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Das uralte, legendenumwobene I Ging ist zugleich Orakel, Philosophie und praktische Lebenshilfe. Der Sinologe Richard Wilhelm hat es, mit Erläuterungen versehen, ins Deutsche übertragen. Diese Übersetzung wurde wiederum ins Englische übertragen, so erst wurde das I Ging ein Welterfolg - mehr als 2000 Jahre nach den Ursprüngen im alten China. Das Buch ist durchsetzt mit Lehren des Kungtse (Kung-fu-tse, Konfuzius) sowie anderen chinesischen philosophischen Traditionen. In China war es früher Pflichtlektüre für angehende Beamten. Die Inhalte des Werkes sind mal glasklar, mal rätselhaft - genau das macht auch die Faszination dieses uralten, großartigen Buchs aus.
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Seitenzahl: 323
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Das I Ging ist ein altes, durch klassische chinesische Philosophie geprägtes Orakel, das bei der Beantwortung von ungelösten Fragen hilft. Früher wurden dazu Stengel der Schafgarbe geworfen, was für uns heute, schon wegen des Mangels an Schafgarbe in deutschen Städten, nur schwer durchzuführen ist. Ebensogut kann man seine Fragen an das Orakel mit sechs Würfen von drei gleichen Kupfermünzen stellen. Der Wert jedes Wurfs wird notiert, aus diesen Zahlen ergibt sich das Hexagramm für die Antwort des Orakels. Ein Hexagramm mit Wandlungssymbolen gibt zwei Antworten.
Beispielwürfe mit drei Pfennigstücken (Pfennige, alte deutsche Währung, jede andere Kupfermünze geht auch):Kopf zählt 2 PunkteZahl zählt 3 Punkte Jede Punktzahl (mögliche Zahlen sind 6, 7, 8, 9) entspricht einem Symbol.
1. Wurf
6 Punkte
Symbol: altes Ying
2. Wurf
7 Punkte
Symbol: junges Yang
3. Wurf
8 Punkte
Symbol: junges Ying
4. Wurf
9 Punkte
Symbol: altes Yang
5. Wurf
8 Punkte
Symbol: junges Ying
6. Wurf
6 Punkte
Symbol: altes Ying
Unser Beispielhexagramm sieht also so aus:
6 8 9 8 7 6
Wenn ein Hexagramm die Wandlungssymbole ( oder ) enthält, wird ein zweites (Wandlungs-)Hexagramm daraus erzeugt. Hierbei verwandelt sich von (= ) in verwandelt sich von (= ) in Das Orakel gibt also manchmal zwei Antworten auf eine Frage; in unserem Beispiel ergeben sich zwei Bedeutungen:
Würfe
1. Bedeutung
2. Bedeutung
1. Gruppe:
6 8 9
2. Gruppe:
Zur Befragung des Orakels wird in der Tabelle die erste Dreiergruppe waagrecht und die zweite senkrecht gesucht. Das Orakel antwortet beim Klick auf die sich so ergebenden Zahl.
I-Ging
1. Gruppe ? 2. Gruppe ?
1
11
34
5
26
9
14
43
12
2
16
8
23
20
35
45
25
24
51
3
27
42
21
17
6
7
40
29
4
59
64
47
33
15
62
39
52
53
56
31
44
46
32
48
18
57
50
28
13
36
55
63
22
37
30
49
10
19
54
60
41
61
38
58
8 7 6
oben Kien, das Schöpferische, der Himmel
unten Kien, das Schöpferische, der Himmel
Das Zeichen besteht aus sechs ungeteilten Strichen. Die ungeteilten Striche entsprechen der lichten, starken, geistigen, tätigen Urkraft. Das Zeichen ist ganz einheitlich stark in seiner Natur. Da ihm keinerlei Schwäche anhaftet, ist es seiner Eigenschaft nach die Kraft. Sein Bild ist der Himmel. Die Kraft wird dargestellt als nicht gebunden an bestimmte räumliche Verhältnisse. Darum wird sie aufgefaßt als Bewegung. Als Grundlage dieser Bewegung kommt die Zeit in Betracht. So ist denn auch die Macht der Zeit und die Macht des Beharrens in der Zeit, die Dauer, in dem Zeichen begriffen.
Bei der Erklärung des Zeichens ist durchgehend eine doppelte Deutung zu berücksichtigen: die makrokosmische und die Wirkung in der Menschenwelt. Auf das Weltgeschehen angewandt ist in dem Zeichen das starke schöpferische Wirken der Gottheit ausgedrückt. Auf die Menschenwelt angewandt bezeichnet es das schöpferische Wirken des Heiligen und Weisen, des Herrschers und Führers der Menschen, der ihr höheres Wesen durch seine Kraft weckt und entwickelt . (Das Zeichen ist dem 4- Monat (Mai-Juni) zugeordnet, wenn die lichte Kraft auf ihrer Höhe steht, noch ehe die Sonnenwende den Rückgang des Jahres beginnt.)
Das Schöpferische wirkt erhabenes Gelingen,
fördernd durch Beharrlichkeit
Dem ursprünglichen Sinne nach gehören die Eigenschaften paarweise zusammen. Für den, der dies Orakel gewinnt, bedeutet das, daß ihm Gelingen aus den Urtiefen des Weltgeschehens zuteil werden wird und daß alles darauf ankommt, daß er allein durch Beharrlichkeit im Rechten sein und anderer Glück sucht.
Sehr früh hat sich das Nachdenken den vier Eigenschaften in ihrer Sonderbedeutung zugewandt. Das chinesische Wort, das mit »erhaben« wiedergegeben ist bedeutet »Haupt, Ursprung, groß«. Darum heißt es in der Erklärung des Kungtse: »Groß wahrlich ist die Ursprungskraft des Schöpferischen, alle Wesen verdanken ihm ihren Anfang. Und diese Kraft durchdringt den ganzen Himmel.« Denn diese erste Eigenschaft geht auch durch die drei andern hindurch.
