Ich wollte Hosen 2 - Lara Cardella - E-Book

Ich wollte Hosen 2 E-Book

Lara Cardella

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit diesem Roman kehrt Lara Cardella an den Schauplatz Sizilien zurück und knüpft direkt an ihren erfolgreichen Erstling an. Auch wenn Annetta, die unvergeßliche Heldin von ›Ich wollte Hosen‹, mittlerweile älter und verheiratet ist, hat sie immer noch Grund genug, sich gegen männliche Gewalt und dummen Aberglauben aufzulehnen. Wie stets hält Lara Cardella sich in ihrem Roman hart an die Wirklichkeit und verleiht in Annetta dem Ruf nach wirklicher Würde und Selbstbestimmung der Frauen ihre unüberhörbare Stimme. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 109

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lara Cardella

Ich wollte Hosen 2

Roman

Aus dem Italienischen von Irmengard Gabler

FISCHER E-Books

Inhalt

Der Auswanderer nimmt, bevor [...]Ich habe nie vom [...]

Der Auswanderer nimmt, bevor er sein Land

verläßt, eine Handvoll Heimaterde mit sich.

Ich dagegen spuckte auf diese verfluchte Erde

und werde sie dennoch für alle Zeit bei mir tragen.

Ich habe nie vom Märchenprinzen geträumt. Und wer aus unserer Gegend hier nicht vom Märchenprinzen träumt, ist entweder eine verheiratete Frau oder ein Mann. Ich hatte geheiratet und schon lange kein Mann mehr sein wollen. Mein Angetrauter heißt Nicola.

Immer wieder kommt mir meine Tante Vannina in den Sinn, wie sie mich fragte, weshalb ich denn nur geheiratet hätte, und ich ihr wahrheitsgetreu antwortete: »Einen Kopf kann ich umkrempeln, aber nicht alle …«

In Wirklichkeit aber kann man Köpfe nicht umkrempeln, schon gar nicht die der Bewohner meines Dorfes. Jeder lebt hier nach den scheinheiligen Moralvorstellungen der Väter und ist der festen Überzeugung, den eigenen Ideen zu folgen, nur weil er dem Althergebrachten ein paar persönliche Erfahrungen beigemengt hat, wobei diese natürlich längst durch vorgefaßte Meinungen verfälscht sind. Und solch ein Wissen gibt er dann an die Kinder weiter.

Ich war anders, und das bedrückte mich. Es wäre einfacher für mich gewesen, ein Schaf in der Herde zu sein. Was wollte ich schon? Ich lag mit meinen Träumen vollkommen daneben. Niemand verstand mein Verlangen nach Freiheit, mein Bedürfnis danach, Frau zu sein, nicht nur aufgrund des Alters, sondern aufgrund von Erfahrungen. Und ich wußte, daß ich niemals ein Mann hätte sein wollen, nur um all die Privilegien zu genießen, die man mir als Frau versagte, sozusagen von der Natur zum Verzicht gezwungen.

Nun war ich also eine Ehefrau. Ich fühlte nur hin und wieder die Verantwortung auf mir lasten, auf diese Weise an Nicola gebunden zu sein. Aber war es nicht wieder meine Schuld, wenn ich keine Ehefrau sein konnte wie die anderen, es einfach nicht konnte? Wenn ich nicht begreifen, nicht akzeptieren konnte, daß Nicola nicht nur mein Gatte, sondern zugleich mein Gebieter war? Ich versuchte redlich, mich zu ändern, mich den Umständen »anzupassen«. Nicola war kein übler Kerl, er war nur einfach ein Mann aus unserer Gegend, weder besser noch schlechter als die anderen.

Mit mir als Ehefrau hatte er nicht gerade das große Los gezogen, und das merkte er schon recht bald, der Ärmste. Ich taugte nicht dazu, lustig und fidel in der Küche zu werkeln oder ein Liedchen trällernd mit Wischlappen und Putzmittel zu hantieren; und eine ältere Signora, die mir bei der Hausarbeit ein wenig zur Hand gehen konnte, hätten wir uns niemals leisten können. Und weshalb wohl auch? Ich mußte wirklich verrückt sein, nur an solch eine Möglichkeit zu denken: Schließlich war ich Ehefrau, und als solche hatte ich mich um den Haushalt zu kümmern. Meine Rolle bestand darin, geduldig zu warten, bis mein innig geliebter Herr und Gebieter nach Hause kam, und ihm sodann eiligst die angewärmten Pantoffeln zu bringen.

