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WENN DER HEISSE ONE-NIGHT-STAND ZUM ERZFEIND WIRD ...
Als Sabrina Sullivan dem charmanten, gut aussehenden Greyson Cartwright ihr Herz ausschüttet und mit ihm die Nacht ihres Lebens verbringt, ahnt sie noch nicht, dass sie ihn eine Woche später im Sullivan-Familiencafé in den Bergen wiedersehen wird - als neuen Besitzer! Die Zukunft des Cafés und Sabrinas ganze Welt stehen auf dem Spiel, denn Greyson will dort aus Rache an ihrer Familie alles umkrempeln. Doch Sabrina schmiedet einen Plan: sein Vertrauen gewinnen und seine tiefsten Geheimnisse in Erfahrung bringen. Denn so attraktiv er auch sein mag, einer von ihnen muss verschwinden, und das wird nicht Sabrina sein ...
»I DO REGRET YOU ist eine charmante Romance, die Humor, Romantik und Mystery vereint. Sie wird dich zum Lachen und Schwärmen bringen, und du wirst immer weiterlesen wollen, um die Rätsel dieser kaffeereichen Geschichte zu lösen.« readoutmythoughts
Band 2 der THREE BFFS AND A WEDDING-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Pippa Grant
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Seitenzahl: 540
Veröffentlichungsjahr: 2025
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Vorbemerkung
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
Epilog
Bonus-Epilog
Sabrinas Zitronen-Scones
Die Autorin
Die Bücher von Pippa Grant bei LYX
Impressum
PIPPA GRANT
I do regret you
Roman
Ins Deutsche übertragen von Ralf Schmitz
Nachdem Informationen, die die Queen of Gossip von Snaggletooth Creek, Sabrina Sullivan, jahrelang zurückgehalten hat, die Hochzeit ihrer besten Freundin gesprengt haben und das ganze Drama zu allem Überfluss auch noch als Video viral gegangen ist, schwört Sabrina dem Klatsch und Tratsch ab und will ihr schlechtes Karma mit guten Taten ausgleichen. Dafür zieht sie in der Nacht nach der Katastrophe durch die Bars von Hawaii und hilft, wo sie nur kann – und trifft dabei auf den charmanten, gut aussehenden Greyson Cartwright. Er ist attraktiv, lustig und sie fühlt sich in seiner Nähe so wohl, dass sie ihm nicht nur ihr Herz ausschüttet, sondern mit ihm auch die Nacht ihres Lebens verbringt. Da ahnt sie noch nicht, dass sie ihn eine Woche später in ihrem Heimatort in den Bergen von Colorado wiedersehen wird – als neuen Besitzer des Bean & Nugget, dem Café ihrer Familie! Die Zukunft des Cafés und damit Sabrinas ganze Welt stehen auf dem Spiel, denn Greyson will dort aus Rache an ihrer Familie alles umkrempeln. Doch Sabrina schmiedet einen Plan: sein Vertrauen gewinnen und seine tiefsten Geheimnisse in Erfahrung bringen. Denn so attraktiv er auch sein mag, einer von ihnen muss verschwinden, und das wird nicht Sabrina sein …
Dieses Buch ist Schroedingers Boob gewidmet. Du weißt, was du getan hast.
Außerdem ist es für alle, denen das Leben eine Überraschung beschert, wenn sie bereits aus dem letzten Loch pfeifen. Ich hoffe, Sabrina, Grey und Jitter schenken euch ein paar Stunden Abwechslung.
Liebe Leser:innen,
wenn ihr Mr McHottie nicht mitzählt, was ich nicht tue – LOL! –, ist dies mein erstes Buch über einen One-Night-Stand mit dem neuen Chef, das ich jemals geschrieben habe. Kaum zu glauben, oder?
Was mir an dieser Geschichte jedoch noch besser gefällt, ist, dass es mir die Gelegenheit gab, ein Gossip Girl in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen.
Vor ungefähr zwei Jahren schickte mir meine supertolle PA Jodie eine Nachricht, die in etwa folgendermaßen lautete:
Pippa, ich habe mir diesen Podcast mit dem Titel Normal Gossip angehört, und du MUSST dir unbedingt die Folge über die Trauzeuginnen geben.
Ich übertreibe nicht, wenn ich euch sage, dass Normal Gossip meine Einstellung zu Klatsch und Tratsch total verändert hat. Statt Klatsch und Tratsch für etwas Schändliches zu halten, habe ich erkannt, dass es in unserer Welt einem ernsthaften Zweck dient. Sabrina bringt es im ersten Kapitel von I Do Regret You ziemlich genau auf den Punkt, wenn sie Grey ihre Klatsch-und-Tratsch-Regeln erläutert.
Ich hoffe, ihr verliebt euch in Sabrina, Grey, Jitter und alle anderen in Snaggletooth Creek.
Diese Geschichte zu schreiben war für mich in mancherlei Hinsicht eine Katharsis, und ich hoffe, diese vollkommen unvollkommenen Figuren mit ihren Beziehungsschwierigkeiten und ihren Vertrauensproblemen finden Anklang bei euch. (Und bringen euch auch zum Lachen. Ich musste während des Schreibens jedenfalls sehr häufig kichern!)
Wie immer viel Spaß beim Lesen!
Pippa
Greyson Cartwright alias ein Typ, der sich besser eine andere Bar ausgesucht hätte …
Es wäre nett gewesen, wenn der heutige Tag mich gewarnt hätte, dass er nicht so verlaufen würde wie geplant.
Unhöflich, heutiger Tag. Sehr unhöflich.
Allerdings nicht so unhöflich wie die Frau, die sich unlängst neben mir niedergelassen hat.
Korrektur.
Die so getan hat, als wollte sie sich neben mich setzen, während sie in Wahrheit versucht hat, mir auf den Schoß zu klettern und sich meinen Kombucha unter den Nagel zu reißen.
»Oh, ist das Lime-Mojito-Geschmack?«, fragt sie und tippt auf ein Glas in meiner Kombucha-Auswahl. Die Strandbar im Freien ist weithin von Pechfackeln erhellt, und die Musik übertönt das Rauschen der Brandung. »Die waren aus, bevor ich was davon abbekommen habe. Sind die gut?«
Ich hätte mir einen anderen Platz suchen sollen. In einer anderen Bar. Wenn man bedenkt, was für ein Totalausfall jede Minute dieses Tages war, hätte es so weit nicht auch noch kommen müssen.
Dankbar für die Ablenkung greife ich nach meinem Handy, das auf dem Tresen vibriert, und sehe, dass mir sowohl meine Schwester als auch mein ehemaliger Geschäftspartner tonnenweise Nachrichten schicken. Ich verziehe das Gesicht und drehe das Gerät um, ohne sie zu lesen. Nicht ganz. Die Kernaussagen sind schwer zu übersehen:
Selbstsüchtiges Arschloch.
Du warst damit einverstanden.
Wenn du wirklich darüber hinweg wärst, würdest du ihr ein Geburtstagsgeschenk schicken.
Hör auf, so ein Arsch zu sein, und komm wieder zu dir.
Die beiden sind aus völlig unterschiedlichen Gründen sauer auf mich.
Beide erzählen Geschichten, die völlig von der Wahrheit abweichen, um sich – seltsamerweise – wieder bei mir einzuschmeicheln.
Ich sollte meine Nummer ändern. Womöglich sogar meinen Namen. Und wenn ich nicht aufhöre, dieses Glas so fest zu umklammern, muss ich womöglich auch mein Hemd wechseln.
Ich zwinge mich, es abzusetzen, als ich bemerke, wie sehr meine Hände zittern.
»Können Sie sich etwas Traurigeres vorstellen, als Hawaii zu verlassen, ohne einen Lime-Mojito-Kombucha zu probieren?« Die Frau rückt mir noch dichter auf die Pelle, ihre Haare streifen meinen Arm.
Ich bin wegen irgendeines Wartungsproblems mit dem Flieger vier Stunden verspätet auf Hawaii gelandet. Dann wurde mir ein Mietwagen mit einem platten Reifen angedreht, sodass ich eine weitere Stunde warten musste, bis die Firma ein anderes Auto aufgetrieben hatte. Und als ich schließlich in der Ferienanlage ankam, in der ich an einer Hochzeit teilnehmen – okay, die ich ruinieren – wollte, herrschte allgemeine Funkstille.
Der Grund, warum ich den Pazifik überquert hatte, war abgesagt worden. Keine Hochzeit unter Palmen. Keine Hochzeitsfeier. Keine Chance, Chandler Sullivans Gesicht zu sehen, wenn ich seiner Familie, seinen Freunden und seiner Frischvermählten verkündete, dass er das Familiencafé in den Bergen von Colorado verkaufen musste, weil er sich bei Online-Spielen verzockt hatte.
Offenbar hatte sie ihm den Laufpass gegeben. Da das Resort kaum über Personal verfügte, gab ich es auf, jemanden finden zu wollen, der mich einchecken würde, und suchte mir ein paar Meilen die Straße hinauf ein anderes Hotel.
Und auch wenn Chandler Sullivan jeden Scheißdreck verdient, der ihm jemals widerfahren ist, ärgert es mich, diesmal keinen Anteil daran gehabt zu haben. Was nicht heißt, dass ich für gewöhnlich so ein Arsch bin. Aber zufällig kann ich im Moment mildernde Umstände geltend machen.
Es gefällt mir höllisch, wenn der Gerechtigkeit Genüge getan wird, und die Gelegenheit dazu bot sich mir in genau dem Moment, in dem ich etwas brauchte, das mich auf die richtige Seite des Schicksals beförderte.
