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Packend, faszinierend, originell: Der Auftakt einer actiongeladenen Kinderbuchserie über Tierclans und ungewöhnliche Freundschaften Tierclan-Serie für Kinder ab 10 Jahren Coll ist »Wolf«. Er lebt mit seinem Clan auf einer riesigen Tiermaschine in Gestalt eines Wolfes. Gemeinsam durchstreifen sie ihr Land, bekämpfen andere Bestien und verteidigen ihr Territorium. Doch während eines Angriffs wird Coll von »Wolf« heruntergeschleudert und zurückgelassen. Nun muss er auf dem Boden überleben. Das Schicksal führt ihn mit Kindern von anderen Tierclans zusammen, »Keiler« und »Rabe«. Coll will unbedingt zurück zu »Wolf«, seine Gefährten hingegen haben andere Pläne. Kann Coll ihnen vertrauen? Kann es in der rauen Welt der Tierclans Freundschaft geben? Ein mitreißendes Abenteuer in einer faszinierenden, zukünftigen Welt, die von Clans in gigantischen Tiermaschinen beherrscht wird. Tier-Fantasy voller Spannung und Action, leicht verständlich und kompakt in kurzen Kapiteln erzählt: Das perfekte Buch für Wenigleser ab 10 Jahren. Bei Antolin gelistet Die Tierclan-Serie von Alastair Chisholm: I am Wolf – Der Kampf der Tierclans I am Raven – Die Rache der Königin (ab Herbst 2025) Weitere Bände in Vorbereitung
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Seitenzahl: 241
Veröffentlichungsjahr: 2025
Alastair Chisholm
Der Kampf der Tierclans
Band 1
Die große stählerne Wölfin galoppierte über das Land, ein Blitzen in den Augen. Die Crew auf Wolfs Rücken feuerte sie an: »WOLF!«, brüllten die Menschen. »WOOOOLF!«
Coll lebt mit seinem Clan auf einer riesigen Tiermaschine in Gestalt eines Wolfes. Gemeinsam durchstreifen sie ihr Land, bekämpfen andere Bestien und verteidigen ihr Territorium. Doch während eines Angriffs wird Coll von Wolf heruntergeschleudert und zurückgelassen. Nun muss er auf dem Boden überleben. Das Schicksal führt ihn mit Kindern von anderen Tierclans zusammen, Keiler und Rabe. Coll will unbedingt zurück zu Wolf, seine Gefährten hingegen haben andere Pläne. Kann Coll ihnen vertrauen? Kann es in der rauen Welt der Tierclans Freundschaft geben?
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischer-sauerlaender.de
Alastair Chisholm brachte in Großbritannien bereits mehrere Romane für Kinder heraus und schreibt am liebsten futuristische und phantastische Erzählungen. Er lebt mit seiner Familie in Edinburgh.
Erschienen bei Fischer Sauerländer E-Book
Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel I am Wolf bei Nosy Crow Ltd, London, UK.
Text © Alastair Chisholm, 2024
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2025, Fischer Sauerländer GmbH,
Hedderichstraße 114, 60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung und -abbildung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung von Illustrationen von Timo Grubing und Motiven von Shutterstock
Vignetten: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Timo Grubing wird vertreten von Agentur Brauer
ISBN 978-3-7336-0879-8
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[Widmung]
Prolog
1 Coll
2 Sprenkel
3 Fillan
4 Der Ruf
5 Rabe
6 Das Versorgungslager
7 Drache
8 Gefallen
9 Verwundeter Vogel
10 Brann
11 Das Konstrukt
12 Hilfe
13 Untersteht: Wolf
14 Das Glasland
15 Käfer
16 Der Stählerne Fluss
17 Wolf
18 Verloren
19 Unter der Erde
20 Würdig
21 Welpe
22 Crews
Anmerkungen des Autors
Ankündigung Band 2
Für Sarah, die ein kleines bisschen Wolf ist
A.C.
Die große stählerne Wölfin galoppierte über das Land, ein todbringendes Blitzen in den Augen.
Ihr Name war Wolf. An der Schulter maß sie dreißig Meter. Jedes Bein war so breit und hoch wie ein Baumstamm, und ihr Rumpf war von einem zum anderen Ende fünfzig Meter lang. Kolben und Servomechanismen pumpten bei jeder Bewegung, Metall glitt über Metall, Stahlseile zogen, Motoren surrten, und die Crew aus Menschen auf Wolfs Rücken feuerte sie brüllend an. Ihre Augen leuchteten hellgelb und wachsam, und ihre Zähne schimmerten silbrig.
