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Eine junge Diebin, ein lange verschwundener, sagenumwobener Schatz - und eine gefährliche Mission im Auftrag von Jakob Fugger
Augsburg 1502. Als sie den Inhalt des Beutels betrachtet, den sie einem Herrn abgeschnitten hat, ist die junge Diebin Afra enttäuscht. Statt Münzen beinhaltet er Zeichnungen von edlem Schmuck. Wenig später findet sie heraus: Die Preziosen gehören zum sagenumwobenen Burgunderschatz, der sich in Bern befinden soll. Geschäftstüchtig, wie sie ist, versucht sie, ihr Wissen an eine der reichen Augsburger Familien zu verkaufen. Erst wird sie abgewiesen, dann aber beauftragt Jakob Fugger sie und einen seiner Boten, den Schmuck zu beschaffen. Afra ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich begibt. Denn auch einige finstere Gestalten sind hinter dem Schatz her, und die schrecken vor nichts zurück ...
Starke Figuren und Abenteuer im Umfeld der Fugger - Augsburgexperte Peter Dempf legt einen spannenden neuen Roman vor
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Seitenzahl: 677
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Über das Buch
Über den Autor
Titel
Impressum
Die Figuren der Handlung
Prolog
Teil I Der Bote und die Bettlerin
1 Augsburg, Markt
2 Augsburg, vor St. Peter
3 Augsburg, Schenke »Drei Mohren«
4 Augsburg, Anwesen der Fugger
5 Augsburg, vor dem Stammhaus der Welser
6 Augsburg, Anwesen der Höchstetter
7 Augsburg, Anwesen der Fugger
8 Augsburg, Annagasse
9 Augsburg, Anwesen der Fugger
10 Augsburg, auf den Straßen
11 Augsburg, Kate des Hucker Sepp
12 Augsburg, Kate des Hucker Sepp
13 Unterwegs nach Basel
14 Augsburg, Pfaffengärten
15 Auf dem Weg nach Basel
16 Augsburg, Pfaffengärten
17 Basel, Rathaus
18 Augsburg, Bleichertörlein
19 Basel
20 Wagenhals, Walburgas Kate, 14 Tage später
21 Wagenhals, Walburgas Kate
22 Augsburg, Höchstetter-Anwesen
23 Wagenhals, Walburgas Kate
24 Augsburg, Kate des Hucker Sepp
25 Augsburg, Höchstetter-Anwesen
26 Augsburg, Kate des Hucker Sepp
27 Augsburg, Höchstetter-Anwesen
28 Augsburg, Anwesen der Fugger
29 Augsburg, Hexenlöcher
30 Augsburg, Höchstetter-Anwesen
31 Augsburg, Hexenlöcher
32 Augsburg, Anwesen der Fugger
33 Wagenhals, Walburgas Kate
34 Wagenhals, Walburgas Kate
35 Augsburg, Anwesen der Fugger
Teil II Die Gier und das Geschmeide
1 Augsburg, 1504
2 Augsburg, Jakober Vorstadt
3 Auf dem Weg nach Basel
4 Auf dem Weg nach Basel
5 Auf dem Weg nach Basel
6 Rastplatz im Wald
7 Im Wald nahe Markt Buch
8 Lager im Wald
9 Herwarts Lager im Wald
10 Im Wald
11 Lagerplatz im Wald
12 Auf dem Weg zum Bodensee
13 Am Bodensee
14 Auf der Insel Reichenau
15 Hof des Maiers
16 Auf dem Bodensee
17 Augsburg, goldenes Kontor von Jakob Fugger
18 Kloster St. Maria und Markus, Reichenau
19 Ernatingen, Maierhof
20 Am Rhein hinter Schaffhausen
21 Am Rhein vor Basel
22 Im Kahn auf dem Rhein
23 Auf dem Rhein
24 Im Kahn auf dem Rhein
25 Auf dem Weg nach Basel
26 Kurz vor Basel auf dem Rhein
27 Kurz vor Basel am Rhein
28 In Kleinbasel
29 Vor Basel am Rheinufer
30 Basel
31 Großbasel
32 Basel, Kartäuserkloster St. Margarethental
Teil III Der Schatz und die Schönheit