Meine Pflichten … An ein paar meiner vielen, allzu vielen Pflichten konnte ich mich nach und nach gewöhnen, vor allem dank der zärtlichen Ermutigungen meines Gatten (»Du Schlampe! Siehst du die Sauerei hier nicht?«) und seiner Familie (»Bei mir glänzen die Fensterscheiben … Was nimmst du eigentlich für den Boden? Du mußt ein anderes Mittel nehmen.«). Was meine Kochkünste anbelangte, so möchte ich lieber nicht allzu viele Worte darüber verlieren. Allerdings bemühte ich mich, was mir an Können fehlte, durch Phantasie zu ersetzen. Und auch hierfür sparte mein Nicola nicht mit liebevollen Komplimenten: »Das soll Sugo sein?«

Ich nehme es ihm nicht einmal übel. Es fällt mir nicht schwer, einem Menschen zu verzeihen, wenn ich das Umfeld betrachte, in das er eingebunden ist. Den Leuten von hier unten jedoch, dieser verrohten, stumpfen, bösen Allgemeinheit, kann ich nicht verzeihen, denn sie züchtet solche Männer und Frauen und zwingt sie, ihr Leben lang zu bleiben, was sie sind.

Trotzdem fühlte ich mich nahezu glücklich. Was gewesen war, geriet immer mehr in Vergessenheit, meine gefühlskalte Mutter, mein Vater, der nur als personifiziertes Verbot existierte, mein Bruder, der natürliche Fortsatz meines Vaters, das Haus mit den rußigen Wänden, und schließlich er, mein Onkel … Er war nicht mehr da, saß im Zuchthaus, wenn ich mir auch oft sagte, daß dies nicht genügte. Würde ich seine versuchte Vergewaltigung irgendwann vergessen können, die mich, das schwache Kind, mit einem Mal ganz stark werden ließ? Würde ich irgendwann die Gesichter seiner Töchter vergessen oder ihre Worte »Hab keine Angst, Annè… Da kommt dann die Milch raus …«, oder sein Lachen?

Ich konnte die Erinnerungen zwar nicht auslöschen, aber die Abwesenheit dieser Menschen erleichterte meine Bemühungen, sie zu verdrängen. So gelang es mir schließlich, mich trotz meiner Sklaverei frei zu fühlen. Außerdem bin ich der Überzeugung, daß wahre Freiheit ohnehin nicht existiert. Wir leben alle in eingegrenzten Räumen und dürfen nur das tun oder sagen, was der, der uns eingesperrt hat, zuläßt.

Wollte ich noch immer Hosen? Ich hätte einfach nur unseren Schrank zu öffnen, ein beliebiges Paar meines Mannes, in beliebiger Farbe, herauszunehmen und anzuziehen brauchen. Das aber war nicht, was ich wollte. Mir ging es um das Recht, Hosen zu tragen, ohne vorher irgend jemanden um Erlaubnis bitten zu müssen. Ich wollte ich selbst sein dürfen, so, wie ich nun einmal war, ohne mich verstellen und die Rechtschaffene spielen zu müssen.

Wieder kam mir Tante Vannina in den Sinn, die mich einmal die viel zu weiten Hosen ihres Mannes tragen ließ. Was haben wir damals gelacht. Wir hätten lieber weinen sollen. Ich tat doch niemandem weh, wenn ich ein Mädchen in Hosen sein wollte. Ich hätte meine Standarte, meine Flagge mit Würde und Stolz getragen.

Mit Nicola sprach ich nie über diese Dinge. Er hätte mich mit Sicherheit nicht verstanden und mir das gleiche gesagt wie vor einer halben Ewigkeit meine Mutter. Als verheiratete Frau war es ohnehin noch weit unschicklicher, Hosen zu tragen, noch verrückter, solches überhaupt zu wünschen. Und ich war eine verheiratete Frau.

