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Bea und die Hummelstichler Landfrauen reisen zur Esoterikmesse nach Bad Frankenberg, um sich von dem berühmten Astrologen und Hellseher Ladislaus Lazuli die Zukunft vorhersagen zu lassen. Doch als sie nach einem ereignisreichen Tag über die Leiche des charismatischen Mannes stolpern, ist das Entsetzen groß. Lazuli, der über eine besonders fanatische Anhängerschaft verfügte, wurde mit einem wertvollen Heilstein erschlagen. Bei ihren Nachforschungen müssen Bea und die Landfrauen feststellen, dass Sterndeutung eine gefährliche Angelegenheit sein kann.
Zur Serie: In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt - denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf ... Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
HUMMELSTICH - Die Serie
Die Charaktere
Titel
1. Der Nachthimmel ist wie ein Buch - und wir alle lesen es ohne Brille
2. Astrologie ist wie eine Wettervorhersage, nur mit mehr Glitzer
3. Eine Sternschnuppe ist wie ein kosmisches Augenzwinkern - kurz und voller Geheimnisse
4. Manche suchen Antworten in den Sternen, andere fragen einfach Google
5. Unter den Sternen sieht jedes Problem gleich viel kleiner aus
6. Sternbilder sind wie das Leben - jeder sieht, was er sehen will
7. Die Sterne zeigen dir den Weg - solange du weißt, wonach du suchst
8. Manche suchen das Glück in den Sternen, andere im Schnaps
9. Wenn die Sterne sprechen, hört man lieber zweimal hin - sie könnten über dich klatschen
10. Wenn die Sterne dir den Weg zeigen, führt er oft geradewegs ins Chaos
11. Sternbilder sind wie Wolken - je länger man schaut, desto mehr erkennt man
12. Die Sterne lügen nicht, aber sie übertreiben gerne
13. Die Sterne lügen nie … außer, wenn sie dir Hoffnung machen
14. Die Sterne beobachten uns - und lachen sich heimlich ins kosmische Fäustchen
15. In den Sternen steht alles geschrieben - allerdings in einer sehr komplizierten Sprache
16. Ein mieser Tag? Die Sterne schieben’s auf Merkur
17. Im Dunkeln leuchten die Sterne am hellsten
18. Sternengeflüster kann man nicht streamen, aber im Herzen empfangen
19. Wer die Sterne beobachtet, findet vielleicht nicht die Zukunft - aber sicher gute Ausreden
20. Astrologie erklärt nicht alles - aber es gibt eine gute Geschichte dazu
21. Wenn die Sterne in eine Richtung deuten, geh lieber trotzdem deinen eigenen Weg
22. Wenn die Sterne funkeln, fühlt sich selbst die dunkelste Nacht wie ein Abenteuer an
23. Der Nachthimmel ist eine Fernsehserie, die nie langweilig wird
Rezept: Zwetschgenkuchen mit Zimt
In der nächsten Folge
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Bea und die Hummelstichler Landfrauen reisen zur Esoterikmesse nach Bad Frankenberg, um sich von dem berühmten Astrologen und Hellseher Ladislaus Lazuli die Zukunft vorhersagen zu lassen. Doch als sie nach einem ereignisreichen Tag über die Leiche des charismatischen Mannes stolpern, ist das Entsetzen groß. Lazuli, der über eine besonders fanatische Anhängerschaft verfügte, wurde mit einem wertvollen Heilstein erschlagen. Bei ihren Nachforschungen müssen Bea und die Landfrauen feststellen, dass Sterndeutung eine gefährliche Angelegenheit sein kann.
In Hummelstich scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Dächer der niedlichen Fachwerkhäuser funkeln und glitzern unter strahlend blauem Himmel und die Bewohner gehen emsig ihrem Tagewerk nach. Aber der schöne Schein trügt – denn hinter der Bilderbuchfassade tun sich mörderische Abgründe auf … Aber zum Glück ist die energische Hobbydetektivin Bea von Maarstein vor Ort! Zusammen mit ihrem persönlichkeitsgestörten Papagei Dr. Jekyll und dem Dorfpolizisten Sven Grüneis löst sie jeden noch so verzwickten Fall.