Und nun überlege ich, ob ich die Auswahl meiner Getränke mit der Frau neben mir teilen oder ob ich es lieber lassen soll, der rätselhaften Geschmacksnote in diesem Lemon-Ginger-Kombucha auf den Grund zu gehen, um meine begrenzte Zeit auf Hawaii nach Möglichkeit an einem besseren Ort zu genießen.
Die Auswahl ist jedenfalls groß. Nichts schlägt dieses Paradies, auch wenn ich auf meine lang erwartete Rache verzichten muss.
Vorläufig.
Chandler Sullivans Café gehört immer noch mir. Ich habe die Papiere heute Morgen unterschrieben, bevor ich an Bord des Flugzeugs ging, das mich rechtzeitig hierher bringen sollte, um sein Leben so zu zerstören, wie er einst meines zerstört hat.
Nicht ganz auf dieselbe Weise. Aber fast.
Und ich werde mitbekommen, wie allen in seiner Heimatstadt klar wird, was er getan hat, und was schließlich mit dem Geschäft seiner Familie geschehen wird.
Nur nicht bereits auf seiner Hochzeit.
»Nicht, dass ich Sie fragen würde, ob Sie mit mir teilen wollen.« Die Frau kichert so schrill, dass meine Trommelfelle zu platzen drohen, während sie noch näher rückt. »Das wäre ein wenig drüber, oder? Oder nicht? Wow. Ihre Hände sind echt riesig. Schau sich einer Ihren Daumen an. Das … das nenne ich einen echt großen Daumen.«
Ich atme scharf durch die Nase ein, drehe mich so, dass ich sie mit dem Rücken abblocke, und gebe vor, als könnte ich trotz des Geschnatters der Frau sowie der aus den Lautsprechern der Bar dröhnenden Achtzigersongs die Meeresbrandung hören.
»Ein wirklich großer Daumen«, wiederholt die Frau.
Ich trinke noch einen Schluck Lemon-Ginger-Kombucha und schließe die Augen, während ich ihn im Mund herumwirble.
Was ist dieser Nachgeschmack?
Irgendwie anders. Erinnert mich an die Weihnachtsfeiertage, aber Tanne trifft es nicht und würde auch keinen Sinn ergeben.
Ich stehe gern vor einem guten Rätsel, vor allem nach einem Tag, an dem mir nicht viel geglückt ist.
»Sind Ihre … Füße … auch so groß?«, will die Frau neben mir wissen.
Okay, den Tag heute kann ich echt abhaken.
Ich setze mich in Bewegung und lasse den größten Teil meiner Auswahl unangetastet vor mir stehen, als auf meiner anderen Seite ein Wirbelwind zuschlägt.
»Hi, Schatz!«, sagt eine kleine Rothaarige. Zu mir. »Sorry, ich bin zu spät. Es hat ewig gedauert, bis ich einen Parkplatz gefunden habe. Hast du schon was zu essen bestellt?«
Spricht sie … spricht sie wirklich mit mir?
Kaum merklich richtet sie den Blick auf die Frau auf meiner anderen Seite und verdreht dann, ähnlich unauffällig, die Augen.
»Schatz?«, sagt sie noch einmal.
Mein Verstand schaltet sich ein, ebenso mein Mund, als wieder das Handy auf dem Bartresen vibriert.
»Dummerchen. Du bist so gut darin, für mich zu bestellen. Du hättest nicht auf mich warten müssen. Ich weiß doch, dass du am Verhungern warst, nachdem …« Nun zwinkert sie.
Ein so massives, übertriebenes Zwinkern, das so unerwartet und – alles, was recht ist – so dämlich ist, dass es mir ein kurzes Auflachen entlockt.
Das ist seit Wochen nicht mehr vorgekommen. Oder seit Monaten?
Aber über eine Wildfremde zu lachen ist mir so unangenehm, dass ich fast nach meinem Smartphone greife, um nachzusehen, welche Halbwahrheiten meine Schwester oder mein ehemaliger Geschäftspartner mir jetzt wieder geschickt haben.
Stattdessen überwinde ich mich, der Frau zuzunicken. »Ich bin hungriger als ein Wal«, stimme ich ihr zu.
»Und so angeheitert, dass du vergessen hast, mir einen Platz freizuhalten.« Lachend tätschelt sie mir die Hand, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, mich zu berühren; ihre Fingerspitzen sind so zart und leicht wie Schmetterlingsflügel. Dann zieht sie ihre Hand weg, ehe ich realisiere, dass sie in meine Komfortzone eingedrungen ist.
Eine Gänsehaut rast mein Handgelenk und meinen Unterarm hinauf.
Kenne ich die Frau?
Nein, oder? Ich bin mir absolut sicher, dass ich ihr noch nie zuvor begegnet bin.
Nicht, dass es sonderlich wahrscheinlich wäre, in einer zufällig ausgewählten Bar auf Hawaii jemand Bekanntem über den Weg zu laufen. Meines Wissens war Chandler der Einzige.
Irgendwelche seiner alten Freunde vom College hätte ich gewiss nicht zu meinen Freunden gezählt. Und diese üppige Rothaarige im glänzenden grünen Bustier, geblümten Rock und in hochhackigen Stiefeletten war keine seiner College-Freundinnen. Ich bin sicher, sie noch nie zuvor gesehen zu haben.
Aber sie hat etwas an sich.
Ein Funkeln, das mich fast an meine Großmutter erinnert.
Dieses Funkeln hätte ich wiedererkannt, wenn ich dieser Frau schon einmal begegnet wäre.
»Entschuldigung«, sagt sie zu meinem Kombucha-Flirt, der mir immer noch zu dicht auf der Pelle hängt. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, einen Hocker aufzurücken, damit ich neben meinem Mann sitzen kann?«
Diese Aussage sollte eigentlich meine Eier verschrumpeln lassen. Besonders wenn man das Thema einer der Diskussionen bedenkt, die mein Handy auf dem Tresen vibrieren lassen.
Stattdessen realisiere ich, dass ich mich ihr unbewusst zuneige, wie sich zuvor mein Kombucha-Flirt mir zugeneigt hat.
Die unerwünschte, raumgreifende Kombucha-Diebin stammelt eine ungeschickte Antwort, während die Rothaarige mich rücklings umkreist, wobei ihre Schmetterlingsfinger meinen Arm hinauf- und über meine Schultern und den anderen Arm wieder hinunterwandern und meine Haut unter dem Hawaiihemd entflammen. »Vielen lieben Dank. Sie sind die Beste.«
Ich bekomme kaum mit, dass mein Kombucha-Flirt sich weit, sehr weit in die Bar zurückzieht.
Meine ganze Aufmerksamkeit gilt der Rothaarigen.
Es ist lockig. Ihr Haar, meine ich.
Ihren ganzen Kopf ziert eine Masse kupferroter Ringellocken.
Sie ist selbst in den hochhackigen Stiefeln so klein, dass sie sich auf den soeben frei gewordenen Barhocker wuchten muss. Und ihr Funkeln verblasst, als sie mich gequält lächelnd ansieht. »Entschuldigen Sie, dass ich in Ihre Blase eingedrungen bin. Sie sahen aus, als hätten Sie Rettung nötig, und ich muss heute noch ungefähr fünftausend andere gute Taten vollbringen. Ich werde noch ein paar Minuten so tun, als würde ich mich mit Ihnen unterhalten, dann bin ich auch schon wieder weg. Sie dürfen mich gern ignorieren.«
»Bleiben Sie.« Die Worte purzeln aus meinem Mund, während ich mich gleichzeitig wappne.
Wenn mich die Eheberatung eines gelehrt hat, was durch die jüngste Geschäftsentwicklung noch bekräftigt wurde, dann dass ich historisch einmalig unbegabt darin bin zu erkennen, wenn ich manipuliert werde.
Also unterziehe ich diese Frau einer gründlichen Prüfung, als ihr Lächeln nicht länger gequält wirkt, sondern so, als wollte sie sagen: Ich bin in die elendsten Tiefen der Hölle hinabgesunken, aus denen ich niemals wieder hinauskomme.
»Oh, Darling«, sagt sie dann und schüttelt energisch den Kopf. »Sie wollen ganz sicher nicht mit mir in Verbindung gebracht werden.«
Ja.
Ich bin offiziell angetan. Noch immer äußerst wachsam – dafür kann ich nichts –, aber angetan. »Haben Sie jemanden ermordet?«
Sie verzieht das Gesicht. »Nur jemandes Ruf ruiniert.«
»Und wie …?«
»Kann ich Ihnen was bringen?«, fragt der Barmann.
Die Rothaarige lässt ein Lächeln aufblitzen. »Wasser, bitte. Und seine Drinks gehen auf mich.«
Ehe ich ein Wort herausbringen kann, schiebt sie eine Kreditkarte über den Tresen.
Ich habe zig Nachrichten von meiner Schwester, die mein Handy endlos vibrieren lassen, weil ich es versäumt habe, meinen Beitrag zu der rauschenden Geburtstagsfeier zu leisten, die sie nächsten Monat in Antigua für meine Ex-Frau schmeißt, oder wenigstens auf die Einladung zu reagieren.
Meine Eltern fragen regelmäßig an, ob ich ihnen Geld leihen kann – und ich rede hier von Leihen ohne Rückzahlung –, »weil du uns nach der Spitzenausbildung im Internat, die wir dir all die Jahre spendiert haben, was schuldig bist. Du weißt, dass dein Teil des Treuhandfonds der Familie deshalb nichts mehr hergibt«.
