Hurdenbauer & Krück - Alfonse Quiquampoix - E-Book

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Beschreibung

Hurdenbauer & Krück (Romantitel) sind zwei gestandene Männer, die im Laufe der Jahre zu Freunden geworden sind. Ihr phasenweiser makabrer Humor – auch als Bestattungsunternehmer - ist einfach erfrischend. Hurdenbauer, das ist der große, sportlich elegante Herr um die 50 Jahre, dessen Hobby seine "Häufig-Wechselnden-Gesellschafterinnen" sind. Krück, nur wenig älter, der eher vollschlanke, unsportliche, grüblerische, dem nach Jahren der Qual die diktatorische Frau abhanden kommt. Und der mit der neuen Freiheit zu echtem Selbstbewußtsein und einer unverstellten, unmanipulierten Wahrnehmung gelangt. Im ersten Teil: Seiten 1 - 260 Nun – aufgrund dieses persönlichen Umbruchs – welches ihm die innere Leere verdeutlicht - gönnt Krück sich eine Auszeit, die er auf Bora-Bora verbringt. Dort trifft er auf eine schräge, zusammengewürfelte Truppe von Aussteigern, die ihn reichlich auszunutzen wissen. Ausgelöst durch einen Traum, von dem er ihnen erzählt und der im Wildesten Westen spielt, wird er von den "Hippies" anerkannt. Um der grassierenden Insel- Langeweile zu entgehen, wollen sie jeden Tag eine Fortsetzung hören, beginnen aber auch erstmals von sich und ihrem Schicksal zu sprechen. Krück´s Geschichten entwickeln jedoch eine fatale Eigendynamik. Im zweiten Teil: Seiten 261 - 546 Neben den ohnehin aufregenden Pfaden innerhalb der Bestatter-Szene und ihres Privatlebens entwickelt sich eine fantastische Reise mit den Rus-Wikingern. Aber wie ist dieses möglich? Lassen sie sich überraschen! Im dritten Teil: Seiten 547 – 847 Nach einem beinah tödlichen Unfall wird die Freundschaft von H & K auf mehrere Proben gestellt. Das Geschäft wird verkauft und dem Leben an sich Priorität eingeräumt. Ebenso ein dialogischer Ritt scharf an den Abgründen der Wirklichkeit entlang: Existenz als Dialog. Die Gegenwart als Zerfallsprozess. Dagegen hilft nur die sprichwörtliche Freude am Leben! Sowie die erhellenden Anhänge: Seiten 848 – 871

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Hurdenbauer

&

Krück

I - III

Roman

Alfonse Quiquampoix

DELICIOUS

„Ja hast du denn nie an eine neue, frische, dich belebende Beziehung gedacht?“

„Um Gottes Willen! Nach dieser gescheiterten Ehe kann, ja darf ich kein Weib in einer dauerhaften Relation zu mir sehen. Einmal die Teufelin in der Küche zu haben reicht vollkommen!“

„War es wirklich so schlimm mit Charlotte – nicht, das ich denke, du überzeichnest jetzt ein wenig aus reinem Hass heraus – und wenn, warum hast du dann nie etwas Konkretes erzählt?“

„Was hätte das genutzt?“

„Mann hat es deiner Visage doch meilenweit angesehen, dass bei euch etwas nicht stimmen kann! Das sorgt für Unruhe im Umfeld.“„Ja doch, Herr Bestattungsunternehmer. Nun mach mir keine Vorwürfe, für etwas was mir widerfahren ist. Ich wollte dich damit nicht unnötig belasten. Und was hättest du schon verändern können?“

„Eure gewohnte Liebe-Hass-Balance mit einem klärenden Gespräch aus dem Gleichgewicht bringen und endlich zu einer Entscheidung kommen, um den Grabenkrieg zu beenden?“

„Hurdenbauer. Das glaube ich einfach nicht: ein chronischer Junggeselle, der die Diktatur einer Beziehung zu begreifen scheint – das ist mir - unbegreiflich!“

„Mensch, Krück, rege dich und mich halt nicht so auf. Das ist schlichtweg ungesund. Ich hatte auch Eltern und bekam so manches mit, was ich lieber nicht mitbekommen hätte. Komisch nur, dass ich deren Lebenslügen als nicht relevant für mich betrachtete.“

„Ja, mann muss sie sich schon selbst schnitzen, die Trugbilder und Idealvorstellungen!“

„Nun gut. Was liegt heute an?“

„Nur eine Einäscherung – um Zwei.“

„Welcher Friedhof?“

„Ost.“

„Na, wenigstens habe ich kreativ zu tun, das lenkt von der hauseigenenMisere ab.“

Krück schnauft tief durch.

„Nun höre endlich mit deinem gekünstelten Selbstmitleid auf. Ich nehme dir ja deine Schmerzen ab, doch ich glaube an deine Verstandeskraft und das du nun endlich begreifst, das du ein freier Mensch bist – und das endlich in vollen Zügen genießt!“

„Du alter Sportler redest dich leicht – und mich schwer. Schau mich Fettwanst doch an, der Frustspeck sitzt dick und dauerhaft auf den Rippen. Und du bist fünf Jahre jünger, das macht schon gewaltig was aus.“

„Meine Nerven. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Eine alte, aber wahre Floskel. Und wenn du dich jetzt aufgibst, bist du einfach schlichtweg selbst schuld. Greif an, ran an den fetten Speck!“

„Verstehe. Oder mein Karma ist schuld, oder dieser unseelige Gott, dem die Schöpfung aus den Händen geglitten ist.“

„Du alter Philosoph und Theoretiker! Du machst dir den Nebel selbst!“

„So ein impertinenter Blödmann.“

„Du musst dich nun erst einmal wieder an die langsam fließendere Zeit gewöhnen, an das ganze Spektrum deiner Möglichkeiten!“

„Was soll das denn jetzt wieder sein? Hast du was geraucht?“

Krück kratzt sich am Hinterkopf.

„Zeit, die du endlich für dich hast, Zeit, die nicht von einem Dritten verplant und durchstrukturiert ist. Abschnitte, Phasen, in denen wenig oder nichts geschieht und die Welt sich trotzdem um dich dreht“, betont Hurdenbauer und nippt an seinem Kaffee.

„Und ich mich nicht um die Welt?“

„Scherz gemacht. Vielen Dank für diesen blumigen Sarkasmus. Da fällt mir ein: sind alle Kränze und Gebinde besorgt und bereitgestellt? Die Checkliste abgearbeitet?“

„Wie immer, alles vor Ort und perfekt vorbereitet. Nun“, Hurdenbauer räusperte sich und legte einen versöhnlicheren Ton an den Tag, „Mensch Manfred, komm´ doch heute Abend mit Rita und mir zum Italiener. Vielleicht lässt sich sogar noch eine Freundin für dich aktivieren.“

Krück stutzte und sah sein Gegenüber fragend an.

„Du siehst mich erstaunt, denn noch nie hast du mich außerhalb unserer Arbeit zu irgendetwas eingeladen, Max. Und wie meinst du das mit dem aktivieren? Klingt nach einem verdammten Einzahlautomat!“

„Also bitte. Hätte ich dich eingeladen, dann hätte ich dochebenfalls dein tolles Weib an der Backe gehabt.“

„Hast Du sie etwa auch nicht ausstehen können?“

„Ich habe sie, so wie du, aus tiefer Seele gehasst: die Frau,

die keine Widerrede duldete, der überempfindliche Seismograf und Sorgenträger, das jegliche Freude erstickende, jede Regung aufsaugende Schwarze Loch.“

„Schön und trefflich formuliert.“

„Hatte sie denn Freunde? Oder wurde sie nur überall geduldet?“ wollte Hurdenbauer wissen.

„Na ihre Bewunderinnen. Und die sich Geld bei ihr borgten und um ihren Rat fragten – oder in anderer Reihenfolge.“

„Und, schon entschieden: kommst du später mit?!“

„Warum nicht. Daheim fällt mir ohnehin die Decke auf den Kopf.“

„Gut, ich spreche kurz mit Rita und gebe dir dann bescheid.“

Ein kleiner gepflegter Italiener, schlichtweg Seniore tituliert, der seine Gäste mit einer Zuvorkommenheit bedient, die ein baldiges Wiederkommen unumstößlich macht.

„Erinnerst du dich noch an die ´schöne Leich´ genannte Leiche?“

„Du meinst dieses – ähem, weibliche Mordopfer vor etwa drei Jahren?“

„Genau.“

„Aber warum war sie so schön“, wollte Rita wissen, „das ist ja geradezu makaber!“

„Weil schön blöd auch schön ist“, lachte Hurdenbauer über seinen flachen und doch so wahren Witz.

„Erkläre mir das doch bitte genauer, ich glaube, ich habe mir zuviel Blond ins Haar getan.“

„Weil sie auf ihren Rücken – oder war es zwischen die Schulterblätter in kleinen Lettern hat schreiben lassen – oder war es sogar eintätowiert?: ´Wenn du das liest, bist du tot!´“

Die Damen klatschten sich voller Unverständnis mit verzweifeltem Lachen auf die Schenkel.

Krück meinte nur trocken, ja geradezu sarkastisch:

„Sie wurde erwürgt. Während des Verkehrs – oder unmittelbar danach.“

„Ein schöner Tod, mit Sicherheit“ lobte der Fachmann Hurdenbauer.

„Aber der Sinn des Satzes hat sich eindeutig gegen die Trägerin gekehrt!“ stellte Krück trocken und augenblinzelnd fest.

Rita und ihrer Begleiterin Anita gefror nun das Lächeln im Gesicht. Überprüften sie gerade ihre Tatoos auf Sinn- und Nachhaltigkeit? Nahezu zeitgleich wurden die Antipasti mit unglaublicher Grandezza aufgetragen, inszeniert wie eine Ouvertüre, die den Weg zu einer weniger tragigkomischen Fortsetzung freimachte.

„Ihr habt schon ein seltsames Gewerbe“, meinte Rita.

„Ach was, es ernährt uns gut“, erklärte Hurdenbauer.

„Gestorben wird immer,- und nachhaltig“ ergänzte Krück, faltete die Hände und schickte sein scheinheiligstes Lächeln an einen ihm fremden Adressaten.