Bea von Maarstein, 69 Jahre, kosmopolitische Hobbydetektivin, verwitwet, exzentrisch, lebensfroh, fährt einen alten Bücherbus, den sie zu einem mobilen Detektivbüro umgebaut hat.
Dr. Jekyll, Beas Papagei, ein Hellroter Ara, smart und kratzbürstig, äußerst sprachbegabt.
Sven Grüneis, 37 Jahre, Dorfpolizist und Landwirt, verheiratet, lebt mit seiner Familie in einem großen Bauernhaus, naiv, pflichtbewusst und stets korrekt, hat das Herz am rechten Fleck.
Borwin Wandelohe, 63 Jahre, Halbspanier, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Friseurskunst, quirlig, fröhlich, verbreitet stets gute Laune, exzellenter Hobbykoch.
Kurt Pfeiffer, 62 Jahre, Kommissar im Ruhestand, hat ein Talent für die Ölmalerei, seit einiger Zeit Ortsvorsteher von Hummelstich.
Sieglinde Sperling, 36 Jahre, die neue Kommissarin der Bad Frankenberger Mordkommission, fleißig, aber unerfahren, ihr Lachen klingt wie das Quietschen eines Meerschweinchens.
Sonne, Mord und Sterne
Es war ein friedlicher und sonniger Samstagvormittag im Oktober. Hummelstich, die kleine Gemeinde am Fuße des Kyffhäusergebirges, war in ein herbstlich goldenes Licht getaucht. Die Dächer der niedlichen kleinen Fachwerkhäuser, die sich harmonisch in die Landschaft einfügten, schimmerten in warmen Kupfertönen. In den Gärten gediehen Chrysanthemen, Dahlien, Buschklee und Astern sowie prächtige Apfelbäume, deren letzte reife Früchte in der Sonne glänzten. Die Luft war erfüllt von einem süßen Duft, der an Aprikosen und Honig erinnerte. Das bunt gefärbte Laub der Bäume raschelte leise im Wind, und ein goldener Blätterteppich bedeckte die schmalen gepflasterten Straßen. Kinder sammelten Kastanien und Eicheln und schnitzten lustige Gesichter in Rüben und Kürbisse hinein. Bauern versorgten ihr Vieh und holten die letzten Erträge des Jahres von den Feldern. Ein alles durchdringendes Gefühl von Zufriedenheit lag über der kleinen Gemeinde.
Auch auf dem Grundstück von Toni Martinelli, der vor knapp vier Monaten ins Dorf gezogen war und seitdem bereits ein kleines, florierendes Unternehmen aufgebaut hatte, ging es sehr harmonisch zu. Der Imker saß auf einem Klappstuhl und beobachtete zwei Hummeln, die sich auf einer sonnengelben Dahlienblüte niedergelassen hatten. Aus einem kleinen Lautsprecher, der neben ihm im Gras stand, drangen die schwungvollen Klänge von Ludwig van Beethovens Freude schöner Götterfunke. Martinelli hatte nämlich herausgefunden, dass die Hummeln und Bienen auf Musik im Allgemeinen und klassische Musik im Speziellen die interessantesten Reaktionen zeigten. Sie arbeiteten produktiver, legten größere Honigvorräte an und konnten sogar effektiver entspannen.
Martinelli lehnte sich im Stuhl zurück und schloss für einen Moment die Augen. Genau wie seine Hummeln genoss auch er die wohltuenden Klänge. Mittlerweile hatten sich sogar seine Nachbarn mit den regelmäßigen Musikeinlagen arrangiert, und da er darauf achtete, die Lautstärke dezent zu halten, störte sich niemand mehr daran.
Er öffnete die Augen und betrachtete erneut seine fleißigen Freunde, deren kleine pelzige Körper sich sanft im Takt des Windes und der Melodie bewegten.
Alles war im Gleichgewicht: das Zusammenspiel von Musik und Natur, er selbst und all die wunderbaren Wesen um ihn herum. Das Leben hätte nicht schöner sein können.