Mein Geschäftspartner hat gerade fünf Jahre meiner Recherche an das Start-up-Unternehmen seines Kumpels verkauft, weil: »Du brauchst das Geld doch nicht, Grey, tu lieber ausnahmsweise mal was für einen anderen.«
Ausnahmsweise.
Ausnahmsweise.
Drauf geschissen.
Hier zahlt jemand meine Zeche, um eine gute Tat zu vollbringen?
Erfrischend.
Und in den Verfolgungswahn führt es auch.
Spielt diese Frau mit mir? Weiß sie am Ende, wer ich bin?
Unwahrscheinlich.
Keines meiner Geschwister oder deren Kinder waren aufgeweckt und schlau genug, sich einen Namen zu machen, während sie noch reich waren, und der Treuhandfonds des alteingesessenen Cartwright-Apfelfarm-Imperiums versiegte, bevor einer von ihnen auch nur versucht hatte, tatsächlich reich zu werden. Wir gelten in der Welt alter, reicher Familien als zwielichtig. Zudem sind wir nicht mehr wirklich reich. Jedenfalls nicht als Familie.
Was mich persönlich betrifft, so sind die einzigen Menschen, die sich dafür interessieren, wer ich bin und womit ich mein bescheidenes Vermögen gemacht habe, in der Bienenforschung oder der Lebensmittel-Verpackungsbranche tätig. Und genau so gefällt es mir auch.
»Keine Widerworte«, sagt die Rothaarige, als sie mitbekommt, dass ich sie beobachte, während der Barkeeper ihre Kreditkarte einliest. »Dazu muss ich heute noch zu viele gute Taten vollbringen.«
Auf Wiedersehen, Kombucha. Dieses Rätsel gefällt mir besser.
Andererseits, das ist hier ein gefährlicher Ort, um Gefallen am Geheimnis einer Frau zu finden. Dergleichen endete beim letzten Mal mit einer echt krassen Scheidung, die mir der größte Teil meiner Familie bis heute nicht verziehen hat.
»Wie kommt eine Frau wie Sie dazu, anderer Leute Ruf zu ruinieren?«, frage ich.
Sie kneift die Lider zusammen. »Das wollen Sie gar nicht wissen.«
»Scheint etwas zu sein, worüber eine Ehefrau reden würde.« Nicht, dass meine je den Mund aufgemacht hätte. Was sie getrieben hatte, erfuhr ich erst aus dem Internet – nach unserer Trennung.
Die Rothaarige lacht, aber es ist ein trauriges Lachen.
Habe ich mir das Funkeln nur eingebildet?
»Ich habe wirklich gedacht, diese Frau würde verlangen, dass wir unsere Ringe vorzeigen«, sagt sie.
»Ich bin gegen alles an meinen Fingern allergisch. Und Ihrer wurde nachbearbeitet.«
»Ganz schön schnell mit einer Geschichte bei der Hand. Aber in dem Moment, in dem Sie sagen, Sie sind allergisch gegen alles an Ihren Fingern, ist jeder Frau im Umkreis von zehn Bundesstaaten klar, dass Sie eigentlich allergisch gegen Bindungen sind.«
»Wir sind auf Hawaii. Hier gibt es keinen Bundesstaaten-Radius.«
»Das gilt übers Meer und von da über die andere Seite der Welt hinaus. Außerdem: Sie haben gerade Radius gesagt? Bewundernswert. Sind Sie Mathematiker?«
»Sicher. Belassen wir es dabei.«
»Abgemacht, Mr Mathematiker.«
»Ausgezeichnet. Und Ihre Branche ist …?«
»Renommee-Ruinierung. Aber das hatten wir schon.«
»Einzigartiges Gewerbe, die Renommee-Ruinierung. Machen Sie das nur nebenbei, oder ist das Ihr Hauptjob? Arbeiten Sie von zu Hause? Oder gehen Sie jeden Tag ins Büro? Ich kenne ein oder zwei Menschen, die Ihre Dienste in Anspruch nehmen könnten«, sage ich mit einem Lächeln, obwohl es mir todernst ist.
Wenn meine neue Lebensaufgabe darin besteht, Super-Vengeance-Man zu sein, könnte ich einen Sidekick, der das Renommee von Leuten ruiniert, die es nicht besser verdienen, gut gebrauchen.
Sie seufzt halb, halb stöhnt sie auf. »Hören Sie, Sie scheinen ein netter Kerl zu sein …«
»Aha, jetzt folgt die Zurückweisung. Genau genommen lächle ich gerade nicht gezwungen, sondern ganz instinktiv. Fühlt sich gut an.«
»Es geht hier nicht um Sie«, entgegnet die Rothaarige. »Es geht um mich und darum, dass ich unsachgemäß mit Klatsch und Tratsch hantiere.«
»Weiter.«
»Nein.«
»Schauen Sie, ich kann ein Nein verkraften. Es ist nicht so, als würde ich so was nicht wegstecken. Es ist so, dass ich sehe, wie traurig Sie aussehen … und dass Sie noch immer hier sitzen. Sie haben mir einen Gefallen getan. Sie scheinen mir die perfekte Wingwoman zu sein. Ich meine nur, wenn Sie sich etwas von der Seele reden wollen, ich stehe zur Verfügung.«
»Aus Klatsch und Tratsch entsteht nie etwas Gutes.«
Ich hebe die Brauen.
Wieder seufzt und stöhnt sie halb. »Was für eine Heuchelei. Jede Menge Gutes entsteht aus Klatsch und Tratsch. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Freundinnen ich auf der Grundlage von Klatschgeschichten davor bewahrt habe, nicht bloß schlechte, sondern auch gefährliche Beziehungen einzugehen? Wie viele Leute ich davor bewahrt habe, den falschen Job anzunehmen? Kennen Sie die Zahl der Familientreffen, nicht nur meiner eigenen Familie, die ich vor dem Schlimmsten bewahrt habe, indem ich an passender Stelle fallen ließ: Du bringst lieber etwas anderes mit, weil die Tante deines Verlobten auf Kartoffelsalat spezialisiert ist, und wenn du ihr auf die Hühneraugen trittst, vermacht sie ihre Hunde nicht ihm, sondern seiner Schwester, und du weißt ja, wie sehr er Fluffy und Sparky liebt. Wenn du alles Wesentliche über die Menschen in deiner Stadt weißt, kannst du dein Wissen durchaus zum Guten verwenden. Du musst nicht unbedingt böse Absichten damit verfolgen.«
»Jemanden davor zu bewahren, wegen einer Schüssel Kartoffelsalat enterbt zu werden, scheint mir durchaus eine gute Verwendung von Klatsch und Tratsch zu sein.«
»Aber ich bin fertig damit.«
»Die armen Hunde. Ich hoffe, sie werden auch mit der zweiten Wahl glücklich.« Ha, was bin ich wieder komisch.
Sie riskiert einen Blick auf mich, die Andeutung eines ehrlichen Lächelns kräuselt ihre geschwungenen Lippen, und ein gewisses Funkeln kehrt in ihre grünen Augen zurück.
Alles klar. Ich bin wirklich komisch.
»Wie heißen Sie?«, erkundige ich mich.
Sie schüttelt den Kopf.
»Dann ich zuerst. Hi, ich bin Duke. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Sie heißen Duke?«
»Sehe ich etwa nicht so aus?«
Sie bricht in Gelächter aus, was etwas Komisches in meinem Brustbereich anstellt, was ich jedoch mutwillig ignoriere. »Nee.«
Ich mime ein entsetztes Keuchen. »Sie tratschen gern und machen sich über meinen Namen lustig.«
»Nein, die Ironie dabei ist nur, dass ich Duchess heiße.«
Nun ist es an mir zu lachen.
Aus vollem Hals.
Wer bin ich, und was passiert hier gerade mit mir?
Sie stützt einen Ellbogen auf den Tresen, legt den Kopf in ihre Hand und betrachtet mich, während sie ein Bein vor- und zurückschwingt. »Tratschen Sie gern?«
»Ich bin Einsiedler in der Ausbildung.«
Sie deutet auf die Freiluftbar. »Das klappt ja offensichtlich ganz prima.«
»Ich versuche nur, Sie nicht mit dem Gossip in meinem Leben zu belasten.«
Sie mustert mich, als wollte sie sich darüber klar werden, welche meiner Aussagen ich ernst meine.
Beide.
Ich mag ihr einen falschen Namen genannt haben, aber beide Aussagen treffen zu.
»Sie brauchten gar keine Rettung, oder?« Sie lässt den Kopf in ihre Hände sinken und stöhnt. »Ich kriege heute nicht mal die guten Taten richtig hin.«
»Doch, doch, die brauchte ich. Und, ich Glücklicher, meine Retterin ist wirklich faszinierend.«
Der Barkeeper kommt mit ihrer Kreditkarte und einem Glas Wasser zurück. Sie sieht sich nach meinem Kombucha-Flirt um und steckt ihre Kreditkarte weg, bevor ich einen Blick auf den Namen darauf erhaschen kann. Sie versucht offensichtlich dahinterzukommen, ob sie ihre gute Tat abhaken kann oder nicht.
»Mögen Sie gebackene Calamari?«, frage ich sie.
»Nein«, antwortet sie. »Aber vielen Dank.«
»Krabbencocktail? Fischsalat? Sashimi? Sie beobachtet uns übrigens immer noch.«
Anscheinend ernte ich damit lediglich ein Auflachen. Wieder wirkt ihr Lächeln wie ein Schleier. »Sie sind heute Abend ganz und gar zu gut für mich. Bitte, trinken Sie Ihre Drinks. Ich bin gar nicht hier. Danke, Fremder in einer Bar, der viel freundlicher zu mir war, als ich es verdiene …«
»Ich bin Duke«, falle ich ihr ins Wort. »Wir sind keine Fremden mehr.«
Sie hat unfassbar ausdrucksvolle Augen.