„Nun, also, lasst es euch dennoch schmecken“, forderte Hurdenbauer Rita und ihre Freundin Anja auf, die ihm mit einem kajalfetten Augenaufschlag belohnte.

„La cucine divina!“ entfuhr es Krück, der es gerade noch aus reiner Selbstbeherrschung schaffte, sich zur Bestätigung auf den nicht unerheblichen Wamst zu schlagen.

Nur ein paar Bissen weiter:

„Konkurrenz belebt das Geschäft!“ grinste Hurdenbauer und nahm so die Einträglichkeit ihres Gewerbes, die Unersättlichkeit des Schnitters wieder auf.

„Aber doch nicht beim Sterben selbst?“ lachte Rita und schüttelte ihren Lockenkopf.

„Nun ja, wenn wir Waffenhändler wären, dann ließe sich manches beschleunigen“, sinnierte Krück, „und zwar auf beiden Seiten!“

„Das ist aber wirklich makaber“, schmollte die sonst sehr zurückhaltende, übervorsichtigeAnja, die sich schlichtweg keine Blöße geben wollte.

„Wenigstens kann ein Toter nicht mehr zur Konkurrenz überlaufen!“ erklärte Krück.

„Wie wahr du sprichst!“ spottete sein Geschäftskollege und schnitt auf sein Saltimbocca ein, als wolle es ihm davonlaufen.

„Geh mir nicht um meinen nicht vorhandenen Bart, was willst du?“ grummelte Krück.

„Von dir wissen, was dich wirklich beschäftigt!“ forderte in Hurdenbauersichtlich verärgert auf.

Eine kleine, für alle peinliche Pause entstand.

„Trinkt ihr noch einen Roten mit?“

Krück ignorierte den Vorwurf schlichtweg.

„Aber nur mit Aqua und etwas Käse zum Naschen“, betonte Rita.

Dann schoss das Problem aus Krück unvermittelt heraus:

„Ich plane ein Sabbatjahr – und zwar in der Südsee.“

„Wow“, meinte Anja und folgte gleich naiv und bestimmt mit ihrem Wunsch, „nimmst du mich mit?“

Wobei sie sich durch die Haare fuhr und ganz artig stillsaß, wie um zu  beweisen, dass sie ihm jederzeit das kleine, stets glückliche Äffchen vorspielen könnte.

„Und was ist mit mir? Du lässt mich hier einfach zurück – mit all den Leichen!“ schmollte Hurdenbauer künstlich.

„Nun, wie ich dich kenne, wirst du nie ganz allein sein“, betonte Krück und hob sein Glas in Richtung Rita – und zu all den anderen Frauen, die Hurdenbauer die Zeit zwischen den Beerdigungen vertrieben. Anja himmelte nun Krück immer offener an – diese Chance konnte sie sich doch nicht entgehen lassen!

Doch der frisch geschiedene Krück hatte wahrlich genug von dominanten, kontrollversessenen Frauen. Nicht, das er Anja unattraktiv gefunden hätte, ihr Kokettieren schmeichelt ihm ja sogar, nein, er hat es ihr in jener Nacht durchaus kräftig in seiner Phantasie besorgt, nach allen Regeln der unverlernbaren Kunst – also eigentlich natürlich sich. Aber er würde ihr später am Telefon schlichtweg sagen, dass sie zwar eine tolle Frau sei, er aber noch nicht bereit für eine Beziehung – mit all den Altlasten, das müsse sie doch verstehen.

Halt – noch saß sie neben ihm, ihn anhimmelnd, jede seiner Gesten wertschätzend, nahezu jeden Satz zustimmend abnickend, ob sie ihn nun verstand, oder nicht.

„Ja aber - wozu brauchst du denn eine Auszeit, um Himmels Willen“, wollte Hurdenbauerimmer noch überrascht wissen.

Und als K. wie betroffen schwieg, ergänzte er:

„Ist dir mittlerweile das Geschäft mit dem Sterben zu anstrengend geworden? Noch sterben doch die anderen!“

Eine ungeheuerliche Spitze, ein unglaublicher Schlag ins Gesicht.

Krück schaut sich wie verlegen auf die Finger und betont:

„Aber du, du müsstest doch eigentlich wissen, wie es in mir aussieht - du kennst doch meine Verflossene!“

Die Damen hüllen sich defensiv in Schweigen. Der Hauptbetroffene musste sich jetzt auch noch rechtfertigen!

Hurdenbauer zuckt mit den Achseln und murmelt versöhnlich:

„Es sei dir vergönnt, du neuer Junggeselle. Ich als alter Junggeselle, ich kann das schon verstehen.“

„Aber du“, sagt K., „fokussierst selbstverständlich wieder alles auf´s Sexuelle?!“

„Also da hast du mich jetzt völlig falsch verstanden, aber Südsee, warum ausgerechnet die Südsee??“

„Ja Herrgott“, platzte es aus K. heraus, „bin ich jetzt hier Opfer der Heiligen Inquisition? Auf jeden Fall hat es Wasser, gebrautes und natürliches. Es hat natürlich auch Frauen und Kokosnüsse, also sehr gesundes Essen, und es hat vorallem eines –Ruhe.“

„Dich zieht es also in die Ruhe, da könntest du ja auch ins Kloster gehen“, hänselte ihn Hurdenbauer.

Rita kicherte in sich hinein.

„Meine Güte, gönn mir doch die Verwirklichung eines alten Traumes!“ empörte sich Krück.

„Ich weiß schon, was du dort machst: du wirst am Strand liegen und über den Sinn des Lebens nachgrübeln“ stachelte Hurdenbauer Krück weiter an.

„Ha, d e n Sinn des Lebens?!“entfuhr es Anja.

„Alles hat seinen Sinn und seine Bestimmung auf diesem Planeten, davon lasse ich mich nicht abbringen. Aber wie sollte eine Ameise in Erfahrung bringe, wohin der Weg sie führt?“

„Ui, jetzt wird’s philosophisch“, klatsche Ritas Freundin vor Begeisterung in die Hände.

„Ach, lassen wir das, jetzt wird´s ungemütlich! Herr Ober, den Roten, den Roten nicht vergessen!“

Krück stöhnte.

„Es könnte so einfach sein. Ich glaube, ich setzt mich unter einen Bodhi-Baum und meditiere, komme zur völligen Erkenntnis – nämlich, dass es keine Erkenntnis gibt – und gehe direkt ins Nirvana ein, ziehe nicht über Los. Verabschiedung, auf Wiederhören, leckt mich alle am Arsch, mit freundlichen Grüßen, euer Manfred.“

„Du Pseudobuddhist“, winkte Hurdenbauer ab und lachte dumm.

Krück tat so, als ob ihn dies gar nicht berühren könnte.

„Neulich las ich einen Artikel, da ging es um die Frage, was Buddha und Wassergemeinsamhaben?“

„Ich hab´s, platzte Rita sofort heraus: die Buddha-Milch!“

Doch Krück ließ sich nicht beirren.

„Wasser als Quelle alles Lebens, als neutrale Ernährungs- nd Transportsubstanz, sogar als Informationsspeicher, das sogar ein Ausgleich zwischen Yin  und Yang bewirken kann. So, wie das Tao alle Dinge erfüllt und beseelt, in allem immanent, der formgebende Raum zwischen den Atomen, eine Brücke für Quantensprünge, die Luft zum Atmen. Wasser und Tao befördern die Lebewesen ans Tageslicht, hauchen ihnen Leben ein, heben sie ins Sein.“

„Hoffentlich transzendiert er mir jetzt nicht unter der Hand weg“,tuschelt Hurdenbauer zu Rita und grinst unverschämt in Krücks Richtung.

Dieser schweigt beleidigt.

„Hauptsache, du kommst wieder und machst nicht einen auf Gauguin.“

„Wer gut ist, kommt wieder“, ergänzte der nun sichtlich angeschlagen wirkende K. und blickte auf seine Uhr, wo die Zeiger nur so umeinander kreisten.

„Schlaf dich aus, und gib acht, dass deine Insel nicht untergeht.“

„Ha, ha“, grunzte Krück,„mach´ lieber deine unverschämte Leichen-Klappe zu.“

Später, im Bett, nachdem sie ihre Erwartungen gegeneinander miteinander sichtlich erfüllt hatten, fragte Rita Hurdenbauer, während sie an einem nikotinfreien Glimmstengel zog.

„Was ist das für eine Frau von Krück?“

„Die Charlotte! Meine Güte, du kommst auf Sachen. Also in einer Beziehung steckt ja keiner drin, aber nach außen war sie ein allseits beliebter Mensch, der sich sozial in einem Drogenprojekt engagierte und aus gutem Hause stammt.“

„Ist Krück also so schwach, dass er mit dieser starken Frau nicht zurande kam?“

„Sie hat ihn über die Jahre dazu gemacht, zu einem Sklaven geschrumpft, ja deformiert. Der nicht einmal mehr wagte, eine Tonlage höher zu gehen, wenn er sich hätte wehren müssen.“

„Und deshalb heben sie sich getrennt? Das ist ja Allerwelts-Ehealltag!“

„Schön gesagt, mein Schatz, nein, er hat ihr aus Jux und Dollerei eine männliche Leiche ins Bett gelegt und damit ein wenig – nun sagen wir - überzogen.“

„Da schüttelt´s mich gleich. Makaber, gruselig, oder - nein, doch eher, wie originell!“

„Ja, so ist er halt, stille Gewässer sind eben un-tief.“

„Aber er ist doch ein unglücklicher Mensch.“

„Tja, sein Leben scheint ihm so gut wie vorbei zu sein und jetzt wird er natürlich finanziell ausgesogen, förmlich vampyrisiert. Aber seine guten alten Anlagen wird er wiederfinden, da bin ich mir sicher. Es braucht eben Zeit zur Heilung.“

„Ach Schatz“, hauchte Rita und fuhr ihm mit den Fingernägeln über den Brustkorb, „weißt du noch, wie schön das vorhin war, das, was wir vorhin gemacht haben?“

„Ja, ich hab doch kein Alzheimer.“

„Ja und jetzt? Lässt du mich links liegen?“

„Rechts mein Schatz, rechts!“

„Stelle dir eine Welt vor, wo alles langsam vor sich geht, nicht so wie bei uns, wo alles schnell-schnell, husch-husch-im-Nu erledigt sein muss und nicht warten kann?“

„Ja, das zeugt davon, wie stark die Anpassung der Menschan an die Erfordernisse der Wirtschaft vorangeschritten ist“, erklärte Hurdenbauer altklug und fuhr fort:

„Der Umerziehungsprozess ist beinahe abgeschlossen.“

„War nicht der Mensch schon immer der Parasit des Menschen??“ sinnierte Krück, um fortzufahren:

„Ethik, sind das nicht die leeren Worte, um jegliches Handeln, das nicht bestraft wird, weil es nicht erkannt wird, absegnet, leere Bekennungsworte einer korrupt-dekadenten Gesellschaft?