Vor ihr lief Hyäne, die sich humpelnd vorankämpfte. Sie war genauso groß wie Wolf, hatte eine ebenso harte Metallhülle und war schneller, als sie aussah. Sie hatten schon ein paarmal miteinander gekämpft, hatten brutale, von Knurren begleitete Duelle ausgefochten, bei denen beide Beschädigungen davongetragen hatten. Zweimal hatte Wolf bereits ihre Kiefer um Hyänes Hals geschlossen, und beide Male hatte sich Hyäne auf die Hinterbeine gestellt, sich gewunden und war entkommen. Einmal hatte sie auch Wolf mit ihren Zähnen gepackt, und beinahe wäre das Wolfs Ende gewesen.
Aber Wolf war clever und blitzschnell. Ihre Stahlklauen waren rasiermesserscharf, ihre Augen aufmerksam, ihre Schultern kräftig. Und ihr Glaube war stark. Sie war Wolf! Geist des Waldes, Geißel der Tundra, einsame Vernichterin, Wolf! Ihre Crew war zahlreich, ihr Wille unbezwingbar! Wolf!
Schon seit Tagen hatte sie das feindliche Konstrukt verfolgt, durch Waldgebiete, über Hügel, über das Flachland. Sie war geduldig und umsichtig, ließ ihre Beute nie rasten, ließ sie nie zu großen Vorsprung gewinnen. Jetzt, da am dritten Tag die Sonne unterging, näherten sie sich dem Ende, das war auch ihrer Crew bewusst.
»WOLF!«, brüllte die Crew. »WOLF!«
Keuchend erklomm Hyäne die nächste Hügelkuppe. Wolf nahm ihre Angst wahr. Sie öffnete ihr gewaltiges Maul und lachte.
»WOLF!« Sie hörte die Rufe. »WOOOOLF!«
Wolf spürte ihre Crew. Sie fühlte die Menschen. Jedes einzelne kleine Crewmitglied gab ihr Kraft, die Energie aller sprang auf sie über, pulsierte durch ihre silbernen Adern. Wir sind Wolf, wusste sie. Wir sind Wolf. Ihre Hinterläufe beugten sich wie Sprungfedern, und sie machte einen Satz. Sie schabte mit den Krallen über Hyänes Rücken, versenkte die Zähne in ihrem Nacken und ließ ihr riesiges Maul zuschnappen!
Hyäne trat nach ihr, und sie purzelten ins nächste Tal hinunter. Ihr Gewicht drückte sie nieder, aber Wolf ließ nicht los. Sie spürte, wie Hyänes gepanzerte Hülle sich verbog. Nun konnte Wolf auch deren Crew erkennen, wie die winzigen Menschen panisch umherrannten und wie, als ihr Glaube ins Wanken geriet, ihre Kraft dahinschwand. Hyäne wurde immer schwächer, aber Wolf selbst war noch stark!
Dann drehte sich Hyäne, lockerte damit Wolfs Maulklemme und rollte sich immer weiter herum, bis ihre Zähne von ihrem Nacken zu ihrer Schulter abrutschten. Wolf hörte, wie Stahl knirschte und elektrische Systeme Funken sprühend explodierten – aber sie hatte ihr noch nicht den Todesstoß versetzt, und nun war Wolf aus dem Gleichgewicht. Sie rutschte aus, der matschige Untergrund glitt unter ihr weg und brachte sie ins Taumeln.
Wütend kämpfte sie sich zurück auf die Pfoten. Hyäne war wieder in Bewegung. Sie war schwer verwundet, hinkte noch schlimmer als zuvor. Funken und Flammen an ihrer Schulter erhellten die Nacht, und Teile ihrer Ummantelung lagen auf der Erde verteilt. Auch Menschen waren unter den Trümmerteilen – heruntergestürzt von ihrem Deck, aus ihren Gurten geschüttelt, still auf dem Boden liegend oder schutzsuchend davonrennend.
Wolf stürmte vorwärts, spürte die Erregung ihrer Crew. Ein weiterer Angriff und Hyäne wäre erledigt, das wusste Wolf. Nur noch einer!
Doch Hyäne steuerte auf das Ende einer Landzunge zu, und plötzlich wurde Wolf klar, was sie vorhatte. Sie knurrte wütend und nahm die Verfolgung auf. Nur wenige Meter trennten sie von ihr. Hyänes rechte Schulter war zerstört, sie konnte sich kaum bewegen, ihre Crew war schwach, sie war schwach, sie war Wolfs Beute!
»WOLF!«, schrie ihre Crew.
Sie sprang, und ihre stählernen Vorderpfoten krallten sich in Hyänes Hinterteil. Wolf drückte sie mit aller Kraft nach unten. Hyäne wankte einmal, zweimal, dann gaben ihre Hinterläufe nach – und sie lag am Boden!
Doch da rollte sie sich herum, richtete sich wieder auf, kippte vorwärts – und verschwand.