Es sind Smaragde, umgeben von Meergrün, und bedeuten mir gleichzeitig, dass sie weiß, dass ich ihr einen falschen Namen genannt habe. Denn wäre ich wirklich Duke, würde ich nach meinem Führerschein greifen, um es ihr zu beweisen. Vermutlich ist selbst der Austausch falscher Namen für sie bereits zu viel zwischenmenschliche Beziehung.
»In Wahrheit wollen Sie nichts mit mir zu schaffen haben«, insistiert sie wieder.
»Es will mir nicht in den Kopf, dass eine Frau, die Hunde vor einer schrecklichen Zukunft bewahrt und verhindert, dass Beziehungen an Kartoffelsalat scheitern, etwas so Furchtbares verbrochen haben soll, dass sie deshalb die leckersten Vorspeisen ausschlägt, die Hawaii zu bieten hat.«
Ihr Blick schwankt. »Haben Sie Geschwister?«
Ich verziehe das Gesicht und greife nach meinem Smartphone – das noch immer vibrierend Textnachrichten meldet – und schalte das verfluchte Ding aus, bevor ich es in meine Hosentasche stopfe.
»Geschwister, denen Sie herzlich verbunden sind, also«, meint sie, da ihr offenbar nicht entgangen ist, was auf meinem Handy los ist. »Die Sie so sehr lieben, dass sie alles für Sie tun würden?«
Sofort kommt mir Zen in den Sinn. Der Älteste meines Bruders ist aus der Art geschlagen. Meine Großmutter Mimi folgt ihm auf der Skala so dicht auf den Fersen, dass sie eigentlich nicht nur den zweiten Platz belegen dürfte.
Wie eine so faszinierende und gutherzige Frau wie Mimi einen dermaßen undankbaren und unangenehmen Mann wie meinen Vater zur Welt bringen konnte, geht über mein Begreifen.
Ich neige dazu, die Schuld meinem Großvater zuzuschreiben.
Früher habe ich noch Vince, meinen Geschäftspartner, zur Familie dazugezählt, doch als er mir nicht sagte, was genau er mir zur Unterschrift vorlegte, hat er sich mit Nachdruck in die Kategorie ehemaliger Freunde katapultiert. Damit kommt ihm allein die Verantwortung zu, mich in meine Villain Era befördert zu haben – und er hat nicht länger Anspruch auf meine Zeit.
»Dachte ich’s mir«, sagt Duchess leise. »Haben Sie ihnen jemals so wehgetan, dass Sie nicht sicher sein konnten, ob sie Ihnen vergeben würden oder ob Sie sich selbst vergeben könnten, weil Sie die Regeln vergessen hatten?«
Heikle Frage. »Gibt es einen Menschen auf Erden, der nichts zu bereuen hat?«
»Es ist nur – ich will nicht wissen, was ich nicht mehr weiß. Ich will nur, dass es vorbei ist. Dauerhaft aus meinem Gedächtnis gelöscht.«
»Sie wissen, wo die Leichen verscharrt sind?«, flüstere ich wie ein Theaterschauspieler.
»Nein. Aber ich weiß, wo sie Wasser in ihren Wein schütten und wer die falschen Ausweispapiere für Senioren ausstellt, die auf Seniorenrabatt aus sind, bevor sie rechtmäßig dafür infrage kommen, und warum Sie nie, niemals im Leben einen Muffin vom Kuchenbasar des Winterfests essen sollten.«
»Warum kein Muffin?«
»Weil Mrs Pineapple den Teig zu heftig knetet und meint, mit Lavendel würden die Dinger besonders gut und kein bisschen nach Flüssigseife schmecken.« Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund, spricht jedoch weiter. »Ich muss gehen. Ich muss jetzt wirklich, wirklich gehen.«
»Mrs Pineapple?«
»Danke, dass Sie sich nach allem, was ich gesagt habe, nur daran erinnern werden. Ist Ihre Bewunderin noch nicht weg?«
»Nein. Sie behält uns im Auge. Vermutlich fragt sie sich ernsthaft, warum wir noch nichts zu essen bekommen haben. Nach unseren Nachmittagsaktivitäten müssten wir am Verhungern sein. Eigentlich sollten Sie hier sitzen und mit mir zu Abend essen.«
Wenn ihre Lippen sich, ungeachtet der Traurigkeit in ihren Augen, nicht bemühen würden, sich nach oben zu biegen, würde ich sie wohl hier sitzen lassen. Aber sie hat mir echt einen Gefallen getan.
Ich bin fasziniert von ihr, und ich finde, ich bin ihr etwas schuldig.
»Oder wir gehen woandershin«, sage ich. Ihr Blick fällt auf die Kombucha-Auswahl vor mir. »Gute Taten kann man viel besser mit einem Partner vollbringen.« Ich erhebe mich von meinem Barhocker und reiche ihr meine Hand. »Wir werden wie sexbesessene Flitterwöchner aussehen, und meine Bewunderin wird den Wink mit dem Zaunpfahl kapieren. Wobei ich ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert wäre, wenn sie glaubte, wir würden uns streiten. Im Grunde müssen Sie mit mir kommen. Wenigstens, bis sie uns nicht mehr sehen kann. Und wäre es so furchtbar, wenn wir unterwegs eine Ihrer fünf Millionen guten Taten gemeinsam abhaken würden?«
Fast beginnen ihre Augen vergnügt zu leuchten. Aber nur fast. »Sie verheißen Ärger.«
»Im Allgemeinen nicht. Das muss an Ihnen liegen.« Während sie unverkennbar mit sich ringt, grinse ich breit.
Ein komisches Gefühl. Morgen tun mir bestimmt die Wangen weh.
Trotzdem würde ich im Moment nichts auf der Welt lieber tun, als herauszufinden, wohin mich ein Abend führt, an dem ich mit einer Frau, die einen schlechten Tag hatte und es zukünftig besser machen will, gute Taten vollbringe.
Sie blickt auf meine Hand, dann neigt sie den Kopf, um mich anzuschauen. Auch wenn sie noch so sehr den Hals reckt, nimmt sie mit ihren faszinierenden grünen Augen unverwandt Blickkontakt auf, sodass mich aufs Neue eine Gänsehaut überläuft.
Spontaneität und ich sind sonst höchstens flüchtige Bekannte. Aber bei den seltenen Gelegenheiten unseres Zusammentreffens kommen wir gut miteinander aus – so hatte ich auch nicht vor, ein Café in den Bergen zu kaufen, doch die Gelegenheit bot sich mir zum richtigen Zeitpunkt –, aber keiner von uns überschlägt sich, um eine Begegnung herbeizuführen.
Aber heute ist nichts so gekommen wie zuvor geplant. Also beuge ich mich dem Unerwarteten und mache das Beste daraus.
Und da ich vorhabe, Chandler Sullivans Leben in dem Moment zu ruinieren, in dem ich seine Heimatstadt betrete, würde es mir hübsch zu Gesichte stehen, selbst ein paar gute Taten in der Hinterhand zu haben.
Auch wenn er es noch so sehr verdient.
»Als ich das letzte Mal jemanden mitgenommen habe, um eine Reihe guter Taten zu vollbringen, haben vier Hühner ein ganzes Wochenende lang den Lebensmittelladen terrorisiert, und der Stadtrat bat mich, zukünftig von meiner Teilnahme am Random-Acts-of-Kindness-Tag abzusehen«, sagt Duchess.
Ich kenne nicht einmal ihren richtigen Namen, trotzdem bin ich absolut dafür, meine übrige Zeit auf Hawaii mit dieser Frau zu verbringen. »Ich wurde offiziell gewarnt. Und ich hatte einen Scheißtag, der durch gutes Karma ausgeglichen werden sollte. Würde es als gute Tat zählen, wenn Sie mich zu Ihren guten Taten mitnähmen, damit ich mich amüsieren und auch noch die Welt verbessern könnte?«
Zögernd holt sie noch einmal tief Luft. Doch dann gleitet sie vom Barhocker, womit sie wieder kleiner wird als ich, und nimmt meine Hand.
Ein Stromstoß fährt durch meinen Körper.
Ich weiß nicht, wer sie ist. Ich weiß nicht, warum sie einen schlechten Tag hatte. Und ich weiß nicht, wie sehr ich das hier morgen bereuen werde.
»Die Strafe folgt auf jede erdenkliche Weise«, sagt sie leise zu sich selbst.
Oh ja.
Das wird eine unvergessliche Nacht.
Zum ersten Mal im Leben begebe ich mich auf eine Mission des Bösen – ich ziehe Gerechtigkeit vor, aber ich bin mir deutlich bewusst, dass man vom Bösen sprechen wird, also mache ich es mir zu eigen –, und die Welt stellt mich auf die Probe. Und zwingt mich anzuerkennen, dass Karma eine Realität ist.
Wie, fragt ihr?
Indem es mich mit der Frau bekannt macht, für die ich in diesem Moment meine Pläne aufgeben würde, um dorthin zu ziehen, wo sie lebt, und tagein, tagaus gute Taten mit ihr zu vollbringen.
Mir ist bewusst, das geht vorüber. Ich bin lediglich in eine hinreißende Ablenkung vernarrt. Sie ist der Trostpreis für einen misslungenen Tag, an dem endlich etwas Gutes in Reichweite ist … das auch noch Spaß macht.