Der Anfang aller Dinge liegt sozusagen noch im Jenseitigen in der Form von Ideen, die erst zur Verwirklichung kommen müssen. Aber im Schöpferischen liegt auch die Kraft, diesen Urbildern der Ideen Gestalt zu verleihen. Das wird in dem Wort »Gelingen« bezeichnet. Dieser Vorgang wird dargestellt unter einem Bild der Natur (Vgl. Genesis Kap. 2, I ff., wo auch die Entfaltung des Einzelwesens auf das Fallen des Regens zurückgeführt wird.)
»Die Wolken gehen, und der Regen wirkt, und alle einzelnen Wesen strömen in ihre Gestalt ein.« Auf das menschliche Gebiet übertragen zeigen diese Eigenschaften dem großen Mann den Weg zu großem Erfolg: »Indem er in großer Klarheit die Ursachen und Wirkungen schaut, vollendet er zur rechten Zeit die sechs Stufen und steigt zur rechten Zeit auf ihnen wie auf sechs Drachen empor zum Himmel.« Die sechs Stufen sind die sechs Einzelpositionen des Zeichens, die weiter unten unter dem Bild von Drachen dargestellt werden. Als Weg zum Erfolg ist hier das Erkennen und Verwirklichen des Weltsinnes bezeichnet, der als durchlaufendes Gesetz durch Ende und Anfang alle zeitlich bedingten Erscheinungen bewirkt. So wird jede erreichte Stufe zugleich die Vorbereitung für die nächste, und die Zeit ist dann kein Hemmnis mehr, sondern das Mittel der Verwirklichung des Möglichen.
Nachdem durch die beiden Eigenschaften erhaben und Gelingen der Schöpfungsakt zum Ausdruck kam, wird im Anschluß an die beiden Ausdrücke »fördernd«, d. h. wörtlich »schaffend, was das dem Wesen Entsprechende ist«, und »beharrlich«, d.h. wörtlich »recht und fest«, das Werk der Erhaltung als fortlaufend sich verwirklichende Ausgestaltung aufgezeigt. »Der Lauf des Schöpferischen verändert und gestaltet die Wesen, bis jedes seine rechte, ihm bestimmte Natur erlangt, dann bewahrt er sie in Übereinstimmung mit dem großen Gleichmaß. So zeigt er sich fördernd durch Beharrlichkeit.«
Auf das menschliche Gebiet übertragen ergibt sich hieraus, wie der große Mann durch seine ordnende Tätigkeit der Welt Frieden und Sicherheit bringt: »Indem er sich mit seinem Haupt erhebt über die Menge der Wesen, kommen alle Lande zusammen in Ruhe.«
Eine andere Spekulation geht mit der Trennung der Worte »erhaben, Gelingen, fördernd, beharrlich« noch weiter und setzt sie in Parallele mit den vier menschlichen Kardinaltugenden: Der »Erhabenheit«, die zugleich als Grundprinzip alle andern Eigenschaften einschließt, wird die Liebe zugeordnet. Der Eigenschaft »Gelingen« wird die Sitte zugeordnet, die die Äußerungen der Liebe ordnet, organisiert und darum erfolgreich macht. Der Eigenschaft »fördernd« wird die Gerechtigkeit zugeordnet, die Zustände schafft, in denen jeder das seinem Wesen Entsprechende, was ihm gebührt und sein Glück ausmacht, erhält. Der Eigenschaft der »Beharrlichkeit« wird die Weisheit zugeordnet, die die festen Gesetze alles Geschehens erkennt und darum dauernde Zustände zu schaffen vermag.
Diese Spekulationen, die schon in dem Aufsatz Wen Yen im zweiten Teil des Buchs der Wandlungen angeregt sind, haben dann die Brücke gebildet, auf der die Philosophie der fünf Wandlungsstufen (Elemente) die im Buch der Urkunden verankert ist, mit der Philosophie des Buchs der Wandlungen, die rein auf der polaren Zweiheit von positiven und negativen Prinzipien beruht, kombiniert wurde, wodurch dann im Lauf der Zeit einer immer weiter gehenden Zahlensymbolik die Tür geöffnet wurde.
(Das Schöpferische bewirkt Anfang und Zeugung aller Wesen. Man kann es daher bezeichnen als Himmel, lichte Kraft, Vater, Herr. Es ist nun eine Frage, ob das Schöpferische im Chinesischen persönlich gedacht ist wie Zeus bei den Griechen. Die Antwort lautet, daß dieses Problem für das Chinesentum gar nicht das Wichtigste ist. Das Göttlich-Schöpferische ist sozusagen überpersönlich. Es macht sich nur fühlbar und bemerkbar durch seine übermächtige Aktivität. Wohl hat es sozusagen ein Äußeres, das ist der Himmel. Und der Himmel hat wie das Lebende ein seelisches Selbstbewußtsein, das ist Gott (der höchste Herrscher). Allein ganz objektiv redet man von dem allen als dem Schöpferischen.)
DAS BILD
Des Himmels Bewegung ist kraftvoll.
