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Solange er denken kann, hat der Franz Angst vor Hunden gehabt. Nicht nur vor großen mit spitzen Zähnen, auch vor kleinen mit Wedelschwänzen. Bis die Tante von seinem besten Freund, dem Eberhard Most, mit Blinddarmentzündung ins Krankenhaus muss und ihren Hund, ein braunes Riesenvieh mit Namen Berta, zum Eberhard in Pflege gibt...
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Veröffentlichungsjahr: 2012
Solange der Franz denken kann, hat er Angst vor Hunden. Bis sein bester Freund, der Eberhard, den Hund von seiner Tante in Pflege nimmt. Der Franz kriegt einen saumäßigen Schreck, als er das Riesenvieh sieht. Da hilft nur noch sich tot stellen …
Der Franz hätte gern einen Hund. Irrsinnig gern sogar. Aber das weiß niemand außer ihm. Seine Mama nicht, sein Papa nicht, sein großer Bruder, der Josef, auch nicht.
Nicht einmal seine beste Freundin, die Gabi, ahnt etwas davon. Und sein bester Freund, der Eberhard Most, schon gar nicht.
Der Franz wünscht sich ja erst seit ein paar Wochen einen Hund. Vorher hat er immer gesagt: „Hunde gehen mir auf die Nerven, die bellen laut und stinken, wenn sie nass sind!“
Doch das hat der Franz nur gesagt, weil er sich vor allen Hunden gefürchtet hat. Nicht nur vor großen mit spitzen Zähnen, auch vor kleinen mit Wedelschwänzen. Sogar vor der Fifi, dem uralten Hund der Gemüsefrau, hat der Franz riesige Angst gehabt.
Dabei bellt die Fifi nie. Sie hat nur noch einen Zahn und döst den ganzen Tag in ihrem Körbchen neben der Orangenkiste vor sich hin. Blind ist die Fifi angeblich auch. Und ein lahmes Hinterbein soll sie haben.
Doch jedes Mal, wenn die Mama den Franz zur Gemüsefrau schicken wollte, hatte der Franz eine Ausrede, warum er gerade jetzt nicht einkaufen gehen kann.
Ließ die Mama die Ausrede nicht gelten, machte sich der Franz kniezittrig auf den Weg. Und sehr langsam. Und er murmelte unentwegt beschwörend vor sich hin: „Die Fifi ist ein harmloser, braver Hund, die tut garantiert keinem Menschen etwas!“
Viel half das dem Franz aber nicht. Kurz vor dem Gemüseladen bekam er jedes Mal zum Kniezittern noch Herzklopfen.
Wenn die Ladentür nicht offen stand, starrte er oft minutenlang auf Spinat, Äpfel und Eier im Schaufenster, bevor er sich endlich überwand, die Türklinke runterzudrücken und ins Geschäft zu gehen. Drinnen im Laden dann blieb er an der Tür. So weit wie möglich vom Fifi-Körbchen entfernt.
Einmal las er der Gemüsefrau vom Einkaufszettel vor: „3 Bananen, 1 Kilo Karotten, einen Salat, Schnittlauch und 4 Zitronen.“
Die Gemüsefrau reichte ihm die drei Bananen, das Kilo Karotten, den Schnittlauch und den Salatkopf über den Ladentisch rüber. Dann zeigte sie auf die Kiste mit den Zitronen und sagte: „Die Zitronen nimm dir selbst raus.“
Weil im Gemüseladen die Kiste mit den Zitronen vor dem Ladentisch steht. Hinter der Kiste mit den Orangen. Und die Gemüsefrau erspart sich gern den Weg um den Tisch herum.
Um zu den Zitronen zu kommen, hätte der Franz an der Orangenkiste und dem Körbchen mit der Fifi vorbeimüssen.
Da piepste der Franz: „Bitte, das war ein Irrtum, meine Mama braucht heute gar keine Zitronen.“
Die Stimme vom Franz wird nämlich immer hoch und piepsig, wenn er sehr aufgeregt ist.
Und als dann der Franz ohne Zitronen heimkam, schwindelte er die Mama an.
Er sagte, die Gemüsefrau habe leider keine Zitronen mehr gehabt. Die wären ausverkauft und würden erst morgen nachgeliefert.
Nie im Leben hätte der Franz zugegeben, dass er sich sogar vor der Fifi fürchtet. Auch der Mama konnte er das nicht sagen. Obwohl der Franz mit der Mama sonst alle seine Probleme bespricht.
Den anderen sagte er nichts davon, weil er sicher war, dass sie ihn auslachen würden.
Seiner Mama sagte er es nicht, weil er dachte: Es ist nicht schön für eine Mama, so einen feigen Sohn zu haben. Es ist besser, eine liebe Mama erfährt davon nichts.
Der Franz ist sich nämlich gar nicht sicher, ob er ein Sohn ist, über den sich eine Mama freuen kann. Manchmal glaubt er, seine Mama tut nur so, als ob sie ihn völlig in Ordnung fände. Aus Liebe und Mitleid.
Der Franz selbst findet sich überhaupt nicht in Ordnung. Er hat viel an sich auszusetzen.
Da ist einmal seine komische Stimme, die so piepsig wird, wenn er sich aufregt oder fürchtet. Es kann sogar sein, dass er dann überhaupt keinen Ton mehr rausbringt. Nicht einmal den kleinsten Pieps.
Sein Gesicht mag der Franz auch nicht. Viele Leute sagen nämlich, er habe ein „Mädchengesicht“, und wollen gar nicht glauben, dass er ein Bub ist.
Besonders ärgert sich der Franz aber darüber, dass er so schrecklich klein ist. Fragt ihn jemand nach seinem Alter, weiß der Franz schon, was nun kommen wird.
„Waaaas? Du bist schon über acht Jahre?“, rufen die Leute und schütteln den Kopf. „Ich hätte gedacht, du bist erst sechs.“ Viele sagen dann noch: „Musst tüchtig essen, damit noch was wird aus dir!“
Vor dem Einschlafen stellt sich der Franz gern einen ganz anderen Franz vor. Da lässt er seine kleine Stupsnase auf einen großen Zinken wachsen und seinen Herzkirschenmund auf blasse, dünne Lippen schrumpfen. Seine blauen Kulleraugen macht er zu mausgrauen Knopfaugen. Um zwei Handbreit länger macht er sich auch. Und doppelt so breit. Und er redet mit tiefer Brummstimme.
Würde der Franz echt so aussehen und reden, wie er sich das vor dem Einschlafen austräumt, wäre er glatt ein Zwillingsbruder vom Josef. Das wäre dem Franz sehr recht. Zu seinem Zwilling wäre der Josef sicher auch viel netter und freundlicher.
Der Josef ist leider oft ziemlich gemein zu seinem kleinen Bruder. Er nennt ihn „Zwerg“ und „Blödmann“ und „Winzling“. Nie spielt er mit ihm. Auch nicht, wenn ihn die Mama darum bittet. Dann sagt er: „Alle Spiele, die für so ein Baby passen, habe ich doch schon längst vergessen!“
Dabei ist der Josef nur fünf Jahre älter als der Franz und doch noch nicht in dem Alter, wo man vergesslich wird. Außerdem kann der Franz viele Spiele, die auch der Josef gern spielt.