1 Basel, Kartäuserkloster St. Margarethental
2 Basel, an der Stadtmauer zum Rhein
3 Am Rhein hinter Basel
4 Augsburg, Herrenstube
5 Wiese nahe dem Rhein hinter Basel
6 Wiese nahe des Rheins hinter Basel
7 Dorf auf dem Weg nach Augsburg
8 Dorf auf dem Weg nach Augsburg
9 Dorf auf dem Weg nach Augsburg
10 Dorf auf dem Weg nach Augsburg
11 Auf dem Rückweg nach Augsburg
12 Körchers Herberge
13 Körchers Herberge
14 Körchers Herberge
15 Unterwegs nach Augsburg
16 Nicht weit vor Schussenried
17 Ruine Otterswang
18 Augsburg, goldenes Kontor
19 Ruine Otterswang
20 Am Weiher bei Kloster Roggenburg
21 Kahn auf dem Weiher bei Kloster Roggenburg
22 Vor Augsburg
23 Augsburg, Fugger-Anwesen
24 Augsburg, ehemaliges Haus des Hucker Sepp
Nachwort
Zuletzt möchte ich noch danke sagen
Glossar
Über das Buch
Augsburg 1502. Als sie den Inhalt des Beutels betrachtet, den sie einem Herrn abgeschnitten hat, ist die junge Diebin Afra enttäuscht. Statt Münzen beinhaltet er Zeichnungen von edlem Schmuck. Wenig später findet sie heraus: Die Preziosen gehören zum sagenumwobenen Burgunderschatz, der sich in Bern befinden soll. Geschäftstüchtig, wie sie ist, versucht sie, ihr Wissen an eine der reichen Augsburger Familien zu verkaufen. Erst wird sie abgewiesen, dann aber beauftragt Jakob Fugger sie und einen seiner Boten, den Schmuck zu beschaffen. Afra ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich begibt. Denn auch einige finstere Gestalten sind hinter dem Schatz her, und die schrecken vor nichts zurück …
Über den Autor
Peter Dempf, geboren 1959 in Augsburg, studierte Germanistik und Geschichte und unterrichtet heute an einem Gymnasium. Der mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnete Autor schreibt neben Romanen und Sachbüchern auch Theaterstücke, Drehbücher, Rundfunkbeiträge und Erzählungen. Bekannt wurde er aber vor allem durch seine historischen Romane. Peter Dempf lebt und arbeitet in Augsburg, wo unter anderem seine Mittelalter-Romane „Fürstin der Bettler“, „Herrin der Schmuggler“ und „Das Gold der Fugger“ angesiedelt sind.
Weitere Titel des Autors:
Der Teufelsvogel des Salomon Idler
Mir ist so federleicht ums Herz
Der Traum von Eldorado
Die Botschaft der Novizin
Die Sterndeuterin
Das Amulett der Fuggerin
Fürstin der Bettler
Herrin der Schmuggler
Die Brunnenmeisterin
Die Tochter des Klosterschmieds
Das Gold der Fugger
Die Geliebte des Kaisers
Das Haus der Fugger
Die Magd der Fugger
Die Herrin der Farben
Die Tochter des Lechflößers
Peter Dempf
Im AuftragderFUGGER
Der Burgunderschatz
Historischer Roman
Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Originalausgabe
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München
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Textredaktion: Dr. Ulrike Brandt-Schwarze, Bonn
Covergestaltung: Birgit Gitschier, Augsburg
Covermotiv: © shutterstock: iconim | oatmealco | Lukasz Szwaj
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN978-3-7517-6106-2
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Bitte beachten Sie auch: lesejury.de
Die Kursivsetzungen verweisen auf historische Personen.