So macht der Edle sich stark und unermüdlich
Die Verdoppelung des Zeichens Kien, dessen Bild der Himmel ist, deutet, da es nur einen Himmel gibt, auf die Bewegung des Himmels. Eine vollendete Kreisbewegung des Himmels ist ein Tag. Die Verdoppelung des Zeichens bedeutet, daß auf jeden Tag ein weiterer folgt. Das erzeugt die Vorstellung der Zeit und zugleich, da es derselbe Himmel ist, der sich in unermüdlicher Kraft bewegt, der kraftvollen Dauer in und über der Zeit, einer Bewegung, die nie stillsteht oder erlahmt, wie Tag um Tag einander dauernd folgen. Diese Dauer in der Zeit ist das Bild der Kraft, wie sie dem Schöpferischen zu eigen ist.
Der Weise entnimmt daraus das Vorbild dafür, wie er sich zu dauernder Wirkung zu entwickeln vermag. Er muß sich ganz einheitlich stark machen, indem er alles Niederziehende, Gemeine bewußt ausschaltet. So gewinnt er die Unermüdlichkeit, die auf geschlossenen Tätigkeitskreisen beruht
Die Einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
Verdeckter Drache. Handle nicht.
Der Drache hat in China eine ganz andere Bedeutung als in der westlichen Auffassung. Der Drache ist das Symbol der beweglich-elektrischen, starken, anregenden Kraft, die sich im Gewitter zeigt. Diese Kraft zieht sich im Winter in die Erde zurück, tritt im Frühsommer wieder in Wirkung und erscheint am Himmel als Blitz und Donner. Infolge davon regen sich dann auf der Erde auch die schöpferischen Kräfte wieder.
Hier ist diese schöpferische Kraft noch verdeckt unterhalb der Erde und hat daher noch keine Wirkung. Das bedeutet, auf menschliche Verhältnisse übertragen, daß ein bedeutender Mensch noch unerkannt ist. Aber er bleibt sich darum dennoch selber treu. Er läßt sich von äußerem Erfolg und Mißerfolg nicht beeinflussen, sondern wartet stark und unbekümmert seine Zeit ab.
So gilt es für den, der diesen Strich zieht, zu warten in ruhig starker Geduld. Die Zeit wird sich schon erfüllen. Man braucht nicht zu fürchten, daß ein starker Wille sich nicht durchsetzt. Doch gilt es, seine Kraft nicht voreilig auszugeben und etwas erzwingen zu wollen, das noch nicht an der Zeit ist.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Erscheinender Drache auf dem Feld. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Hier beginnen die Wirkungen der lichten Kraft sich zu zeigen. Auf menschliche Verhältnisse übertragen bedeutet das, daß der große Mann auf dem Felde seiner Tätigkeit erscheint. Noch hat er keine herrschende Stellung, sondern ist noch unter Seinesgleichen. Aber was ihn vor andern auszeichnet, ist sein Ernst, seine unbedingte Zuverlässigkeit, der Einfluß, den er ohne bewußte Anstrengung auf seine Umgebung ausübt. Ein solcher Mensch ist dazu bestimmt, großen Einfluß zu bekommen und die Welt in Ordnung zu bringen. Darum ist es fördernd, ihn zu sehen.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Edle ist den ganzen Tag schöpferisch tätig. Des Abends noch ist er voll innerer Sorge. Gefahr. Kein Makel.
Ein Wirkungskreis eröffnet sich für den bedeutenden Mann. Sein Ruhm beginnt sich auszubreiten. Die Massen fallen ihm zu. Seine innere Kraft ist der gesteigerten äußeren Tätigkeit gewachsen. Es gibt alle Hände voll zu tun, und selbst abends noch, da andere ruhen, drängen sich die Pläne und Sorgen. Eine Gefahr ist hier vorhanden am Platz des Überganges aus der Niedrigkeit in die Höhe. Schon mancher große Mann ging dadurch zugrunde, daß die Massen ihm zueilen und ihn mitrissen in ihre Bahnen hinein. Ehrgeiz verdarb die innere Reinheit. Aber wahre Größe wird durch Versuchungen nicht beeinträchtigt. Wenn man in Fühlung bleibt mit den Keimen der neuen Zeit und ihren Forderungen, so besitzt man genügende Vorsicht, sich vor Abwegen zu hüten, und bleibt ohne Makel.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
Schwankender Aufschwung über die Tiefe. Kein Makel.
Hier ist die Stelle des Übergangs erreicht, wo die Freiheit sich betätigen kann. Eine doppelte Möglichkeit liegt vor dem bedeutenden Mann: entweder sich aufzuschwingen und im großen Leben maßgebend zu sein oder sich zurückzuziehen und in der Stille seine Persönlichkeit auszubilden: der Weg des Helden oder des verborgenen Heiligen. Welches der richtige ist, darüber gibt es kein allgemeines Gesetz. Jeder, der in solcher Lage ist, muß nach den innersten Gesetzen seines Wesens sich frei entscheiden. Wenn er ganz wahr und folgerichtig handelt, so findet er den Weg, der ihm entspricht, und dieser Weg ist für ihn recht und ohne Makel.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Fliegender Drache am Himmel. Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Hier ist der große Mann in der Sphäre der Himmlischen angelangt. Sein Einfluß erstreckt sich weithin sichtbar über die ganze Welt. Jeder, der ihn sieht, kann sich selig preisen. Kungtse sagt darüber: »Was im Ton übereinstimmt, schwingt miteinander. Was wahlverwandt ist im innersten Wesen, das sucht einander. Das Wasser fließt zum Feuchten hin, das Feuer wendet sich dem Trockenen zu. Die Wolken (des Himmels Atem) folgen dem Drachen, der Wind (der Erde Atem) folgt dem Tiger. So erhebt sich der Weise und alle Wesen blicken nach ihm. Was vom Himmel stammt, fühlt sich verwandt mit dem, was droben ist. Was von der Erde stammt, fühlt sich verwandt mit dem, was drunten ist. Jedes folgt seiner Art.«
Oben eine Neun bedeutet:
Hochmütiger Drache wird zu bereuen haben.
