Hurra, hier kommt der Hausgeist - Alexander Kail - E-Book

Hurra, hier kommt der Hausgeist E-Book

Alexander Kail

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Beschreibung

Der zwölfjährige Michael zieht mit seinen Eltern aufs Land. Zuerst ist er wenig begeistert, seine Freunde zu verlassen. Doch das Landleben ist alles andere als langweilig – in ihrem neuen Haus spukt ein junger Geist, Pierre! Beide schließen schnell Freundschaft und erleben nächtliche Abenteuer. Um ihrer Freundschaft willen machen sie sich, zusammen mit Michaels altem Freund Marcel, auf eine spannende Schatzsuche voller Geister, Schlösser und Geheimgänge. Denn Pierre hat einen schwierigen Wunsch … Oft scheint ihr Ziel unerreichbar und die Gefahr zu groß; ihre Freundschaft wird ebenso auf die Probe gestellt wie ihr Mut und ihre Hingabe. Schließlich steht Michael noch vor der schweren Entscheidung, ob er den neuen Freund ziehen lassen kann, um diesen glücklich zu machen.

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Impressum 2

Kapitel 1 3

Kapitel 2 66

Kapitel 3 140

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2022 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99131-378-6

ISBN e-book: 978-3-99131-379-3

Lektorat: Verena Höver

Umschlagfoto: Aleksandr Malyshev, Anna Velichkovsky | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Kapitel 1

Der zwölfjährige Michael spielt draußen auf dem Fußballplatz. Er ist dort ganz allein. Mit seinem Ball, den er dauernd hin- und herschießt.

Es will bei ihm keine rechte Freude aufkommen. Nicht nur, weil außer ihm niemand auf dem Fußballplatz ist. Es wird das letzte Mal sein, dass Michael hier ist. In ein paar Tagen schon zieht er mit seinen Eltern raus aus der Großstadt aufs Land. Das ist der große Traum seiner Eltern. Sie haben sich dort ein eigenes Haus gekauft. „Wir gehören nicht in die Stadt, wir gehören aufs Land!“, betonen sie immer wieder.

Michael haben sie nicht gefragt. Auch nicht, wie es ihm dabei geht, weil er alle seine Freunde verlassen soll. Es ist ihm richtig schwer ums Herz. Vor allem um Marcel tut es ihm leid, seinen besten Kumpel.

Das ist der Grund, warum Michael jetzt auf dem Sportfeld ganz allein Fußball spielt. Er hat sich mit Marcel verabredet. Sie müssen sich heute voneinander verabschieden. Er hat schon einen dicken Kloß im Hals.

Da biegt Marcel um die Ecke. Er sieht genauso traurig aus. „Wartest du schon lange auf mich?“, fragt er.

„Nein, erst ein paar Minuten.“ Michael weiß nicht so recht, was er sagen soll. Er mag Abschiede überhaupt nicht. Es schnürt ihn die Kehle zu.

„Wir bleiben doch auf jeden Fall in Kontakt“, sagt Marcel tröstend zu ihm. „So schrecklich weit ziehst du ja schließlich doch nicht weg.“

„Ja, schon, aber es ist nicht dasselbe. Bis jetzt haben wir den gleichen Schulweg gehabt. Wir konnten uns immer verabreden, wenn wir Lust hatten“, entgegnet Michael.

„Da hast du Recht, aber wir können uns trotzdem treffen. Meine Eltern haben schon gesagt, sie fahren mich zu dir, wenn es zeitlich passt. Oder ich nehme den Zug.“

„Ja, das machen meine Eltern auch“, meint Michael. Michaels Eltern versuchen schon, einiges zu tun, damit ihm den Abschied so leicht wie möglich fällt. Aber es ist nie einfach, alle seine Freunde verlassen zu müssen.

„Ich bin sicher, dass wir uns nicht vergessen“, sagt Marcel. Er gibt Michael ein kleines, hübsch eingepacktes Geschenk. „Für dich, damit du immer an mich denkst.“ Michael weis wieder nicht, was er sagen soll. Dann räuspert er sich. „Ich melde mich bei dir, wenn wir angekommen sind, damit ich dir erzählen kann, wie es dort ist.