Wutentbrannt schüttelte Wolf den Kopf und machte schließlich ein paar vorsichtige Schritte. Vor ihr fiel der Boden ab, ging in einen steilen Abhang über. Völlig außer Kontrolle schlitterte und stürzte Hyäne hinunter. Sie kullerte weiter und landete dann mit einem Platschen im Fluss unter Wolf. Die Geräusche ihres Sturzes hallten über das Land und das Wasser wider – das Bumm! ihres Aufpralls, das Kreischen von sich biegendem Metall und die Schreie ihrer Crew.
Reglos lag Hyäne im Fluss. Einen Augenblick lang fragte Wolf sich, ob sie tot war. Doch dann schüttelte Hyäne den Kopf und stand auf, ihre Lampen schwach leuchtend in der Abenddämmerung. Sie versuchte nicht, aus dem Wasser zu steigen. Stattdessen stolperte sie vorwärts und ließ sich von der Strömung flussabwärts treiben.
Wolf knurrte. Ihre Crew an Bord fluchte. Sollte sie ihr folgen? Es verlangte sie danach. Aber der Abhang war lebensgefährlich und der Fluss ebenso. Außerdem markierte er das Ende von Wolfs Territorium und den Beginn von Pumas Gebiet. Puma und Hyäne gleichzeitig wollte sie ungern gegenübertreten …
Sie schüttelte den Kopf und erlangte allmählich ihre Gelassenheit wieder. Hyäne war fort. Vielleicht würde Puma sie erledigen. Vielleicht würde sie auch entkommen. Aber sie würde es nie wieder wagen, ihr Land zu betreten. Sie trottete den Weg zurück, den sie gekommen war, spürte das Triumphgefühl ihrer Crew, hörte ihr Lachen. Das abgerissene Metall und die Teile von Hyänes Schulter lagen noch immer als Belohnung auf der Erde um sie verteilt, und die Menschen …
Nun, die Menschen würden sich entweder ihrer Crew anschließen oder als Würmer auf dem Boden leben. Wolfs Crew könnte Hyänes Bauteile für Reparaturen nutzen. Sie stapfte auf die Hügelkuppe hinauf und richtete ein breitmäuliges Grinsen in Richtung Himmel, ließ ihre Metallzunge heraushängen.
»Wolf«, rief ihre Crew. »Wolf. Wolf! WOOOLF!«
Wolf lachte, warf den Kopf zurück und heulte den Mond an.
Die Erde fühlte sich immer seltsam an.
Coll konnte sich nicht daran gewöhnen, dass sie sich nicht unter seinen Füßen bewegte. An Bord von Wolf schwankten die Decks pausenlos, während sie dahinschritt und selbst wenn sie schlief, und Colls Körper schwankte automatisch mit. Aber die Erde war hart und unbeweglich. Hier hatte er ständig das Gefühl, gleich hinzufallen. Und er befand sich viel zu weit unten, sodass die Welt sich aufwärts zu krümmen schien, als würde er am Grund einer Schüssel stehen. Sie roch auch komisch. Und sie war schmutzig.
Coll schabte Matsch von seinen Stiefeln und sah sich um. Es war früh am Morgen, Wolf schlief noch halb. Sie lag ausgestreckt auf der Erde, die Augen geschlossen und die riesigen Stahlohren zuckend. Coll spürte das gigantische mechanische Konstrukt in seinen Gedanken. Wolf genoss die Sonne und beachtete die Menschen nicht, die auf ihr herumkrabbelten, sie säuberten, reparierten und das gewebte metallene Fell glätteten. Während jedes Atemzugs bewegten sich ihre Flanken, und auch das Deck und ihre Menschen bewegten sich. Coll sah neidisch von der Erde aus zu.
»Hey, Schlafmütze!« Er drehte sich um, und jemand warf ihm einen Segeltuchbeutel ins Gesicht. Luna grinste ihn an. »Los, an die Arbeit!«
Coll grinste zurück, und sie machten sich auf zur Schwanzseite. Der Hügel war übersät von den Überresten des Kampfes mit Hyäne am Vorabend, und nun würde das Jungvolk auf Bergungsmission gehen. Luna hüpfte voraus, und Coll folgte ihr. Sie war genauso alt wie er, aber kleiner. Seit seinem zwölften Geburtstag schien sich Coll wie ein Teleskop zu strecken, und inzwischen war er einen ganzen Kopf größer als sie. Allerdings war sie immer noch schneller.