Was würdest du denn als Staatsmann über dein Volk denken, wenn du zum Beispiel einfach nur mal so beim Aldi einkaufen gehst?“

„Das kommt wahrscheinlich stark darauf an, wer mir über den Weg läuft.“

„Siehst du. Und wenn du nur Krücken und Versehrte, Dicke oder Demente siehst?“

„Da könnte mann ja zum Diktator werden, wenn einem die Gesundheit des Volkes etwas bedeuten würde.“

„Du überzeichnest. Aber prinzipiell nicht verkehrt.“

„Und unsere Freiheit?“

„Ein Fantom, ein Märchen.“

„Aber unser Streben danach?“

„Reine Programmierung, alles in der DNA festgelegt.“

„Pessimist!“

„Selbst der sogenannte Freie Wille ist nur ein beschlagener Spiegel, der dich damit täuscht, dass du dich darin zu sehen glaubst. Das Subjekt als einziges Wesen, das an sich selbst glaubt.“

„Krück, lasse lieber die Existenzialisten weg, die bekommen dir nicht, liegen dir schwer im Magen!“

„Ach, das Leben ist doch nichts anderes als eine neurotisch verkomplizierte, narzistische Projektion mit dem Ziel, Gene wieFlug-Samen in den Wind zu schießen.“

„Mir fehlen die Worte, Herr Kollege! Was bist du nur heute wieder so herrlich prosaisch-depressiv!?“

Noch am selben Tag wurde Krück ausfallend gegenüber einem Rentner, der wissen wollte, wie teuer normalerweise eine Beerdigung sei und ob es Rabatt gäbe, ab zwei Leichen.

„Sie wollen wissen, was Normalität ist? Dann gehen sie in die Norma! Dort treffen sie auf ihresgleichen. Alle denken, dass ihre Wahrnehmung von der Welt die gleiche ist und meinen, dass nur sie die Wahrheit sagen. Dabei ist´s hüben wie drüben nur Haufrauengewäsch und es fällt schwer, wirkliche Perlen im Sumpf des Erbrochenen zu finden!“

Damit hatte sich diese Anfrage schnell erledigt und Krück erkannte, wie dringend er in den Freihafen des Sabbatjahres einfahren musste, bevor es zu nachhaltigen Schäden im Heimatacker käme.

„Ja, der schöne Schein, die hübsche Verpackung, ´s alles dasselbe Prinzip. Darunter verbergen sich die Köpfe der Hydra, die nach uns schnappen und uns fressen werden!“

„Die Vorfreude ist noch immer die schönste Freude, und Geschenke, die nicht ordentlich eingepackt sind, sind auch nichts wert!“ wußte Hurdenbauer.

„Weil die Vorfreude in ihrer ganzen Naivität nicht zu enttäuschen ist“, erklärte Manfred K.

„Sehr wohl durchdacht und recht gesprochen“, meinte Max H.

„Aber, wie – worauf wollte ich hinaus?“

„Hast du etwa wieder philosophische Anwandlungen, soll ich einen Arzt rufen“, lachte Hurdenbauer.

„Ja rufen kannst ihn schon, aber ob er rechtzeitig kommt?“

„Nun schieß raus, die Rita wartet bereits.“

„Du zwingst mich zur Eile, das mag ich nicht.“

„Rita auch nicht. Aber eine Frau warten zu lassen, das wäre völlig verkehrte Welt.“

Und so sprudelte es aus Krück wie aus einem aufgezogenen Erzählautomaten heraus:

„Kultur ist die Funktion, die der Mensch benötigt, um sich im Spiegel als gut und wertvoll zu sehen, sie kachiert alles Dunkele, Atavistische in uns, und die, die vor wenigen tausend Jahren in Neanderthal hausten, halten sich plötzlich für die Krone der Schöpfung, Gottes Geschöpfe.“

„Westfalen. Ja und du fällst in deinen alten Kulturpessimismus“, mahnte Hurdenbauer.

„Kultur ist eine Verpackung – so wie BH zwar nach außen eine hübsche Titte macht, aber abgenommen, nun, sich die Form recht heftig mit den Jahren relativiert – eine Verpackung, die nichts als Müll darstellt, ein nichtgebrauchter, nichtverbrauchbarer Überrests. Sprache ist das Transportmittel für diesen Müll.“

„Aha.“

„Entschuldige. Habe ich dich jetzt wohl vollgemüllt?!“

„Ach Quatsch!“ grinste Hurdenbauer.

„Dann grüße mir Rita“,so Krück.

„Asta manjana.“

„Asta manjana!“

Zu sich selbst flüsterte K.:

„Manfred Krück, komme endlich wieder zu dir und zur Besinnung, sonst verlierst du dich selbst.“

„Und, gefalle ich dir?“ hauchte Rike und räkelte sich laszilativ auf dem glänzenden Bettlaken.

Ihr String hing ihr um einen Quanten.

Er runzelte die Stirn und sprach recht salbungsvoll:

„Du hast den Körper einer Göttin, bist Aphrodite, die Schaumgeborene, die selbst dem Dreizack des Poseidon widerstehen würde. Nur weißt du, mein überaus geiles Pritschlein, mit Zwanzig Jahren ist es kein Kunststück, so einen makellosen Körper sein eigen zu nennen, die Kunst besteht darin, ihn so begehrenswert zu erhalten, ihn vor dem Verfall zu schützen und ihn gewinnbringend einzusetzen. Nein, ich weiß, du prostituierst dich nicht – so wie du ihn einsetzt, als sei er deine Seele, unvergleichlich, ein Schmetterling mit Flügeln aus Titan (oder titanischen Flügeln) – einem Mann wie mir, in den besten Jahren, so das Gefühl von Jugend und Leichtigkeit einzublasen und mich d a b e i alle akuten Schmerzen und das ganze seelische Leid vergessen zu lassen: das ist KUNST!“

„Danke. Und: kaufst du mir das Kleid??“

Hurdenbauer bereute kurz seinen Ausflug abseits vom gewohnten Feld, und dass er Krück belogen hatte. Und Rita sowieso. Es, also, der Akt und die daraufhin neu kaskadierende Vorfreude waren ein absoluter Traum gewesen, oder genauer: eine gefühlte Illusion.

„Hast du´s schon mal mit einer Leiche getrieben?“ wollte Rita wissen und sah ihn schräg von der Seite an.

„Also mein Engel, das sind doch Berufsgeheimnisse. Aber meinst du eine lebendige Leiche oder eine total tote?“„Na letztere, schauspielern kann ich selber.“

„Also ich käme gar nicht auf die Idee, kurzum: es hat mich noch nie gereizt. Allein der Gedanke, in eine kalte und trockene. – nein, das geht gar nicht.“

„Soll ich für dich die heiße Leiche spielen??“

Hurdenbauers Augen traten beinahe aus dem Kopf. Erst versagte die Logik, dann die Erotik. Gut, dass er sich soweit im Griff hatte, diesen zuerst hochkommenden Satz nicht auszusprechen, seine perfide Antwort auf ihre provozierende Frage:

„Aber Schatz, so alt bist du ja nun auch wieder nicht!“

Und dann standen sie wieder zusammen, auf gewohntem Terrain, in Erwartung der Trauergäste, denen so gar nichts Schlechtes über den Verblichenen an diesem Tag einfallen wollte.

„Warum gibt es nicht mehr schwarzafrikanische Terroristen, ich meine, die hätten doch allen Grund dazu, wenn sie verstehen, Landenteignung, Korruption, Bürgerkriege, Hunger.“

„Offensichtlich beschäftigen sie sich noch zu sehr mit sich selbst?!“

„Alles Quatsch. Dort ist der Terror breiter angelegt, er kommt gleich als Bürgerkrieg daher oder in Form muslimischer Dschihadisten, die alle drangsalieren.“

„Aber eines Tages wird sich der Spieß umdrehen, wir werden verarmen und sie, die Afrikaner, werden zu einer Macht. Sie brauchen nur hinreichend Wasser und Bodenschätze finden.“

„Du machst mich verrückt, Krück, das stand doch heute in der Zeitung.“

„Ja was denn?“

„Das deutsche Gastroenterologen ein gigantisches Wasservorkommen in Namibia an der Grenze zu Angola gefunden haben.“

„Potz blitz, das wusste ich tatsächlich nicht. Aber du meinst bestimmt Geologen.“

„Wieso, was habe ich denn gesagt?“

„Gastro.“

„Ach, das sind doch die, welche die Leberrennlisten manipuliert haben.“

„Exakt.“

„Heute ist nichts mehr heilig.“

„Richtig, nicht einmal mehr der Papst, der seine Kardinäle abhören läßt.“

„Wo waren wir dienstlich stehen geblieben?“

„Bei Grab Nummer 23.“

„Aha. Was soll hier geschehen?“

„Der vormalige Pächter konnte sich die Grabesstätte nicht mehr leisten und wurde enteignet.“

„Haben sie ihm einen Kuckuck aufs Grab geklebt?!“

Und später, auf der Fahrt im schwarzen, langestreckten Daimler zurück ins Büro:

„Dass du immer eine Synthese bilden mußt, macht mich ganz krank! Wohl zuviel Hegel gelesen – in der überheißen Badewanne?? Bleibe doch einfach mal bei einem Argument. Meinetwegen auch These genannt.“

„Wie dumm ist das denn? Als ob es keinen Fortschritt gäbe, völlig undynamisch, unevolutionär, langweilig! Das Ganze ist das Falsche!!“

„Entschuldigung, wenn ich dem hohen Herrenhirn zu nahe gekommen bin!“ schmollte Hurdenbauer.