Wenn man so hoch emporsteigen will, daß man die Fühlung mit den übrigen Menschen verliert, so wird man vereinsamt, und das führt notwendig zu Mißerfolg. Hier liegt eine Warnung gegen ein titanisches Emporstreben, das über die Kraft geht. Ein Sturz zur Tiefe würde die Folge sein.
Wenn lauter Neunen erscheinen, bedeutet das:
Es erscheint eine Schar von Drachen ohne Haupt. Heil!
oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Kien, das Schöpferische, der Himmel
Das Empfangende, dessen Bewegung sich nach unten senkt, ist oben, das Schöpferische, dessen Bewegung nach oben steigt ist unten. Ihre Einflüsse begegnen daher einander und sind in Harmonie, so daß alle Wesen blühen und gedeihen. Das Zeichen ist dem ersten Monat (Februar-März) zugeordnet, in dem die Kräfte der Natur den neuen Frühling vorbereiten.
Der Friede. Das Klein geht hin, das Große kommt her.
Heil! Gelingen!
Das Zeichen deutet in der Natur auf eine Zeit, da sozusagen der Himmel auf Erden ist. Der Himmel hat sich unter die Erde gestellt. So vereinigen sich ihre Kräfte in inniger Harmonie. Dadurch entsteht Friede und Segen für alle Wesen.
In der Menschenwelt ist es eine Zeit gesellschaftlicher Eintracht. Die Hohen neigen sich zu den Niedrigen herab, und die Niedrigen und Geringen sind den Hohen freundlich gesinnt, so daß alle Fehde ein Ende hat.
Innen, im Zentrum, am ausschlaggebenden Platz, ist das Lichte; das Dunkle ist draußen. So hat das Licht kräftige Wirkung, und das Dunkle ist nachgiebig. Auf dies Wiese kommen beide Teile auf ihre Rechnung. Wenn die Guten in der Gesellschaft in zentraler Stellung sind und die Herrschaft in Händen haben, so kommen auch die Schlechten unter ihren Einfluß und bessern sich. Wenn im Menschen der vom Himmel kommende Geist herrscht, da kommt auch die Sinnlichkeit unter seinen Einfluß und findet so den ihr gebührenden Platz.
Die einzelnen Linien treten von unten her in das Zeichen ein und verlassen es oben wieder. Es sind also die Kleinen, Schwachen, Schlechten im Weggang begriffen, und die Großen, Starken, Guten sind im Aufstieg. Das bringt Heil und Gelingen.
DAS BILD
Himmel und Erde vereinigen sich: das Bild des Friedens.
So teilt und vollendet der Herrscher
den Lauf von Himmel und Erde,
fördert und ordnet die Gaben von Himmel und Erde
uns steht so dem Volke bei.
Himmel und Erde stehen im Verkehr und vereinigen ihre Wirkungen. Das gibt eine allgemeine Zeit des Blühens und Gedeihens. Dieser Kraftstrom muß vom Herrscher der Menschen geregelt werden. Das geschieht durch Einteilung. So wird die unterschiedslose Zeit entsprechen der Folge ihrer Erscheinungen vom Menschen in Jahreszeiten eingeteilt und der allumgebende Raum durch menschliche Festsetzungen in Himmelsrichtungen unterschieden. Auf diese Weise wird die Natur mit ihrer überwältigenden Fülle der Erscheinungen beschränkt und gebändigt. Auf der andern Seit muß die Natur in ihren Hervorbringungen gefördert werde. Das geschieht, wenn man die Erzeugnisse der richtigen Zeit und dem richtigen Ort anpaßt. Dadurch wird der natürliche Ertrag gesteigert. Diese bändigende und fördernde Tätigkeit der Natur gegenüber ist die Arbeit an der Natur, die dem Menschen zugute kommt. (Denselben Gedanken hat Goethe ausgedrückt in den Versen: Dich im Unendlichen zu finden, Mußt unterscheiden und verbinden)
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neuen bedeutet:
Zieht man Bandgras aus, so geht der Rasen mit. Jeder nach seiner Art. Unternehmungen bringen Heil.
In Zeiten der Blüte zieht jeder tüchtige Mann, der auf einen Posten berufen wird, sofort andere Gleichgesinnte nach sich, wie man beim Herausziehen von Bandgras immer gleich mehrere durch die Wurzeln miteinander zusammenhängende Stengel mit herauszieht. Der Sinn des Tüchtigen ist in solchen Zeiten, da die Wirkung im Großen möglich ist, darauf gerichtet, ins Leben hinauszuziehen und etwas zu leisten.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Die Ungebildeten in Milde trage, entschlossen den Fluß durchschreiten, das Ferne nicht vernachlässigen, die Genossen nicht berücksichtigen: so mag man es fertigbringen, in der Mitte zu wandeln.
In Zeiten der Blüte ist es vor allem wichtig, daß man die innere Größe besitzt, auch die Unvollkommenen zu tragen. Denn ein großer Meister kennt kein unfruchtbares Material. Er kann aus allem noch etwas machen. Diese Weitherzigkeit ist aber keineswegs Nachlässigkeit oder Schwäche. Man muß gerade in Blütezeiten stets bereit sein, auch gefährliche Unternehmungen, wie das Überschreiten eines Flusses, zu wagen, wenn sie notwendig sind. Ebenso gilt es nicht, das Entfernte zu vernachlässigen, sondern mit Pünktlichkeit alles zu besorgen. Vor Parteiungen und Cliquenwirtschaft hat man sich besonders zu hüten. Denn wenn auch die Gleichgesinnten zusammen hervortreten, dürfen sie doch nicht durch gegenseitiges Zusammenhalten eine Partei bilden, sondern es muß jeder seine Pflicht tun. Diese vier Dinge sind es, durch die man die verborgene Gefahr allmählichen Erschlaffens, die in jeder Friedenszeit lauert, überwinden kann, und auf diese Weise findet man die rechte Mitte des Handelns.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Keine Ebene, auf die nicht ein Abhang folgt, kein Hingang, auf den nicht die Wiederkehr folgt. Ohne Makel ist, wer beharrlich bleibt in Gefahr. Beklage dich nicht über diese Wahrheit, genieße das Glück, das du noch hast.