„Ja“, sagt Marcel. „Ruf mich an und gib mir deine neue Telefonnummer durch.“

Beide Jungen sehen schon nicht mehr so traurig aus. Einigermaßen beruhigt und fröhlich verabschieden sie sich, denn für Michael wird es Zeit. Er soll zum Abendessen rechtzeitig zu Hause sein.

Als er in der Wohnung ankommt, hat ihn die Realität wieder eingeholt. Schon seit Tagen hat sich sein altes Zuhause in ein Chaos verwandelt. Überall stehen gepackte Umzugskisten. Die Dinge, die gerade gebraucht werden, findet man nicht. Mittendrin steht seine Mutter und deckt den Abendbrottisch. „Hast du den Abschied von Marcel einigermaßen gut überstanden?“, fragt sie ihn besorgt.

„Ja, denn es ist kein richtiger Abschied.“

„Das haben wir dir die ganze Zeit gesagt, dass ihr in Kontakt bleibt“, tröstet ihn seine Mutter. „Es ist nicht weit in die Stadt, das ist ein Vorteil.“

Aber auch sie sieht etwas traurig und gedankenverloren aus, als sie am offenen Fenster steht. „Weißt du noch, wie ich dir früher immer an einem Bindfaden Butterbrote hinuntergelassen habe?“, fragt sie.

Michael nickt.

Zwei Tage später ist es soweit. Michael und seine Eltern sind sehr früh aufgestanden, um die letzten Sachen in Ruhe zu packen. Sie haben den Umzug extra auf den Beginn der Ferien verlegt, damit Michael nicht zu viel von der Schule versäumt. So konnte sein Vater auch gut Urlaub für den Umzug nehmen. Michael sitzt auf einer seiner vielen Umzugskisten. Er wartet darauf, dass der Transportlaster kommt.

Seine Eltern sind bereits beim Frühstück. „Michael, hast du keinen Hunger?‘“, fragt seine Mutter.

„Nein, ich bin so aufgeregt!“, antwortet Michael.

„Gerade deswegen musst du etwas essen“, versucht ihn sein Vater zu überreden.

Doch Michael glaubt, dass er keinen Bissen hinunter bekommt. Dauernd muss er zum Fenster hinausschauen.

Seufzend stellt seine Mutter eine Tasse Kakao vor ihn. „Dann trink wenigstens was, mit leerem Magen verreist es sich nicht gut“, sagt sie. Michael trinkt aus seiner Tasse, ohne dabei das Fenster aus den Augen zu lassen.

„Du wirst es sicher mitbekommen, wenn der Transportwagen da ist.“ Michaels Mutter scheint, im Gegensatz zu ihm, viel weniger aufgeregt zu sein. Oder sie lässt es sich wenigstens nicht anmerken.

Nach einer halben Stunde ist der Transportwagen da. Er ist größer, als Michael ihn sich vorgestellt hat. Der Transportwagen wird von Mitarbeitern einer Umzugsfirma gefahren. Michael und seine Eltern wollten mit den restlichen Sachen, die sie unbedingt noch brauchen, in ihrem Auto fahren.

***

Die Autofahrt dauert nicht lange. Eine gute halbe Stunde, dann ist die Großstadt verschwunden. Sie sind nun draußen, in einer wirklich ländlichen Gegend.

Sie fahren vorbei an großen, grünen Wiesen und Feldern. Michael ist beruhigt, dass die Strecke in die Stadt zu Marcel und seinen anderen Freunden wirklich nicht weit ist.

„Du wirst sehen, wie gut die Luft hier ist!“, schwärmt seine Mutter.

„Jetzt sind wir gleich am Ziel unserer Reise“, sagt sein Vater ganz erfreut.

Sie halten vor ihrem neuen Haus, das größtenteils im Stil eines ländlichen Bauernhauses erbaut ist. Doch es hat auch ein paar kleine Erker und Türmchen; es erinnert Michael ein wenig an ein Schloss. Michael ist zwar damals bei der Besichtigung dabei gewesen, so genau kann er sich jedoch nicht mehr daran erinnern.

Alle zusammen helfen sie, die Kisten ins Haus zu tragen. Sie verteilen sie dabei schon auf die richtigen Zimmer. Michael muss sich gleich überall umschauen. Jeden Winkel muss er in Augenschein nehmen.