„Du hast doch soviel Ahnung von Philosophie wie eine Kuh vom Starfighter“, schlug Krück zurück.

„Doch dafür habe ich eine Ahnung vom Leben!“

Woraufhin es zu einem längeren, nachdrücklichen Schweigen seitens Krück kam.

„Warum schweigen sie denn jetzt, der Herr?“ wollte H. wissen.

„Ich schweige, damit ihnen die richtigen Gedanken bezüglich meines Anliegens aufsteigen!“ verklausulierte K.

„Und ich, weil ich sein Schweigen nicht stören oder unterbrechen will“, diplomatisierte H.

Und im spartanisch eingerichteten Büro, Hurdenbauer bereits mit seinem zweiten Cognac in der Hand, diesen genüßlich schwenkend:

„Allein dieses erst dröge falsche Anlächeln und dann innerlich sogleich die Keule überziehen, ist tiefste Steinzeit. Und dann dieses ganze Revierverhalten: Wir Neanderthaler waren hier zuerst, und dies ist mein Pferd, und dies ist meine Frau, mein Haus, mein Auto, alles meins, meins, meins! Doch plötzlich steht der Homo Sapiens vor der Tür – wohlmöglich noch highly pigmented, weil aus Afrika, und spricht:

Für den Neanderthaler-Nerd hat es sich ausgechillt, jetzt gibt´s die existentielle Keule, verpiss´dich, du verirrtes Spermazon, und vergiss ja nicht, die Tucke da hinten mitzunehmen.“Krück sah ihn belustigt an, während er eine Rechnung schrieb und meinte nur trocken:

„Klingt irgendwie lustig. Aber so könnte es tatsächlich gewesen sein.“

Und später, am Telefon, um noch einen dringlich zu beerdigenden gerade erst hereingekommenen Termin abzusprechen:

„Du meinst also, wir sind nicht nur grob genetisch programmiert, sondern von Eltern und Gesellschaft zudem normiert, erzogen?“

„Alles olle Kamellen. Aber was ist mit den Archetypen, den Memen, den kollektiven Erinnerungen, oder gar den Signifikantenketten, wie sie Lacan entdeckte und ansatzweise entschlüsselte?“

preschte Krück auf seinem Wissenspegasus vor.

„Wenn du so redest, sehe ich dich bereits im Bezirksklinikum.“

„Ja auch da wird gestorben, vielleicht nur einsamer.“

„Wenn mann eh bald auffährt, dann lohnt es sich doch kaum, irgendwohin zu fahren.“

„Pass´ nur auf, dass du nicht nach unten fährst, mio amici!“

„Gute Nacht.“

„Angenehme Alpträume!“

Am nächsten Tag, beide wie stets, überpünktlich im Büro, einen ersten Kaffee nehmend:

„Wir sind einerseits komplex, andererseits sehr simpel genetisch gestrickt“, bemerkte Krück beim Einrühren der Milch.

„Hier ist ein Anruf für dich.“

„Wer ist´s denn?“

„Also ich habe Hopfentitte verstanden“, lachte Hurdenbauer.

„Gib´ mal her.“

Räuspern.

„Hier spricht Krück. Aah, Frau Hopfenzize, was verschafft mir die Ehre ihres Anrufs. Ach nein, ihr Ehemann will seine Dinge geregelt haben – er schwächelt, sagen sie – aber mit 92 Jahren, ich bitte sie. Ja, wir regeln das, was sagen sie, ja, natürlich, ganz schnell, bevor er sich zu oder aus dem Staub macht erhalten sie unser bereits rabattiertes Angebot!“

Krück legte auf, ohne weiteres zu notieren. Rabatten.

„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Titte und Zizze?“ wollte H. wissen.

„Nicht jede Titte nährt, aber alle Titten ernähren sich von dir.“

„Und die Zize?“

„Nährt den Nachwuchs, bis er selbstständig andere fressen kann.“

„Aha.“

Und gleich darauf, während der Anfahrt zum Kunden:

„Du, ich habe ein Problem“, im warmsten Ton seitens H.

„Und das wäre?“

Kritisch beäugt von K., der sich auf den starken Verkehr konzentrieren muß.

„Ich habe eine Neue.“(Womit er eine bereits ältere Liaison übersprang).

Krück schüttelte sein schütteres Haupt.

„Moment. Wann hast du mal keine Neue? Und w ar da nicht noch gerade Rita höchst aktuell und habt ihr nicht bereits über Heirat und den ganzen Quatsch nachgedacht?“

„Nicht ernsthaft – meinerseits.“

„Und das neue Vögelchen?“ am liebsten hätte K. noch hohe Zwitscherlaute gemacht.

„Nun, sie ist mir vom Himmel in den Schoß gefallen“, erklärte H. geradezu schwärmerisch.

„Und offensichtlich du ihr.“

„Werde bloß nicht moralisch!“

„Keinesfalls, wo denkst du hin. Ich bin nur bass erstaunt, mit welchem Vorwärtsdrang du deine Jungs in die Welt hinaus-beförderst.“

„Nun aber. Kannst du mir aus der Patsche helfen?“

„Das kommt auf die Klatsche an, die ich dann erhalte. Aber wenn es keine Klemme ist, denn, das ist mal einem Jugendfreund von mir beim Coitus passiert, als sie der Bauer.“

„Also du sagst es ihr. Also der Rita.“

„Bist du des Wahnsinns?“

„Du schuldest mir was.“

„Was könnte das denn sein?“

„Es fängt mit Sabbat an und hört mit Jahr auf.“

Krück holte sehr tief Luft.

„Gut, ich werde es ihr beibiegen. Aber wo wirst du dann sein?? Sie wird doch mit dir sprechen wollen.“

„Ich habe bereits für eine Woche Sylt gebucht.“

„Wie gut, dass ich noch hier bin. Wann fliegt ihr? Und wer ist diese Dame, dass du die schicke Rita so einfach liegen lässt?“

„Du kannst sie haben.“

„Danke, abgelegte Exfreundinnen haben in der Familie nichts zu suchen. Außerdem müsste ich jedesmal, wenn ich sie küsse, an dich denken.“

„Auch gut“, grinste Hurdenbauer, der sich bereits auf der Siegerstraße sah.

„Wann beginnt die Operation Feige Memme?“ konnte sich Krück nicht verzwicken.

„Wir fliegen in einer Woche. Danke, dass du mir hilfst!“

„Geh mir nicht um den Bart. Und lohnt es sich für die Neue durch´s kleine Fegefeuer zu gehen?“

„Roswita von Schonstein“, platzte es stolz aus H. heraus.

Krück schwieg einen Moment, bremste stark ab, wie um dem ganzen Prozess Geschwindigkeit zu nehmen und tippte sich dann an den Kopf.

„Kombiniere, Augenblick, ist das nicht die Tochter vom alten Blankenese?

„Exakt.“

„Respekt, was für eine gute Partie!“ pfiff K. durch die ihm langgemachten Zähne.

„Glück braucht der Mensch!“ floskelte Hurdenbauer vor sich hin.

„Du hast dich kaufen lassen“, stellte Krück nüchtern fest.

„Jeder hat seinen Preis.“

„Die arme Rita.“

„Was soll ich tun, ich bin so, wie ich bin.“

„Aber mit 45 solltest du so langsam mal sesshaft werden, dich an e i n e n Schoß gewöhnen.“

„Quatsch. Variatio delectat, wie die Römer schon wussten.“

Plötzlich breitete sich ein schelmisches Grinsen über das feiste Gesicht Krücks aus.

„Warum lachst du so blöd?“ wollte Hurdenbauer sofort von ihm wissen.

„Ich stelle mir gerade vor, wie sie dich ihrer Verwandtschaft vorstellt als, - und dies ist nun mein Lebensgefährte und erfolgreicher Leichenbestatter.“

„Danke für die Blumenkränze und Gebinde. Aber wer weiß, vielleicht hat sie ja einen großen Verwandschaftskreis und wir gelangen nachhaltiger in die Edelholzabteilung?!“

„Auch Pappe bringt Geld, mein Gutster.“

„Dir fehlen eindeutig die Visonen“, grinste Hurdenbauer.

„Ich werde dir gleich Visonen geben!“ spielte K. den Beleidigten.

„Hier. Ruf Rita unter dieser Nummer an, in exakt einer Woche, geht was Oberfeines essen – wenn sie Zeit und Lust hat und bring es ihr schonend bei.Was natürlich auch am Telefon geht. Das überlasse ich ganz dir.“

„Zu großzügig“, schnaubte Krück, der bereits das Unheil auf sich zurollen sah.

„Ich habe selbstverständlich nichts dagegen, wenn ihr – während meiner Abwesenheit - miteinander schlaft“, entfuhr es dem Hurdenbauer recht unlogisch.

Krück schüttelte sich angesichts dieser Mehrfachwatsche.

„Du bist ein fürchterlicher Neurotiker, weißt du das?“

„Ja. Stimmt“, gab Hurdenbauer kleinlaut zu.

„Nun denn, in welchem Hotel seid ihr, ich meine, falls es Rückfragen gibt oder mittelschwere Katastrophen drohen??“

„Was sollte es schon geben, die Sachlage ist doch sonnenklar.“

„Sachlage. Gewissensschieflage. Aha.“

Mit der frischen Leiche auf der Fahrt zum Kühlhaus beginnt erneut das philosophische Tarot, ausgelöst durch einen Radiokommentar zur drohenden Rezession, Inflation, Depression.

„Fällen wir nicht ständig Urteil über Dritte, kategorisieren, ja stigmatisieren wir sie, ohne sie auch nur im Entferntesten zu kennen, ihren Lebensweg, ihr Schicksal – und fällen wir diesen Richterspruch nicht etwa blitzschnell und endgültig aufgrund von Vorurteilen, von aufgesetzten Schablonen?“

Hurdenbauer sah Krück mit so einem Seitenblick der Marke, geht das jetzt schon wieder los, an.