Alles Irdische ist dem Wechsel unterworfen. Auf Blüte folgt Niedergang. Das ist das ewige Gesetz auf Erden. Das Schlechte kann wohl zurückgedrängt, aber nicht dauern beseitigt werden. Es kommt wieder. Diese Überzeugung könnte einen schwermütig machen. Aber das soll sie nicht. Sie soll nur bewirken, daß man im Glück nicht in Verblendung gerät. Bleibt man der Gefahr eingedenk, so bleibt man beharrlich und macht keinen Fehler. Solange das innere Wesen stärker und voller bleibt als das äußere Glück, solange wir innerlich dem Schicksal überlegen bleiben, solange bleibt das Glück uns treu.
Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Er flattert hernieder, nicht pochend auf Reichtum, zusammen mit seinem Nächsten, arglos und wahrhaftig.
In Zeiten gegenseitigen Vertrauens kommen die Hohen ganz einfach, und ohne auf ihren Reichtum zu pochen, gemeinsam zu den Niedrigen. Das ist nicht Zwang der Umstände, sondern entspricht der innersten Gesinnung. Dann macht sich die Annäherung ganz zwanglos, weil sie auf innerer Überzeugung beruht.
Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Der Herrscher I gibt seine Tochter in die Ehe. das bringt Segen und erhabenes Heil.
Der Herrscher I ist Tang, der Vollender. Er hatte bestimmt, daß die kaiserlichen Prinzessinnen, trotzdem sie im Rang höher standen als die Gatten, denen sie vermählt wurden, ebenso ihren Gatten zu gehorchen hatten wie andere Ehefrauen. Auch hier ist auf wirklich bescheidene Vereinigung von hoch und niedrig hingewiesen, die Glück und Segen bringt.
Oben eine Sechs bedeutet:
Der Wall fällt wieder in den Graben. Jetzt brauche keine Heere. In der eigenen Stadt verkünde deine Befehle. Beharrlichkeit bringt Beschämung.
oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Kien, das Schöpferische, der Himmel
Die großen, d.h. lichten, starken Linien sind mächtig. Vier lichte Linien sind von unten her in das Zeichen eingetreten und sind im Begriff, weiter aufzusteigen. Das obere Halbzeichen ist Dschen, das Erregende, das untere Kien, das Schöpferische. Das Schöpferische ist stark, das Erregende bewegend. Die Vereinigung von Bewegung und Stärke gibt den Sinn der Macht des Großen. Das Zeichen ist dem zweiten Monat (März-April) zugeordnet.
Des Großen Macht. Fördernd ist Beharrlichkeit
Das Zeichen deutet auf eine Zeit, da innerer Wert gewaltig aufsteigt und zur Macht kommt. Aber die Stärke hat die Mitte schon überschritten. Darum liegt die Gefahr nahe, daß man sich auf seine Macht verläßt, ohne jederzeit nach dem Rechten zu frage, daß man auf Bewegung aus ist, ohne auf die rechte Zeit zu warten. Deshalb ist der Satz beigefügt, daß Beharrlichkeit förderlich ist, denn das ist eben wirklich große Macht, die nicht in bloße Gewalt ausartet, sondern innerlich verbunden bleibt mit den Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit. Wenn man diesen Punkt versteht, daß Größe und Gerechtigkeit untrennbar verbunden sein müssen, so versteht man den wahren Sinn alles Weltgeschehens in Himmel und Erde.
DAS BILD
Der Donner ist am Himmel droben:
das Bild der Macht des Großen.
So tritt der Edle nicht auf Wege,
die nicht der Ordnung entsprechen.
Der Donner, die elektrische Kraft, steigt im Frühjahr nach oben. Diese Bewegung ist im Einklang mit der Richtung der Bewegung des Himmels. Es ist also eine Bewegung in Übereinstimmung mit dem Himmel, die große Macht bewirkt. Wahre Größe beruht aber darauf, daß sie in Einklang ist mit dem, was recht ist. Darum hütet sich der Edle in Zeiten großer Macht, etwas zu tun, das nicht im Einklang ist mit dem, was der Ordnung entspricht.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
Macht in den Zehen. Fortmachen bringt Unheil. Das ist gewißlich wahr.
Die Zehen sind ganz unten und sind bereit voranzuschreiten. So ist große Macht an niederer Stelle geneigt, gewaltsam den Fortschritt zu erzwingen. Das würde aber, wenn man so weiter macht, sicher ins Unheil führen. Daher ist als Rat eine Warnung beigefügt.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil
Die vorausgesetzte Lage ist, daß die Pforten des Erfolges sich zu öffnen beginnen. Der Widerstand beginnt zu weichen. Man kommt machtvoll voran. Dies ist der Punkt, wo allzu leicht der Übermut einsetzt, der sich nicht zügeln kann. Darum das Orakel, daß Beharrlichkeit - nämlich im inneren Gleichgewicht, ohne betriebene Machtwirkung - Heil bringt.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Gemeine wirkt durch Macht, der Edle wirkt nicht so. Fortmachen ist gefährlich. Ein Ziegenbock stößt gegen eine Hecke und verwickelt seine Hörner.
