen helfen, den Krieg stoppen oder wenigstens weitere tausend Tode verhindern. Ohne Seelenverwandten wäre ich bedeutungslos – und ich wartete bereits mein ganzes Leben lang darauf, mich nicht mehr so zu fühlen!

Als ich durch den Vorhang trat, strichen die Fäden warm über die paar Zentimeter nackter Haut, die weder von meinem Kleid noch meinen Handschuhen bedeckt wurden, und auf der anderen Seite erwartete mich ein Raum gefüllt mit Verheißung und Möglichkeiten. Der Boden war weiß, verziert mit einem Muster goldener Zacken und Kreise, und ein Knistern hing in der Luft. Es ging ebenso von den zwölf gigantischen Fackeln aus, die den riesigen Saal zusammen mit der orangefarbenen Glut der untergehenden Sonne erleuchteten, wie von den verschiedenen Kräften der Anwesenden und denen der Götter selbst.

Moyra, die Göttin des Schicksals. Pazan, der Gott der Liebe. Sie saßen auf einer Empore, zu der eine breite Treppe aus Stein und Glas hinaufführte, und lächelten von ihrem kupfernen und goldenen Thron zu uns hinab.

»Bei meinem Schicksalsfaden …«, hauchte Rese und starrte mit offenem Mund zu ihnen hinauf.

Ich wusste genau, was sie meinte.

Die Verbindung zweier Seelenbänder ist etwas Heiliges. Etwas Vollkommenes.

Sie lässt ewige Liebe brennen, erweckt schlummernde Kräfte und ist eine der Säulen, auf die sich unser geliebtes Land Anima stützt. Eine Verbindung so stark, dass nicht mal die Kralle des Todes sie auseinanderzureißen vermag.

AUS DEN SEELENBAND – GESETZEN NACH PAZAN UND MOYRA

Der Seelensaal war mit seiner gewölbten Decke, die aus einem einzigen, gigantischen weißen Stein zu bestehen schien, und mit den gläsernen Rängen, die den Zuschauern bessere Sicht auf das Folgende versprachen, wirklich mehr als prunkvoll. Wie auch der restliche Palast in all seiner kupfern strahlenden Pracht.

Aber das alles war nichtig im Vergleich zu Moyra und Pazan, die nun mit ineinander verschränkten Händen aufstanden und allein mit ihrer Macht die Fackeln an den Wänden zum Flackern brachten. Mit einem wohlwollenden Lächeln, das mich bis ins Innerste wärmte, begrüßten sie uns und die anderen Menschen unseres Alters, die durch den zweiten Eingang auf der gegenüberliegenden Seite in den Festsaal schwärmten.

Pazans helles Haar leuchtete im Abendrot und funkelte mit seiner Schönheit und seinem goldenen Gewand um die Wette, doch es war die Göttin Moyra, die ich anstarrte. Die wichtigste, mächtigste Dienerin des Schicksals, die Hüterin der Zukunft. Die Anführerin meines Ordens. Die Frau, die seit Hunderten von Jahren die gleiche, nur so viel größere Last schulterte, die mich seit Jahren zur Einsamkeit verdammte. Ihr Haar war rubinrot. Ihr Kleid eine fließende Woge aus Kupfer – dieselbe Farbe, die meine Taille zierte, in den Fugen des Palasts schimmerte, auf dem Boden der Eingangshalle glänzte. Sie diente als Erinnerung daran, dass die Stadt einmal ihr gehört hatte, damals, als die drei Götter noch getrennt regiert hatten. Bevor Moyra vor über 300 Jahren mit Pazan zusammengekommen war, dem Gott der Liebe – ihrem Seelenpartner. Der Beweis dafür, dass zwei verknüpfte Seelenbänder wirklich auf ewig hielten.

Ihre gemeinsame Macht war der Grund, aus dem Moyras Schwester Martia, die Göttin des Krieges, zerfressen vor Eifersucht und Neid gegen sie in die Schlacht zog.

Mein Blick glitt an den Göttern vorbei, zu dem riesigen Wandteppich hinter der Empore, der mal das gesamte Land Anima gezeigt hatte. Ich hatte davon gelesen, wie prächtig er einst gewesen war, bevor Martia die untere Hälfte bis zur Unkenntlichkeit verbrannt hatte. Doch der Teppich hing noch immer dort, als müssten seine verkohlten Enden unser Land daran erinnern, wofür wir kämpften. Als bräuchten wir ihn, um nicht zu vergessen, dass Martia geschworen hatte, dass auch Moyra, Pazan und Anima brennen und zu Asche zerfallen sollten.

Dabei waren die Menschenmassen, die sie seit 300 Jahren in dem Versuch ermordete, Anima zurückzuerobern, meiner Meinung nach Erinnerung genug.

Mich erfüllten Hass und Wut beim Betrachten des verkokelten Wandteppichs: Martia war der Grund, aus dem ich allein war. Sie hatte mir meine Eltern genommen. Meine Familie.

Doch ich würde mir eine neue holen. Hier und heute.

»Willkommen zu eurer Seelenzeremonie. Dem Tag, der euer Leben für immer verändern wird!«, erklang Moyras Stimme, so weich und verheißungsvoll, dass ich eine Gänsehaut bekam.

Die Menge applaudierte und ich fing Reses Blick ein. Ihre Augen leuchteten vor Ehrfurcht und Vorfreude und ich konnte nicht umhin, ebenfalls zu lächeln.

»Eine Seele kann viel erreichen«, sprach nun Pazan und ließ den Blick über unsere Reihen schweifen. Seine Augen leuchteten unnatürlich golden auf. »Doch zwei Seelen, für die Ewigkeit verbunden? Die sind nicht aufzuhalten.« Bei den letzten Worten drückte er Moyras Hand und warf ihr einen warmen Blick zu. Ihre Wangen erröteten. Als wäre sie noch so verliebt wie am ersten Tag – und es war die Wahrheit. Die Liebe zweier Personen mit verknüpften Seelenbändern würde niemals wanken; niemals schwächer oder spröde werden; konnte von nichts getrennt werden außer dem Tod. Die meisten Menschen lebten ohnehin nur wenige Wochen länger als ihr Seelenverwandter. Viele starben wortwörtlich an einem gebrochenen Herzen. So tief und rein und unendlich war ihre Liebe.