„Das wir unseren Wertemaßstab, den ganzen Kanon, den uns alle möglichen und unmöglichen Leute Zeit unseres Lebens einzutrichtern versuchen, damit wir genau das tun, was sie von uns wollen, genau diesen Kanon legen wir blindlings an und er wird zu universellen Richtschnur. Und dazu die innere, unverrückbare Legitimation: „Das habe ich schon immer geahnt – oder gewusst.“

„So etwas wie eine Prophezeihung, die sich selbst erfüllt?!“

„Bravo, werter Kollege, ihr Hirn ist noch am Leben – und gibt Laute von sich.“

Eigentlich wollte er ja nur sagen: „Noch nicht todgenudelt“ – was zwar an der Grenze zur Geschmacklosigkeit gewesen wäre, andererseits derart traf, dass sich K. lieber spontan auf die Zunge biß.

Krück nahm seinen vorherigen Gedankengang wieder auf.

„Wenn alles nicht weiterhilft, bemühen wir eine fremde Macht oder gar die Exekutive, damit sie uns zu unserem Recht verhilft. Ein Irrtum, ein banaler oder schon gar ein katastrophaler Fehler ist nicht vorgesehen. Hier zeigt sich die ganze Armseligkeit und Wehrlosigkeit des gegenwärtigen Menschen:

Er kommt weder mit dem klar, was vor seiner Tür geschieht, noch in ihm, aber die Weltzusammenhänge oder das vermeintliche Verbrechergesicht des neu zugezogenen Nachbarn erkennt er mit einem Wimpernschlag.“„Dabei gibt es keine Mördergesichter, nicht?“

„Recht so, weil wahr. Und ins Gedankenkasterl – wollen wir da wirklich hineinsehen?

„Gott bewahre!“

„Vor-Urteile, Sünden-Böcke, Hirn-Tote. Dr. Guillotine, ein wahrer Held und Menschenfreund.“

„Was für eine Massenware ist der Mensch, wenn er derart abgeschlachtet wird“, flocht H. ein.

„Apropos, haben wir noch was vom dem geräucherten Schinken im Kühlschrank?“„Also, wenn du ihn nicht aufgefressen hast – ich war´s dann auch nicht!“

Endlich wieder im Büro, beim feierabendlichen Tee.„Soweit kommt´s noch, dass du unseren Kunden ihren Tod neidest und sie deshalb beweinst, wenn wir sie verscharren.“„Nun, manchmal denk ich mir schon: Der hat´s hinter sich. Und wer weiß was für ein Abenteuer vor sich!“„Du bist halt doch ein unverbesserlicher Optimist“, lobte ihn H.

„Als Kinder haben wir immer tote Käfer in Streichholzschachteln gesteckt und dann feierlich beerdigt.“

„Aha, eine frühe Disposition.“

„Mit Gebet und Blume oben drauf. Einer hat den Pfarrer gespielt, ein Gebet aufgesagt und den Segen gestiftet. Manche Träne floß heiß die Backe hinab.“

„So war es dir schon früh in die Wiege gelegt.“„Diese Sonderform des Recyclings.“

„Nun einmal ehrlich: Wie schaffst du es nur immer wieder, solche exotischen Vögelein an Land zu ziehen?“ wollte Krück wissen.

„Du mußt ihnen nur etwas Appetitanregendes vorhalten.“

„Etwa die Börse?“

„Nun, solange sie sich nicht darin verbeißen, wird das funktionieren.“

„Aber in diesem konkreten Fall mit der von und zu?“

„War es halt anders herum.“

„Was will mann da machen?“

„Sich in sein Schicksal fügen.“

„Du Armer!“ versuchte Krück den gestressten Casanova zu bemitleiden.

Rike war so jung und knackig, so adrett und kokett, dass er beschloss, sie langsam und in kleinen Portionen zu verkosten. Während Kultur und gesittete Umgangsformen bei Roswitha von Schonstein sehr willkommen waren, war die Impulsivität von Rike erquickend wie ein Jungsbrunnen. Frisch innnen wie außen, unbeschwert und noch kaum verdorben. Doch auf dem besten Weg dahin. Um dabei den Genuss der unterschiedlichen Appetithäppchen auch noch hinauszuzögern, so lange, bis sie, die vermeintlich unerfahrene, die Geduld verlor und kaum feinfühlig die Initiative ergriff. Womit sie ihn natürlich völlig überwältigte und er jegliche Rechtfertigung fand, sich doch größere Stücke abzuschneiden.

„Hallo Rita, hast du gerade was vor?“

„Nein, aber kannst du mir erklären, was mit meinem Schatz los ist?“

„Ja. Muß ich sogar.“

Pause.

„Gut.“

Längere Pausse.

„Kannst du mich abholen?“

„In einer Stunde?“

„Geht klar.“

Und da stand Krück vor ihr, mit klopfendem Herzen. Wo er doch keinem Menschen ein Leid zufügen konnte, auch nicht im Auftrag Dritter. Rita hatte sich wie immer vortrefflich herausgeputzt. Und sah ihm kampfeslustig entgegen.

„Grüß dich.“

„Grüß dich auch.“

„Wohin fahren wir?“

„Am besten aufs Land. Ich kenne da einen idyllsch-gelegenen Gasthof bei Streitberg.“

„Nomen est omen. Auf dem Weg kannst du mir alles erzählen. Denn diesen schönen Abend lasse ich mir von niemandem verderben!“

Kaum waren sie gestartet, da forderte ihn Rita auf:

„Nun schieß schon los, du Angsthase.“

„Ich weiß gar nicht, wie ich dir so etwas beibiegen kann.“

„In zwei Sätzen, sofort.“

Die Krück schnell vormulierte und ihr wie eine ungeliebte Last wie vor die Füße warf. Den Rest der Fahrt hüllte sich Rita in Schweigen. Ab und zu hüpfte ein Kullertränchen die Wange hinab, meist sah sie nur aus dem Fenster und ließ die romantische Landschaft aus Felsen und Waldabschnitten an sich vorüberziehen.

„So, da wären wir!“

Ganz Gentleman lief K. schnell um den Wagen herum, um der Dame die Tür zu öffnen.

„Geht´s?“ fragend und ihr die Hand entgegenstreckend.

Aus der Wirtschaft kam ihnen Gesang entgegen.

Sie sahen sich an und aus Rücksicht aufeinander rückten sie in den vollen und gutgeheizten Wirtschaftsraum ein, wo sie in einer Ecke einen Tisch für sich fanden, um kritisch von den sonst nur Einheimischen beäugt zu werden.

„Großstätter“, murmelte einer.

„Die verderben die Preise!“ ein anderer.

„Gut, reichlich und billig“, das werden sie sagen.

„Und mit müssen´s ausbaden.“

„Geh´ Schorsch, bring uns doch noch eine Runde vom Kräuterbitter.“

Und so langsam, ohne es zu bemerken oder gar zu wollen, tauchten die beiden in die Geselligkeit ein und fühlten eine tiefe innere Entspannung.

„Ich hätte es mir denken müssen!“ schimpfte Rita und ballte die Fäuste. So ein großer Charmeur ist immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung.“

„Nun lass´es gut sein. Du kommst schnell über ihn hinweg.“

„Herr Ober, nein, Herr Wirt, Entschuldigung! Bitte noch zwei Bitter.“

„Wollds nachherd no was essn?“ wollte dieser wissen und sah die beiden kritisch an.

„The kitchen will close in 20 minutes!” erklärte er in perfektem Gastronomenenglisch.

„Was gibt´s denn?“

„Forelle für die Frau und Schnitzel für den Mann. Sie können natürlich auch tauschen.“

„Gut, dann nehmen wir das“, entschloß K. schnell, um den guten Mann nicht weiter davon abzuhalten, mit schief gehaltenem Kopf der Tagesschau zu folgen.

„Die Forelle ist doch blau?“ wollte Rita wissen.

Da blickte er sie aus vom Rauch verquollenen Augen an und lachte laut heraus:

„Bei uns ist die Forelle immer blau!“

Wobei ihm vorallem die Stammtischbrüder lauthals zustimmten. Ein geflügelter Scherz, zweifelsohne nur für Einheimische zu verstehen.

Nachdem die beiden den erheiternden Lärm der Wirtschaft verlassen hatten, erschraken sie vor der plötzlichen Stille in der Frischluft. Rita schwankte bei soviel unerwartetem Sauerstoff ein wenig und Krück nahm sie fest in die Arme. Sie schluchzte laut auf. Er versuchte, sie aufzuheitern:

„Alles wird gut, du wirst schon sehen.“

„Dank Schdreitberger Bitter“, kam angesäuselt zurück.

Eine Woche mußte nun Krück sowohl das Geschäft führen, Rita und deren detailbesessenen Nachfragen am Telefon abwimmeln, die wissen wollte, wo nun ihr Verflossener in wem steckte, und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er bald diesen ganzen zwischenmenschlichen Schrott hinter sich lassen würde. Ein sauberer Schnitt, ein neuer Anfang.

„Ja da bist du ja wieder!“ begrüßte Krück den Gefährten.

„Und ganz blass um die Naas!“

„Hallo, du.“

„War´s hübsch anstrengend, die Gräfin?“

„Nein, sehr entspannt, also entspannend.“

„Du, hier hat eine Rieke oder so angerufen.

„Oh mein Gott!

„Klang ganz nett. Wie eine Querflötenspielerin auf der Suche nach einem passenden Instrument.“

„Meine Güte“, Hurdenbauer wurde rot.

„Und Rita, wie hat sie´s verkraftet?“ wollte er nach einem Moment der Besinnung wissen.

„Sie hat sich weitestgehend beruhigt. Ich an deiner Stelle würde ihr aber lieber aus dem Wege gehen.“

„Verstehe.“

„Sie hat deine Sachen hergebracht, ist alles dort hinten im dem Karton.“

„Aha.“

„Und sonst, was liegt an?“

„Für heute nichts mehr. Alle liegen tief.“

„Gehen wir was Essen, ich habe keine Lust, allein zu dinieren.“

„Wo würden der Herr denn gerne Dinieren?“ spöttelte Krück.

„Egal, bestimmt du. Ich fahre nachhause und mache mich frisch.“

„Kommt von der See und muß sich frisch machen“, murmelte Krück in seinen nichtvorhandenen Bart.