Augsburg
Afra, Bettlerin
Herwart, Bote Jakob Fuggers
Hucker Sepp, Hehler, ehemaliger Hucker
Walburga, seine Schwester
Minner, Wirt der Schenke »Drei Mohren«
Jakob Fugger, Augsburger Kaufmann und Mäzen der Stadt
Sybilla, seine Frau
Ambrosius Höchstetter, Textilkaufmann, Bankier in Augsburg
Anna, seine Frau
Zeno, der Weißgesichtige, u. a. Beauftragter Höchstetters
Mats, Scherge Höchstetters
Leo, Scherge Höchstetters
Marx, Lakai im Haus Höchstetter
Marquart, Bierbrauer und Scherge Höchstetters
Catharina Welser, aus der Patrizierfamilie Welser
Bruder Erhard, Mönch des Domkapitels
Babette, Bettlerin auf dem Markt
Schweizer Unterhändler: Utz, Beat Schiffer, Chasper
Reichenau
Martin von Weißenburg, Abt des Klosters Reichenau
Bruder Anselm, Mönch
Bruder Gosbert, Mönch, Cellerar
Basel
Hans Kohler, Fugger-Faktor aus Venedig
Hans Walther von Worms, Juwelier aus Venedig
Junker Michael Meyer, Basler Ratsherr
Hans Hiltbrant, Basler Ratsherr
Egid, Abt des Kartäuserklosters St. Margarethental in Basel
Reto und Duri, Basler Stadtwachen
Zwischen Basel und Augsburg
Urs, Fischer aus Dachsen
José Luis Cabral, entlaufener Eunuch
Menachem Ben Schlomo, Hausierer, Jude
Körcher, Herbergswirt
Afra und ihre Mutter hörten das Poltern wie Donner über ihren Köpfen. Doch der Blick nach oben aus der schmalen Gasse sagte ihnen, der Himmel war blau. Dann drehten sie gleichzeitig die Köpfe.
»Mein Gott!«, entfuhr es ihrer Mutter. »Der Teufel! Weg hier!«
Sie packte Afra am Handgelenk und riss sie hinter sich her, bevor diese ganz begriff, was geschah. Noch im Rennen blickte Afra zurück.
Ein Karren jagte die enge Gasse entlang, gezogen von einem schweren Gaul. Auf dem Pferd saß ein Geist: das Gesicht eines Toten, kalkweiß, mit dunklen Augenhöhlen, die Hände ebenfalls unnatürlich hell, die Kleidung schwarz.
»Es ist zu eng!«, schrie die Mutter, weil Afra in ihrer Neugier die Flucht bremste. »Lauf, so schnell du kannst!«
Afra rannte hinter ihr her, immer noch von ihr gezogen. Doch der Karren holte auf. Wie von Sinnen hieb das Gespenst auf den Gaul ein, dem schon Schaum vom Maul sprühte. Zuerst hatte sie geglaubt, das Wesen wolle ein durchgehendes Gespann beruhigen und aufhalten, doch schlagartig begriff sie, dass dieser Unhold es mit wilden Hieben antrieb und sie beide niederfahren wollte.
Afra stolperte, geriet außer Tritt, konnte sich aber fangen. Ihre Mutter hatte sie nicht losgelassen und riss sie wieder hoch. Aber sie waren langsamer geworden, und das Unglück näherte sich galoppierend. Noch während sie wieder Tritt fasste, erkannte Afra: In die Gasse passten nicht Karren und Menschen nebeneinander, und sie war zu lang, als dass sich Afra und ihre Mutter hätten retten können. Der Wagen würde sie einholen und sie überrollen, als gäbe es sie nicht.
Erst jetzt begann ihr Verstand klar zu arbeiten. Fieberhaft suchte Afra nach einer Lösung, während ihre Lungen pumpten, und ihr Verstand schrie, dass sie jetzt sterben müsse. Aufhalten konnten sie das Gefährt nicht. Der Dämon, der die wilde Fahrt antrieb, war nicht zu beruhigen, das spürte sie. Er verfolgte sie, er ergötzte sich an ihrer Angst, er genoss ihren Schrecken.