Sie machten sich an die Arbeit. Die meisten Trümmerteile gehörten Hyäne, herausgerissen von Wolfs gewaltigen Zähnen. Große, dicke Haare aus gebürstetem Metall, Elektronikteile, sechseckige Kohlefaserplatten – das alles konnten sie wiederverwenden. Am wertvollsten waren die winzigen Stückchen und Tropfen Anthrylen, das dunkelsilber im Sonnenlicht schimmerte. Anthrylen war das unglaubliche magische Material, das das gesamte Konstrukt zusammenhielt und ihm Leben einhauchte. Platten und Drahtseile konnten ersetzt werden, aber ohne das Anthrylen würde Wolf nicht existieren. Es bewegte sich in Colls Händen wie körniges, flüssiges Metall.
Eine Stunde lang suchten sie und bargen, bis Luna sich aufrichtete und streckte. »Die zwei Beutel sind voll – lass uns zurückgehen.«
»Da ist was in dem Baum«, sagte Coll mit einem Fingerzeig. »Gib mir noch einen Moment.« Er kletterte hinauf.
»Bist du sicher, dass du das schaffst?«, fragte Luna.
Coll grunzte. »Klar.« Er hievte sich hoch zu den ersten Ästen.
»Brauchst du Hilfe?«
Er spürte, wie sie seinen Fuß anhob, und schüttelte sie ab. »Nein, jetzt mach dir nicht so einen Kopf.«
»Du weißt, was Alpha gesagt hat –«
»Ich kann ja wohl auf einen Baum klettern«, entgegnete er schnippisch, und sie verstummte. Er erklomm die Äste und fand ein paar Gehäusestücke, nichts Besonderes. Dennoch warf er sie auf die Erde und lehnte sich dann gegen den Baumstamm, um kurz Luft zu holen. Seiner Großmäuligkeit zum Trotz schmerzte sein linker Ellbogen und ebenso das Knie, obwohl er das niemals zugeben würde. Der Baum wogte und raschelte in der morgendlichen Brise. Es fühlte sich ein bisschen so an, wie auf Wolf zu sein. Coll lächelte. Er drehte sich, um wieder hinunterzuklettern, da sah er ihn zwischen zwei Ästen eingeklemmt.
Einen Zahn.
Das war einer von Wolfs Zähnen. Einen Meter lang, mit einer scharfkantigen Spitze und schimmernd vor Anthrylen. Coll lockerte ihn mit einem Tritt, und er landete mit einem dumpfen Rumms auf der Erde. Luna begutachtete ihn begeistert, während Coll hinunterkraxelte.
»Ein ganzer Zahn!«, rief sie. »Das ist ja ein Megafund!«
Coll grinste. »Jetzt können wir zurückgehen.«
Sie luden die Beutel beim restlichen Bergungsgut ab, gingen aber mit dem Zahn zur Kopfseite, wo einer der Tocks gerade an Wolfs Schulter werkelte. Die Tocks waren dafür zuständig, Wolf am Laufen zu halten. Jedenfalls sagten sie das gerne so, allerdings hatte Coll noch nie gesehen, wie sie nach Ausrüstung oder Essbarem suchten oder an Kämpfen teilnahmen. Heute trafen sie auf einen Tock namens Intrick, ein mürrischer alter Mann, der nie viel sagte. Als er den Zahn sah, grunzte er und deutete mit dem Daumen hoch zum Maul, wo eine einzelne Person arbeitete und gerade auf ein Gerät in ihrer Hand spähte. Als Coll und Luna näher kamen, drehte sich die Person um und starrte sie an.
»Endlich mal was Brauchbares«, sagte sie.
»Dir auch einen schönen guten Morgen, Rieka«, entgegnete Luna.
Das Mädchen ignorierte sie und begutachtete den Zahn. Coll und Luna wechselten einen Blick.
Rieka war genauso alt wie sie beide, aber machte eher den Eindruck, als wäre sie eine schrullige alte Frau im Körper eines jungen Mädchens. Ihre Haut war braun, dunkler als Colls, und ihr kurzes schwarzes Haar stand an einer Seite ab. Ihr Gesicht hatte die Form eines spitzen Dreiecks. Alle meinten, sie sei ein Genie – sie war erst vor etwa einem Jahr zu Wolf gestoßen, doch schon jetzt hörten selbst die erwachsenen Tocks auf sie. Und sie war berüchtigt dafür, dass sie sich schnell über Dummköpfe aufregte. Coll hatte den Verdacht, dass »Dummkopf« in ihren Augen gleichzusetzen war mit »alle anderen«.
Sie streckte sich zu Wolfs Ohr hinauf und murmelte etwas. Wolf öffnete das Maul zu einem herzhaften Gähnen, und ihre immense Stahlzunge hing bis aufs Gras hinunter. Da, wo der Zahn hätte sein sollen, klaffte ein Loch, dunkel und rau, wie abgebrochen.
»Na los«, blaffte Rieka.