Natürlich wurde es wieder der unvermeindliche Italiener, nach kulinarischen Abenteuern schien keinem der beiden der Sinn zu stehen.

„Dieser Freibadmörder, wie hieß der noch gleich?“

„Ach du meinst den Kopfschlag-Otto? Diesen Mörder aus Willkür?“„Was sind denn das für Allüren, hast du etwa Mitleid mit ihm?“„Quatsch. Das war doch der mit dem Zimmermannshammer, autsch, der den immer gleichen Satz sprach, so etwas wie „Ihr habt verwirkt“ und dann über den Untergehenden das Kreuzzeichen machte?!“„Natürlich. Bis es die Badmeisterin bemerkte, hatte er schon fünf geschafft.“

„Und was geschah mit ihm?“

„Hat sich erhängt. Weil er sich unverstanden fühlte.“

„Aha.“

„Komisch. Aber warum diese Aussage, ihr habt verwirkt??“

Beide erschraken, als Giovanne zudem höflich fragt, ob es noch ein Schlückchen vom Roten sein dürfe.

„Und, sag´ schon, bleibt es bei deinem Plan, dich ein Jahr nach Übersee abzuseilen?“

„Natürlich. Sprich Klartext.“

„Nun weißt du, die Roswitha und ich, dass scheint etwas sogenanntes wahrhaft Ernstes zu werden und da hätte ich gern den Rücken frei.“

Krück schlug mit der Faust auf den Tisch. Manches klapperte. Die Gäste sahen erschrocken zu ihnen hin.

„Bist du von allen guten Geisern verlassen? Meinetwegen verkauf den Laden, wenn du mit deinem inländischen Insel- und Becken-hüpfen nicht zurecht kommst, aber, meine Entscheidung ist gefallen. Und überhaupt: seit wann hat denn ein Diener einen Lakai?“

Leicht verkatert ging es ans nächste, traurige Tagwerk, ein Kind, das an Leukämie gestorben war. Krebs aus der hauseigenen, familien-geführten Textilreinigung. Sauberkeit, Reinheit, Weißkittel, Katarsis.

„Wenn es tatsächlich stimmt, dass die Seele eines Kindes sich die Eltern aussucht, nach welchen Mechanismen geschieht das, wer bestimmt darüber?“

„Ich bin doch nicht das Lama vom Dalai!“ scherzte Hurdenbauer.

„Es wird doch zu Dopplungen kommen oder gar seltsame Fälle könnten auftreten, in denen die eigene Großmutter ins Enkele fährt, um von dort aus ihrem eigenen Kind wieder nahe zu sein??“

„Das ist mir zu blöd. Und wir wissen – wie immer - rein gar nichts.“

„Was auch besser ist.“

„Schon wieder ein Amokläufer an einer amerikanischen Schule.“

„Erzähle mir was Neues oder was Schönes.“

„Wie dumm ist das denn: Waffen an jeden Idioten zu verkaufen, um sich dann hinterher zu beschweren, dass Menschen erschossen werden!!“ echovierte sich Krük.

„Es gibt nun mal keine Eignungsprüfungen zum Führen einer Waffe, eines Wagens.“

„Oder zum Verführen einer Frau und damit zur Kinderzeugung!“ betonte Krück und setzte so einen deutlichen Seitenhieb auf den Giggolo.

„Und für die Kinder keine Prüfung die zeigt, ob sie lebensfähig sind.“

„Wie sollte so eine Prüfung aussehen?“

„Das Leben ist eine fortdauernde Eignungsprüfung.“

„Und der Tod zeigt die Reife an.“

„Genug von deinem morbiden Gefasele.“

„Sind wir Totengräber, oder nicht??“

„Aber wir müssen uns doch nicht davon anstecken lassen, oder?“

„Wenn jeder jeden jederzeit erschießen kann, dann sollte dies doch der beste Schutz vor Mißbrauch sein“, bemerkte Hurdenbauer.

„Soweit die Theorie. Da sich aber nicht alle an dieselben Spiel- oder Schussregeln halten, hast du eben Pech gehabt, wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort bist“, ergänzte Krück versöhnlich.

„Launisches Schicksal.“

„Karasitsch.“

„Wir sind doch keine Massengräberausheber.“

„Und wir helfen nicht nach.“

„Ethnische Säuberungen sind in Deutschland verboten.“

„Natürlich: wäre ja keiner mehr da!“

„Faschist!“

„Opportunist!“

„Nutellaglas-Ausschlecker.“

„Der ist auch pleite.“

„Ja, ja, Brot und Spiele, stets zutreffend und immer noch gültig. Wenn wir – unterbreche mich jetzt bloß nicht – SEX noch zu den Spielen hinzurechnen, dann bin ich ganz d´accord!“

„Ich wollte dir keinen Interruptus machen“, schmollte Krük.

„Obama – Osama.“

„Ein Buchstabe.“

„Wer war der gescheitere?“

„Das werden wir wohl nie erfahren.“

„Der Herrgott verhüt´ dich.“

„Aber ich bin doch schon da!“

„Aber andere werden kommen“, grinste Krück.

„Idiot.“

„Ach, ich wollte sagen: behüte dich.“

Dabei machte er ein Gesicht wie ein Engel und schaute gen Himmel. Hätte nur noch gefehlt, dass er betenden Hände machte.

„Ja, Ja. Einen schönen Abend dann auch noch!“

Wenig später im Hallenbad.

„Jetzt schau dir das an!“

„Ich schau lieber nicht hin“, entschuldigte sich Hurdenbauer.

„Wie kann frau nur?“

„15 Meter zur Umkleidekabine und keiner der schaut.“

„Was für ein Fleischmassengeprotze!“

„Der Badeanzug war bestimmt ein Mannschaftszelt.“

„Und wirkt jetzt wie ein String-Tanga!“

„Arme Frau!“

„Armer Mann!“

„Also, ab ins Seichte, ich bring dir´s bei.“

„Oh, ist das kalt.“

„So, Brustbewegungen, den Hintern höher, bring mal Spannung in den Laden.“

Krück hustet.

„Und schön das Mündlein zumachen, damit kein Wasser hineinläuft.“

„Du nervst.“

„Wir sprechen nicht, sondern konzentrieren uns auf die Schwimmzüge. Denk an den Frosch, nicht so hastig, sonst gehst du gleich unter.“

Krück stellt sich auf und schnauft.

„Das ist ganz schön anstrengend.“

„Nun komm, streng dich an. Traust du dich schon ins Tiefe?“

„Das Wasser trägt mich, ich kanns, ich kanns!“

„Siehst du, musst keine Angst haben, bei deiner Fettschicht kannst du ja gar nicht untergehen.“

„Du Blödmann!“

„Wie sprichst denn du mit deinem Lehrer?“

Und später, nach den Nachrichten im Radio.

„Neuer Nationalrekord in Mexiko: 100 Tote an nur einem Wochenende.

Wir gratulieren.“

„Nur wem??“ will Hurdenbauer wissen.

„Halt, ich weiß es.“

„Du weißt immer alles, wie kann das sein?!“

„Ganz einfach, weil ich sooo klug bin“, strahlt Krück.

„Narziss.“

„Und Goldmund.“

„Also was jetzt?“

„Die Gratulation – für den Exekutionsrekord.“

„Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

„Alttestamentarischer Rätselzahntiger.“

„Geben und nehmen.“

„Spann mich nicht auf die Folter.“

„Stehst du auf so was?“

„Komm in die Pötte!“

„Der kleine Grenzverkehr.“

„Zwischen.“

„Approximat.“

„Was?“

„Du näherst dich an.“

„Woran?“

„An den Limes, an die Grenze. Und der Grenzverkehr zwischen Mexiko und den enteignenden Staaten besteht darin, daß.“

„Drogen hin.“

„Waffen her.“

„Also gratulieren wir der amerikanischen Waffenindustrie und allen Dealern in ihren Wolkentürmen.“

„Das war aber mal ein schönes Rätsel. Aber du mußt auch allen Bankern, Romnies, Armstrongs und RedBullerern danken, die sich dem Kampf gegen das Kokain gewidmet haben“, betonte Krück.

„Ich ziehe meinen Hut vor soviel Spür- und Schnupfnase.“

„Wieviel sind eigentlich insgesamt umgekommen, seit dieser Präsident den Drogenhändlern den Krieg erklärt hat?“

„Über Hunderttausend Menschen.“

„Das kann mann ein innenpolitisches Problem nennen.“

„Ein leichtes und vorübergehendes.“

„Fährst du mich zum Flughafen, dann spar ich mir das Taxi.“

„Geht klar, alter Schotte, ich würde auch nicht gerne ohne Abschied für so lange Zeit wegfliegen.“

„Hhm.“

„Hast du alles?“

„Ist durchgecheckt.“

„Schreibst du mal eine Postkarte?“

„Ich denke an dich und ans Geschäft.“

„Hoffentlich kommst du zurück!“

„Mit Sicherheit, du Pfeife.“

„Wo sind deine Übersee-Koffer?“

„Und grüße mir Rike, Roswitha und vielleicht auch die Rita!“ rief Krück und hob eine Hand, um rückwärtsgewandt zum endlich erreichten und wohlverdienten Abschied zu winken.

Delightfull

Nach einem ewig langen und meist im Schlaf verbrachten Flug brachte er seine vergichteten Knochen erst einmal in die Waagrechte. Die letzte Wegstrecke noch mit dem Boot, stieg seine Vorfreude. Endlich am Ziel seiner Träume. Die Hoteldirektion hatte ihm einen wunderschönen, ruhig gelegenen kleinen Pavillion direkt am Meer zugewiesen. Als sie ihn fragten, wie lange er bleiben wollte hatte er nur trocken geantwortet: „Es ist auf längere Zeit reserviert.“

Und schon galt er als German Kauz, was er ja auch gerne war.

Der Tag neigte sich bereits, aber das Wasser lockte verführerisch in einer die Atmosphäre spiegelnden Klarheit. Badehose an, nicht lang gefackelt, und hinein in die Fluten. Einfach himmlisch, und wie warm das Wasser war, und wie freundlich hier alle lächelten. Das war ihm von Anfang an aufgefallen. Seine Börse hatte er im Zimmersafe weggesperrt.