Das Pochen auf Macht führt zu Verwicklungen, wie ein Bock, der gegen eine Hecke stößt, seine Hörner verwickelt. Während der Gemeine, wenn er im Besitz der Macht ist, darin schwelgt, mach es der Edle nicht so. Er ist sich der Gefahr des Weitermachens unter allen Umständen bewußt und verzichtet daher rechtzeitig auf bloße Machtenfaltung.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil. Die Reue schwindet. Die Hecke öffnet sich, es gibt keine Verwicklung. Die Macht beruht auf er Achse eines großen Wagens.
Wenn man beharrlich und still fortarbeitet an der Beseitigung der Widerstände, dann gelingt es schließlich*. Die Hemmnisse weichen, und der Anlaß zur Reue, der auf einer Übertreibung der Anwendung von Macht beruht, verschwindet.
Die Macht zeigt sich nicht äußerlich, aber sie hat die Wirkung, daß sie schwere Lasten voranbringt wie ein großer Wagen, dessen Stärke auf seiner Achse beruht. Je weniger man die Macht nach außen hin anwendet, desto stärker wirkt sie.
Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Verliert den Bock in Leichtigkeit. Keine Reue
Der Bock zeichnet sich durch äußere Härte bei innerer Schwäche aus. Nun ist die Lage so, daß alles ganz leicht ist; kein Widerstand ist mehr vorhanden. Da mag man das kampfbereite, bockige Wesen ablegen und wird es nicht zu bereuen haben.
Oben eine Sechs bedeutet:
Ein Bock stößt gegen eine Hecke: Er kann nicht zurück, er kann nicht voran. Nichts ist fördernd. Merkt man die Schwierigkeiten, so bringt das Heil.
Wenn man sich zu weit vorwagt, so kommt man an einen toten Punkt, wo man weder vorwärts noch rückwärts kann und alles nur dazu dient, die Sache noch verwickelter zu machen. Bei solchem Eigensinn kommt man in unüberwindliche Schwierigkeiten. Wenn man die Lage einsieht und nicht fortmachen will, sondern sich beruhigt, so wird mit der Zeit alles wieder gut werden.
(* Das gilt auch für Kämpfe mit der eigenen unvollkommenen Natur. Auch hier gilt es, trotz dauernder Rückfälle nicht müde zu werden, sondern fortzumachen, bis der Erfolg sich einstellt und der Moment eintritt, wo es heißt:
alles Vergängliche,
oben das Abgründige, das Wasser
unten das Schöpferische. der Himmel
Alle Wesen bedürfen der Nahrung von oben. Aber das Spenden der Speise hat seine Zeit, die man erwarten muß. Das Zeichen zeigt die Wolken am Himmel, die Regen spenden, der alles Gewächs erfreut und den Menschen mit Speise und Trank versieht. Dieser Regen wird kommen zu seiner Zeit. Man kann ihn nicht erzwingen, sondern muß darauf warten. Der Gedanke des Wartens wird außerdem nahegelegt durch die Eigenschaften der beiden Urzeichen: innen Stärke, davor Gefahr. Stärke vor Gefahr überstürzt sich nicht, sondern kann warten, während Schwäche vor Gefahr in Aufregung gerät und nicht die Geduld zum Warten hat.
Das Warten.
Wenn du wahrhaftig bist, so hast du Licht und Gelingen.
Beharrlichkeit bringt Heil.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Das Warten ist kein leeres Hoffen. Es hat die innere Gewißheit sein Ziel zu erreichen. Nur diese innere Gewißheit gibt das Licht das allein zum Gelingen führt. Das führt zur Beharrlichkeit, die Heil bringt und die Kraft verleiht, das große Wasser zu durchqueren.
Eine Gefahr liegt vor einem, die überwunden werden muß. Schwäche und Ungeduld vermögen nichts. Nur wer stark ist, wird mit seinem Schicksal fertig, denn er kann infolge der inneren Sicherheit ausharren. Diese Stärke zeigt sich in unerbittlicher Wahrhaftigkeit. Nur wenn man den Dingen, so wie sie sind, ins Auge zu schauen vermag, ohne jeden Selbstbetrug und Illusion, entwickelt sich aus den Ereignissen ein Licht, das den Weg zum Gelingen erkennen läßt. Auf diese Erkenntnis muß entschlossen beharrliches Handeln folgen; denn nur, wenn man entschlossen seinem Schicksal entgegengeht, wird man damit fertig. Dann kann man das große Wasser durchqueren, d. h. die Entscheidung treffen und die Gefahr bestehen.
DAS BILD
Wolken steigen am Himmel auf: das Bild des Wartens.
So ißt und trinkt der Edle und ist heiter und guter Dinge.
Wenn die Wolken am Himmel aufsteigen, so ist das ein Zeichen, daß es regnen wird. Da läßt sich dann weiter nichts machen als warten, bis der Regen fällt. So ist es auch im Leben, wenn ein Schicksal sich vorbereitet. Solange die Zeit noch nicht erfüllt ist, soll man nicht sorgen und durch eigenes Machen und Eingreifen die Zukunft gestalten wollen, sondern in Ruhe Kraft sammeln durch Essen und Trinken für den Leib, durch Heiterkeit und Guter-Dinge-Sein für den Geist. Das Schicksal kommt ganz von selbst, und dann ist man bereit.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
Warten auf dem Anger. Fördernd ist es, im Dauernden zu bleiben. Kein Makel.