Aber das ist mir egal.
Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit gebe ich mich damit zufrieden, einfach mit jemandem zusammen zu sein, der nicht Zen oder Mimi ist. Ich will in ihrer Nähe sein, ihr zuhören, wie sie über Menschen spricht, die ich nicht kenne, und zuschauen, wie sie tut, was sie in diesem Augenblick eben tut.
Nämlich sich bücken, den runden Hintern in die Luft strecken, wobei ihr Rock so weit hochrutscht, dass ich fast den unteren Rand dieses Hinterns sehen kann, und den Hundenapf vor einem geschlossenen Geschäft am Strand – ein gutes Stück von der Stelle entfernt, an der wir uns vor Stunden begegnet sind – mit Wasser auffüllen.
Das Mondlicht spiegelt sich im Meer, während die Brandung ans Ufer rollt. Das Meer überspült die Lavafelsen unmittelbar hinter der halbhohen Mauer auf der anderen Seite des Fußwegs, auf dem wir stehen geblieben sind. Alles hier riecht nach Kokosnüssen und Blumen und Salz.
Und ich ziehe weder die Schultern hoch noch knirsche ich mit den Zähnen oder balle die Hände zu Fäusten. Ich bin einfach hier. Und bin glücklich.
»So, das hätten wir, du süßes Ding«, säuselt sie der Promenadenmischung zu, die sich schwanzwedelnd auf den Wassernapf stürzt. »Wer ist ein braves Hundchen? Ja, wer ist denn das brave Hundchen?«
Ich wäre gern ihr braves Hundchen.
Ich wünsche mir, der Rest der Welt würde nicht existieren und ich wäre ihr braves Hundchen.
Ein Zeichen dafür, dass ich schleunigst in mein Hotelzimmer zurückkehren und die Begegnung als das hinter mir lassen sollte, was es ist, um nicht länger zu denken, es könnte mehr als das sein.
Stattdessen schiebe ich die Hände in die Hosentaschen und schaukle auf den Fußballen vor und zurück, während ich meinen Schwanz zu kontrollieren versuche. Mein Smartphone anzufassen hilft mir dabei.
Ich sollte das Ding ins Meer werfen, aber ich bin kein Umweltverschmutzer. Vor allem nicht, wenn es um Elektrogeräte im Ozean geht. »Sind Sie die Hundenärrin im Ort, die sämtliche Streuner füttert?«
»Nein, aber ich kann Ihnen sagen, dass die Hunde von Mr Trix nicht zur selben Zeit im Hundepark sein sollten wie die von Mrs Pebbles. Beide meinen, die Schuld läge beim jeweils anderen, aber ich garantiere Ihnen, das Problem ist der Hund von Mr Trix.«
Jedes Mal, wenn sie Cerealien-Markennamen für Leute verwendet, frage ich mich, ob sie weiß, wer ich bin.
Doch im nächsten Moment nennt sie Leute nach Sportmannschaften oder Kaffeesorten und spricht über Nachbarschaftsstreitigkeiten oder Machtkämpfe zwischen Ladenbesitzern in einem Ladenbesitzerverband und wer Schlagzeugspielen übt, während das Baby nebenan zu schlafen versucht – und ich bin wieder vollkommen verzaubert.
»Haben Sie einen Hund?«, frage ich.
»Wir sprechen nicht über mich.«
»Sie sind aber viel interessanter als Mr Trix.«
Sie richtet sich auf und schaut sich um. Und zum ersten Mal, seit wir die Kombucha-Bar vor vier Stunden verlassen haben, macht sie, statt sich in ihren klobigen Stiefeln so schnell auf ihre nächste Aufgabe zu stürzen, dass ich mich beeilen muss, um mit ihr Schritt zu halten, vielleicht zehn Schritte in Folge in die Richtung, die wir eingeschlagen haben. Dann bleibt sie stehen.
Ich sehe gebannt zu, wie sie sich langsam im Kreis dreht. Dann schaut sie zum Mond hinauf, seufzt und lässt sich auf dem Betonmäuerchen nieder, das die Ladenzeile vom Strand dahinter trennt.
Ich wende mich um, setze mich zu ihr, unsere Beine berühren sich beinah. »Gehen Ihnen die Ideen aus?«
Sie schüttelt den Kopf, ohne den Blick vom Mond abzuwenden. »Mir gehen die Menschen aus.«
Oh.
Oh.
Ich war so auf Duchess fokussiert – ihren richtigen Namen werde ich noch vor Tagesanbruch herausbekommen –, dass mir überhaupt nicht aufgefallen ist, dass niemand sonst in der Nähe weilt.
Aha.
Wenn ich es recht bedenke, galten bereits ihre letzten vier guten Taten schon Tieren. Drei streunenden Katzen und nun dem Hund.
Ich drücke ihren Oberschenkel. »Warten Sie hier. Ich gehe an Türen klopfen und Leute wecken, damit wir ihnen Gutes tun können.«
»So funktioniert das nicht mit den guten Taten.«
Ich liebe den Mond heute Nacht. Er scheint so hell, dass ich ihr tadelndes Lächeln sehen kann.
»Vielleicht müssen wir ja neu festlegen, wie man gute Taten vollbringt.«
Das Seufzen, das sich ihr entringt, klingt so tief empfunden, dass sie es vom Meeresboden geborgen haben muss.
Am liebsten würde ich sie auf meinen Schoß ziehen und küssen, bis die einzigen Laute, die sie dann noch von sich gibt, glückliche sind. Ekstatische.
Seit wir die Bar verlassen hatten, hat sie einem streitenden Liebespaar so lange Ständchen gesungen, bis die beiden vergaßen, warum sie wütend aufeinander gewesen waren. Sie hat ewig lange den Typen gesucht, der seine Brieftasche verloren hatte, und sie ihm zurückgegeben, und hat – ich schwöre bei Gott, ich denke mir das nicht aus – ein Kleinkind davor bewahrt, auf die Straße zu laufen und von einem Auto überfahren zu werden.
Und gemeinsam haben wir einem Haufen Menschen was zu essen und zu trinken besorgt.
Ich allerdings mehr als sie, denn ich habe jedes Mal darauf geachtet, dass sie abgelenkt war, ehe ich meine Kreditkarte zückte und ihre Wünsche an Barkeeper oder Bedienungen um meine eigenen ergänzte.
Und dabei haben wir beide unsere Kreditkarten und Quittungen voreinander verborgen, damit keiner den richtigen Namen des anderen entdeckte.
Aber dieser Blick ist in die Vergangenheit gerichtet. Der Blick, der sagt: Ich bin ein schrecklicher Mensch, der nie genug Gutes tun kann, um wiedergutzumachen, was er an Schlechtem schon angerichtet hat.
»Kommen Sie«, sage ich mit einer herausfordernden Geste. »Raus damit. Lassen Sie das auch noch raus.«
»Was soll ich rauslassen?«
»Was immer Sie so seufzen lässt. Reden Sie darüber, und vergessen Sie es dann.«
»Mit Ihnen darüber zu reden würde die Freundschaft nicht wiederherstellen, die ich heute zerstört habe.«
»Sie waren die ganze Nacht hier draußen unterwegs, um nicht an diese Freundschaft zu denken.«
»Reden Sie nicht so schlau daher. Sie sind hier, weil sie süß und lustig, nicht weil Sie schlau sind.«
Habe ich gerade ein Rad geschlagen und mich aufgeplustert wie ein verdammter Pfau. Tja, das habe ich wohl. Sie sieht offenbar mehr in mir als einen Verstand ohne Emotionen. Sie hält mich für lustig.
»Vielleicht steckt ja noch viel mehr in mir als süß und lustig«, teile ich ihr mit, »vielleicht kann ich ja auch schlau sein.«
»Ich sage es Ihnen nur ungern, mein Freund, aber wenn Sie schlau wären, hätten Sie die Bar nicht gemeinsam mit mir verlassen.«
Sie glaubt nicht, dass ich schlau bin. Das ist sogar noch besser, als mir Drinks auszugeben.
»Die meisten würden nicht so breit grinsen, nachdem man ihnen gesagt hatte, sie seien nicht schlau«, bemerkt sie trocken.
»Es ist nur schön, dass mich mal eine Frau wegen meines Körpers will und nicht wegen meines Verstands.«
Darüber lacht sie schallend. Sie muss sogar so lauthals darüber lachen, dass sie sich vorbeugt, die Seiten hält und auf meine Kosten wie eine Hyäne zu wiehern beginnt.
»Finden Sie meinen Körper etwa nicht aufregend?« Ich wackle mit den Augenbrauen, obwohl ich nicht glaube, dass sie mich sehen kann, so, wie sie sich jetzt die Augen reibt.
Ich habe mich seit Jahren nicht so heiter gefühlt.
»Doch, doch, sehr aufregend«, versichert sie mir kichernd.
»Meine ganzen guten Gene sind eindeutig in mein Aussehen gegangen. Aber ich werde mich an nichts von dem erinnern, was Sie mir, in welche Richtung es auch immer geht, erzählen. Dafür bin ich viel zu hohl.«
»Ich nehme alles zurück. Sie sind schlau, Mr Mathematiker. Und es war nett von Ihnen, mit mir aus der Bar zu gehen.«
»Quatsch, ich bin ein Arschloch.«
Jetzt funkelt sie mich wieder an. Ihre Augen leuchten, ihr Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln. »Freut mich zu hören, weil ich es verdiene, im Leben nur von Arschlöchern umgeben zu sein.«
Ich stupse sie an, vor allem, um eine Entschuldigung dafür zu haben, sie so zu berühren, wie sie mich in der Bar berührt hat. »Raus damit, was haben Sie so Furchtbares angestellt?«
Schluss mit dem Funkeln.