Zuhause, wie ging es wohl dem Herrn Hurdenbauer?? Wie das Geschäft wohl lief. Mit wem er schlief? Wie es wohl mit der Geld-Adeligen lief? Wurde viel gestorben, wie stand es um die gerade noch rechtzeitig rekrutierte Aushilfe Fritz?  Weg mit diesen unnötigen Gedanken. Ein paar Wellen weiter fiel ihm schon das nächste Konvult ein. Aber warum hatte er sich das angetan, sich aus dem heimischen Kontinuum hinauszureißen in diese Inselwelt-Idylle, gerade wo er anfing, seinen Ehe-Verlust so richtig zu – genießen? Rasender Quatsch in seinem Kopf. Jetzt ging es nur noch um ihn, seine Befindlichkeit, und um nichts anderes.

Lustige bunte Fische schwebten da herum, er ließ sich endlos treiben. Mit T-Shirt und Kappe in die Gedanken-Dämmerung hinein.

Wir sind nur der Traumkörper eines uns fremden Wesens, dort hoch oben aus dem Firmament, ein Wesen, das uns träumt und das träumt, was wir machen, und wir denken, wir tun alles aus freien Stücken, dabei können wir uns maximal dabei beobachten. Wer nur hatte das mal gesagt. Egal. Wie spät es wohl zuhause war. Lag er in der Zeit vorne oder zurück? Wann würde sein innerer Taktgeber anfangen, langsamer zu schlagen und wann würde er aufhören, über sich nachzudenken und endlich diese wundervolle Welt mit allen Sinnen wahrnehmen?

Dass er auf diese seltsame Gruppe aus so verschiedenen Menschen traf, offensichtlich so etwas wie verspätete Hippies und einfach nur Aussteiger, kümmerte ihn wenig. Im Gegenteil. Immer wieder suchte er nun den Kontakt mit jenen Verirrten, maximal Dreizehn an der Zahl, die sich seltsame Namen gegeben hatten, allesamt dem Etruskischen entlehnt. Es ließ sich gut im Englischen radebrechen und es störte ihn keinesfalls, dass sie ihn offen anschnorrten, nein, im Gegenteil, es gefiel ihm, dass mann ihn auf eine andere, direktere Art wahrzunehmen schien, als im geschäftigen Hotel.

Von Anfang an war ihm da diese kleine grazile Rothaarige aufgefallen, wohl kaum älter als er, sommersprossig und mit einem Strohhut bewehrt, die ihm stets kurze, interessierte Blicke aus ihren grünen Augen zuwarf, die sie schüchtern wirken ließen - dabei wußte sie genau, was sie tat, und wohin sie mit ihm wollte.

Ein paar Tage später bezeichnete er sie für sich als meine kleine schweizerische Freundin Atunus mit Augen wie ein freundlicher Ozean.

Atunus gestand ihm eines Abends, (noch bevor sie über Privateres sprachen, dass beide keine Kinder haben, dass beide in der eigentlich gleichen Branche gearbeitet hatten, sie als Insolvenzverwalterin und er als Bestatter, und feststellten, dass sie ja so viele Gemeinsamkeiten miteinander teilten – weil sie diese ja auch finden wollten – wie in loser Form aufgezählt seien da Geschichte, Politik der Globalisierung, das Hineinträumen in die Sternenhaufen und wohl noch mehr), offenbarte ihm also,während einige des losen Haufens am Feuer saßen und andere bereits in die Nacht hinein dämmerten:

„Ich spüre die positive oder negative Ausstrahlung eines Menschen.“

„Und wie ist meine?“

„Deine ist gut, du bist ein guter Mensch. Aber ich sehe auch die Aura, also das Kraftfeld eines Menschen.“

„Erstaunlich.“

„Es erschreckt mich, wenn ich keines sehe.“

„Und meines?“

„Deines hat Dellen, es ist nicht rund, sieht aus wie eingeschnürt.“

„Kannst du´s ausbeulen?“ lachte Krück, der in ihrer Gegenwart stets bester Stimmung war und sich bisher nicht um Beulen in seinem Karma geschert hatte.

Deshalb sah sie ihn zornig und zugleich unverständnisvoll an, deutlich ernsthafter als je zuvor.

„Es bedarf einer Heilung mit sehr viel Energiearbeit, die du leisten mußt.“

„Und wie soll das gehen?“ erkläre es mir.

„Habe einfach Geduld! Dir ist sehr viel Böses angetan worden.

Und dein Weg beginnt erst. Wenn du willst, dann helfe ich dir.“

Dazu schwieg Krück betroffen, presste eine Träne hervor und nahm Atunus in den Arm. Soviel Mitgefühl kannte er sonst nur von Beerdigungen, von den segensreichen endgültigen, erleichternden Abschieden.

„Willst du mir nicht ein wenig von dir erzählen, warum du hier bist?“

„Vielleicht ein andernmal“,Manfred.

Im Hotel hatte das stets aufmerksame Personal ihn bereits vermisst, ein dicker Deutscher würde doch nicht sein Abendessen versäumen, einfach undenkbar! Aber als er heiter und geradezu beschwingt am Frühstückstisch saß, um die eine oder andere internationale Gazette zu studieren, entspannte sich das Gesicht des Geschäftsführers, der sich schlichtweg keine Unfälle leisten konnte und wollte.

Nach seinem hoffentlich wohl besten Wohlbefinden erkundigt, ging Krück daran, seinen Tag zu strukturieren, was ihm nun wirklich nicht schwer fiel. Strand, also. Doch diesmal mit seinem extra angeschafften E-Book-Reader, wo er sich für die Kurzweil ein paar Titel bereits im heimischen Internet heruntergeladen hatte, als denen da digital vorlagen: Jean Paul´s Titan, Mitchener´s Vom Winde verweht, Bolanos 2666, dem Unendlichen Spaß von Wallace, die ersten tausend Hefte der Perry Rhodan-Serie, bestimmt ein Dutzend deutscher moderner Klassiker, reichlich Geschichtsliteratur – kurzum, ihm würde kaum langweilig werden. Jetzt brauchte er nur noch jemanden, der das Alles für ihn las.

Vorweg und auf Platz 1 der Leseliste stand jenes enzyklopädische Standardwerk über die Geschichte des Wilden Westens, um endlich die nicht breiten, aber sicherlich noch reichlich vorhandenen Wissenslücken in seinem Lieblingsfach zu schließen. Denn bereits als Junge blieb es nicht bei den Cowboy- und Indianerspielen, im Aufsaugen sämtlichster verfügbarer Materialien, denn bis hinein in seine Träume verfolgten ihn die mit Plastik-Männchen gespielten Szenen.

Nach dem vergangenen Abend am Lagerfeuer (dem Zentrum des steinzeitlichen Universums, noch heute), wo er sich verwegen in die dunklen und tosenden Wellen warf, wie um ein Gottesurteil zu erflehen, begannen seine verwegenen Erzählungen, oder, wie er es nannte, sein Westerntrip. Ausgelöst wurden diese durch einen ersten, initialen Traum.

„Du hast was geträumt??“

„Na, ich war plötzlich im Wilden Westen und.“

Da setzte sich Larth, der drahtige Anführer der Gruppe zum ersten Mal zu Krück, reichte ihm einen Joint und bat ihn mit einer kräftigen, durchdringenden Stimme:

„Du mußt uns alles erzählen.“

Atunus streichelte ihm aufmunternd über den Rücken und der Rest der Gruppe nickte ihm bekräftigend zu und lächelte ihn erwartungsvoll und aufmunternd an.

Krück saß auf einem umgewehten Palmenstamm und streichelte sich über den knurrenden Magen, als ob dies die Erinnerung fördern könnte. Er hustete den ihm ungewohnten Rauch aus und schien seine unerwartete Rolle ein klein wenig zu genießen.

Der Leichenfund

„Frauen, nichts als Löcher, aus denen sie bluten“, grummelte Jac verächtlich, als er den blutverschmierten, zerschossenen Leichnam betrachtete. Gleichzeitig grummelte sein Magen, denn nach zwei Wochen Bohnen fühlte er sich wie ein Ballon. Hätte er in einen Spiegel gesehen, wäre er vor seinen blutunterlaufenen Augen erschrocken.

Doc, genannt der Brauer, weil er ein Händchen in der Herstellung (wie auch im Verzehr) von allerlei Alkoholikas hatte, stupste Jac an.

„Verdammte Sauerei, das.“

Jac, den sonst nichts so schnell aus der Fassung brachte, nahm stumm seinen Hut vom Kopf und kreuzte seine Hände.

„Wir müssen sie untersuchen.“

„Wir sollten sie begraben.“

„Danach. Kannst ja schon anfangen.“

„Ohne Schaufel? Die ist auf dem Wagen, bei den anderen, und die sind zwei Tage entfernt.“

„Ich weiß, mein Guter, aber wir sind hier um die Lage zu peilen – es ist einfach zuviel Gesindel auf den Straßen.“

„Welche Straßen“, grinste Jac, prustete, lachte stakkatoartig und wie durchgeknallt.

„Such´ lieber Steine zusammen.“

Doc machte sich an die Arbeit. Öffnete die Kleider, schien nach irgendetwas zu suchen. Dann kratzte er sich am Hintern, zog den Hut tiefer in die Stirn und drückte der Unbekannten auf den Unterbauch. Er grinste, zog sein Messer und schnitt längs und tief. Dann griff er in die Wunde, fummelte ungeduldig herum und zog schließlich einen kleinen, schweren Beutel heraus.

„Was hast´n da?“

Jac beugte sich über Doc.

„Pfui Deubel, alles voller Blut!“

Doc warf ihm – nach einem kurzen, unmerklichen Zögern, den faustgroßen Sack zu, den Jac angewidert und zurückweichend auffing.

„Na wie´n Organ sieht das nit aus.“

Dann weiteten sich Jac´s Augen, als er die Nuggets sah.

„Meine Fresse, Alter, wir sind saniert!“

„Ja, aber halt die Klappe, erzähl bloß keinem davon – und lass´ es verschwinden, Arrow kommt zurück.“

„Klar Partner. Aber was macht diese Frau hier, seelen-allein, mitten in der Prärie?“

„Hhm, vielleicht werden wir´s nie erfahren.“

Der Indianer war vorausgeritten, weil er es, so wie er es nannte, am liebsten allein mit Manitou im Zwiegespräch war – was auch immer die beiden da zu bereden hatten.