»Das Schicksal hat entschieden. Begebt euch nun zu euren Seelenbändern«, sagte Pazan und nickte zu dem Fußboden zwischen unserer Gruppe und der auf der gegenüberliegenden Seite.

Ich blinzelte und senkte den Blick. Erst jetzt fiel mir auf, dass die goldenen Zacken und Kreise auf dem Boden kein Muster im Stein waren. Es waren unzählige dünne, goldene Bänder, die sich scheinbar willkürlich überkreuzten und deren Enden zu beiden Seiten des Raumes führten. Doch es war unmöglich zu erkennen, welche Enden zusammengehörten. Die Fäden waren zu verworren. Als wollten sie das Leben reflektieren.

»In wenigen Minuten werdet ihr einen der Fäden auswählen. Ich habe den Wünschen des Schicksals gelauscht und sie alle eigenhändig allein für diese Zeremonie gesponnen. Der Faden, der für euch bestimmt ist, wird sich euch offenbaren«, verkündete Moyra. »Ihr müsst nichts weiter tun, als ihm zu folgen. Am anderen Ende findet ihr euren Seelenpartner, den ihr nach der Zeremonie morgen Gemahl oder Gemahlin nennen dürft, – oder ihr findet Einsamkeit.«

Die Zuschauer hielten kollektiv den Atem an und mein Magen verkrampfte sich. Ich wollte nicht noch mehr Einsamkeit!

»Aber bevor wir beginnen, wollen Moyra und ich uns bei jedem Einzelnen von euch für die Opfer bedanken, die ihr für unser Land gebracht habt, die ihr bringt und die ihr bringen werdet. Ein Leben an der Front ist genauso wichtig wie ein Leben an der Seite eines Seelenpartners.«

Meine Kehle wurde enger. Wichtig ja, nur deutlich kürzer.

Die beiden Götter schritten die Treppenstufen hinab, ihre Gewänder raschelten auf dem Boden, als sie sich aufteilten und nacheinander unsere Reihen abgingen. Moyra begann mit der gegenüberliegenden Seite, Pazan bei uns. Er schritt an uns vorbei und schenkte jeder Frau und jedem Mann ein Lächeln. Ich senkte den Blick, als der Liebesgott mich erreichte und mir zunickte. Wärme ging von ihm aus. Hoffnungsvolle Wärme, die sich in jeder meiner Poren festsetzte. Es fühlte sich an, als wäre er Liebe selbst. Von seiner Kleidung und seiner Haut ging ein goldenes, hypnotisierendes Schimmern aus und …

»Kiana.«

Erschrocken riss ich den Blick von Pazans Saum, und als ich bemerkte, wer da direkt vor mir stand, senkte ich so abrupt das Kinn, dass sich eine Haarsträhne aus meiner Hochsteckfrisur löste und in mein Gesicht fiel.

»Eure Hoheit«, flüsterte ich schockiert und schloss die Augen. Mein Atem beschleunigte sich und ich wusste, ich sollte mich verbeugen, doch es fiel mir schwer. Nicht, weil ich Moyra keinen Respekt zollen wollte, nein, aber allem in mir widerstrebte es, ihr meinen Nacken zu entblößen. Ihr die feinen silbernen Narben zu zeigen, die sich über meine Haut fächerten. Zu viele deuteten sie als Schwäche, auch wenn sie für mich Stärke symbolisierten.

»Woher kennt Ihr meinen Namen?« Die Worte rutschten mir heraus, bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, ob sie unhöflich waren. Doch die Göttin wirkte amüsiert.

»Die Zukunft hat ihn mir verraten. Wie so vieles mehr«, erwiderte sie, ein Schmunzeln in ihrer Stimme. Sie legte sacht die Finger unter mein Kinn und hob es sanft, sodass ich gezwungen war, sie anzusehen. Mein Mund eine Wüste und mein Herz der Flügel einer Regenbogenelster. Ihre Augen glänzten leuchtend violett und ich war unfähig, den Blick abzuwenden. »Du hast einen harten, langen Weg hinter dir, Kiana«, sagte sie weich und ihr Lächeln war wie Sonnenlicht, das meine Haut wärmte. »Doch das Schicksal ist gütig zu denen, die ihm dienen. Die nicht vor schweren Aufgaben zurückschrecken, um seinem Weg zu folgen. Es wird dich belohnen. Dich und deine Kräfte.«

Mit geöffneten Lippen starrte ich sie an, während sie eine ihrer kupfernen Haarnadeln, deren Ende ein großer Rubin zierte, aus ihrem schweren Zopf zog, damit meine gelöste Strähne einfing und zurück in meiner Frisur fixierte. »Als Talisman, damit du meine Worte nicht vergisst«, raunte sie mir zu.

Rese sog scharf die Luft ein und meine Wangen brannten vor Aufregung. »Danke«, hauchte ich, unfähig, auch nur ein weiteres Wort hervorzubringen. Ich würde die Nadel nie wieder aus meinen Haaren nehmen.

Moyra lächelte freundlich, nickte mir zu und lief weiter die Reihe entlang, bis sie Pazan erreichte. Die Götter ließen den Blick ein letztes Mal schweifen … »Beginnt«, sagte Pazan gütig.

Ich hielt den Atem an und der gesamte Saal schien es mir gleichzutun. Ich war nicht die Einzige, die bereits ihr Leben lang auf diesen Moment wartete, auch wenn ich es vielleicht ein wenig verzweifelter getan hatte als der Rest. Die Zuschauer auf den Tribünen ringsum reckten ihre Hälse, um uns besser beobachten zu können.

Rese und ich wechselten einen unruhigen Blick, während die beiden jungen Männer zu unseren Seiten, der eine mit Haut wie Mondlicht, der andere mit Haaren schwarz wie die Nacht, sich bereits nach einem Faden bückten. Moyra hatte gemeint, wir würden den Faden auswählen, der für uns bestimmt war – aber wie? Hunderte lagen auf dem Boden. Woher sollte ich wissen, welcher meiner war?

Mondlicht und Nacht hatten zielsicher das Ende eines Fadens gepackt, der kurz unter ihrer Berührung aufleuchtete, und begannen, ihn langsam um die Hand zu wickeln und seiner Spur zu folgen. Auch auf der gegenüberliegenden Seite liefen die ersten auf und ab, bevor sie sich scheinbar willkürlich für einen Faden entschieden. Aber Anima wurde nicht von Zufall regiert … also waren es die richtigen Enden?