Mein Fehler.
Aber immerhin dient es einem höheren Zweck. Ich bin sicher, sie wird schon wieder funkeln, wenn sie sich erst alles von der Seele geredet hat.
Doch zuerst ernte ich ein weiteres schweres Seufzen. »Ich bin mit Freunden hier.«
»Das müssen reizende Leute sein, wenn sie Ihre Freunde sind.«
Momentan lebe ich dafür, wie ihre Lippen sich kräuseln, wenn sie ein Lächeln zu unterdrücken versucht, wenn ich etwas umwerfend Charmantes oder Amüsantes gesagt habe.
Und ich lebe dafür, wie sie meinem Arm einen spielerischen Stoß versetzt.
»Sie bedeuten Ärger«, sagt sie noch einmal.
»Selten – häufiger wäre mir lieber.«
Sie zuckt zusammen.
Ich warte.
»Ich habe zugelassen, dass eine meiner besten Freundinnen im ganzen Universum mit einem Kerl schläft, obwohl ich wusste, dass er Kätzchen umgebracht hatte«, sagt sie leise. »Dann hat sie sich in ihn verliebt, und als eine andere Freundin ihr das mit den Kätzchen gesagt hat, war sie deshalb schlimmer am Boden zerstört, als ich es für möglich gehalten hatte … aus sehr gutem Grund. Und ich bin schuld, dass sie jetzt nicht so lebt, wie sie es sich erträumt hat.«
»Weil sie glücklich gewesen wäre, wenn sie nicht erfahren hätte, dass er Kätzchen umgebracht hat?«
»Genau.«
Nicht die Antwort, die ich erwartet habe.
»Menschen bestehen aus vielen verschiedenen Facetten«, fügt sie leise hinzu. »Ich dachte … was seinen Charakter sonst ausmachte … würde den Katzenmord aufwiegen.«
»Nur um das klarzustellen, er hat in Wahrheit gar keine Kätzchen umgebracht, oder?«
»In der Größenordnung.« Wieder zuckt sie zusammen. »In etwa.«
»Wieso ist es, wenn jemand anderes etwas gesagt hat, was Ihre Freundin wissen musste, überhaupt Ihre Verantwortung und nicht die der anderen Person?«
»Weil es das ist, was ich tue. Ich höre zu. Ich beobachte. Ich lese zwischen den Zeilen. Ich weiß Dinge, bevor andere sie erfahren. Und über diese Sache wusste ich lange vor der Person Bescheid, die es ihr gesagt hat. Ich bin … in einem Friseursalon aufgewachsen, wo ich von den Besten der Besten gelernt habe, wie man ein Gossip Girl von der guten Sorte wird. Und seitdem entscheide ich, ob ich etwas verbreite oder nicht, auf der Grundlage der Theorie, dass ich weiß, wie man unterscheidet, ob der größere Schaden dadurch entsteht, dass ich etwas verbreite oder nicht. In dem Fall habe ich mich falsch entschieden. Sie nahm an, wir wären hier … um den nächsten Schritt … in ihrer Beziehung in Angriff zu nehmen, stattdessen ist unsere gesamte Clique auseinandergebrochen. Und sie sind nicht bloß Freundinnen. Sie sind meine Familie. Wenigstens für mich.«
Ich verkneife mir die instinktive Entgegnung, dass Familie ätzend ist. Ich habe Zen, und ich habe Mimi, deshalb weiß ich, dass Familie toll sein kann.
Doch wenn ich an meine Eltern, meine Geschwister und meine Nichten und Neffen denke, finde ich Familie ätzend.
Und wenn ich an meinen Geschäftspartner und neuerdings ehemaligen besten Freund denke, finde ich Familie ätzend.
Aber diese Frau – Duchess – hat eine Familie, die sie so sehr liebt, dass es ihr leidtut, was sie angerichtet hat, ganz gleich, wie gut ihre Absichten waren.
Ihr Haar hebt sich im Wind, und meine Intuition gebietet es mir, es ihr hinters Ohr zu stecken.
Ihr Haar ist weich, so weich und wunderbar lockig.
Ich möchte meine Hand darin versenken und es mir um den Finger wickeln, während ich sie küsse.
Sie holt tief Luft, weicht aber nicht zurück. Wenn überhaupt rückt sie näher. »Sie sollten nicht nett zu mir sein. Ich verletze Menschen, die nett zu mir sind.«
»Das tun wir alle.«
»Aber nicht so.«
»Sie gehen für eine Frau, die heute Abend alles unternommen hat, um anderen Menschen und Tieren Gutes zu tun, ganz schön hart mit sich ins Gericht.«
»Das genügt nicht, um wiedergutzumachen, was ich angerichtet habe.«
Sicher steckt viel mehr hinter ihrer Geschichte, und ich würde es gern erfahren. Ich möchte absolut alles erfahren. »Wenn es hilft, ich bin selbst eine Katastrophe. Mir zu helfen ist eine größere Last, als Sie sich jemals ausmalen könnten.«
Wieder kräuseln sich ihre Lippen. »Sie sind keine Katastrophe.«
»Oh doch, das bin ich. Ich schätze, mir gilt Ihre größte gute Tat heute Abend.«
»Sie wollen, dass meine größte gute Tat heute Abend Ihnen gilt?«
»Ich bekenne mich schuldig. Aber ich hatte heute auch einen Scheißtag. Wäre das keine gute gute Tat?«
»Mein Lehrer auf der Highschool wäre über den Satz begeistert gewesen.«
»Sehen Sie? Ich mache nichts als Ärger. Ich benötige jemanden, der mir Gutes tut.«
Sie lacht erneut.
Im nächsten Moment kreischt sie und springt auf, schlägt nach ihren Haaren und dreht sich im Kreis. »Nehmen Sie das weg. Nehmen Sie’s weg!«
Hinter uns jault eine Katze und verschwindet im Dunkel.
»Was …«, setze ich an und springe ebenfalls auf.
»Nehmen Sie’s weg!«
»Was soll ich wegnehmen?«
Sie tanzt im Kreis herum und fährt sich mit den Fingern durchs Haar. »Ungeziefer! Eidechsen! In meinen Haaren ist Eidechsenungeziefer!«
»Halten Sie still. Lassen Sie mich sehen.«
»Ich kann nicht stillhalten. Krabbeltiere. Krabbeltiere.«
Bei ihrer nächsten Umdrehung packe ich sie bei den Schultern. »Duchess. Lassen Sie mich mal sehen.«
»Es war … Moment. Moment mal. War das eine Katze? War das eine verfluchte Katze, die mit meinen Haaren gespielt hat?« Sie hört auf zu zappeln, schaut zu mir hoch und lässt ihre Hände sinken. »Sag mir bitte, dass eine Katze mit meinen Haaren gespielt hat.«
Ich kämme mit den Fingern durch ihr Haar, was mir besser gefällt, als es sollte. »Ich finde keine großen Insekten. Kleine auch nicht. Oder Eidechsen.«
»Oh Gott.« Sie krallt ihre Finger in mein Hemd, während ich weiter ihre Haare durchkämme. »Ich dachte, eine Kakerlake kriecht mir durch die Haare. Oder so ein Gecko.«
»Nee. So böse waren Sie nicht.«
»Doch, war ich.«
»Nein, waren Sie nicht.«
Sie packt mein Hemd fester.
Dann scheint sie zu begreifen, was sie tut.
Wie nahe wir einander gegenüberstehen.
Mist.
Ich spüre ihren Bauch an meinem Halbmast-Schwanz, und sie bemerkt meine Erregung bestimmt auch.
Sie atmet schneller.
Genau wie ich.
»Ich verdiene deine Freundlichkeit nicht«, flüstert sie.
»Nenn es meine Selbstsucht. Du faszinierst mich. Und du bist rattenscharf.«
Darüber lächelt sie nicht.
Stattdessen schaut sie im Mondlicht einfach zu mir hoch, während hinter uns die Wellen an den Strand schlagen.
Und dann wölbt sie sich gegen meine anschwellende Erektion.
Fuck, das fühlt sich gut an.
Und als ihre Hände meine Brust bis zum Hals hinaufgleiten, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, wiegt sie sich aufs Neue gegen meinen Schwanz.
Ich schlucke schwer, was jedoch nicht verhindert, dass mein primitives Verlangen meine Stimme belegt. »Mein Hotel ist gleich um die Ecke.«
»Kannst du den Tag heute vergessen machen?«
»Das wäre mir das allergrößte Vergnügen, Duchess.«
Sabrina Sullivan alias die Frau, die nicht aufhören kann, Reue auf Reue zu türmen
Ich lande in der Hölle.
Oder vielleicht bin ich schon dort.
So oder so hätte die Belohnung dafür, dass ich die Traumhochzeit meiner besten Freundin auf Hawaii ruiniert habe, nicht der heißeste One-Night-Stand meines Lebens sein dürfen.
Doch da bin ich, wie ich im Hotelzimmer eines Mannes herumschleiche, bis zum Hals in Schuldgefühlen versunken, und im Dunkeln meine Klamotten zu finden versuche, um ihn nicht zu wecken. Und für meine Sünden zu bezahlen.
Meine Sünde.
Einzahl.
Aber die einzige, die zählt.
Ich hätte Duke besser nicht erzählt, dass ich meine Busenfreundin mit einem Mann habe schlafen lassen, der Kätzchen ermordet hat.
