Huckleberry Finns Abenteuer - Barbara Kappen - E-Book

Huckleberry Finns Abenteuer E-Book

Barbara Kappen

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Beschreibung

Zwei Freunde auf einem Floß, getragen von der Strömung des Mississippi, Jim, ein entflohener Sklave und Huckleberry, vierzehn Jahre alt, der ihn vor der Verfolgung retten will. Ihr Plan: Flußabwärts bis nach Cairo und dann mit dem Dampfer nach Illinois, wo es keine Sklaverei mehr gibt. Aber als Huckleberry an Land geht, um etwas zu essen zu besorgen, genügt eine Unvorsichtigkeit, und die Farmer im Dorf, alle bewaffnet, brechen auf zur Jagd auf Jim. Nur, Mark Twains Blick auf den Rassismus, damals im Süden der USA, ist immer auch die liebevolle Zeichnung jeder Figur und ihrer Widersprüche, voller Humor und der Hoffnung auf eine tolerante Zukunft. Dazu, spannende Naturerlebnisse. Und 12 ganz besondere Illustrationen.

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Seitenzahl: 102

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Barbara Kappen

Schauspielerin. Studium Film- u. Fernsehakademie Berlin: Dokumentar- u. Spielfilme. Lektorin, Übersetzerin, Autorin; Theater-Verlag Neue Pegasus. Lebt in Berlin u. Frankreich.

Petros Sagoridis

Freier Grafiker und Illustrator.

Studium Hochschule der Künste, Berlin; Visuelle Kommunikation. Lebt und arbeitet in Berlin und Griechenland.

Für Rafael

1.Kapitel

Vielleicht kennst du mich schon, weil du den „Tom Sawyer“ gelesen hast, aber vielleicht auch nich, und jetzt hast du mein Buch, und da willst du wissen, wer ich bin. Huckleberry Finn heiß ich, ich bin vierzehn, und wie ich jünger war, da is was passiert, da ist meine Mutter gestorben. Die lag da auf einmal in einem Sarg, das weiß ich noch, und genauso kam sie auf’n Friedhof. Und das war zuviel für meinen Vater, der wollte nur noch weg. Hat gemeint, daß er verreisen muß, „Ich will mit“, hab ich gesagt, aber er: „Nein, das geht auf keinen Fall.“ Und dann war er weg, und er ist nie zurückgekommen. Dabei hat er mich früher immer mitgenommen mit dem Kanu auf dem Mississippi, wir ham geangelt und dann wandern im Wald, das hatte ich gern und Feuer machen am Flußufer und unsern Fisch braten, Mann, war das gut. Aber auf einmal war das alles vorbei.

Naja, die Schule, das ging ja weiter, und da war eine Nachbarin, die hat sich um mich gekümmert. Aber ihr Mann, das war ein Schläger, der hat zugeschlagen immer wenn ich schlechte Noten hatte, jedes Mal und zwar so, daß ich noch zwei Tage was davon hatte. Leider bin ich kleiner als die meisten in meinem Alter, sonst hätte ich zurückgeschlagen. Und das ging so lange weiter, bis ich abgehauen bin. Ich war einfach weg, ich war im Wald, da ging’s mir besser. Hab aufgehört zu heulen und mich total gut versteckt, in einer Höhle. Okay, sie ham mich trotzdem gefunden, aber das war keine große Leistung, mit dressierten Hunden ham die mich von der Polizei suchen lassen, toll, und sie selber warn einfach gemütlich zu Hause geblieben.

Und danach, da kam wieder eine andre Frau, die wollte mich haben, damit sie mich erziehen kann, ich sollte sie Tante nennen, Tante Polly, hab ich auch gemacht. Also die war auch nich mein Traum, aber sie wollte irgendwas Gutes, das hab ich gemerkt. Und das große Glück: Sie hatte keinen Mann, in aller Ruhe hat sie so getan als wenn ich ihr eigener Sohn wäre. Das hört sich gut an, aber es war verdammt schwierig, wirklich. Weil was sie aus mir machen wollte, das hat sie mir gesagt, „Da wird aus dir ein junger Mann werden“, sagt sie, „aber ein anständiger und außerdem noch ein höflicher.“ Also, was das bedeutet, jeden Morgen und schon vor dem Frühstück: „Guten Morgen Tante Polly, hast du gut geschlafen.“ Sie hat mir nie gesagt, ob sie gut geschlafen hat, okay, is in Ordnung. Aber am Abend schon wieder, jedes Mal, wenn ich ins Bett geh: „Gute Nacht Tante Polly. U n d  danke.“ Ja, „und danke“ hat sie gesagt, soll ich bitte sagen, weil ich bei ihr so ein gutes Leben hab. Naja, warum nich, is ja nich schwierig, nur ich vergess es eben immer. Außerdem sollte ich ihre alten Türen nich knallen, die schließen nich mehr richtig, deshalb passiert es mir so oft, aber dann sie sofort: „Huckleberry, was hab ich dir gesagt ?“