Mist. Zögerlich machte ich einen Schritt nach vorn und streckte die Hand aus. Mein Nacken prickelte und ich hatte das Gefühl, die Blicke der Zuschauer lägen allein auf mir. Aber vermutlich starrten sie nur Moyras Haarnadel an, die meine Frisur intakt hielt und fast so schwer auf meinem Kopf lastete, wie dieser Moment auf meinen Schultern.

Moyra. Sie hatte gesagt, dass das Schicksal mich belohnen würde, und niemand verstand die Macht des Schicksals besser als sie. Darauf musste ich vertrauen. Mein Herz flatterte nervös und ich machte ein paar Schritte nach rechts, den Blick auf den Boden gerichtet … bis ich ein Fadenende entdeckte, das vor meinen Augen rot aufblitzte.

Ich blinzelte, unsicher, ob ich es mir nur eingebildet hatte, und trat einen Schritt nach vorn.

Meine Fingerspitzen fingen an zu kribbeln und ein Ziehen setzte direkt unter meinem Zwerchfell ein, das stärker wurde, je näher ich dem Faden kam. Es war, als würde eine unsichtbare Macht mich zu diesem Faden dirigieren. Als würde das Schicksal mit dem Finger darauf deuten. Aber ich war nie sonderlich gut darin gewesen, Anweisungen zu folgen.

Mein Herz schlug schneller und die Handschuhe klebten an meinen feuchten Fingern. Was, wenn ich mich irrte? Was, wenn das andere Ende dieses Fadens leer war? Wenn mir das Schicksal bestimmte, an der Front für unser Land zu kämpfen, sodass mein Leben mit 19 Jahren nicht endlich anfing, sondern schon wieder vorbei war?

Mein Blick flackerte nach oben. Die ersten Paare hatten sich in der Mitte des Saales getroffen. Der Mann mit der Haut aus Mondlicht starrte einer sommersprossigen Frau wie gebannt in die Augen und der Kerl mit nachtschwarzen Haaren legte gerade die Fingerspitzen an die Wange eines jungen Mannes mit rasiertem Kopf und dunkelbrauner Haut.

Rese war mir offenbar gefolgt. Zumindest hörte ich ihr schweres Seufzen neben mir. »Auf unsere Zukunft.« Sie beugte sich hinab und griff nach dem Faden direkt neben dem, der meinen Namen zu flüstern schien.

Ihre Fingerspitzen tanzten über das Gold. Schlossen sich um das dünne Garn … das zu flirren begann. Dunkle Adern zogen sich plötzlich von der Stelle, an der Rese es berührte, durch den Faden, so schnell, dass mir beinah schwindelig wurde. Das Schwarz zerfraß jede einzelne Faser des Bandes – bis es zu Staub zerfiel.

Mit geöffnetem Mund starrte ich es an und auch die Frauen und Männer zu meinen Seiten hielten schockiert inne.

Rese hockte noch immer auf dem Boden, ihre Augen groß und rund. »Nein«, flüsterte sie. »Nein.« Sie streckte die Hand nach einem anderen Faden aus, doch der schreckte vor ihr zurück. Als seien sie zwei Magneten, die sich abstießen. »Nein!« Ihre Stimme wurde lauter und die Verzweiflung darin stach wie Nadeln in meine Ohren. Sie stand auf, lief zu einem weiteren Band … doch es huschte vor ihr weg und raschelte unheilvoll, wie eine Schlange durch Laub. »Nein, es kann nicht stimmen! Ich bin tagelang gereist, um … ich habe alles riskiert, um …« Tränen lösten sich aus ihren Augenwinkeln und glitzerten wie Diamanten an ihrem unteren Wimpernkranz. »Nein!«

Mein Herz wurde schwer wie Blei und durch meine enge Kehle hätte kein einziger der goldenen Fäden gepasst. Ich wandte meinem eigenen Band den Rücken zu, um zu ihr zu gehen und sie in den Arm zu nehmen. Auch wenn ich wusste, dass nichts diese Situation würde besser machen können. Doch bevor ich meine Füße auch nur heben konnte, traten zwei Wachen, die vor einer Minute sicherlich noch nicht da gewesen waren, von der Wand hinter uns auf sie zu und packten sie an den Armen. Grob zerrten sie Rese zurück.

»Nein!«, schrie sie und ein Raunen ging durch die Menge. Nur die gefundenen Pärchen sahen nicht auf. »Ich habe einen Partner! Das muss ein Fehler sein!« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und höher, die Menge unruhiger. Einer unserer Mitstreiter stürmte bei Reses Ausbruch panisch nach vorn und hob ein goldenes Garn vom Boden auf. Als würde er die Spannung nicht länger aushalten. Doch sein Faden verpuffte wie der von Rese, die noch immer laut weinte. Weitere Wachen traten vor, als der junge Mann mit den Händen in den Haaren zu Boden sank, und ich bemerkte, dass andere, auf der gegenüberliegenden Seite, seinem Beispiel gefolgt waren. Wolken aus Staub erfüllten die Luft, als zig Fäden beinah zeitgleich zerfielen, beleuchtet von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Es war, als würde das Schicksal sie alle für ihre Ungeduld, ihre Angst vor der ungewissen Zukunft bestrafen. Meine Hände fingen an zu zittern.

Neue Schreie füllten den Raum, das Weinen der Verlorenen hallte hundertfach von der hohen Decke wider, bis ich das Gefühl hatte, von nichts als Verzweiflung umgeben zu sein. Der Druck auf meinen Schläfen war unnachgiebig und kalt, wollte mir die trostlose Zukunft von ihnen allen aufdrängen. Ihre Emotionen so stark, dass mir meine Handschuhe nicht halfen, dass ich die Verlorenen nicht einmal berühren musste, um fremde Zukünfte zu sehen.