Unsere Flitterwochen verbrachten wir bei uns zu Hause, weil wir nicht viel Geld hatten, und überhaupt, wozu hätten wir auch verreisen sollen? Was man in Venedig tut, geht zu Hause doch weit bequemer und sparsamer. Und die Romantik? Wo um alles in der Welt steht geschrieben, daß eine Frau Anspruch hat auf Romantik?

Nicola hatte die Chance erhalten, als Empfangschef in einem Hotel zu arbeiten (er selbst hatte sich diesen stolzen Titel verliehen; in Wirklichkeit war er das Faktotum, um es schön auszudrücken, und seine Aufgaben reichten vom Reinigen der Badezimmer bis zum Servieren des Frühstücks; dazu mußte er, gemeinsam mit dem Eigentümer, einem gut betuchten alten Adeligen, die wenigen Gäste empfangen). Es war das einzige Hotel in der Gegend, das Eccelsior … Mit zwei ›c‹, das schwöre ich, wie die falsche Ware in den Verkaufsständen, die sich mit bekannten Namen schmückt, den großen, bedeutenden Markenprodukten. Und wie eine falsche Rolex hatte auch das Eccelsior eine beeindruckende Fassade, ein hochherrschaftliches Äußeres und ein armseliges Innenleben: Es schien schmuddelig, obwohl alles auf Hochglanz poliert war, grau, obwohl die Wände frisch getüncht waren, baufällig, obwohl es erst wenige Jahre stand.

 

Meine Hochzeitsnacht.

Wenn ich jetzt daran denke, könnte ich sogar darüber lachen. Damals aber weinte ich. Sehr sogar. Weil Mama mir wirklich nichts darüber gesagt hatte und ich infolgedessen keine große Spezialistin war auf diesem Gebiet, im Gegenteil. Ich versuchte verzweifelt, mich an die Anweisungen und Erfahrungen Angelinas zu erinnern (»Wenn du mit einem Mann sprichst, dann schau ihm auf den Mund.«), an ihre Gesten, die Nuancen ihrer Stimme, an die Signale einladender Sinnlichkeit, die sie aussandte, ihre Augen, die sie zuweilen halb geschlossen hielt. Die Bilderjagten, überlappten einander, bis mir schließlich eine Szene klar vor Augen blieb: Angelina, die meine Haare im Nacken zusammenfaßte und nach oben hielt, weil ich so wesentlich besser aussähe … Das wußte ich, doch im Augenblick war es nicht von Belang, gab es Wichtigeres zu denken. Alles war so schwierig, so verwirrend, und mir blieb nicht mehr viel Zeit. Das Ritual duldete keinen Aufschub.

Meine bescheidene Mitgift enthielt unter anderem ein paar Nachthemden; ich schloß mich in unserem engen Badezimmer ein und zog eines an. Wahrscheinlich stellte Nicola sich vor, während er die Kleider ablegte, daß ihm wie durch ein Wunder, durch diese Tür plötzlich eine neue Annetta entgegentreten würde, aufreizend und duftig, von Rüschen und Spitzen umschmeichelt. Um ehrlich zu sein, mangelte es dem Nachthemd, das ich wählte, nicht einmal an Rüschen und Spitzen. Es hätte sogar ganz hübsch sein können, wäre es nicht um einiges zu lang, zu weit, zu altmodisch gewesen und außerdem viel, viel zu weiß.

Mit gelöstem Haar, gesenkten Lidern und meinem schlotternden Nachthemd näherte ich mich dem Bett. Ich fühlte mich wie ein Lämmchen, das zur Schlachtbank geführt wird und spürt, daß etwas Schreckliches mit ihm geschehen wird, aber nicht genau weiß, was.

Mir war zum Weinen zumute. Ich hatte langsam auf das Bett zuschreiten wollen, doch als ich Nicola lachen hörte, flüchtete ich mich wie der Blitz unter die Laken. Sein Lachen war schmierig, ließ sich nicht bezähmen und zerriß die Worte, die er sprach. Er lachte über mich.

Ich machte mich ganz klein unter den Tüchern, schämte mich, nicht schön zu sein, und war unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.

Noch immer lachend schob er sich näher, tastete nach meinen Haaren und streichelte sie.