„Bist du denn gar nicht neugierig auf dein neues Zimmer?“, fragt sein Vater.

„Doch, aber das läuft ja nicht weg“, sagt Michael.

„Ach, der Rest des Hauses auch nicht“, lacht seine Mutter.

Doch Michael ist nicht aufzuhalten. Er findet es richtig toll, was es hier alles zu entdecken gibt. Dieses Haus ist so gar nicht zu vergleichen mit der Wohnung in der Stadt, in der sie bisher gelebt haben. Es sieht so aus, als würde es aus einer anderen Zeit stammen. Viele alte Gemälde hängen da noch. Sie zeigen wohl frühere Bewohner des Hauses oder des Ortes, in dem sie jetzt leben. Teilweise stehen auch noch alte Bauernschränke da, die den Zimmern und Räumen eine urige Atmosphäre verleihen.

Michael hat sich vorgenommen, alle Räume des Hauses genau zu inspizieren. Dazu gehört natürlich auch der Dachboden. Ob er sich wirklich traut, da hinaufzusteigen?Ach was, denkt er sich.Wer wird sich denn bei hellem Tageslicht fürchten?Vorsichtig öffnet Michael die Luke, die zum Boden führt. Er klettert hinauf. Überall liegen Staub und Schmutz. Hier oben muss schon lange keiner mehr gewesen sein. Oben angekommen klopft er erst einmal den Staub weg, den er selbst abbekommen hat.

Hier gibt es wirklich nichts Besonderes.

Michael ist wirklich enttäuscht. Er hat es sich anders vorgestellt. Da ist überhaupt nichts Geheimnisvolles! Nur altes Gerümpel steht und liegt hier herum. Auch eine Kiste findet er, mit lauter alten Sachen drin, ebenso ein Kerzenständer und verstaubte Tücher. Auch ein altmodisches Gemälde kommt ganz unten zum Vorschein.

„Das ist bestimmt wieder einer der früheren Hausbewohner“, denkt sich Michael. Er zieht das Gemälde, das wohl mit Ölfarben gemalt worden ist, heraus. Er sieht es sich genauer an.

Darauf ist ein Junge zu sehen, etwa in seinem Alter. Doch er sieht Michael überhaupt nicht ähnlich. Er trägt eine altmodische Hose und eine Art Gehrock, sowie ein ebensolches Hemd mit einem feinen Halstuch. Er hat schwarze Lackschuhe, die damals wohl modern gewesen sind. Auf dem Kopf trägt er eine weiße Perücke. Nett sieht der Junge aus, dass muss Michael zugeben. Er lächelt freundlich.

Er sieht so aus, als könnte man sich mit ihm gut verstehen.Aber was soll’s…, denkt sich Michael. Er legt das Bild wieder beiseite.

Eine Weile verbringt er noch auf dem Dachboden. Doch vergeblich, denn hier etwas Interessantes zu finden ist unmöglich.

Auf einmal hört er seine Mutter nach ihm rufen.

„Ich bin hier oben“, antwortet Michael und schaut durch die Luke.

Seine Mutter schaut erstaunt hinauf und lacht. „Da habe ich dich am allerwenigsten vermutet. Hast du nichts anderes zu tun, als auf dem staubigen Dachboden herumzuklettern? Du suchst wohl hier nach einem Schatz?“, fragt sie augenzwinkernd.

„Aber nein, ich wollte unser neues Zuhause einfach mal genau unter die Lupe nehmen.“

„Hoffentlich hast du dich jetzt nicht allzu schmutzig gemacht. Es gibt jetzt Abendbrot!“, sagt sie.

„Nein, bestimmt nicht. Ich komme sofort“, antwortet ihr Michael.

„Lass uns nicht so lange warten“, bittet ihn seine Mutter. Sie dreht sich um und geht nach unten.

Michaels Blick wandert noch einmal zurück zur offenen Kiste, auf der er das Bild von dem Jungen in den altmodischen Kleidern abgelegt hat. Michael bleibt auf einmal wie festgenagelt stehen.

Das Bild ist nicht mehr an dem Platz, wo er es hingelegt hat, oben auf der offenen Kiste mit den vielen Gegenständen.

Es liegt weitab der Kiste beim Dachbodenfenster!