Zwei Straßen weiter packte Dr. Jonas Hölderling eine kunstvoll handgearbeitete Honigseife aus und wusch sich damit die Hände. Er hatte sie vor ein paar Tagen bei Toni Martinelli erstanden, zusammen mit weiteren tollen Produkten des Imkers.
Der süße, verführerische Duft zauberte Hölderling ein Lächeln ins Gesicht. Diese Seife war eine Kostbarkeit. Eine Rarität. Genau wie das Dorf und seine Bewohner. Obwohl er erst seit einigen Wochen hier lebte, waren ihm die Besonderheiten dieses Landstrichs bewusst. Der Gemeinschaftssinn. Der Wetteifer. Die Sturköpfigkeit. Nirgendwo auf der Welt hatte er sich je wohler gefühlt. Daher war ihm der Entschluss, in Hummelstich zu bleiben und hier eine Arztpraxis zu eröffnen, nicht schwergefallen.
Er hatte sogar schon ein Auge auf eine der Einheimischen geworfen. Bea von Maarstein, die Vorsitzende des Landfrauenvereins. Sie war der Diamant in einem Meer aus Kieselsteinen. Die Orchidee in einer Welt voller Astern und Gänseblümchen. Die Hummelkönigin in einem Bau voller Drohnen und Larven.
Hölderling trocknete sich die Hände ab und schaute vergnügt in den Spiegel. Das Glück, es war zum Greifen nah.
Auf der anderen Straßenseite stand Carl Feigenbaum im rückwärtigen Teil seiner Apotheke und öffnete eine Flasche Honigschnaps. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, ein Glas zu holen, sondern setzte direkt die Flasche an und nahm einen Schluck.
Gar nicht so übel. Ziemlich lecker sogar. Besser jedenfalls als der Fusel, den er schon intus hatte. Doch es kam auch gar nicht so sehr darauf an, den Geschmack zu genießen. Alles, was Feigenbaum wollte, war, seinen Frust zu betäuben. Seine Enttäuschung darüber, wie ihn seine Mitmenschen behandelten. Alle hatten sie sich von ihm abgewandt, nur weil er in der Vergangenheit mal einen klitzekleinen Fehltritt begangen hatte. Dabei hatten sie doch alle ihre Verfehlungen und Laster. Doch wenn man in diesem Dorf erst einmal in Ungnade gefallen war, dann schien niemand mehr etwas mit einem zu tun haben zu wollen. Sogar seine Freundin Frederike hatte sich von ihm getrennt – nicht einmal ihr ausgeprägtes Helfersyndrom hatte sie von diesem Schritt abhalten können.
Er nahm einen weiteren großen Schluck von Toni Martinellis Honigschnaps. Wenn er in dem Tempo weitertrank, würde er noch heute seinem Schöpfer gegenübertreten. Dieser Gedanke stimmte ihn hoffnungsfroh, ja beinahe fröhlich.
Gott steckt im Detail, dachte Frederike Neuhaus und zündete eine große Bienenwachskerze an. Die junge Pastorin schwebte elfengleich durch die leere Dorfkirche, damit der Duft des edlen Wachses sich gleichmäßig verteilte. Das war mal was anderes als immer nur Weihrauch.
Sie stellte die Kerze auf dem Altar ab und faltete die Hände. Leise murmelte sie ein Gebet, das den Menschen in diesem Dorf galt. Dabei dachte sie auch an Carl. Sie hatte sich so sehr gewünscht, dass ihre Beziehung Bestand haben und Carl sich doch noch eines Besseren besinnen würde. Doch er würde sich nie ändern. Nicht für sie und auch nicht um seiner selbst willen. Das hatte sie mittlerweile begriffen.
Sie schnupperte, und der liebliche Duft des Bienenwachses drang ihr in die Nase. Doch da war noch ein anderer Geruch. Noch feiner und süßer. Frederike ging zur Eingangstür und trat ins Freie hinaus. Umhüllt von Sonnenlicht schnupperte sie in alle Richtungen. Es roch nach Hefegebäck, frisch aus dem Ofen. Wo kam dieser köstliche Geruch nur her?