Jetzt hatte aber Tante Polly schon vor mir den Tom Sawyer aufgenommen, der auch keine Eltern mehr hat. Aber der war ihr zu wild, da hat die Nachbarin ihn übernommen. Tom, das is so einer, der hat immer viele Ideen. Und zuletzt wollte er mit mir im Wald eine Räuberbande gründen. Wie das gehen sollte, wußte ich nich. Außerdem hatte mich Tante Polly auch neu angezogen, so enge feine Sachen, da schwitzt man sofort, und jeden Fleck sieht man da. Meine alte Hose war viel besser, weil die dunkel geworden is, und das war praktisch. Besonders im Wald, ich war schneller als Tom, und immer durch die Büsche so quer da durch, das war cool. Aber wenn wir nachhause kamen, dann war alles anders. Weil Tante Polly, die sieht mich nur an, und meine Hose sieht sie auch, und da hält sie sich die Hand vor’n Mund, und mit so einem ganz hohen Ton zieht sie die Luft ein, so: „Haaa“, also, sie hat beinah geweint. Nur wie soll ich das schaffen, so sauber kann ich niemals bleiben, daß sie nicht jedes Mal weinen muß. Aber, tolle Überraschung, sie hat es gesehn, daß ich erschrocken bin, das tat ihr leid, was passiert ? Ohne zu schimpfen holt sie was Neues aus dem Schrank, was Feines und wieder sowas Enges, und ich, ich muß wieder schwitzen. Und was dann noch so alles kommt, also, wenn du mal bei einer Tante wohnen mußt, ja ? Dann paß mal gut auf, zum Beispiel beim Essen, du sitzt am Tisch, hast was Lekkeres auf dem Teller, aber wehe, du fängst an, zu essen, du mußt warten, bis die Tante sich auch hingesetzt hat. Dann schneuzt sie sich, und danach, da muß man nochmal warten, da legt sie nämlich die Hände zusammen und alle zehn Finger über Kreuz und dazu murmelt sie irgendwas. Beten nennt sie das. Sie is schon komisch, aber sie sagt nicht, daß ich jetzt auch beten muß, das is cool.

Nur leider nach dem Essen, da geht’s ja erst richtig los, da holt sie ihre Bibel raus und erklärt mir ganz viel.

Und der Anfang der geht immer so: „Huckleberry, du sollst nicht gähnen, wenn ich rede mit dir.“

Und damit ich ja nich einschlafe, erzählt sie mir dann ganz schnell was von der Hölle, also von dem riesigen Feuer da unten.

„Auja“, sag ich, „da will ich auch mal hin“.

„Wie bitte ? Huckleberry ! Man muß so leben, daß man in den Himmel kommt.“

„Ja aber wie is das denn so, da im Himmel ?“

„Im Himmel ? Lieber Junge, eins sage ich dir, wenn du da mal angekommen bist, dann hast du keine Sorgen mehr, dann ist es nur noch wunderschön, alles was die Engel machen, das machst du genauso wie sie, und die singen ja so gerne, und die spielen Harfe, und das kannst du dann auch, auf einmal kannst du Harfe spielen.“

„Ich ?“ „Ohja !“

„Und wie is das, kommt Tom Sawyer auch in den Himmel ?“

„Oh nein.“ sagt sie da, „Das wird wohl nichts.“

Was war ich froh, lieber mit Tom in der Hölle als mit ihr im Himmel, und dann mit ihr singen von morgens bis abends, neenee.

Aber manchmal ist sie auch zu müde.