Michael schaut ganz entgeistert. Ihm ist auf einmal nicht wohl in seiner Haut. Er weiß genau, dass er das Bild oben auf die Kiste gelegt hat.

Was ist, wenn es heruntergefallen ist? Aber dafür liegt es viel zu weit von der Kiste entfernt … Wie soll es denn von selbst dahin gekommen sein?

Oder aber … Hat er sich nur eingebildet, es auf die Kiste gelegt zu haben?

Aber das schiebt Michael ganz schnell wieder beiseite. Er hat das Bild doch ganz bewusst an den Ort zurück gelegt, wo er es gefunden hat! Sehr verwundert und mit wackeligen Knien steigt Michael die Leiter hinab, schließt die Dachbodenluke, geht zum Händewaschen und dann zu seinen Eltern zum Abendessen.

„Das erste Abendessen in unserem neuen Zu­hause!“, sagen sie strahlend.

Als Michael sitzt, ist er mit seinen Gedanken immer noch bei dem Bild.

„Michael hat gleich das ganze Haus unter die Lupe genommen. Er ist dabei sogar bis auf den Dachboden gekommen!“, erzählt seine Mutter.

„Hast du was Interessantes gefunden? Ist da oben ein Schatz versteckt?“ Sein Vater grinst.

„Natürlich nicht!“, entgegnet Michael. „Da oben sind nur Staub, Schmutz und alte Gegenstände. Bis auf ein seltsames Gemälde…“

„Was für ein Gemälde?“, fragt seine Mutter neugierig.

„Ein Ölbild, das einen Jungen in altmodischer Kleidung zeigt“, erklärt ihr Michael. „Wahrscheinlich einer der früheren Hausbewohner“, vermutet sein Vater. „Also nichts Besonderes.“

„Es war nur so sonderbar“, erzählt Michael. „Ich habe es zurückgelegt, oben auf die Kiste. Doch nachdem Mama mich zum Abendbrot gerufen hat, habe ich mich noch einmal umgedreht. Da lag das Bild auf einmal an einer ganz anderen Stelle, beim Dachbodenfenster.“

„Du wirst dich vertan haben; du hast vergessen, wo du es hingelegt hast“, meint seine Mutter. „Das kommt vor, das ist nichts Ungewöhnliches.“

„Ich bin mir aber sicher, dass ich das Bild auf die Kiste gelegt habe!“, beharrt Michael.

„Willst du etwa behaupten, dass es hier spukt?“, meint sein Vater lachend.

„Na, wer weiß?“, fragt Michael. „Schließlich ist unser Haus sehr alt.“

„Ach, Unsinn!“, sagt seine Mutter. „Es ist alles ganz natürlich und erklärlich. Nur weil wir jetzt auf dem Land leben und dieses Haus etwas älter ist, fangen wir jetzt nicht auf einmal an, an Geister und Gespenster zu glauben.“

Sie steht auf und fängt an, den Tisch abzuräumen.

Nachdenklich bleibt Michael noch sitzen. Das stimmt – in der Stadt hätte er darüber gelacht, wenn ihm jemand etwas über Geister und Gespenster erzählt hätte.

Aber seit dem Erlebnis mit dem Gemälde weiß er nicht mehr, ob er dieses Thema wirklich so abtun soll … Er steht auf und hilft seiner Mutter.

Nach dem Abendessen denkt Michael aber nicht mehr an das Bild, weil er beginnt, seine Kisten auszupacken und seine Sachen einzuräumen, bis er schließlich sehr müde in sein Bett fällt. Er schafft es gerade noch, seine Zähne zu putzen und seinen Eltern Gute Nacht zu sagen.

„Träume ja nicht von Gespenstern!“, ruft ihm sein Vater hinterher.

Mama und Papa haben gut lachen, denkt Michael.Sie haben ja das Erlebnis mit dem seltsamen Bild nicht gehabt.Er muss immer wieder daran denken. Damit hat doch alles angefangen. Er will es sich auf jeden Fall noch mal anschauen.

Heute ist er zu müde, aber morgen wird er dieses Bild vom Dachboden holen und untersuchen.Vielleicht gibt es ja eine ganz natürliche Erklärung dafür, dass das Bild auf einmal an einem ganz anderen Platz gelegen hat …, denkt Michael.