Unweit der Kirche, in der Hinkelgasse, gleich über dem Friseursalon, nahm Borwin Wandelohe stolz seine frisch gebackenen Honigkuchenpferde in Augenschein. Er hatte sicherheitshalber gleich drei Bleche voll davon gebacken, wusste er doch, was für Naschkatzen die Hummelstichler waren. Bestimmt würde es nicht lange dauern, bis der Erste an der Tür klopfen und sich nach dem leckeren Geruch erkundigen würde, der durch die Straßen wehte.
Auch Sara und Sven Grüneis, die in ihrem Bauernhaus mit ihren beiden Töchtern gemeinsam am Frühstückstisch saßen, kitzelte der Duft von Borwins neuester Backkreation in der Nase. Sven, der bereits die Tiere versorgt hatte, grinste. »Ich glaub, Borwin hat wieder gebacken. Da werde ich später mal vorbeischauen.«
»Du bist wirklich ein Süßschnuck!«, entgegnete Sara lächelnd.
Lotta blickte ihren Vater aus großen Augen an. »Bringst du uns was mit?«
Ihre kleine Schwester Lilly brabbelte zustimmend.
»Aber natürlich«, versprach Sven und strich erst Lilly, dann Lotta sanft über den Kopf.
Sara nickte in Richtung des Wohnzimmers, aus dem schon die ganze Zeit eigenartige Geräusche drangen. »Dr. Jekyll schaut schon wieder fern.«
»Echt jetzt?« Sven runzelte die Stirn. »Seitdem diese Fernsehleute hier waren, hängt er ja praktisch nur noch vor der Glotze rum.«
Tatsächlich hatte der Hellrote Ara seit seiner Teilnahme an einer tierischen Fernsehshow ein Faible für die Flimmerkiste entwickelt.
»Er ist ein richtiger Serienjunkie«, meinte Sara. »Und die Sendungen, die er sich aussucht, bescheren mir eine Gänsehaut.«
Dr. Jekyll war sehr wählerisch. Außer Tierdokumentationen sah er sich am liebsten Krimis an, und da vor allem True Crime.
»Dagegen müssen wir was unternehmen.« Sara straffte die Schultern. »Solange Bea nicht da ist, sind wir ja für ihn verantwortlich.«
»Wir könnten den Stecker ziehen«, schlug Sven vor. »Dann bleibt der Kasten dunkel.«
»Das machen wir.« Sara nickte begeistert. »Ein wenig Digital Detox wird ihm ganz guttun.«
»Aber dann müssen wir ihm auch eine Alternative anbieten«, sagte Sven und rieb sich nachdenklich das Kinn.
Seine Frau grinste. »Was zum Kriminalisieren.«
»Nö.« Sven schüttelte energisch den Kopf. »Bea ist mit den Landfrauen zur Esoterik-Messe in Bad Frankenberg, und hier ist endlich mal krimifreie Zone! Zwei Tage, an denen wir sicher sein können, dass nichts Schlimmes passiert.«
Sara hob irritiert die Augenbrauen. »Kein Mord, meinst du?«
Mit der Lässigkeit eines entspannten Halbtagspolizisten lächelte er ihr zu. »Dafür muss sich ganz Bad Frankenberg nun in Acht nehmen.«
Seine Frau musterte ihn. »Wo kommen denn diese zynischen Töne auf einmal her?«
Sven hob die Hände. »Versteh mich nicht falsch, ich möchte Bea in unserem Leben nicht missen, und ich habe sie von Herzen gern. Aber die Gewissheit zu haben, dass es mal ein paar Tage zu keinem Verbrechen kommen wird, das ist einfach himmlisch.« Er griff nach der Kaffeekanne und schenkte ihnen Kaffee nach.
»Soll das heißen, dass es früher, bevor Bea nach Hummelstich gezogen ist, nie ein Verbrechen in diesem Dorf gegeben hat?«, wollte Sara wissen.