Fremder Schmerz krallte sich in meine Lunge. Angst, die nicht meine war, klammerte sich um mein Zwerchfell. Bilder von blutigen Händen und Körpern, silbernen Klingen, die rötlich glänzten, Asche und Tod brannten sich in meinen Geist, bis meine Knie unter der Last der Zukunft der Schreienden nachzugeben drohten …

»Ruhe«, drang eine tiefe, schneidende Stimme durch die Menge. Die Fackeln an der Wand flackerten und ein Luftstoß erfasste mein Gesicht. Die Rufe und das Weinen verstummten mit einem Mal und als ich aufsah, bemerkte ich, dass Pazan die Hände erhoben hatte. Seine besonnene, milde Macht wusch über uns wie eine Welle über den Strand der Goldküste. Es fühlte sich an, als würden den Nadeln in meiner Brust die spitzen Köpfe gestohlen. Der Druck in meinem Geist ließ sofort nach. Die fremde Angst fiel von mir ab. Ich konnte wieder ruhiger atmen. Die Verzweiflung auf den Mienen der Verlorenen wurde durch Resignation ersetzt, bis jedes Gemüt sich beruhigt hatte. Ich starrte Rese an, deren Wangen stumme Tränen zierten, während die Wachen sie langsam zusammen mit den anderen aus dem Raum eskortierten.

»Fahrt fort«, sagte Pazan gelassen. Der gesamte Raum schien durchzuatmen, bevor die übrigen Seelenzeremonie-Teilnehmer sich wieder ihrem Schicksal widmeten.

Meine Hände zitterten immer noch, während ich zu den Fäden auf dem Boden sah, die mit jeder Sekunde weniger wurden. Wie schnell würde Rese an der Front sterben? Sie war freundlich gewesen. Warm. Keine Kriegerin.

Schluss jetzt.

Das Kribbeln an meinen Fingerspitzen wurde stärker und das Ziehen in meinem Zwerchfell setzte wieder ein. Heftiger als zuvor. Es drängte mich zu einem bestimmten Faden direkt vor meinen Füßen, bis alle Gedanken an Rese aus meinem Kopf verschwunden waren.

Schweiß sammelte sich in meinem Nacken und mein Atem beschleunigte sich. Es hatten schon fast alle auf der gegenüberliegenden Seite einen Faden in den Händen. Was, wenn ich zu langsam war und mein Seelenpartner an einem leeren Ende ankam, das für mich bestimmt gewesen war? Es hatte keinen Sinn, es weiter hinauszuzögern.

Tief atmete ich durch, bevor ich – Reses Schrei nur noch ein fernes Echo in meinen Ohren – mich bückte und den Faden aufhob, der nach mir gerufen hatte.

Mein Herz stand still, während ich die Finger um das seidige Material schloss … das intakt blieb.

Erleichterung durchströmte mich, als ich den Faden um meine Hand wickelte – und spürte, dass bereits jemand an ihm zog. Mein Seelenverwandter war schneller gewesen als ich.

Meine Lunge stockte und vergaß scheinbar, wie atmen funktionierte, als die Anspannung der letzten Wochen mit einem Mal von mir abfiel. Ich hob den Blick, sah geradewegs in leuchtend grüne Augen … und wusste, dass sie meine Welt sein würden. Dass ich gefunden hatte, was ich seit so vielen Jahren herbeisehnte.

Lächelnd, unseren aufgerollten Faden in der Hand, trat mein Seelenpartner näher auf mich zu. Bis mein Herz stockte. Hätte ich Schönheit definieren sollen – ich hätte den Namen des Unbekannten genannt. Seine Augen zwei Smaragde, sein Haar so golden wie der Gürtel um seine Taille. Ein Liebesnovize. Doch dieser hier war echt: Nicht wie der Hochstapler von vorhin, der Pazans Farben getragen, aber Martias Schatten gehabt hatte.

»Hallo, Kiana.« Seine Stimme war Samt in meinen Ohren. »Ich bin Zaro. Ich habe auf dich gewartet.«

Und dann neigte er den Kopf und küsste mich.

Es war nur ein Hauch. Er streifte seine Lippen über meine, in der zeremoniellen Leichtheit, die es die Erwählung eines Seelenpartners verlangte. Es war nichts als Tradition: Nur die erste Anerkennung, dass unsere Schicksale ab jetzt unwiderruflich miteinander verwoben sein würden. Erst die Heirat am nächsten Tag würde unser gemeinsames Schicksal besiegeln, und doch änderte sich bereits alles.

Watte füllte meine Brust und legte sich auf meine Sinne. Ich würde nie wieder allein sein. Ich spürte es bis tief in mein Inneres. Bis in jede Pore. Denn er gehörte mir und ich ihm. Das Schicksal hatte uns zusammengebracht und nur der Tod konnte uns nun trennen.

Seine Lippen waren weich und der Kuss erfüllte mich mit unendlicher Ruhe. Alles war gedämpft. Selbst meine Erleichterung flackerte nur noch schwach im Vergleich zu der Wärme, die seine Berührung in mir auslöste. Ich hörte die Rufe der Verlorenen, die keinen Partner bekommen hatten, nicht mehr. Da war nur das Schlagen meines Herzens und seines Herzens. Im Einklang.

»Die kann sich aber freuen, den Liebesnovizen abzubekommen!«

»Sie werden unfassbar mächtig sein.«

»Wow.«

Wir lösten uns voneinander und ich lächelte zu meinem Seelenverwandten auf. »Hallo, Zaro. Schön, dich kennenzulernen. Woher kennst du meinen Namen?«

»Ich habe die Göttin ihn aussprechen hören, dich gesehen – und seitdem gehofft, dass ich es bin, der am Ende hier mit dir steht.«

Mein Lächeln wurde breiter. Seine Augen funkelten, goldene Lichter flackerten darin … dunkle Schatten hinter ihm.

Ich blinzelte und blickte irritiert über seine Schulter. Sah in Augen so grau wie Gewitterwolken und die Watte floh aus meinem Kopf.

Es war der falsche Liebesnovize von vorhin. Er stand in der untersten Reihe einer der gläsernen Tribünen. Die Hände in den Taschen. Sein flackernder Schatten ein unruhiger Umriss auf dem Boden vor ihm. Er beobachtete mich und ich könnte schwören, dass er mit den Lippen das Wort »Schade« – oder war es »Schande«? – formte. Doch dann blinzelte ich und er war verschwunden. Wie ein Schatten bei Einbruch der Nacht.

Was war schade? Oder eine Schande?

»Kiana?«, zog mich mein Seelenverwandter zurück in seinen Bann und strich mit dem Zeigefinger über meine Wange. Er hinterließ eine Gänsehaut, aber keine Zukunftsvision. Vielleicht, weil seine Zukunft nun unsere Zukunft war – und ich meine eigene nur über Umwege lesen konnte.