Er schläft zufrieden und beruhigt ein.

***

Frisch und munter erwacht Michael am nächsten Tag.

Er denkt auch nicht gleich an das Bild. Er frühstückt ganz normal mit seinen Eltern.

Nur sein Vater muss natürlich fragen: „Na, Michael, hast du denn heute Nacht von Geistern und Gespenstern geträumt?“

„Also ich habe in unserem neuen Haus wunderbar geschlafen“, antwortet seine Mutter gleich.

„Ich auch!“, sagt Michael.

„Na, dann können wir doch unsere gestrigen Gespräche gleich ganz vergessen!“, schlägt sein Vater vor.

Michael ist damit einverstanden. Zunächst ist er sehr beschäftigt damit, weiter mit ihnen die Kisten auspacken und seine Sachen an die richtigen Plätze zu verstauen. Dann kommt seine Mutter. Sie will ihm unbedingt beim Einräumen seiner Kleidung helfen.

„Möchtest du heute Nachmittag nicht mal nach draußen? Die Gegend ein bisschen erkunden?“, fragt sie.

Sie hat wohl die Hoffnung, dass ihr Sohn ein paar neue Freunde findet.

„Nein, ich habe keine Lust. Ich spiele lieber hier“, entgegnet Michael.

„Aber sei vorsichtig auf deinen Entdeckungstouren!“, ermahnt ihn seine Mutter.

Nach dem Mittagessen und einer Pause setzt Michael sein Vorhaben um. Er geht zum Dachboden.

Er klettert die Leiter nach oben, öffnet die Luke.

Wie erstarrt bleibt er oben stehen. Er muss gar nicht mehr weiter nach dem Bild suchen. Es fällt ihm direkt in die Hände, gleich an der Luke! Wie kommt es denn bloß dorthin?

Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen!

Diesmal ist sich Michael zu hundert Prozentsicher, dass es kein Zufall ist oder dass es eine natürlich Erklärung dafür gibt.

Hier spukt es!

Und es muss irgendwie mit diesem Bild zu tun haben!

Michael beschließt, es mit in sein Zimmer zu nehmen. Außerdem gefällt es ihn. Er kann es untersuchen und es gleichzeitig an die Wand hängen.

Als er es genauer anschaut, ist er enttäuscht. Da ist nichts Geheimnisvolles – zumindest nichts, was man sehen könnte. Jetzt findet er es eher langweilig. Michaellehnt es gegen die Wand, sodass er das Bild des Jungen immer sehen kann. Jetzt hat er auf einmal doch Lust, nach draußen zu gehen.

„Ja, geh ruhig“, sagt seine Mutter, „aber sei spätestens zum Abendbrot wieder da.“

Michael zieht seine Sachen an und geht nach draußen.

Doch die Gegend ist alles andere als interessant. Überall nur Wiesen, Felder, ein paar Häuser, eine Kirche, Kühe auf der Weide, sonst nichts. Michael sieht auch keine anderen Kinder zum Spielen. Kurz vor dem Abendbrot kehrt er also wieder nach Hause zurück.

„Na, gefällt dir unser neuer Ort?“, fragt ihn sein Vater.

„Es geht“, sagt Michael.

„Aber hier ist schön viel Platz! Und außerdem gute Luft!“, gibt seine Mutter zu bedenken.

***

Nach dem Gespräch mit seinen Eltern kehrt Michael in sein Zimmer zurück. Das Bild steht immer noch genauso an dem Platz, wo er es hingestellt hat.

Vielleicht habe ich mich ja doch getäuscht, denkt Michael. Dann war das alles –dass das Bild nicht mehr auf der Kiste lag und ihm dann später beinahe magisch direkt an der Luke entgegengekommen ist – wohl doch nur Zufall gewesen.

Beruhigt geht Michael zurück zu seinen Eltern und zum Abendbrot.

***

Mitten in der Nacht fährt Michael erschrocken aus dem Schlaf. Er hat ein Geräusch gehört.

Es hörte sich an wie ein Poltern. Kerzengerade sitzt Michael im Bett und lauscht. Doch es ist still, wie vorher. Von woher kam das Geräusch, was hat es verursacht?