Aber das war immerhin besser als die Wahrheit.
Hast du das Video gesehen, das rasant viral gegangen ist, von dieser total entgleisten Hochzeit heute Nachmittag, auf der die Braut unmittelbar vor dem Ehegelöbnis alles gestoppt hat, um dem Bräutigam vorzuhalten, dass er ihren Bruder, einen Adult-Entertainment-Star, für etwas ins Gefängnis hatte gehen lassen, das er selbst vor zehn Jahren verbrochen hatte? Ich war Trauzeugin; vielleicht hast du mich ja auch in dem Video gesehen.
Und ich hätte den schlimmsten Moment in Emmas Leben verhindern können, wenn ich ihr schon vor Jahren von der Geschichte mit dem Gefängnis erzählt hätte, was ich aber nicht getan habe, weil ich die Hauptregel im Verbreiten von Klatsch und Tratsch vergessen hatte, die da lautet, dass es manchmal keine richtige Lösung gibt, wenn man ein Geheimnis verraten will, nur eine weniger falsche.
Früher oder später kommt er sowieso dahinter. Sehr wahrscheinlich kann man zurzeit nicht ins Internet gehen, ohne auf das Video von Emmas Hochzeit zu stoßen.
Duke wird wahrscheinlich glauben, dass Chandler tatsächlich Kätzchen ermordet.
Doch das ist mir egal.
Aber was ist mir nicht egal?
Emma wird vermutlich nie wieder mit mir reden.
Was ich ihr nicht vorwerfen kann.
Ich kann mir noch so häufig sagen, dass sie wusste, wer Chandler war, und dass sie trotzdem beschloss, ihn zu lieben, und ihn heiraten wollte, ich fühle mich deshalb kein bisschen besser.
Ich hätte es ihr sagen müssen.
Er mag mein Cousin sein, und bis gestern, als er es unversehens verkaufte, war er in unserem Familiencafé praktisch sogar mein Chef. Noch etwas, das ich emotional erst noch verarbeiten und womit ich mich auseinandersetzen muss, wenn ich wieder zu Hause bin. Aber Emma ist meine Herzensschwester, und ich hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass sie wusste, was Chandler ihrem Bruder angetan hatte, besonders weil ich mir beinah sicher war, dass sie ebenso keine Ahnung hatte, dass er in Geldschwierigkeiten steckte.
Wir haben keine Geheimnisse voreinander, hatte sie uns immer versichert.
Sie behielt niemals etwas für sich.
Er jedoch schon.
Und das wusste ich.
Oh, fein, da ist mein BH. Mein Höschen kann ich immer noch nicht finden, aber wenigstens habe ich jetzt meinen BH. Ich stopfe ihn in meine Tasche, nähere mich kriechend dem Bett und taste nach meiner Unterwäsche und meinem zweiten Stiefel.
Der muss hier irgendwo sein.
Es sei denn, Duke hat ihn versteckt und plant, ihn zu behalten, weil er irgendeinen Cinderella-Fetisch hat.
Oder er behält ihn als Geisel, um sicherzustellen, dass ich keines seiner Geheimnisse verrate.
Er scheint jedoch keine Geheimnisse zu haben, abgesehen von dem quer über seinen breiten Brustkorb tätowierten lateinischen Satz sowie dem Umstand, dass er, aus Gründen, die er mir nicht mitteilen will, gestern einen miesen Tag hatte – und dass er mir seinen richtigen Namen nicht nennen wollte.
Und hätte ich nicht ohnehin vermutet, dass er nicht wirklich Duke heißt, hätte ich dennoch keinen anderen Beweis benötigt, als zu beobachten, wie er sich, als ich ihn nach dem Verlassen der Bar so nannte, umsah, als glaubte er, ich hätte jemand anderen angesprochen, und wie sich seine Wangen rosig verfärbten, als er sich selbst dabei ertappte und durch eine Antwort stolperte.
Was jedoch absolut kein Geheimnis ist?
Dass er heiß ist. Sein dunkles Haar ist dicht und überraschend weich. Wenn er grinst, bilden sich in den Winkeln seiner blauen Augen Fältchen, und auf seiner linken Wange erscheint die Andeutung eines Grübchens. Damit kommt die ganze Welt zum Stillstand. Wenn er dich ansieht, kommt es dir vor, als wollte er alles über dich herausfinden, was es zu wissen gibt. Er ist bezaubernd, ohne es darauf anzulegen, und er besitzt einen unwiderstehlichen Sinn für Humor.
Und das Wichtigste für eine Frau wie mich, die null Interesse daran hat, jemals eine langfristige Beziehung einzugehen, aber darauf steht, sich hier und da auf einen One-Night-Stand einzulassen, ist, dass die andere Frau in der Bar recht hatte: Er hat sehr lange Daumen. Und alles, was man so im Allgemeinen mit langen Daumen in Verbindung bringt.
Zudem hält er seine Ausstattung nicht für eine Selbstverständlichkeit und verlässt sich nicht allein auf deren Größe.
Java sei mir gnädig.
Ich habe nicht verdient, was dieser Mann letzte Nacht mit meinem Körper angestellt hat, und ich werde es wohl noch tagelang spüren.
»Ah, du stehst darauf, dich zu verdrücken, bevor der Kerl wach wird«, brummt er von der Bettkante und viel zu dicht an meinem Ohr.
Erschrocken japsend falle ich zurück auf meinen Hintern.
Verflixt.
Ich habe zu laut geatmet.
»Nein, nein, ich wollte nur Eis holen.« Ich bin so eine Lügnerin.
Bis gestern war ich nur jemand, der Gossip verbreitet. Aber seit zehn Stunden oder so kann ich, wann immer ich Duke ansehe, nicht umhin, es mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen.
Wenn man sein Leben lang die Menschen, ihre Beziehungen zueinander, ihre Schwächen und ihre Verwundbarkeit studiert, wenn man jedes Geheimnis in Reichweite in Erfahrung bringt und die möglichen Folgen dieser Geheimnisse erkennt, dann lernt man auch, wann man etwas ausplaudert und wann man sich besser nicht in die Karten schauen lässt.
Ich muss raus aus diesem Zimmer.
Ich muss verhindern, dass er mir folgt.
Ich glaube nicht, dass er mir bis zum Flughafen nachstellen und denselben Flieger wie ich besteigen würde, aber ich glaube sehr wohl, dass er haarscharf davorsteht, mir meine Telefonnummer abzuschwatzen. Und ich muss hier verschwinden, bevor ich einknicke und sie ihm gebe.
Ein Freund stand nicht auf der Liste der Dinge, die ich letzte Nacht zu finden erwartet hatte.
»Eis kann ich holen«, sagt er. »Komm wieder ins Bett.«
»Ich bin schon halb angezogen. Nenn es meine erste gute Tat des Tages.«
»Wenn mein Zeitgefühl mich nicht verlässt, hast du mir seit Mitternacht schon zweimal Gutes getan.«
Hitze wallt durch meinen Körper und färbt meine Wangen rot. »Von diesen guten Taten hatte ich mehr als du. Die zählen deshalb nicht.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich bin mir absolut sicher.«
»Wie wäre es, wenn jeder von uns eine auf sich nehmen würde, dann haben wir beide heute schon eine gute Tat vollbracht?«
Genau das ist das Problem.
Er ist faszinierend und charismatisch, gemischt mit einer Andeutung von Ungeschicklichkeit, die ihn erst so authentisch macht. Und diese Mischung macht aus ihm eine eine Million Mal größere Versuchung, als es angebracht wäre. Mir fallen daheim vier Frauen ein, mit denen ich ihn gern bekannt machen würde, wenn es ihnen nichts ausmachte, dass ich vorher mit ihm geschlafen habe.
Nur dass mich die Vorstellung, Freundinnen mit jemandem bekannt zu machen, mit dem ich kurz was hatte, zum ersten Mal seit Jahren mit Widerwillen erfüllt.
Ich muss hier weg.
Dieser heiße hawaiianische One-Night-Stand mit einem netten Mann nach einem miesen Tag bringt mein Gefühlsleben durcheinander. »Abgemacht«, sage ich, statt ihm zu widersprechen, während ich weiter nach meinem Stiefel krame.
»Aber du wirst mich nicht ghosten, oder?«, fragt er.
»Ich gehe Eis holen.« Ich werde ihn ghosten. Doch je länger ich nach meinem Stiefel suche, desto eher wird er dahinterkommen. Zu der Eismaschine neben dem Aufzug könnte ich gut barfuß laufen. »Aber wenn du aufstehen willst, könntest du schon mal ein Bad einlassen. Mein Leben wird nicht perfekt sein, wenn ich, bevor ich heimfliege, nicht herausfinde, wozu du in der Badewanne fähig bist.«
Noch einmal: Meine Belohnung dafür, zur Lügnerin zu verkommen, sollte nicht der beste Sex meines Lebens sein.
Schuldgefühle drängen heiß und mächtig auf mich ein, und es ist ein Wunder, dass sie nicht Gestalt annehmen und mit meinem fehlenden Stiefel auf mich eindreschen.
»Heimfliegen?« Ich sehe, wie sich der Umriss seines Kopfes von dem durch die Lücken der Vorhänge lugenden Mondlicht abhebt. »Du fliegst heute nach Hause?«
»Ja.« Endlich. Endlich mal was, das stimmt.