„So“, sagt sie dann, „du gehst jetzt ins Bett, und versuch bitte, die Tür nicht so zu knallen. Gute Nacht, Huckleberry.“ Und ich: „Gute-Nacht-Tante-Polly-und-danke.“

Endlich oben in meinem Zimmer steh ich am offenen Fenster und will an was Schönes denken. Geht aber nich, ich bin traurig. Kein Stern am Himmel, total dunkel alles. Und im Haus, totenstill. Nur von weit her, eine Kirchenglocke, ding-dong, zehn Mal, ding-dong, und wieder still. Und auf einmal, im Garten, da bewegt sich was, und ich hör ein Schnalzen: Kh-kh-kh. Das kenn ich gut, und ich steig aus. Raus aus dem Fenster, ich rutsch runter am Blitzableiter, dann schleich ich rüber zu den Bäumen, und da wartet er, mein Freund Tom. Wir ducken uns, und an der Hecke entlang schleichen wir ans andere Ende vom Garten. Als wir aber an der Küche vorbei warn, bin ich gestolpert über ‘ne Wurzel, das hat’n Geräusch gemacht, und wir halten an. Weil in der offenen Tür, da steht Jim. Jim, der ist schwarz, und er ist ein Sklave. Tante Polly hat ihn sich gekauft, damit er arbeitet für sie im Haus und im Garten. Und jetzt steht er da, horcht und fragt ins Dunkle rein: „Hallo, wer ist da ?“

Und hier kommt jetzt, lieber Leser oder liebe Leserin, eine Erklärung für dich. Der Roman „Huckleberry Finns Abenteuer“ wurde geschrieben von Mark Twain. Das ist ein Amerikaner, und er hat dort, wo diese Geschichte spielt, selber als Kind gelebt. Am Ufer des Mississippi in Missouri, im Süden der USA. Und damals hat man Menschen nur weil sie eine dunkle Hautfarbe hatten, auf der Straße brutal überfallen, geschlagen, angekettet und auf dem Sklavenmarkt verkauft genau so wie man es mit einem Pferd oder einer Kuh macht. Danach wohnten sie bei dem, der sie gekauft hat, der gab ihnen zu essen und sonst nichts. Sie mußten arbeiten und bekamen kein Geld dafür. Und wenn man sie satt hatte, wurden sie auf‘s Neue verkauft und woanders hingebracht. Doch immer wieder schaffte es einer von ihnen, wegzulaufen, weil er zurück will zu seiner Familie, und das war oft ein langer Weg. Also mußte er sich mehrmals verstecken, in der Nacht zum Beispiel in einer fremden Scheune. Wenn man ihn dann aber fand, und er lief wieder weg, dann durfte ihn jeder erschießen. So wie auch in unserer Zeit in den USA Polizisten immer wieder schwarze Menschen erschossen haben und nur mild oder gar nicht bestraft wurden dafür. Das heißt, Mark Twain hat sich seine Geschichte nicht ausgedacht, sondern was hier Huckleberry zusammen mit Jim erlebt, stell dir mal vor, das war die Wirklichkeit.

Und nun zurück in den Garten in der Nacht, Jim fragt: „Hallo, wer ist da ?“ Und wie es weiter geht, das wird er jetzt wieder selber erzählen, unser Huckleberry:

Tom und ich, wir rührn uns nich, und Jim, er setzt sich auf seinen Hocker und wartet, und wir, warten auch, sogar ‘ne ganze Weile. Und plötzlich das Knurren von einem Hund und ich sofort weg, so schnell wie ich konnte, nichts wie raus aus dem Garten, Tom hinterher, und endlich sind wir draußen, ich mach die Gartentür zu und sag: „Hast du ihn gehört, den Hund, der geknurrt hat ?“ Und er: „Huck, das war nich geknurrt, das war geschnarcht, Jim war eingeschlafen“. Und wir lachen und rennen den Berg hinauf, den Dorfberg, nich weit von Tante Pollys Haus. Und da oben angekommen, mußten wir zuerst mal verschnaufen, und wir stehn da so, und wir kucken runter auf unser dunkles Dorf. Nur am Rand, in einem einzigen Fenster, da hat noch Licht gebrannt. Vielleicht is ja einer krank, und der stirbt bald, hab ich gedacht. Und hinter dem Haus mit dem Licht, da fließt er, der Mississippi, total ruhig heute Abend, ich kenn das, nur mit so’m winzigen Wellengeräusch, aber das kann man da oben nich hören, is ja klar.