Ich schenkte ihm wieder meine volle Aufmerksamkeit. »Ja?«

»Ich kann es kaum erwarten, dich zu heiraten«, flüsterte er und Watte und Wärme fluteten erneut meinen Körper.

»Ich auch nicht«, erwiderte ich ehrlich.

Morgen würde endlich mein richtiges Leben beginnen.

Menschen ohne Seelenpartner dienen Anima durch ihren Einsatz an der Front. Der Versuch, vor dem eigenen Schicksal zu fliehen und die zugedachte Aufgabe zu verweigern, bedeutet den Tod. Schicksalsbrecher haben kein Recht auf eine Verhandlung.

AUS DEN SEELENBAND – GESETZEN NACH PAZAN UND MOYRA

Ich stand auf einem weichem Fleck Gras und war gehüllt in ein weißes, seidiges Kleid, das sich anfühlte, als bestünde es aus Luft und Liebe. Vielleicht tat es das auch. Denn ich wusste nicht, ob ich träumte oder die Zukunft sah … Nein. Es war ein Traum. Ich konnte meine eigene Zukunft nicht direkt sehen. Keine Schicksalsnovizin oder Meisterin konnte das. Selbst Moyra blieb ihre eigene Zukunft verborgen.

Es war auch egal. Das Kleid war wunderschön und ich so unfassbar glücklich, dass meine Hände zitterten, obwohl sie in den großen warmen von jemand anderem lagen. Ich trug keine Handschuhe – dabei trug ich immer Handschuhe! – und eine schmale Narbe zierte meinen rechten Handrücken, sie war lang und reichte fast bis zu meinem Handgelenk. Das war seltsam, denn ich hatte keine Narbe an der Stelle. Ich kannte alle meine Narben in- und auswendig.

Musik spielte im Hintergrund. Die Melodie war mir fremd und erfüllte dennoch mein Herz.

»Kiana?« Eine dunkle und raue Stimme. So fremd wie die Narbe und die Melodie. »Du gehörst nicht der Welt. Du gehörst nicht deinem Schicksal. Du gehörst dir – und wenn du möchtest, mir. Ich zumindest gehöre dir schon längst.«

Meine Mundwinkel bogen sich wie von selbst. Ich hob den Blick, um anzusehen, wer die Worte gesprochen hatte … doch ich wurde von der roten Pfütze zu meinen Füßen abgelenkt.

Ich blinzelte und zog abrupt meine Hände zu mir. Die Pfütze breitete sich rasend schnell aus und färbte den Saum meines Kleides rosa.

Die Luft wurde mir abgeschnürt und es fühlte sich plötzlich an, als würde jemand die Faust in meine Brust stoßen und mein Herz entzweireißen, doch als ich mit den Knien hart auf den Boden aufschlug, sah ich, dass es stattdessen ein Dolch mit silbernem Griff war, der zwischen meinen Rippen steckte. In einem Körper, der nicht meiner war – und wiederum doch.

Denn ich hatte ihn heute Abend mit einem einfachen Kuss unwiderruflich an meinen gebunden.

Es war kein Gras mehr, auf dem ich kniete. Mein Blut schwappte über Kopfsteinpflaster. »Da heißt es, ihr Novizen würdet Liebe geben, doch ich erkenne nur Hass«, sagte eine kalte Stimme. Ich quälte meinen Blick nach oben. Sah eine breite, muskulöse Brust, über die ein zerrissenes Hemd hing. Ein zorniger, roter Schnitt direkt über dem Herzen, als hätte jemand versucht, es herauszuschneiden. Ich empfand nichts als Abscheu und Wut, wollte nicht ohne einen letzten Schlag gehen. Meine Sicht verschwamm, während ich ausholte, mich auf ihn stürzte … Wir gingen gemeinsam zu Boden.

Alles wurde schwarz. Alles war kalt. Alles war leer.

Alles war verloren.

Keuchend schnappte ich nach Luft und fuhr senkrecht aus dem Bett. Mein bodenlanges, kupferfarbenes Schlafkleid klebte an meinem schweißgebadeten Körper, und Moyras Nadel, die ich nicht gewagt hatte aus meinen Haaren zu ziehen, stach mir in den Nacken. Die Erinnerungen rissen an meinem Geist und Hände an meinen Armen.

»Aufstehen«, befahl eine unbarmherzige Stimme, gedämpft von dem goldenen Helm, der das Gesicht verbarg.

Meine nackten Füße landeten auf eiskaltem Stein und wurden von einem weiteren Paar Soldatenhände in Schuhe gepresst. Zwei Männer und zwei Frauen in Rüstung befanden sich in der Kammer, in der ich geschlafen hatte.

Desorientiert sah ich zu meinen behandschuhten Händen und dann auf meine Brust. Jeder meiner Atemzüge rasselte in meiner Lunge, doch kein Dolch ragte aus mir heraus. Es fühlte sich trotzdem an, als hätte jemand mein Herz durchstochen. Die Wärme, mit der ich eingeschlafen war, war verschwunden. Die Ruhe, die mir die Zeremonie gegeben hatte, lag in Scherben auf dem Boden. Und die erhoffte Zukunft mit ihr.

Ich wusste, was passiert war. Wusste, was ich gesehen hatte. Wusste, warum ich mich fühlte, als würde die Welt vor meinen Augen in Flammen aufgehen.

Die Wachen erzählten es mir trotzdem.

»Dein Seelenverwandter ist tot. Du bist jetzt eine Verlorene. Die Kutsche zur Front erwartet dich.«

Ich war unfähig, etwas zu sagen, als sie mich aus der Kammer und den menschenleeren Palastflur entlangzogen. Der Mond stand hoch am Himmel und warf silbernes Licht auf den Boden, über den der Saum meines Kleides zusammen mit meinen Füßen schleifte.

Zaro … Zaro war nicht mehr. Ich hatte ihn sterben sehen. Ein kleiner Teil von mir war mit ihm gestorben. Der Teil, der Hoffnung getragen hatte.

Die Hände der fremden Soldaten zogen mich weiter, eine Treppe hinunter. Der Geruch nach Tier und Fäkalien stieg mir in die Nase und wurde stärker, je tiefer wir kamen. Mir wurde übel. Vom Gestank. Von dem, was ich gesehen und gehört hatte.