»Nach Jawbone?«
»Ja.« Ups. Noch eine Lüge. »Nach Jawbone.«
Wie originell, Sabrina.Warum hast du ihm nicht gleich gesagt, du würdest aus Springfield kommen? Es gibt praktisch in jedem Bundesstaat ein Springfield. Aber es gibt nur ein Snaggletooth Creek. Oder Tooth, wie wir Einheimischen gern sagen. Und Tooth ist nicht groß.
Jawbone war der erste Name, der mir in den Sinn kam.
»Wo deine Tante Applebee und dein Onkel Five Guys heimlich eine offene Ehe führen, weil sie es weder miteinander noch mit ihrem lieben Kind Little McDonald lange aushalten, was du total vergessen hast?«
Ich zucke zusammen.
Die reumütige Sabrina ist offenbar auch eine redselige Sabrina. Ich bereue nicht so häufig etwas, was meine einzige Entschuldigung dafür ist, nicht erkannt zu haben, dass ich, als ich erst mal angefangen hatte, meinen Gossip bei ihm abzuladen, nicht wieder damit aufhören konnte.
Nun weiß er alles über geklaute Post. Alles über peinliche Blind Dates. Über heimliche Babys. Und über Familienfehden.
Er kennt zwar nicht die richtigen Namen, und hier und da haben sich vielleicht ein paar Einzelheiten geändert, doch im Grunde weiß er alles.
Der Mann hat dermaßen gelacht, als ich ihm von der seit Langem bestehenden Meinungsverschiedenheit der Dodgers und Seahawks hinsichtlich gewisser Ölbohrungsrechte berichtete – eigentlich eine Fehde zwischen den Harpers und den Bryants wegen eines Bachs entlang ihrer Grundstücksgrenzen –, dass ich sofort noch mehr erzählt habe.
Und mehr.
Und mehr.
Und zu hören, wie er lachte und mir versprach, meine Geschichten sicher zu bewahren, damit ich es nicht selbst tun müsste.
Ich wünschte nur, ihm die Wahrheit zu sagen hätte mich auch von den Erinnerungen befreit.
»Wo ist der Eiskübel?«, frage ich ihn. Damit ich glaubwürdig erscheine.
»Vielleicht im Teeregal?«
Teeregal? Ich nenne so was Kaffeeregal. Und wieso wirkt er noch hinreißender auf mich, wenn er »Teeregal« sagt?
»Stimmt. Gefunden.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber ich wünschte, ich wäre Eis genug für dich, damit du auf der Stelle ins Bett zurückkommst.«
Seht ihr?
Er ist so lustig. Ich meine, wer sagt denn so was? »Bin in einer Minute wieder da.«
»Ich könnte dich in einer Minute zum Höhepunkt bringen, wenn du ins Bett zurückkommen würdest.«
Meine – eigentlich überstrapazierte – Vagina zieht sich zusammen. Sie glaubt ihm jedenfalls.
»Ich brauche sehr viel Aufmerksamkeit. Als Nächstes wünsche ich mir einen Orgasmus in der Badewanne. Aber zuerst Eis.«
Jetzt hat meine Vagina mir den Krieg erklärt.
Völlig zu Recht.
Schließlich weiß sie, dass ich lüge.
Nach der vergangenen Nacht müsste das Wort Orgasmus eigentlich genügen, um wieder zu ihm unter die Decke zu schlüpfen. Den Flieger nach Hause sausen zu lassen. Die hässliche Wirklichkeit zu ignorieren, in der Emma auf mich wütend, dass Café verkauft und meine Zukunft komplett ungewiss ist.
Wer würde stattdessen nicht gern noch ein paar Stunden voller grandioser Höhepunkte erleben?
Aber ich würde meine Kleidung nicht wegen der Orgasmen am liebsten gleich wieder ausziehen und zu ihm zurück ins Bett krabbeln, sondern wegen der kleinen, freundlichen Geste, mit der er jetzt einladend auf die Matratze klopft.
»Lass mich nur kurz das Eis holen.«
Ich habe diese Freundlichkeit nicht verdient.
Wo ich doch weiß, dass meine beste Freundin leidet und dass ich daran schuld bin.
Ich verdiene es, dass Chandler das Familiencafé verkauft hat, in dem ich seit jeher mein ganzes Leben verbringen wollte. Ich verdiene es, mir Sorgen machen zu müssen, dass alles auf den Kopf gestellt ist und es mir niemals gelingen wird, den neuen Besitzer dazu zu überreden, mir das Café zurückzuverkaufen. Ich verdiene es, genau zu wissen, dass ich mir das sowieso nicht leisten könnte, selbst wenn ich den neuen Inhaber, wer auch immer er sein mag, überzeugen könnte.
Ich verdiene es, dass Emma mich auf ewig hassen wird.
Ich würge eine weitere Welle ekliger Schuldgefühle hinunter, die ich während der Nacht unterdrückt habe. »Bleib. Ich hole das Eis.«
»Ich habe längere Beine. Damit ginge es schneller.«
»Würdest du das, bitte, mich machen lassen?«
»Nur wenn du mir deine Telefonnummer gibst.«
»Du willst meine Telefonnummer doch gar nicht.«
»Aber ja doch.«
»Du bist verkatert und denkst nicht klar.«
»Ich bin stocknüchtern und ein Morgenmensch und von dir angetan.«
Warum?
Wieso?
Wäre ich woanders und meine ganze Welt wäre mir nicht gerade wegen irgendwelcher Geheimnisse und Klatschgeschichten um die Ohren geflogen, würde ich sofort zu diesem Mann ins Bett zurückkriechen und ein Spiel mit ihm spielen, bei dem ich ihm für sexuelle Dienstleistung eine Ziffer meiner Telefonnummer nach der anderen verraten würde. Danach würden wir zusammen frühstücken gehen, ich würde ihn einladen, meinen Hund mit mir auszuführen, und wir würden einfach sehen, wohin uns das Ganze führen würde.
Was, nur fürs Protokoll, nicht normal für mich ist.
Ich bin eine Frau, die gern gelegentlich Typen aufreißt. Wenn du in deiner Jugend lernst, wie man zuhört und Geschichten aufschnappt, erfährt man Dinge, die man lieber nicht wissen würde. Und dann beginnt man, Dinge zu sehen, die man lieber nicht sehen würde.
Und manchmal ist man, ehe man sichs versieht, weil man erst neun Jahre alt ist, mittendrin, wenn es darum geht, Beziehungen implodieren zu lassen. Aber du bekommst es erst mit, wenn dich jemand schnell in die Caféküche schiebt, wo deine Großmutter deine Mutter anruft, damit sie dich dort abholt, bevor dir jemand wehtut, weil du irgendwas nachplapperst, das du überhaupt nicht hättest mitbekommen dürfen.
Dann wirst du etwas älter und hörst immer noch die gleichen Geschichten, behältst sie nun aber für dich. Und du hörst genug, um zu begreifen, dass wahrhaft feste, von wechselseitiger Liebe, Respekt und Wertschätzung geprägte Beziehungen selten sind und dass das Streben nach solchen Beziehungen in den meisten Fällen mit einem gebrochenen Herzen endet.
Zudem kenne ich auch die vollständige Wahrheit über meinen Familienstammbaum und wie sehr sowohl meine Mutter als auch meine Granny von Männern verletzt wurden, sodass ich selbst lieber voll und ganz auf sie verzichte.
Ja, meine Großmutter verbrachte ihr Leben schlussendlich mit dem besten aller Männer, meinem Großvater. Und, ja, meine Mutter hegt keinerlei Bedauern darüber, wie ihr Leben sich entwickelt hat.
Aber was ist mit dem Ausmaß an Kummer, den beide erlitten haben, um mit ihrem Leben zufrieden, aber davon keineswegs berauscht zu sein?
Keine Chance, ich habe einfach kein Interesse an einer Beziehung.
Selbst Emma, die immer mein Lieblingsbeispiel für eine Frau war, die jemanden trotz all seiner Mängel lieben konnte, erlebte diese eine große Liebesgeschichte unter Tausenden am Ende auch nicht.
Warum also will ich diesem Mann meine Nummer geben?
Wie steht es um die Vorstellung, mehr als eine Nacht mit ihm zu verbringen, wenn wir daheim wären?
Möchte ich, dass er meinen Hund kennenlernt?
Ich bin nicht ganz auf der Höhe meiner Gefühle. Und nicht ganz bei Verstand.
In diesem Zimmer riecht es nach Sex und nach noch mehr Sex, aber eigentlich riecht es nach schlechtem Gewissen und Reue.
»Ich komme nur zurück, wenn du mir versprichst, dass du ausschließlich in diesem Zimmer von mir angetan bist und nirgendwo sonst«, teile ich ihm mit.
»Du weißt, dass ich dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bin und dir im Augenblick alles verspreche, was du verlangst?«
Mein ganzer Körper erhellt sich wie unser heimischer See am Valentinstag, wenn wir ihn für das Eislaufen der Liebespaare illuminieren.
Er hat die ganze Nacht lang ungezogene, unanständige, köstliche Dinge mit mir angestellt, die mich ihn um Zugaben haben anflehen lassen, weil er mir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war.
Nicht, dass ich ihm nicht auch vollständig ausgeliefert gewesen wäre.
»Ich gehe Eis holen«, sage ich zu ihm.
»Dreh auf dem Weg nach draußen das Badewasser auf, wir treffen uns dann dort.«
»Du solltest mal mit jemandem über deinen Frauengeschmack reden.«
Er gluckst. »Ich mag dich. Und ich mag Menschen nicht so schnell. Da musst du es wohl wert sein.«
»Sollte ich besser nicht wiederkommen? Ernsthaft, das zwischen uns bleibt in diesem Zimmer.«