Unwillkürlich fällt Michaels Blick auf das Bild des Jungen. Es ist nicht mehr da. Michael ist noch viel erschrockener als vorher. Mit zitternden Knien steht er auf. Er geht nach draußen auf den Flur. Seine Eltern scheinen nichts gehört zu haben, denn sie kommen nicht aus ihrem Schlafzimmer.

An das Esszimmer grenzt ein kleiner Erker an. Dort bleibt Michael wie angewurzelt stehen. Mitten auf dem Boden, mit der Rückseite nach oben, liegt das Bild des Jungen. Es sieht so aus, als sei es umgefallen.

Michael hebt es auf. Er untersucht es von allen Seiten. Er kann daran nichts Auffälliges feststellen.

Er weiß nicht, was er tun soll. Seine Eltern haben wohl von dem Lärm nichts mitbekommen. Soll Michael ihnen davon erzählen? Soll er es auf sich beruhen lassen? Natürlich erklären lässt sich das nächtliche Geräusch nicht. Es muss doch eine Spukerscheinung sein. Gibt es hier ein Gespenst? Was hat es mit dem geheimnisvollen Bild auf sich?

Michael würde das Bild am liebsten sofort zerstören! Aber er weiß, dass das nicht richtig wäre. Er beschließt, das Bild erst mal wieder mit in sein Zimmer zu nehmen und es an seinen ursprünglichen Platz zurückzustellen.

Lange Zeit kann Michael nicht einschlafen. Er hat Angst, schlecht zu träumen. Irgendwann aber übermannt ihn doch der Schlaf.

***

Beim Frühstück am nächsten Morgen benehmen sich seine Eltern so wie immer. Michael wartet darauf, dass sie irgendetwas über das unheimliche Geräusch in der Nacht sagen. Sie scheinen nichts davon gehört zu haben.

„Wie schlaft ihr hier eigentlich?“, will Michael wissen.

„Na – gut, die Landluft ist viel besser als in der Stadt“, meint seine Mutter.

„Seit wann interessierst du dich denn dafür, wie wir schlafen?“, will Michaels Vater wissen.

„Ach, nur so. Habt ihr kein Geräusch gehört heute Nacht?“

Sein Vater und seine Mutter sehen sich vielsagend an. „Du glaubst doch nicht immer noch daran, dass es hier spukt?“ Vater grinst wieder.

„Es könnte doch durchaus sein“, beharrt Michael, „denn das Haus hier ist ja auch schon ziemlich alt.“

„Alles ist ganz natürlich und erklärlich“, wiederholt seine Mutter einen ihrer Lieblingssprüche.

Michael gibt es auf, mit seinen Eltern über Geister und Gespenster sprechen zu wollen. Sie haben dazu ihre eigene Meinung.

Sie müssen es selbst herausfinden, denkt sich Michael. Er findet, dass der ‚Geist‘ im Moment sehr ruhig ist … Aber es ist ja auch noch gar nicht Nacht.

Michael hat richtig vermutet: Mitten in der Nacht wacht er wieder auf, diesmal von einem gewaltigen Poltern oben auf dem Dachboden.

Sofort schaut er zum Bild des Jungen. Unverändert steht es an seinem Platz.

Das Geräusch ist jetzt so laut, das können seine Eltern nicht überhört haben! Da! Da ist es schon wieder, ein gewaltiges Poltern und Scheppern!

Schwere Schritte ziehen sich über den Boden, ein lautes Stöhnen ist zu hören.

Komischerweise hat Michael gar keine Angst mehr.

Er sitzt im Bett und lauscht. Er macht sich eher Sorgen darüber, ob seine Eltern es gut verkraften, denn sie glauben ja nicht an Geister. Dann ist es mit einem Mal still.

Michael will herausfinden, ob seine Eltern wach und aufgestanden sind. Er geht auf den Flur. Dort ist es dunkel. Seine Eltern sind beide wach, doch sie kommen nicht aus dem Schlafzimmer heraus. Er hört, wie sie leise miteinander reden. Sie versuchen, es sich ganz natürlich zu erklären. Michael beschließt, wieder in sein Bett zurückzugehen.

Am nächsten Morgen will Michael seine Eltern auf die Probe stellen. Deshalb erzählt er erst mal nichts von den Geräuschen in der Nacht.