Coll hievte den Schneidezahn in die Lücke und hielt ihn fest, während Rieka auf ihrem Gerät herumtippte. Der Sockel des Zahns bewegte sich. Die dunkelsilberne Anthrylen-Beschichtung veränderte und verformte sich und passte sich an, bewegte sich wie eine Schlange oder Wasser oder beides zugleich. Sie wickelte sich um den Sockel des Zahns, und innerhalb weniger Sekunden sah es aus, als hätte der Zahn nie gefehlt.
Plötzlich zuckte Wolf mit dem Maul, und Coll sprang aus dem Weg, bevor sich die Kiefer mit einem Schnapp! schlossen.
»Aaaah!«, keuchte er.
Rieka ignorierte ihn. Da stieß Intrick zu ihnen, und die beiden Tocks blickten auf ihre Geräte und redeten in der schnellen, komplizierten Tock-Sprache miteinander, die niemand sonst verstand.
»Bitte, gern geschehen«, rief Luna.
Keiner von beiden sah auf. Luna und Coll wechselten einen weiteren Blick, dann zuckten sie die Achseln und gingen. Coll rieb sich den Ellbogen.
»Diesmal hat sie dich fast erwischt«, sagte Luna und klatschte die Hände zusammen. »Happs!« Sie schnappte sich ein Drahtseil, das von Wolfs Deck herunterhing, und ruckte zweimal daran, woraufhin es sie hinaufzog. Coll folgte ihr. An Bord und besonders auf dem Deck herrschte große Hektik, alles wurde wieder verstaut, repariert und zum Aufbruch vorbereitet. Im Zentrum der Geschäftigkeit stand Rudy, bellte Befehle, gab Ratschläge und organisierte das Chaos. Rudy war alt und sein üppiges, langes Haar weiß, aber seine Augen funkelten. Er besaß noch immer die beste Sehkraft von allen und verbrachte den Tag damit, in der Landschaft nach Gefahren und guten Gelegenheiten Ausschau zu halten. Seine Haut war sonnenverbrannt und von Wind und Wetter in heitere Falten gelegt. Er war Beta, also der zweite Kommandant nach Alpha, und das schon ewig. Er hatte nie versucht, Alpha zu werden, was wahrscheinlich der Grund dafür war, warum er noch am Leben war.
Er nickte ihnen zu. »Wie war die Ausbeute?«
»Coll hat einen Zahn gefunden!«, erzählte Luna.
Rudy grinste. »Gut gemacht, Jungchen.« Er wandte sich wieder um. »Luna, ich hab einen Auftrag für dich, zusammen mit der Truppe da drüben.« Er nickte mit dem Kopf zu einer Gruppe von anderem Jungvolk, die aufgeregt plappernd Mäntel und Rucksäcke anzogen.
»Was haben die vor?«, fragte Coll.
»Ach, die müssen nur was überprüfen«, antwortete Rudy. »Mach dir darum keine Gedanken. Gönn dir eine Pause, du hast sie dir verdient.« Er klang fröhlich, wandte aber beim Sprechen den Blick ab.
Coll runzelte die Stirn. »Moment mal, gehen die etwa auf Erkundungsmission? Rudy, du hast gesagt, dass ich bei der nächsten dabei sein darf.«
Rudy wandte sich wieder ihm zu. »Tja, nun …« Er zuckte verlegen mit den Schultern. »Tut mir leid, Jungchen. Anweisung von oben.«
Hinter Rudy lachte ein Junge. »Kein Ausflug für dich, Genfehler!«
Rudy fuhr herum. »Ruhe!«, blaffte er wütend. »Wenn du das Wort noch einmal benutzt, Lyall, dann hast du einen Monat lang Toilettendienst, verstanden?«
Der Junge namens Lyall warf ihm einen finsteren Blick zu und schlurfte dann davon. Er murmelte seinen Freunden irgendwas zu, und sie lachten leise. Rudy legte Coll eine Hand auf den Arm, aber Coll wich ihm aus.
»Rudy, das ist nicht fair!«, protestierte er. »Sie kann das nicht immer wieder machen!«
»Was machen?«, ertönte eine Stimme hinter ihm.
Coll hielt inne. Als er sich umwandte, sah Alpha auf ihn herunter.
Alpha hatte lange Gliedmaßen, blickte immer streng und schritt mit einer ruhigen, selbstbewussten Anmut umher. Sie war weder die Stärkste noch die Mutigste an Bord, aber in ihr schien eine versteckte Kraft zu pulsieren, so als verberge sie sie in ihrem Inneren und könne sie jederzeit entfesseln. Hinter ihr standen die führenden Mitglieder ihrer Crew.
»Was genau kann Alpha nicht machen?«, fragte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch ein scharfer Unterton durchschnitt die Morgenluft.