Nein. Das durfte nicht sein. Panik zerfraß meine Eingeweide und machte jeden Atemzug zur Tortur. Ich durfte ihn nicht gewonnen und schon wieder verloren haben.

Ich war eine Schicksalsnovizin. Ich konnte helfen. Ich musste helfen. Es war das, worauf ich seit Jahren hinarbeitete. Ich würde meine Eltern rächen. Den Krieg beenden.

»Ich hatte einen Partner!«, krächzte ich, versuchte die Fersen in den Boden zu stemmen, doch wurde nur weitergeschleift. »Novizen, die einen Partner oder eine Partnerin hatten, müssen nicht zur Front!«

»Eure Vermählungszeremonie hat nicht stattgefunden. Eure Verbindung wurde nicht vollendet. Vor den Seelenband-Gesetzen bist du allein«, herrschte mich die Soldatin zu meiner Rechten an. »Keine Ausnahmen. Dein Schicksal ist entschieden.«

»Nein!« Ich riss an meinen Armen, während das gläserne Portal, auf das wir zuhielten und hinter dem ich eine hölzerne Kutsche erahnte, immer größer wurde. Meine Augen brannten, doch ich kämpfte die nutzlosen Tränen zurück. » Lasst mich sofort los! Das ist nicht fair!«

»Dein Seelenpartner hätte sich nicht umbringen lassen sollen«, sagte die Soldatin ungerührt, während das Tor für uns geöffnet wurde. »Aber du kannst die Zukunft sehen: Wenn das Schicksal es so will, überlebst du länger als der Rest.«

»Ah, aber sie kann weder ihre eigene Zukunft noch die von Martias Kriegsnovizen oder Kriegsmeistern sehen. Außer, sie berührt sie«, gab die zweite Wache zu bedenken.

»Und in diesem Fall ist sie so schnell tot, dass ihr das Zukunftssehen auch nichts mehr nützt«, bemerkte die Soldatin.

Der andere lachte auf, ließ mich abrupt los und entfernte den Metallbolzen, der die Kutsche von hinten verschloss.

Der Geruch von Blut und Rost und Scheiße quoll mir entgegen und im nächsten Moment hob die Soldatin mich hoch und schubste mich in den Käfig, den sie Kutsche nannten. Ich fiel vornüber auf die Hände und zerriss mir den Stoff meines linken Handschuhs an einer rostigen Schraube auf dem Boden. Das Knarzen des einrastenden Metallbolzens verriet mir, dass ich mich wortwörtlich in einer ausweglosen Situation befand.

»Das sind die Letzten für heute«, rief die Soldatin draußen. »Fahr. General Rako wartet seit Jahren auf diese besondere Ladung. Also beeil dich.«

Mit einem Ruck und einem lauten Quietschen setzte sich die Kutsche in Bewegung. Dann war es bis auf das gleichmäßige Schaben der Räder über Stein still. Und Stille hatte sich noch nie so endgültig in meinen Ohren angehört.

Dein Schicksal ist entschieden.

Nein. Nein!

Ich ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne zusammen. Manche sahen es als eine Ehre an, ihr Leben als Verlorene an der Front verbringen und für ihr Land opfern zu dürfen. Manche freuten sich über den Sinn, den ihre einsame Existenz bekam.

Ich war nicht manche – ich wollte mehr! Wenn Zaro noch leben würde … wenn wir zusammen neue Kräfte entwickelt hätten … ich hätte mehr tun können, als für Anima zu sterben.

Ich hatte einen Unterschied machen wollen! Ich hatte helfen wollen. Ich hatte meine Eltern stolz machen, ihrem Tod Bedeutung geben wollen. Ihre Ermordung rächen wollen!

Die Verzweiflung zerrte an meinen Gliedern, an meinem Magen, meinem Herzen, meinem Zwerchfell und nahm mir die Luft zum Atmen. Es war so kalt, so unendlich kalt …

»Kiana?«

Ich zuckte zusammen und sah erschrocken auf. Die Kutsche war zu beiden Seiten mit metallenen Bänken ausgestattet. Auf der rechten erahnte ich nur lange, an den Knöcheln überschlagene Beine; der Oberkörper und das Gesicht des Verlorenen blieben vor dem Mondlicht verborgen, das durch ein einsames, vergittertes Fenster auf der gleichen Seite fiel. Doch auf der linken Bank beugte sich ein Mädchen vor, deren dunkelbraune Haare zu einem – mittlerweile zerrupften – Kranz um ihren Kopf geflochten waren.

»Rese?«, erwiderte ich schockiert und rappelte mich vom Boden auf. Ich strich über meine geschundenen Knie und ließ mich schwer atmend ihr gegenüber nieder. »Was tust du hier? Ich dachte, sie hätten alle Verlorenen direkt nach der Zeremonie Richtung Front gefahren.«

»Ich bin ohnmächtig geworden und ein Heiler musste mich erst noch untersuchen, aber … was tust du hier? Ich hab gehört, du hast den Liebesnovizen abbekommen?«

Ein Haken zog an dem daumennagelgroßen Loch in meiner Brust, sodass meine Augen wieder anfingen zu brennen, und etwas Bitteres und Saures flutete meinen Mund. Es war der Geschmack von Verlust. Doch der Verlust meiner Möglichkeiten tat mehr weh als der Verlust von Zaro. Die Wachen hatten recht gehabt. Unsere Verbindung war noch nicht vollständig gewesen, das Loch könnte größer sein. Doch das, was mein Seelenverwandter symbolisiert hatte … Hoffnung … es war fort.