Leise brummend lehnte sich Sven im Stuhl zurück. »Mal ein Nachbarschaftsstreit oder eine Ruhestörung. Diebstahl allerhöchstens. Aber mit Mord und dergleichen haben wir erst zu tun, seitdem Bea hier lebt.«
Sara schüttete sich Zucker und Milch in den Kaffee. »Das klingt ziemlich schräg.«
»Ja, aber so ist es nun mal.« Sven zuckte mit den Schultern. »Ich kann ja auch nichts dafür.«
»Glaubst du wirklich, dass die bloße Anwesenheit eines Menschen etwas so Schreckliches wie einen Mord auslösen kann?«
»Keine Ahnung, wie und weshalb. Aber Bea zieht das Verbrechen magisch an.«
»Du meinst magnetisch.«
»Ja, das auch.«
Die beiden sahen sich an und lachten.
Sara angelte sich noch ein halbes Brötchen aus dem Brotkorb und bestrich es mit Butter. »Ach Liebling, reich mir doch bitte mal den Hummelhonig.«
»Nichts lieber als das.« Sven schob ihr das Glas hin und küsste sie auf den Mund.
Bea steuerte den Bus zielstrebig die gewundene Landstraße entlang. Das in die Jahre gekommene Gefährt, mit dem sie einst durch die Welt getingelt war und das sie von einer fahrbaren Bibliothek zu einem mobilen Detektivbüro umgebaut hatte, gab ein leises melodisches Brummen von sich.
Sie tätschelte das Armaturenbrett und warf einen Blick in den Rückspiegel. Hinter ihr saßen ihre Freundinnen, die Hummelstichler Landfrauen, deren Vorsitz sie vor einiger Zeit übernommen hatte. Sie waren auf dem Weg nach Bad Frankenberg, wo sie eine Esoterik-Messe besuchen wollten. Der Ausflug war seit Langem geplant und hatte schon im Vorfeld für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Jetzt schnatterten die Landfrauen so aufgeregt miteinander, dass Bea nur einen Teil der Gespräche mitbekam.
»Ich freue mich wie verrückt auf Ladislaus Lazuli«, rief Elsa fröhlich und zog ihren knallroten Lippenstift nach, der ein wenig von ihrem Muttermal oberhalb des linken Mundwinkels ablenkte. Ihr voluminöser brauner Bob glänzte wie eine reife Kastanie im Morgentau. »So einen berühmten Hellseher trifft man ja wirklich nicht alle Tage!«
»Ich bin auch schon ganz gespannt!«, stimmte Brunhilde ihr zu. Die Lockenwickler, die sie manchmal sogar hinter der Theke ihrer Metzgerei trug, hatte sie für diesen Ausflug natürlich abgelegt, doch die mit Haarspray stark fixierten fliederfarbenen Locken umrahmten starr und unbeugsam ihr Gesicht. Ihre monströse Brille saß ein wenig schief auf ihrer Nase. »Ob er wirklich so gut ist, wie alle behaupten? Und was er uns wohl voraussagen wird?«
»Bestimmt liegt eine prächtige Zukunft vor uns«, meinte Linda trocken und tupfte mit einem kleinen Tuch über ihr mit zahlreichen Sommersprossen geziertes Gesicht. Sie war die größte Skeptikerin der Gruppe und hatte sich fest vorgenommen, es auch zu bleiben. »Ich werde mich von diesem Lapislazuli – oder wie er heißt – jedenfalls nicht einwickeln lassen.«
»Die Karten lügen nicht!«, entgegnete Erna streng. »Ich habe das schon öfter ausprobiert, und es hat bisher immer alles gestimmt.« Sie strich sich über ihren langen, silbergrauen Zopf, in den sie stets getrocknete Kräuter band. »Und ein Blick in die Kristallkugel kann auch nicht schaden.«
»Alles Humbug!« Greta setzte sich lachend eine olivgrüne Schirmmütze auf, an der mehrere feministische Anstecknadeln befestigt waren. »Aber macht ja nichts, die Hauptsache ist, dass wir uns amüsieren.«
»Genau«, meinte Paula und kramte in ihrer zitronengelben Umhängetasche. Wie so oft hatte sie ihre schwarzen, lockigen Haare mit einem bunten Batiktuch zusammengebunden. »Außerdem ist es immer gut, seinen Horizont zu erweitern.«
»Hoffentlich gibt es da auch was zu essen«, rief Hanna, die eigentlich nur mitgekommen war, weil sie Lust auf Kuchen hatte und nach neuen Backideen Ausschau halten wollte. Sie trug ein knöchellanges, veilchenblaues Maxikleid, das sie selbst geschneidert hatte und auf das sie besonders stolz war.