Colls Gesicht wurde ganz heiß. Er verbeugte sich so tief, dass er ihr zum Zeichen der Unterwerfung seinen Nacken darbot.
»Verzeih mir, Alpha«, murmelte er.
»Ach, komm wieder hoch«, schimpfte sie. Coll richtete sich auf. »Lasst uns bitte einen Augenblick allein«, bat sie, und die anderen gingen fort. Luna schenkte Coll ein kurzes verlegenes Lächeln, bevor sie Rudy hinterherlief. Als Alpha wieder sprach, klang ihre Stimme ein wenig sanfter, aber nicht viel. »Worum geht’s?«
Coll schluckte. »Du hast mir eine Erkundungsmission versprochen. Aber jetzt lässt du mich schon wieder außen vor!«
»Das kann man wohl kaum eine Erkundungsmission nennen«, entgegnete sie. »Rudy meint, während des Kampfes etwas gesehen zu haben, und will es mal überprüfen, das ist alles.«
»Darum geht es gar nicht«, protestierte Coll. »Du hast gesagt, dass ich mitdarf. Du hast es versprochen. Ich bin genauso gut wie die anderen! Ich kann kämpfen, ich kann gut zielen, ich kann –«
»Dein Arm tut dir weh, oder?«, unterbrach sie ihn.
Coll erstarrte. »Was? Nein.«
»Du reibst darüber. Er tut dir weh.«
Coll blickte finster drein und zwang seine Hand dazu, neben seinem Körper hängen zu bleiben. »Meinem Arm geht’s gut«, brummelte er.
»Ich glaube einfach, dass du noch nicht so weit bist«, erklärte Alpha. »Und einige in der Crew …« Sie hielt inne.
»Was ist mit einigen in der Crew?«
Sie antwortete nicht, aber Coll war es ohnehin klar. Einige in der Crew vertrauten ihm nicht. Einigen in der Crew gefiel nicht, dass er anders war.
Alpha seufzte und schaute weg. »Wir machen uns auf den Weg nach Sprenkel«, sagte sie kurz darauf. »Ich spreche dort mit dem Bürgermeister. Möchtest du mitkommen?«
Coll war immer noch wütend auf sie. Er wusste, dass sie ihn lediglich besänftigen wollte. Andererseits … Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. »Okay.«
»Coll.« Alphas Stimme war wieder streng. Coll ballte die Fäuste und drehte sich noch einmal um.
»Vielen Dank, Alpha«, sagte er so laut, dass auch die anderen es hörten. Hinter ihm kicherte jemand. Colls Gesicht brannte. Er stakste davon und traf auf Rudy, bereit zum Abmarsch. Luna und die anderen standen schon auf der Erde.
»Tut mir leid, Jungchen«, murmelte Rudy.
»Sie hat gesagt, dass ich mitdarf«, knurrte Coll. »Sie hat es versprochen. Sie wird mich niemals aus den Augen lassen!«
Rudy sprang auf die Deckreling und schnappte sich ein Seil. »Du weißt doch, sie versucht nur, dich zu beschützen.« Er zuckte mit den Schultern. »Schließlich … ist sie deine Mutter, nicht wahr?« Dann sprang er.
»Viel Spaß in Sprenkel«, rief er, während er an der Flanke entlang verschwand.
Coll sah zu, wie er hinunterglitt. Nachdem Rudy gelandet war, streckte Wolf ihre Vorderbeine aus und kam auf die Pfoten, sodass das Deck in dreißig Meter Höhe gehoben wurde. Gewaltige Kolben drückten ihre Beine nach oben, Motoren surrten, und sie wölbte den Hals.
Coll hielt sich an einem Seil fest und blickte auf seinen linken Arm.
Sein eigentlicher Arm endete kurz unter dem Ellbogen, der Rest bestand aus Metall und Plastik. Genauso war es bei seinem linken Bein: Die Knochen und Muskeln hörten beim Knie auf, das auf einem metallenen Unterschenkel ruhte. Im morgendlichen Sonnenlicht betrachtete er die winzigen Stränge Anthrylen, die die Platte seiner Hand- und Unterarmprothese miteinander verwoben. Sie umwickelten seinen Armstumpf wie ein Ärmel, der bis zur Schulter und über den Rücken reichte, sodass er sicher gehalten wurde.
Das Anthrylen trieb seinen Arm an, gab ihm die Gestalt und ließ ihn fast so exakt und geschmeidig reagieren, wie sein anderer, gesunder Arm es tat. Die Sensoren sprachen auf seine Nerven an, sogar auf seine Gedanken. Berührungsimpulse wurden zu seinem Stumpf weitergeleitet. Er konnte mit seinem linken Arm genau dasselbe machen wie mit dem rechten. Das Gleiche galt für sein Bein – er konnte genauso gut gehen, rennen und springen wie alle anderen. Das war ein Wunder. Und trotzdem war er dadurch anders.