Ich wich zurück, nicht etwa aus verletztem Stolz, ich wußte, daß ich nicht schön war. Er betastete mich weiter. »Zieh es aus …«, sagte er, noch immer lachend, »ohne siehst du besser aus …«

Ich sollte mich ausziehen, während er lachte. Ich rührte mich nicht, verstand nicht. Wie konnte er mit mir schlafen wollen, wenn ich ihm doch so gar nicht gefiel? Nun ja, ich wußte eben noch nicht, daß ein Mann bereit ist, jedes Opfer zu bringen, um seinen ehelichen Pflichten nachzukommen …

Jetzt lachte er nicht mehr. Ich hatte ihn nervös gemacht. Hastig zog er mir das Nachthemd aus und redete auf mich ein. Ich kann mich nicht mehr an seine Worte erinnern, nur noch an seinen nackten, splitternackten Körper, meine geschlossenen Augen, den Geruch seiner Erregung, daran, wie er auf mir lag, den Schmerz.

Ich verbiß mir den Schrei, während meine Finger sich um das Bettuch krampften.

Er redete weiter, schweißgebadet, sagte etwas über meinen Onkel, während er weitermachte. Es war mir gleich.

Als er gekommen war, streckte er sich einen Moment lang neben mir aus, und ich öffnete die Augen: die weiße Zimmerdecke, die brennende Lampe … Dachte ich etwas? Wahrscheinlich nicht.

Er stand auf, zündete sich eine Zigarette an, legte sie auf den Rand des Aschenbechers und ging ins Badezimmer, um sich zu waschen.

Ich lag noch immer auf dem Rücken und starrte zur Decke hinauf, als er zurückkam, seine Zigarette nahm, sich neben das Bett stellte und mir sagte, ich müßte die Laken wechseln. Ich begriff nicht. Was sollte das nun wieder bedeuten? Verständnislos starrte ich ihn an.

Rauchend wiederholte er: »Die Laken sollst du wechseln! Siehst du nicht, daß sie dreckig sind?«

Ich senkte den Blick auf das Bett. Mein rotes Blut auf den weißen Tüchern … Das geopferte Lamm … Grauenhaft! Es war nicht meine Schuld. Es war mein Blut, aber vergossen hatte es ein anderer. So also war es, wenn man Liebe machte? Warum hieß es so, wenn es doch nicht das geringste zu tun hatte mit der Liebe? Wenn die einzigen Gefühle, die man dabei empfand, Rohheit waren, Ekel und Einsamkeit? Ich haßte Nicola, sein Schweißgestank schien nicht mehr weichen zu wollen. Er verfolgte mich, hatte das gesamte Zimmer und alle Dinge darin durchdrungen.

Ich weinte leise und spürte meine salzigen Tränen auf der Zunge. Kein Schluchzen verriet mich, und Nicola merkte nichts. Nur ich wußte von meinem Kummer, und ich genoß es fast, meine Tränen zu schmecken, denn sie gehörten mir, mir allein, er sollte nichts von ihnen wissen. Sie hätten ihn wohl ohnedies nicht interessiert. Höchstens gestört. Schließlich wollte er jetzt schlafen, der rohe Kerl.

Ich wechselte also schweigend die Laken.

Er versuchte, mich zu küssen, bevor er mir den Rücken zudrehte. Der Kuß streifte meine Wange und ließ mich wach zurück.

Tags darauf war ich eine Signora. Ich, Annetta, war eine Signora. Und was ist eine Signora? Hätte ich mich nun etwa anders fühlen sollen? Erwachsen, weil ich mich um den Haushalt kümmerte und meinem Mann das Essen kochte? Respektiert, weil man mich von nun an siezen würde? In meinem Inneren war alles beim alten geblieben. Ich war noch immer das kleine Mädchen, das für sein Leben gern spielte.

Das einzige, was mir meine Situation bewußt machte, war die Erinnerung an die Nacht und der Gedanke, daß ich das Laken würde waschen müssen. Am liebsten wäre ich schon damals weggelaufen, ganz gleich wohin. Ich war eine Signora, ob mir das nun gefiel oder nicht, und so faßte ich den Entschluß, mich zu ändern. Ich versuchte also, es den braven Ehefrauen gleichzutun.

In aller Herrgottsfrühe stand ich auf, obwohl ich erst gegen drei Uhr morgens eingeschlafen war, und um neun Uhr war die Wohnung bereits blitzsauber bis in die Ritzen, und ich fand nichts mehr zu tun.