Bea schmunzelte still in sich hinein. Sie waren schon eine lustige Truppe. Das würden bestimmt zwei sehr vergnügliche Tage werden.
Vor einem breiten, schuhschachtelförmigen Gebäude kam der Bus zum Stehen.
»Ein sonderbarer Ort für eine Messe«, murmelte Linda und fuhr sich durch das schulterlange, honigblonde Haar.
Bea betrachtete das Haus, an dessen Außenwänden sich Efeu entlangrankte. Hier und da bröckelte Putz von der Fassade, und bis auf einen schmalen Streifen, der einem Trampelpfad gleich zur Tür führte, war der Boden mit Unkraut überwuchert.
»Das war früher mal ein richtig tolles Schwimmbad«, erklärte Paula, die in Bad Frankenberg aufgewachsen war. »Ist aber schon seit mehreren Jahren stillgelegt.« In ihren dunkelgrünen Augen blitzte es. »Jetzt wird es für Konzerte, Lesungen oder ausgefallene Events genutzt.«
»Ist doch prima«, freute sich Elsa. »Da wird dem alten Kasten endlich wieder Leben eingehaucht.«
Sie stiegen aus und näherten sich der Tür, über der ein großes Schild hing, auf dem ein riesiges strahlendes Auge in der Mitte prangte. Neugierig betraten sie den Eingangsbereich des ehemaligen Schwimmbads, und eine Welle exotischer Düfte schlug ihnen entgegen. Eine Mischung aus Sandelholz, Lavendel, Salbei und etwas, was niemand so recht definieren konnte, erfüllte die Luft.
Linda rümpfte die Nase. »Das riecht ja, als hätte jemand den ganzen Kräutergarten abgefackelt.«
»Also, ich finde es herrlich!«, entgegnete Brunhilde und rückte ihre monströse Brille gerade.
»Die Räucherei ist dazu da, um die Chakren zu öffnen«, erklärte Elsa und sog begierig die verschiedenen Düfte ein.
Greta hob die Augenbrauen. »Die was?«
Erna ließ die Zeigefinger kreisen. »Feinstoffliche Energiewirbel.«
Bea grinste und führte die kleine Gruppe weiter hinein. Fasziniert betrachteten sie die vielen bunten Stoffe, Mandalas und Wimpel, die die weiß gekachelten Wände bedeckten. Unzählige Laternen und Salzlampen tauchten den Raum in ein warmes, beruhigendes Licht. Eine sanfte Meditationsmusik plätscherte im Hintergrund. Der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt, und bunte Kissen und Sitzsäcke luden zum Verweilen ein.
»Das ist ja wie in einem Märchen aus Tausendundeine Nacht«, schwärmte Elsa und sah sich mit glänzenden Augen um.
Linda schaute weiterhin skeptisch drein. »Ja, fehlen nur noch der Sultan und Sherazade.«
»Ich finde es wunderschön!«, rief Erna.
Sie erreichten das Herzstück der Messe, das ehemalige große Schwimmbecken, das ebenfalls mit Teppichen, Kissen, Laternen und Lichterketten dekoriert war. Hier herrschte bereits ein reger Andrang. Ringsum waren Stände aufgebaut, und in der Mitte des Beckens stand eine improvisierte Bühne aus Holzpaletten, auf der eine Harfinistin spielte.
»Schaut mal, da drüben!« Paula deutete aufgeregt auf einen Stand mit weißen Vorhängen, an dem eine Frau in einem auberginefarbenen Overall eine Kamera in der Hand hielt. Deine Aura – das farbenfrohe Fenster zu deiner Seele, stand auf einem Schild geschrieben.
»Das müssen wir unbedingt ausprobieren.« Paula packte Bea an der Hand und zog sie, die anderen Landfrauen im Schlepptau, in Richtung des Stands.