Und an Bord von Wolf bedeutete Anderssein etwas Schlechtes.
Weit unter ihm sahen die Gestalten auf der Erde winzig aus. Eine von ihnen, mit einem silbrigen Haarschopf, war Rudy, der die anderen anführte.
Coll rieb sich über den Arm und beobachtete sie, bis sie außer Sicht waren.
Sprenkel bestand lediglich aus einer Ansammlung von versprenkelt liegenden Gebäuden auf einem Hang. Die Siedlung war die südlichste in Wolfs Territorium, und nur wenige Kilometer dahinter markierte der giftige Todesfluss die Grenze zum Glasland. Niemand betrat je das Glasland – oder zumindest kehrte nie jemand zurück. Sprenkel lag am Rande der bewohnbaren Welt.
Während Wolf auf den Ort zutrottete, schien die Sonne auf die Hausdächer und grob angelegten Straßen und brachte alles zum Funkeln. Die Stadtbewohner waren auf ihre Flachdächer geklettert, um Wolf zu sehen, und Erwachsene wie Kinder winkten ihnen zur Ankunft entgegen.
Hundert Meter vor dem Stadttor blieb Wolf stehen. Alpha glitt an einem Drahtseil zur Erde, dicht gefolgt von Dolph, ihrem hünenhaften Sicherheitsbeauftragten, und schließlich Coll. Zu Fuß gingen sie in Richtung Stadt, vorbei an einem Schild, auf dem stand:
SPRENKEL
UNTERSTEHT: WOLF
Eine Gruppe städtischer Beamter erwartete sie unter einem Banner mit dem Wort »Willkommen« sowie einem Bild von einem Wolfskopf. Hinter den Beamten wedelten Stadtbewohner mit kleinen Papierfahnen und lächelten ihnen zu. Coll lächelte zurück, doch Alphas Gesicht blieb ernst.
Das Stadtoberhaupt, Bürgermeister Ruprecht, trat vor. Er trug einen uralten schwarzen Gehrock mit Zylinder sowie eine silberne Brosche in Form einer Wolfstatze. Er bedachte sie mit einem breiten Lächeln, das seine schimmernden weißen Zähne entblößte, und verbeugte sich.
»Guten Morgen, Alpha«, begrüßte er sie mit einer glucksenden, öligen Stimme. »Wie geht es Wolf heute?«
Alpha blickte auf das Banner, die Menschen, die Fahnen und zurück zum Bürgermeister. Dann nickte sie ihm kurz zu. »Sind die Vorräte bereit zur Abholung?«
Der Bürgermeister schnippte mit den Fingern, und hinter ihm begann eine Reihe von Karren, vollgeladen mit Fässern und Kisten, auf Wolf zuzurollen.
Alpha ignorierte sie. »Ich will einen ausführlichen Bericht«, sagte sie.
»Selbstverständlich.« Der Bürgermeister rieb seine Hände aneinander, so als würde er sie waschen. »Bitte hier entlang.« Er führte sie durch die Stadt, und die Menschenmenge jubelte ihnen auf dem Weg zu. Alpha ging weiter, ohne nach links oder rechts zu schauen.
In Siedlungen musste man sich anders verhalten. An Bord von Wolf war Alpha stark und streng, aber immer noch Teil der Crew. Doch, wie sie Coll bereits erklärt hatte: »Wenn man es mit Würmern zu tun hat, muss man ihnen zeigen, wer das Sagen hat.« Würmer waren die Menschen, die sich durch ihr unbedeutendes Leben auf der Erde wühlten. Sie schauten zu den Konstrukten auf, würden jedoch nie ein Teil von ihnen sein. Coll taten sie ein bisschen leid.
Sie betraten Bürgermeister Ruprechts Büroräumlichkeiten, deren Empfangsbereich für die Gäste hergerichtet worden war, und setzten sich hin, um Tee aus antiken, zerbrechlich wirkenden Porzellantassen zu trinken. Die Tassen waren völlig nutzlose Dinger, die auf Wolf nicht mal fünf Minuten überleben würden. Sobald sie losrannte, würden sie in tausend Teile zerschmettert. Dolph hielt seine mit leicht panischem Gesichtsausdruck in der Hand, so als fragte er sich, wie er es schaffen sollte, sie nicht mit seinen riesigen Pranken zu zerdrücken. Coll beobachtete Alpha und versuchte, sie zu imitieren, ihren geraden Rücken und die bedachte, wachsame Miene.