Die Gefahr ist noch fern. Man wartet noch auf weiter Ebene. Die Verhältnisse sind noch einfach. Es liegt nur etwas in der Luft, das kommen wird. Da gilt es, die Regelmäßigkeiten des Lebens so lange beizubehalten, als es möglich ist. Nur dadurch bewahrt man sich vor allzu früher Vergeudung der Kräfte und bleibt frei von Makel und Fehler, die für später eine Schwächung bedeuten würden.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Warten auf dem Sand. Es gibt ein wenig Gerede. Das Ende bringt Heil.
Die Gefahr rückt allmählich näher. Der Sand ist dem Ufer des Stromes, der die Gefahr bedeutet, nahe. Es beginnen sich Unzuträglichkeiten zu zeigen. Es entsteht in solcher Zeit leicht eine allgemeine Unruhe. Man wirft sich gegenseitig die Schuld vor. Wer da gelassen bleibt, dem wird es gelingen, daß schließlich alles gut geht. Alle üble Nachrede muß endlich verstummen, wenn man ihr nicht den Gefallen beleidigter Gegenrede tut.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Warten im Schlamm bewirkt das Kommen des Feindes.
Der Schlamm, der schon vom Wasser des Stromes bespült wird, ist kein günstiger Ort für das Warten. Statt die Kräfte zu sammeln, um in einem Zug das Wasser zu durchqueren, hat man einen vorzeitigen Anlauf gemacht, dessen Kraft eben bis zum Schlamm führt. Eine solche ungünstige Lage zieht von außen her die Feinde herbei, die naturgemäß die Lage ausnützen. Durch Ernst und Vorsicht allein ist es möglich, sich vor Schaden zu bewahren.
Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Warten im Blut. Heraus aus dem Loch.
Es ist die Lage äußerst gefährlich. Es ist voller Ernst geworden und geht auf Leben und Tod. Blutvergießen ist unmittelbar zu erwarten. Man kann nicht vorwärts und nicht rückwärts. Man ist abgeschnitten wie in einem Loch. Da gilt es einfach auszuharren und das Schicksal über sich ergehen zu lassen. Diese Ruhe die nicht durch eigenes Handeln den Schaden noch schlimmer macht, ist der einzige Weg, aus dem gefährlichen Loch herauszukommen.
Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Warten bei Wein und Speise. Beharrlichkeit bringt Heil.
Auch mitten in der Gefahr gibt es Ruhepausen da es einem verhältnismäßig gut geht. Wenn man die rechte innere Stärke besitzt, so wird man die Ruhepausen ausnützen, um sich zu stärken zu neuem Kampf. Man vermag den Augenblick zu genießen, ohne sich von seinem Ziel abbringen zu lassen; denn Beharrlichkeit ist not, um Sieger zu bleiben.
Auch im öffentlichen Leben ist es so. Es kann nicht alles auf einmal erreicht werden. Höchste Weisheit ist es, den Leuten solche Erholungspausen zu gönnen, die die Freudigkeit der Arbeit beleben zur Vollendung des Werks. Hier liegt das Geheimnis des ganzen Zeichens verborgen. Dadurch unterscheidet es sich von dem Zeichen »die Hemmung«, daß man beim Warten seiner Sache sicher ist und daher die Ruhe der inneren Heiterkeit sich nicht rauben läßt.
Oben eine Sechs bedeutet:
Man gerät in das Loch. Da kommen ungebetener Gäste drei. Ehre sie, so kommt am Ende Heil.
Das Warten ist vorüber: die Gefahr läßt sich nicht mehr abwenden. Man gerät in das Loch, muß sich in das Unvermeidliche ergeben. Da scheint nun alles vergebens gewesen zu sein. Aber gerade in dieser Not tritt eine unvorhergesehene Wendung ein. Von außen her geschieht ohne eigenes Zutun ein Eingriff, von dem man zunächst zweifelhaft sein kann, wie er gemeint ist, ob Rettung, ob Vernichtung naht. Da gilt es nun, innerlich beweglich zu bleiben. Nicht trotzig abweisendes Sichverschließen sondern ehrfurchtsvolles Begrüßen der neuen Wendung ist das Richtige. So kommt man schließlich aus der Gefahr heraus, und alles geht gut. Auch glückliche Wendungen kommen oft in einer Form. die uns zunächst fremd erscheint.
oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Kien, das Schöpferische, der Himmel
Des Großen Zähmungskraft. Fördernd ist
Beharrlichkeit.
Nicht zu Hause essen bringt Heil.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Zum Festhalten und Ansammeln von großen, schöpferischen Kräften, wie es in dem Zeichen dargestellt ist, bedarf es eines starken, klaren Mannes, der vom Herrscher geehrt wird. Das Zeichen Kien deutet auf starke Schöpferkraft, das Zeichen Gen auf Festigkeit und Wahrheit, beide deuten auf Licht und Klarheit und auf tägliche Erneuerung des Charakters. Nur durch eine solche tägliche Selbsterneuerung bleibt man auf der Höhe der Kraft. Während in ruhiger Zeit die Macht der Gewohnheit behilflich ist zur Ordnung, kommt es in solch großen Zeiten der Kraftansammlung ganz auf die Macht der Persönlichkeit an. Aber weil die Würdigen geehrt werden, wie die starke Persönlichkeit, die vom Herrscher mit der Leitung betraut ist, beweist, darum ist es günstig, nicht zu Hause zu essen, sondern in der 0ffentlichkeit durch Übernahme eines Amtes sein Brot zu verdienen. Man ist im Einklang mit dem Himmel; darum gelingen auch schwere, gefahrvolle Unternehmungen, wie das Durchqueren des großen Wassers.
DAS BILD
Der Himmel inmitten des Berges:
das Bild von des Großen Zähmungskraft.
So lernt der Edle viele Worte der Vorzeit
und Taten der Vergangenheit kennen,
um dadurch seinen Charakter zu festigen.