»Er … ist nicht mehr.«

Rese weitete die Augen. »Er ist abgehauen?«

»Nein. Er wurde ermordet.« Der Satz war so endgültig, dass er in meinen Ohren schmerzte. Wie konnte das sein? Wie … wie …

Ich zog die Füße unter die Bank, als könnte die Blutpfütze aus meiner Vision jederzeit das Leder meiner Schuhe durchweichen, und kniff die Augen zusammen. »Ich … hab es gesehen. In meinem Traum. Nein, es war kein Traum. Es war eine Vision. Es fällt mir manchmal schwer, die beiden zu unterscheiden.«

Die Bank knarzte, als der Gefangene am anderen Ende sein Gewicht verlagerte. Ich wandte den Kopf, konnte aber nur Umrisse ausmachen – und es war mir auch egal, ob er zuhörte. Was machte es jetzt noch für einen Unterschied? Ich wusste nur, dass die Last auf meiner Brust mich niederrang und ich Gewicht loswerden musste. Sei es auch nur das meiner Worte. »Ich bin mit ihm gestorben«, flüsterte ich rau und lehnte mich nach vorn, die Arme fest um meine Mitte geschlungen. Um mich zusammenzuhalten. »Mit einem Dolchstoß in die Brust.« Genau zwischen die Rippen. Genau ins Herz. Der Angreifer hat gewusst, was er tat. Ich kannte die Stellen am Körper, die man zum Töten treffen musste, so gut wie meine eigenen Narben.

»Du hast also den Mörder deines Seelenverwandten gesehen?«, fragte Rese entsetzt.

»Nein. Meine Sicht war verschwommen. Ich hab nur den Tod selbst gesehen … das hat mir gereicht.« Das Einzige, was mir ein wenig Trost spendete, war der Gedanke, dass der Täter ebenfalls tot sein würde. Mörder bekamen genauso wie Schicksalsbrecher keine Verhandlung und wurden sofort hingerichtet. Und die Wache musste ihn erwischt haben, sonst wäre sie nicht so schnell bei mir gewesen.

»Aha.« Ihre Stimme rutschte eine Oktave tiefer. »Wie viel siehst du?«

Ich blinzelte überrascht. »Grundsätzlich zu viel«, antwortete ich schließlich ehrlich.

»Dann wusstest du es«, sagte sie scharf. »Du hast gesehen, dass ich keinen Partner bekommen würde, oder?«

Mein Magen zog sich zusammen und ich richtete mich auf. »Was? Nein.«

»Doch! Die Göttin selbst hat dich für deine Fähigkeiten gelobt. Du siehst die Zukunft. Du musst es gewusst haben. Doch du hast mich meinem Schicksal überlassen! Hättest du etwas gesagt, hätte ich noch fliehen können.«

Ich presste die Lippen aufeinander und lehnte mich zurück. Ich war es gewohnt, von anderen Menschen angefeindet zu werden. Sie vergaßen, dass ich immer nur einen Ausschnitt der Zukunft sah – nicht den Weg dorthin. Meine Vision hatte mir Reses Verzweiflung gezeigt – jedoch nicht ihren Ursprung. Folglich hatte ich sie auch nicht warnen können.

»Ich sehe nicht alles«, flüsterte ich hohl. »Nicht die ganze Zeit. Nicht, was andere wollen. Und Schicksal und Zukunft sind nicht dasselbe, Rese.« Nur weil es mein Schicksal gewesen war, Zaro zu verlieren, hieß das noch lange nicht, dass die Front meine Zukunft sein musste. Ich würde das nicht zulassen!

»Nein! Du lügst. Du hättest mich retten können!«, stieß Rese aufgebracht hervor. »Du hättest uns alle retten können …«

Sie sank auf der harten, metallenen Bank zusammen. Die Ellbogen auf den Knien, die Hände aufs Gesicht gepresst. Tränen liefen über ihre Haut, tropften von ihrem Kinn, während der Boden unter unseren Füßen vibrierte.

Kälte kroch bei dem Anblick meine Arme hinauf, denn ich kannte das Bild. Und vielleicht hatte ich sie doch belogen. Vielleicht hätte ich sie doch retten können.

Wenn du für jede Zukunft die Verantwortung übernimmst, wirst du keine eigene haben.

Die Stimme meiner Ordensführerin hallte wie ein Echo in meinen Ohren und ich schloss die Augen. Obwohl es die Wahrheit war, fiel es mir so unendlich schwer, das einzusehen. Die meisten Schicksalsmeister hatten mir erzählt, dass die Bilder, die sie sahen, zumeist nur zu einem Drittel Realität wurden. Weil die Zukunft zu instabil und wandelbar sei und jede Entscheidung sie verändern könne. Aber bei mir war es anders. Ich wusste nicht, wann meine Visionen wahr wurden – ich wusste nur, dass sie es taten. Bisher ausnahmslos.

Ich tastete nach der Tasche meines Nachtkleides und umschloss den hölzernen Würfel darin. Ich war froh, dass die Wachen ihn mir zusammen mit der Haarnadel gelassen hatten.

»Rese«, wisperte ich und streckte die Hand aus, um sacht ihr Knie zu drücken. »Hör auf zu weinen. Tränen ändern rein gar nichts.« Das hatte ich mit sechs Jahren lernen müssen. »Du trocknest nur schneller aus.«

Rese hob den Kopf und sah mich mit verquollenen Augen an. »Ich habe Angst. Ich will nicht sterben. Ich kann nicht gut kämpfen.«

»Es ist gut. Alles ist gut«, versicherte ich ihr und atmete tief durch. Ich würde nicht aufgeben. Egal, wie viele Menschen versucht hatten, mich dazu zu bringen. »Du wirst nicht sterben. Ich kann dir helfen.« Ich wusste nicht, wie, aber ich würde einen Weg finden. Ich hatte bisher immer einen gefunden. »Selbst wenn wir an der Front landen, wir … ich werde dafür sorgen, dass wir eine Chance haben, dass …«

»Weißt du«, drang eine Stimme an mein Ohr, so dunkel wie der Schatten, aus dem sie kam, »du tust ihr keinen Gefallen damit.«

Meine Nackenhaare richteten sich auf und langsam wandte ich den Kopf. »Womit?«

»Zu lügen.« Sein Flüstern war samtig weich – seine Worte waren es nicht. »Eine Schicksalsnovizin sollte es besser wissen, als sich die Zukunft schönzureden.«

»Woher willst du wissen, ob ich lüge?«, erwiderte ich scharf.

Der Fremde beugte sich langsam vor, sodass ein einzelner Strahl Mondlicht sein Gesicht erhellte. »Weil ich auf den ersten Blick erkannt habe, dass deine Freundin eine einzige Schwachstelle ist«, sagte er rau. »Sie wird an der Front schneller sterben als du Ups sagen kannst. Dir hingegen würde ich drei Minuten zugestehen. Bei gutem Wetter. Eine bei schlechtem.«

Ich erstarrte und sah ihn mit offenem Mund an. Er war kein Fremder. Er war der Kriegsnovize aus dem Palast. Seine grauen Augen eine einzige Herausforderung; sein Hemd nicht mehr in der Farbe Pazans, sondern in der dreckiger Eierschalen, und er hatte eine Beule an der Stirn, die mich mit einiger Genugtuung erfüllte.