„Und?“

„Und was?“

„Na was gibt´s?“

„Was soll´s geben?“

So beginnen gemeinhin Schießereien: wenn einem die Worte ausgehen oder es schlichtweg zu anstrengend wird, ständig Antworten zu geben.

„Hast du etwas gefunden, mein Schatz?“

Der Indianer spuckte sich über die Schulter.

„Nada.“

„Und die Leiche, habt ihr etwas herausgefunden?“

„Nö, du, wir haben sie untersucht, du kannst ihren Schmuck haben.“

„Warum wollt ihr nicht teilen?“

„Weil heute Weihnachten ist?“

„Aha, verstehe, ihr hattet schon euren Spaß. Es wird Nacht. Wir sollten kampieren.“

„Und die Leiche begraben.!“

„Wozu, die Coyoten buddeln sie doch wieder aus.“

„Früher hätte ich ihren Skalp genommen.“

„Mach doch, dann kannst du als Squaw gehen!“ lachte Dynamite-Jac.

„Lass das Messer stecken, du Pferdelosschneider“, bemerkte Doc trocken und kam einer drohenden Auseinandersetzung zuvor.

„Wie kam sie hierher?“

„Na geflogen ist sie nicht.“

„Pferdespuren. Zwei Mustangs.“

„Indianer?“

„Desperados!“

„Wo war´n da noch mal der Unterschied??“

„Halt´s Maul. Es war ein Scheißtag, ich habe nur Staub gefressen. Hier draußen ist nichts, einfach nur nichts.“

Nach seinem ersten Erzählen ließer die Gruppe am Strand und ging im Dunkeln den Weg zum Hotel zurück. Es war ihm nach Einsamkeit, Sauberkeit und der hellen Unverbindlichkeit des nativen Appartmentszumute. Und nach einer möglichen Fortsetzung des Traums. Aber natürlich gestaltet sich die Mechanik der Träume nicht in TV-Serien-Manier und diese werden wie aus einem Leierkasten ausgespuckt, an dem mann mit einer Kurbel dreht.

Doch wenn sich der bunte Haufen weiter so gierig nach seinen Westerngeschichten zeigte, dann könnte er sie ja einfach weiterspinnen, weiterflechten und sie ihnen– bei Bedarf - wie Appetithappen vorwerfen.

In Krück sprang plötzlich ein alter Selbstzweifel hoch: er gestand sich ein, dass er am nötigsten einer Heilung bedürfe, es kam ihm stets so vor, als ob seine Seele heimlich vor sich hinblutete und somit seine Substanz, der Kern, der ihn ausmachte, allmählich verschwand. Selbst wenn es sich um die Annahme eines Ichs und eines Zustandes handelte, so spürte Krück doch immer deutlicher, dass er den Menschen, in den er da hineinhorchte, nicht mehr verstand. Sein ewig gleiches, pausbäckiges Gesicht nervte ihn ebenso wie der im Laufe der Jahre unförmig gewordene Körper. Der Preis des Alters. Oder der der Faulheit.

An der Bar, der protzige, krebsrote Engländer redet laut über seine siamesische Geliebte auf die Frage hin, wie die denn so im Bette sei?

„Nun, ihre Nehmerqualitäten? Wie bei einer wirklich guten Uhr: <Ich habe sie 12.000 mal auf Stoßfestigkeit geprüft!“

„Ha, ha, ha”!

„Ho, ho, ho, ho”.

Krück nickte nur, dachte sich seinen Teil und sah vor seinem inneren Auge das Bild einer durchgelegenen Coach.

Grinste daraufhin und bestellte sich einen zweiten Tequila. Er wollte es sich gerade so richtig bequem in sich machen, da stupste ihn der Tommy an, sah ihm tief in die Augen und fragte:

„Nun College, womit machen sie denn ihr Geld?“

Krück haßte diese chauvinistische Prahlerei und Ausfragerei zutiefst, so als würde ein Mensch einzig und allein durch seine Arbeit bestimmt und bekäme dadurch einen Daseinszweck verliehen. Deshalb antwortete er wahrheitsgemäß mit tiefst-möglicher Stimme:

„Mit Beerdigungen, ich sorge dafür, dass Menschen –für immer -verschwinden.“

Nun schwieg sein blasiertes, narzistisches Gegenüber, denn diese unerwartete Antwort mußte erst einmal einsortiert werden, gerade wenn diese wahr wäre.

„Nun, dann haben sie bestimmt keine Angst vor Grotten.“

„Warum?“

„Wir – und damit wies der Herr aus dem Empire generös in die lose Runde aus menschlich-bürgerlichem Urlaubergut – machen Morgen einen Ausflug zu einer gigantischen Meereshöhle.“

Krück würde es sich überlegen.

„Oh, just for this relaxation, quite nice. If you need a horny woman, for that relaxation, I could give you an advice.”

“No thanks, have enough“, grinste Krück und verabschiedete sich Richtung Zimmer, um nach einer ausgiebigen kühlenden Dusche noch ein wenig in der Geschichtshistorie zu wühlen. Gut, ja, er hatte sich da so etwas wie eine Verpflichtung aufgebürdet, doch konnte er den Spaß, den er beim Erzählen empfand, jetzt bereits kaum verleugnen.

„Können wir nicht mal mit dir mitkommen, Krücki? Ich kann keinen Fisch mehr sehen!“ bettelte Velia, die sich meist um das Essen für die Gruppe sorgte.

„Damit sie am Ende mich aus dem Four-Stars rauswerfen? Nein, da bin ich eigen. Aber ich lasse mir was für euch einfallen, ihr habt mein Wort.“

Und nach einer kurzen Pause im Brustton der Überzeugung.

„Aber was ich euch schon längst sagen wollte, ihr müßt doch etwas mehr für euch tun, sonst verkommt ihr und werdet wie die Tiere!“

Die ganze Gruppe aus lebenserfahrenen Aussteigern lachte daraufhin herzhaft über ihn. Und Alpan, der gerne den Clown markierte, gackerte:

„Tun tun tun – immer sollen wir etwas tun – wir sind am Leben, das reicht vollkommen – und in ein paar Jahren sind wir nicht mehr hier – dumm, dumm, dumm!! Deshalb – summ, summ, summ, fliegen wir wie Bienchen um den Nektar ´rum.“

„Was sollen wir hier tun? Da lachen wir doch!“ ergänzte Tages, ein altgedienter Veteran der Arabischen Kriege, provozierend.

„Erzähle lieber noch etwas, schenke uns ein kleine Auszeit vom Paradies!“ forderte ihn der sonst so stille Uni auf und bohrte sich völlig sinn- und seinsvergessen in der überdimensionalen Nase.

„Gut, wenn ihr unbedingt wollt, dann will ich mal nicht so sein!“ antwortete Krück zufrieden und seinerseits versöhnlich.

Truppe ohne Plan

„Und gefunden habt ihr nichts außer der toten Frau, el muerta desperata?“

„Es war sonst die vollkommene Leere.“

„Wisst ihr denn noch, was ihr finden solltet?“

„Na was zu fressn, Chef, oder?“

„Exactemont.“

„Wir sind ja selbst beinahe verhungert.“

„Capiche, capiche. Und: wie soll das hier weitergehen?“

„Rauben wir einen Trek aus?“

„Wenn mal einer vorbeikäme. Wir sind ein wenig abseits der üblichen Routen.“

„Wo sindn mir eigendlich, sind wir denn irgendwo?“

„Tief in den Planes von Texas, mein Freund.“

Und kaum später:

„Was´n des?“

„En gefülld Glüggsgegs.“

Dynamite Jac warf ihn ein und zerkaute ihn.

„Du Idiot mußt ihn vorher aufbrechen, da ist ein Zettel drin, mit einem Spruch drauf, der dein Leben bestimmen kann.“

„Egal, kann eh nix les.“

„Er hat sein Horoskop verschluckt, der Idiot!“ lachte Lyss geradeheraus und schüttelte ihren kurzgeschorenen Kopf. Läuse. Ihr schönen, ja prachtvollen Locken. Nun, sie trug dann eben einen Hut als Schutz vor der Sonne und wirkte so gar nicht weiblich – worauf sie auch überhaupt keinen Wert mehr legte.

„Er hat was?“ fragte Arrow, gedankenlos mit seinem Schwanz in der Hand, von dem er noch die letzten Tropfen Urin fortwährend abschüttelte.

„Er hat seinen Glückskeks samt Spruch gefressen“, petzte Thought.

„Dann werden wir eben aus seinen Eingeweiden die Zukunft lesen!“ meinte der Indianer trocken, zuckte verächtlich mit dem Mundwinkel und zog sein Messer.Jac hustet wie blöd und weicht gleichzeitig zurück.Alle lachen nun wie verrückt und klopfen Jac auf die Schulter.

Später am Abend, Doc hatte gerade seinen letzten Whisky den Jungs und den vorletzten seiner Leber geopfert, sprang er aus dem Halbschatten heraus in die Runde und begann zu deklamieren:

„Ja, und ich sage euch, es wird eine Zeit kommen, in der noch mächtigere Waffen die Welt beherrschen und alle Menschen sich diesen unterwerfen, wollen sie nicht untergehen!“

„Amen.“

„Amen, so spricht der Herr in Judas, Vers 12, Strophe 1-2.“

„Und ich sage euch, es wird ein Tag kommen, an dem wir keinen Whisky mehr haben“, flüsterte Thought.

„Wie geht´sn denn nun weitern, die Herrn?“ wollte Lyss wissen und kratzte sich zwischen den Beinen um was auch immer Lebendiges zu verscheuchen.

„Wir ziehen weiter, immer dem Geruch des Goldes nach“, bemerkte El Capitan, und polierte seinen Säbel.

„Wenn ich nicht bald was zu beißen bekomm, könnt ihr mich ja fressen.“

„Gar nicht so schlecht die Idee.“

„Also, wir suchen uns eine Bleibe – in einer Stadt!“

„Gibt es hier so etwas?“