Der Himmel inmitten des Berges deutet auf verborgene Schätze. So liegt in den Worten und Taten der Vergangenheit ein Schatz verborgen, der zur Festigung und Steigerung des eigenen Charakters verwendet werden kann. Das ist die rechte Art des Studiums, sich nicht auf historisches Wissen zu beschränken, sondern das Historische durch Anwendung immer wieder gegenwärtig zu machen.
Die einzelnen Linien
Anfangs eine Neun bedeutet:
Es ist Gefahr da. Fördernd ist es, abzustehen.
Man wünschte wohl ein kräftiges Fortschreiten. Allein in den Verhältnissen liegt eine Behinderung. Man sieht sich festgehalten. Wollte man den Fortschritt erzwingen, so würde das ins Unglück bringen. Darum ist es besser, sich zu fassen und zu warten, bis den angesammelten Kräften ein Ausweg sich öffnet.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Dem Wagen werden die Achsenlager abgenommen.
Hier ist das Fortschreiten gehemmt, ähnlich wie bei des Kleinen Zähmungskraft (Nr. 9, Neun auf drittem Platz). Aber während dort die hemmende Kraft gering ist und daher ein Konflikt entsteht zwischen dem Vorwärtsdrängenden und dem Hemmenden, infolgedessen dem Wagen die Speichen abspringen, ist hier die hemmende Kraft unbedingt überlegen. Daher findet kein Kampf statt. Man fügt sich und nimmt zunächst dem Wagen die Achsenlager ab, d. h. beschränkt sich zunächst aufs Warten. Dadurch sammelt sich die Spannkraft zu späterem energischem Fortschritt.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Ein gutes Pferd, das andern folgt. Fördernd ist Bewußtsein der Gefahr und Beharrlichkeit. Täglich übe dich im Wagenfahren und Waffenschutz. Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.
Der Weg öffnet sich. Die Hemmung hat aufgehört. Man steht in Beziehung zu einem starken Willen, der in gleicher Richtung wirkt. Man kommt voran wie ein gutes Pferd, das einem andern folgt. Aber es droht noch Gefahr, deren man bewußt bleiben muß, um sich nicht die Festigkeit rauben zu lassen. So muß man einerseits sich üben in dem, was voran führt, andererseits in dem, was gegen unvermuteten Angriff schützt. Dann ist es gut, ein Ziel zu haben, dem man zustrebt.
Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Das Schutzbrett eines jungen Stieres. Großes Heil!
Diese Linie und die nächstfolgende sind es, die die vorwärtsstrebenden unteren zähmen. Ehe einem Stier die Hörner gewachsen sind, bringt man an seiner Stirn ein Schutzbrett an, das vorsorgt, daß, wenn erst die Hörner da sind, sie nicht mehr verletzen können. Eine gute Art der Zähmung ist es, der ausbrechenden Wildheit zu begegnen, ehe sie sich äußert; dadurch schafft man sich einen leichten und großen Erfolg.
Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Eines verschnittenen Ebers Zahn. Heil!
Hier ist die Zähmung des ungestüm Vorwättsdrängenden auf indirekte Weise erreicht. Der Zahn des Ebers ist an sich gefährlich, aber wenn die Natur des Ebers verändert ist, so verliert er seine Gefährlichkeit. So muß man auch bei Menschen die Wildheit nicht direkt bekämpfen, sondern die Wurzeln der Wildheit beseitigen.
Oben eine Neun bedeutet:
Man erlangt den Himmelsweg. Gelingen.
oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Kien, das Schöpferische, der Himmel
Das Zeichen bedeutet das Kleine, die Kraft des Schattigen, die zurückhält, zähmt, hemmt. Auf dem vierten Platz, dem Platz des Ministers, ist ein schwacher Strich, der die ganzen übrigen starken Striche im Zaume hält. Vom Bild aus betrachtet, ist es der Wind, der oben am Himmel weht. Er hemmt den aufsteigenden Atem des Schöpferischen, die Wolken, so daß sie sich verdichten. Aber er ist nicht sofort stark genug, sie zum Niederschlag zu bringen. Das Zeichen gibt eine Konstellation, da vorübergehend durch Schwaches ein Starkes im Zaum gehalten wird. Das kann nur durch Sanftheit geschehen, wenn es von Erfolg begleitet sein soll.
Des Kleinen Zähmungskraft hat Gelingen.
Dichte Wolken, kein Regen von unserm westlichen
Gebiet.
Das Gleichnis stammt aus der Lage der Verhältnisse in China zur Zeit des Königs Wen. Er stammte aus Westen, war aber damals im Osten am Hof des Großkönigs, des Tyrannen Dschou Sin. Die Zeit zum Handeln im großen war noch nicht gekommen. Er konnte den Tyrannen nur durch gütliches Zureden einigermaßen im Zaum halten. Daher das Bild, daß reichliche Wolken aufsteigen, die dem Land Feuchtigkeit und Segen versprechen, zunächst aber noch kein Regen fällt. Die Situation ist nicht ungünstig. Es ist Aussicht auf schließlichen Erfolg da. Aber es stehen noch Hindernisse im Weg. Man kann erst Vorarbeiten tun. Nur durch kleine Mittel gütlichen Zuredens kann man wirken. Die Zeit des Durchgreifens im großen ist noch nicht da. Aber es gelingt wenigstens, in beschränktem Umfang hemmend und zähmend zu wirken. Dabei ist feste Entschlossenheit im Innern und sanfte Anpassung im Äußern nötig, um seinen Willen durchzusetzen.
DAS BILD
Der Wind fährt über den Himmel hin:
das Bild der Zähmungskraft des Kleinen.
So verfeinert der Edle die äußere Form seines Wesens.