»Von einem Mann, der als Liebesnovize verkleidet und somit unrechtmäßig im Palast herumstromert, lass ich mir nicht meine Überlebenschancen schätzen«, sagte ich kalt.

Der Bastard lächelte. Als wäre ich äußerst unterhaltsam.

»Siehst du?«, sagte er leichthin. »Das ist der Grund, aus dem ich dir drei Minuten mehr gebe. Du bist aufmerksam. Niemand sonst hat Verdacht geschöpft.«

»Außer den Wachen, offensichtlich.«

»Nein, sie haben immer noch keine Ahnung.«

»Ach ja, was tust du dann hier?«

»Warten, größtenteils.« Er legte eine Hand flach auf den Kutschenboden, der aufgrund des Kopfsteinpflasters, über das wir fuhren, heftig vibrierte. »Noch eine Weile länger, fürchte ich.«

Ich schnaubte. Er redete Unsinn und mich beschlich die Ahnung, dass er vielleicht nicht ganz klar im Kopf war. Dafür, dass er sich in einem hölzernen Käfig auf dem Weg zur Front befand, war er nämlich viel zu entspannt!

»Ihr kennt euch?«, fragte Rese verwirrt.

»Nein. Er ist ein Verbrecher. Ich weiß nur noch nicht, welcher Art«, sagte ich knapp.

»Der charmanten Art«, stellte er fest und lehnte sich zurück in den Schatten. »Hübsche Haarnadel übrigens.«

Unwillkürlich fuhr meine Hand zu dem Schmuckstück in meinem Zopf, der sich langsam, aber sicher auflöste. »Soll ich mich jetzt für das Kompliment bedanken?«

»Es wäre höflich – aber seit du deine Freundin belogen hast, interessiert mich ehrlich gesagt nichts mehr, was aus deinem Mund kommt. Also verzichte gern.«

Mir fiel die Kinnlade herunter. »Entschuldigung?«

»Entschuldigung angenommen. Ich würde die Haarnadel als Entschädigung akzeptieren.«

»Ich habe nicht …« Genervt sah ich auf den Schatten, in dem ich sein Gesicht vermutete. »Ist das der Grund, aus dem du im Palast warst? Um Schmuck zu stehlen?«

Das entrang ihm doch tatsächlich ein Lachen. Ein leises, heiseres Lachen, das die Härchen auf meinen Armen aufrichtete. »Ich bin kein Dieb.«

»Nein, du bist ein Kriegsnovize«, sagte ich kühl.

Abrupte Stille folgte.

Ängstlich rückte Rese näher zur Tür, weg von dem Fremden. »Er ist … er ist ein Kriegsnovize?«

Der Betrüger beugte sich langsam wieder vor, bis der Blick seiner grauen Augen in meinen stach. »Wieso glaubst du das?«, wollte er ruhig von mir wissen.

»Ich glaube es nicht, ich weiß es. Dein Schatten verrät dich«, sagte ich verächtlich. »Du kannst dich in so viel Gold kleiden, wie du willst. Du könntest niemals verbergen, wer du bist!«

Mit verengten Augen betrachtete er mich, während er wieder die Hand auf den Boden presste. Das Vibrieren hatte abgenommen. Wir fuhren nicht mehr auf Stein, sondern auf einem weicheren Material.

»Du hast keine Ahnung, wer ich bin«, raunte er gefährlich leise und stand langsam auf. »Sonst hättest du Angst. Genau wie deine Freundin.«

Reses Atem beschleunigte sich hörbar und sie drängte sich weiter in die Ecke, doch ich hob nur das Kinn und sah ihn unbeeindruckt an. »Ich habe schon lange keine Angst mehr vor Menschen. Egal ob Novize, Meister oder gänzlich ohne Fähigkeiten. Klingen und Fäuste können im Vergleich zur Zukunft und zum Schicksal nur wenig Schaden anrichten.«

»Ich bin froh, dass du das sagst. Das erleichtert mir das Ganze«, erwiderte er ruhig … und die Kutsche kam zum plötzlichen Stillstand.

Das Ganze?

Das dumpfe Murmeln zweier Stimmen ertönte und mein Körper spannte sich an. Warum hielten wir?

Der Kriegsnovize lächelte seicht. Er stand nun direkt vor mir. »Haltet euch fest.«

»Was?«

Er machte sich nicht die Mühe, zu erklären. Er stieß die Hand nach vorn und eine Sekunde lang dachte ich, er wolle mich schlagen. Doch stattdessen zog er mit einem Ruck die Nadel aus meinen Haaren. Er agierte so schnell, dass mir schwindelig wurde. Noch bevor meine Strähnen auf meine Schultern fallen konnten, zerschlitzte er bereits mit dem Schmuckstück den Handschuh an meinem linken Unterarm und die darunter liegende Haut. Ein Schrei löste sich aus meiner Kehle. Blut quoll über die weiße Seide und rann meinen Arm hinab, während ein scharfer Schmerz meinen Körper durchzuckte, sodass ich keuchend Luft einsog. Ich wollte meinen Arm zurückreißen, doch der Kriegsnovize presste seine raue Handfläche bereits fest auf den Schnitt. Brennende Kälte zuckte meinen Arm hinauf, als würden Blitze aus Eis in meine Haut einschlagen, während mein Gegenüber die Augen schloss. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als er mit der freien Hand und tödlicher Präzision meine Haarnadel aus dem vergitterten Fenster schleuderte. Sie berührte die eng aneinanderstehenden Gitterstäbe nicht einmal. Sie flog einfach durch sie hindurch und einen Atemzug später hörte ich ein Gurgeln, einen dumpfen Aufprall … bevor der Kriegsnovize mich schlagartig losließ.

»Festhalten«, formte er mit den Lippen, bevor er in die Höhe sprang, auf einem Knie landete und seine Faust auf den Boden schmetterte.

Das Holz der Kutsche zerbarst wie Knochen unter dem Schlag eines Hammers.