Mit seinen tiefen Augenlöchern sieht er uns vermutlich nicht einmal, sondern blickt wie durch ein offenes Tor in eine andere Welt, dachte Afra.
Ihre Mutter begann zu keuchen. Die Anstrengung war zu groß. Sie wurde langsamer, stolperte diesmal selbst, lief immer gebeugter.
Ein Tor in eine andere Welt, schoss es Afra durch den Kopf!
»Eine Tür. Wir müssen in eine Hausnische!«, schrie Afra plötzlich, weil auf der linken Seite eine Trittschwelle auftauchte und eine Vertiefung in der Hausmauer sichtbar wurde, in die eine Tür eingelassen war. Dorthin mussten sie.
»Rasch!«, brüllte sie, blind vor Angst, und zerrte ihre Mutter hinter sich her. Sie sprang auf die Stufe, quetschte sich in die Lücke zwischen Wand und Türblatt, presste sich – an den Türgriff geklammert – näher ans Holz und zog ihre Mutter an sich, hielt sie fest.
Kaum standen die beiden Frauen keuchend und nach Luft ringend in der Lücke, jagte der Gaul an ihnen vorbei, und Afra stieg für einige Augenblicke ein merkwürdig fauler Geruch in die Nase, den sie nicht recht bestimmen konnte. Es war auch dieser Geruch, der sie seit Buchloe verfolgte. Das Wesen hieb weiter auf das Pferd ein. Anna spürte das Türblatt hinter sich, aber auch, wie ihre Mutter zu schwanken begann. Heftig zog sie an ihr, damit sie nicht auf die Straße hinauspendelte, und drückte sich selbst, so eng es ging, an das Holz. Dann war der Karren da mit seinem infernalischen Poltern, und der Luftzug des vorüberschießenden Gefährts ließ die Kleidung ihrer Mutter flattern. Sie spürte, wie ein Peitschenhieb in ihre Richtung strich, sie verfehlte, aber die Mutter traf. Flüchtig konnte Afra ein Wappensymbol auf dem Holz des Karrens erkennen.
All das dauert nur einen Wimpernschlag, und Afra dachte schon, dass sie es beide geschafft hätten, da wurde ihre Mutter mit einer gewaltigen Kraft von der Schwelle und aus ihrem Arm gezogen und von dem Karren mitgerissen. Afra schrie vor Schreck auf, weil ihre Mutter sie noch immer fest am Arm umfasst hielt und dadurch hinter sich in die Gasse schleuderte, bevor sie losließ. Afra landete mit dem Gesicht voran auf dem lehmigen und kotigen Boden. Ihre Mutter kreischte, weil sie in die Luft gehoben, gegen das Gestell des Wagens geschlagen und die Wände der Gebäude entlanggeschleift wurde.
Afra begriff zuerst nicht, was vor sich ging, doch dann sah sie, wie ihre Mutter als hilflose Marionette an einem der Holme des Karrens hing und immer wieder gegen die Hausmauern und gegen die Seitenwand des Karrens prallte. Ihr Rock hatte sich an einem Mittelholm des Wagens verfangen und sie mitgerissen. Doch den weißen Teufelsreiter schien der Unfall nur umso mehr anzuspornen. Er jauchzte, trieb den Gaul mit seinem Karren weiter die Gasse hoch und zermalmte damit den Körper der Unglücklichen.
Afra rappelte sich auf, brüllte hinter dem Kerl her und versuchte, ihn aufzuhalten. Jeder Schlag, den ihre Mutter von der Hauswand, von weiteren Türschwellen, von Balken, die hervorstanden, erhielt, ließ sie höher kreischen. Bis der Stoff des Rocks riss und ihre Mutter als lebloses Bündel zu Boden sackte. Dabei geriet sie unter die Hinterräder. Afra rannte, konnte aber durch ihre Tränen hindurch kaum etwas sehen.