Bürgermeister Ruprecht lächelte ihn an. »Du bist schon wieder gewachsen, Coll«, sagte er. »Und siehst deiner Mutter immer ähnlicher, würde ich sa–«
»Der Bericht«, fuhr Alpha dazwischen, und der Mann zuckte zusammen.
»Hier war alles ruhig«, informierte er sie mit plötzlich geschäftsmäßiger Stimme. »Ich habe gehört, Sie haben, ähm, Hyäne gefunden?«
»Sie vertrieben, ja«, entgegnete Alpha. Sie nannte keine Einzelheiten, doch der Bürgermeister strahlte.
»Gut! Gut … Aber es gibt noch andere Gerüchte. Rabe wurde oben in der Nähe des Rothains gesichtet. Und etwas anderes weiter nördlich.« Er zuckte mit den Achseln. »Gerüchte eben.«
Alpha nickte. »Wir sind auf der Suche nach Anthrylen – haben Sie welches?«
Der Bürgermeister brach in polterndes Gelächter aus. »Wir doch nicht! Das Zeug kriegen wir nur selten in die Finger – Sie könnten ganz Sprenkel aufkaufen mit dem, was sich da drin befindet …« Er deutete mit einem Kopfnicken auf Colls Arm.
Coll zog seinen Ärmel weiter hinunter.
Nachdenklich zog der Bürgermeister die Stirn kraus. »Ein paar Kilometer in Richtung Norden gibt es eine Emsoiden-Kolonie«, sagte er schließlich. »Die lungern schon eine ganze Weile da herum, suchen nach Metall, machen uns Ärger. Vielleicht haben die noch ein paar Tropfen …«
»Hmm.« Alpha schien skeptisch zu sein. »Zeigen Sie mir, wo.«
Der Bürgermeister ließ eine Karte der Gegend bringen, voller Knicke und alter Bleistiftmarkierungen, und zeigte ihr die Stelle, wo sich die Kolonie befand. Alpha und Dolph betrachteten die Karte. Coll hingegen betrachtete Alpha.
Alpha mochte es nicht, wenn Leute sagten, dass Coll ihr ähnlich sah, oder erwähnten, dass sie seine Mutter war. Genauso wenig mochte sie es, wenn Leute auf seine Prothesen aufmerksam machten. Sie musste Alpha für die gesamte Wolf-Crew sein, ohne Bevorzugung oder Sonderbehandlung. Dennoch wäre es keinem anderen Crewmitglied mit Colls Andersartigkeit gestattet, an Bord zu bleiben, und schon gar nicht hätte derjenige die in seinem Arm und Bein verwendeten Ressourcen erhalten … Coll zog seinen Ärmel erneut hinunter, sodass nur noch die Spitzen seiner Plastikfinger herausguckten.
Die Besprechung zog sich in die Länge. Nun ging es um Details über Handelsrouten und Vorräte, Wetterberichte, Getreideanbau … Für Coll war das langweilig. Irgendwann stand er auf und schlich sich nach draußen. Auf seinem Weg hinaus bedachte der Bürgermeister ihn mit einem kurzen Nicken, aber Alpha und Dolph sahen nicht einmal auf.
Das Banner und die Fahnen flatterten noch immer. Es sah recht hübsch aus, und die Stadtbewohner lächelten ihm im Vorbeigehen zu. Weiterhin rollten Karren in Richtung Wolf, wo die Crew Fässer mit Lebensmitteln, Trinkwasser und anderen Materialien an Bord brachte. Neugierig bog Coll von der Hauptstraße ab. Je weiter er sich vom Zentrum entfernte, desto schmutziger und offensichtlich ärmer wurde die Stadt. Backsteingebäude mit Ziegeldächern wichen Hütten aus Holz und Wellblech. In der Luft lag ein Geruch nach verdorbenem Essen und schmutzigem Abwasser, und dürre Kinder ohne Schuhe warfen ihm um Hausecken herum verstohlene Blicke zu. Die Erwachsenen hier lächelten nicht. Sie starrten ihn ausdruckslos an.
Dies war das echte Sprenkel. Anders als bei den Angestellten des Bürgermeisters repräsentierte das hier das Leben auf der Erde, als Würmer, ohne eine gemeinschaftliche Einigkeit und Aufgabe. Aus genau diesem Grund brauchten sie Wolf – sie sorgte für sie, beschützte sie und verschaffte ihnen ein Ziel. Ohne Wolf hätten sie nichts …
Als er zur Hauptstraße zurückkam, bemerkte er auf der anderen Seite der Karren eine Gruppe von Kindern, die im Kreis standen. Sie lachten, harsch und gemein, und ein Mädchen trat auf etwas am Boden, woraufhin jemand schrie.
»Grunz, grunz!«, rief das Mädchen. »Du dreckiges Schwein, grunz!«