Sein Vater fängt als Erster davon an. „Michael, wie hast du denn geschlafen, heute Nacht?“, will er wissen.

„Gut“, antwortet Michael betont fröhlich.

„Hast du denn gar nichts gehört?“, fragt seine Mutter leise.

„Was soll ich denn gehört haben?“, will Michael wissen.

„Jetzt tu doch nicht so, als ob du es nicht weißt“, antwortet sein Vater brummig.

„Der Krach war ja nicht zu überhören.“

„Wir sind uns sicher, dass irgendetwas in oder mit diesem Haus nicht stimmt“, meint Michaels Mutter. „Aber es lässt sich bestimmt ganz natürlich erklären.“

„Wie wollt ihr die Geräusche denn erklären?“, fragt Michael.

„Ich denke, da verschafft sich nachts heimlich jemand Zutritt zu unserem Haus“, vermutet sein Vater. „Er sucht irgendetwas auf dem Dachboden. Dabei veranstaltet er so einen Lärm.“

Dass Erwachsene immer auf alles eine Antwort parat haben müssen …, denkt sich Michael. Er glaubt nicht daran, dass die Geräusche von einem menschlichen oder tierischen Wesen stammen. Zumindest von keinem lebendigen Menschen.

„Ich werde heute jedenfalls mal den Dachboden sowie unsere Eingänge genauestens untersuchen, ob ich da Spuren von einem Einbruch finden kann. Wenn ja, dann gehe ich sofort zur Polizei.“, entscheidet sein Vater.

Michael grinst in sich hinein. Er denkt nicht, dass sein Vater etwas finden wird.

Michael ist sehr gespannt, ob in der Nacht wieder etwas passiert. Er überlegt sogar, ob er diesmal wach bleibt, um darauf zu warten. Doch tagsüber hat er sehr viel zu tun. Abends ist er froh, sich in sein Bett zu kuscheln und einschlafen zu können.

Aber wie vermutet wacht Michael mitten in der Nacht auf. Er hört ein Poltern, ein Schlurfen, ein Stöhnen, doch diesmal nicht vom Dachboden. Es ist direkt neben ihm, im Esszimmer mit dem Erker. Michael merkt erst jetzt, dass er zittert.

Er stürzt zur Türe, öffnet sie und stößt im Flur fast mit seinem Vater zusammen.

„Diesmal erwische ich den Kerl, das gibt es nicht! Er treibt nicht nur auf dem Dachboden sein Unwesen, sondern im ganzen Haus!“ Michaels Vater blickt grimmig drein.

Doch wieder verstummt jedes Geräusch, als Vater und Sohn den Flur entlanggehen. Sie schalten sämtliche Lichter an und machen mitten in der Nacht eine richtige Hausdurchsuchung – vergeblich. Michael hat schon vorher vermutet, dass sie nichts finden würden, dennoch will er seinen Vater unterstützen. Nach etwa einer Dreiviertelstunde sinken sie erschöpft auf zwei Stühle im Esszimmer.

„So geht es auf jeden Fall nicht weiter“, sagt sein Vater. „Deine Mutter und ich überlegen schon, ob wir alle nochmals umziehen müssen, wenn die nächtlichen Geräusche nicht aufhören und wir den Kerl nicht fassen, der hier sein Unwesen treibt!“

Michael erschrickt; damit hat er nicht gerechnet. Er möchte nicht noch einmal umziehen, gerade jetzt, wo er beginnt, sich einzuleben.

„Denkst du denn, uns gefällt das?“, fragt Michaels Vater. „Aber was haben wir denn von dem schönsten Haus, wenn wir keine Nacht durchschlafen können? Wie soll es denn werden, wenn ich erst wieder in die Arbeit gehe und du in die Schule? Dann müssen wir früher aufstehen.“

Das stimmt, daran hat Michael gar nicht gedacht.

Michaels Vater verabschiedet sich ins Bett. „Gehen wir schlafen, heute Nacht können wir sowieso nichts mehr ausrichten, der Kerl scheint nun Ruhe zu geben.“

Die ganze Nacht liegt Michael wach und überlegt. Es muss doch eine Lösung geben, ohne, dass sie wieder umziehen müssen!