Sie warf sich vor ihrer Mutter auf den Boden.
Deren Gesicht war blutüberströmt, die Kleidung zerrissen. Ein Arm stand in einem schiefen Winkel ab. Die Mauern hatten ihren Körper offenbar zerschlagen. Die hinteren Räder waren über ihre Beine gerollt und hatten sie ebenso wie den einen Arm zerquetscht.
Sie rührte sich nicht, atmete nicht mehr.
»Mutter?«, flüsterte Afra. Ihre Haare fielen auf die Wunden und wurden von dem Blut durchtränkt, das in den Schmutz der Gosse sickerte. »Mutter!«, hauchte sie wieder und schüttelte den leblosen Körper. Afra stieß einen Schrei aus, mit dem sie ihren Schmerz und ihre Wut hinausbrüllte in diese Welt. Sie kniete vor ihrer Mutter, hieb mit den Fäusten in den Dreck und vermischte ihn so langsam mit dem Blut der Frau.
»Warum?«, kreischte sie jetzt so laut, dass es von den Wänden zurückgeworfen wurde. »Warum? Warum hast du den Kerl in Buchloe gereizt?«
Sie hatten diesem Teufel doch nichts getan, außer sich von ihm fernzuhalten.
In ihrem Kopf hallte noch immer das Wummern der eisenbeschlagenen Reifen des Karrens nach, doch sie sah vor ihrem inneren Auge diese weißgesichtige Gestalt, die keinen Blick besaß, sondern nur Höhlen im Kopf, und die ihre Mutter getötet hatte.
Afra schloss die Augen und sah für einen Augenblick in ihre Zukunft: Verlust der Wohnung, Straße, Bettelei oder gar Schlimmeres.
Als sie aufstand, ließ sie die Hand ihrer Mutter nicht los. Sie brüllte ihre Ohnmacht dem Kutscher hinterher, bis sie so heiser war, dass ihre Stimme versagte. Auch wenn sie nicht verstand, warum das alles geschehen war, schwor sie in die Hand der Toten vor ihr, diesen Kerl zu finden, und wenn sie ihr Leben lang nach ihm suchen müsste.
Irgendwo in dieser oder in einer anderen Stadt war er zu finden, und sie würde ihn aufspüren! Für Buchloe, für Augsburg, für diesen unnützen Tod.
Augsburg 1503
Am liebsten war sie unsichtbar. Niemand sah sie kommen, niemand sah sie zugreifen, niemand sah sie gehen – und kein Mensch konnte sich je an sie erinnern. Afra war trotz ihrer intensiv grünen Augen zu einem Geist geworden. Allerdings einer, dem der Magen knurrte und der unbedingt etwas zu essen brauchte. Jetzt sofort.
An diesem heißen Sommertag kauerte sie am Rand des Marktplatzes im Schatten des Perlachturms an einer Gebäudemauer und hielt den Kopf gesenkt, beobachtete aber das Treiben aus den Augenwinkeln. Händler priesen lautstark ihre Waren an. Ein Marktaufseher kontrollierte das Butterfass eines Bauern und bemängelte die Feuchtigkeit des Fassholzes. Männer und Frauen zwängten sich an den Buden vorbei und drängten sich durch Lücken zwischen neugierigen Kunden.
Seit ihre Mutter tot war, lebte das Mädchen auf der Straße, schlief in Löchern, in die sie früher nicht einmal hineingesehen hätte, und versuchte, sich durch jeden einzelnen Tag zu bringen. Was nützte es ihr, dass die Mutter sie Lesen und Schreiben gelehrt hatte, nicht aber das Überleben auf der Straße? Einzig ihr Wille war ihr geblieben – und ihre Erfindungsgabe. Sie beschmierte ihr Gesicht mit Lehm und Ruß, machte sich damit älter, als sie war, denn ein junges Mädchen, das wenig mehr als fünfzehn Sommer zählte, war für die Straße ein gefundenes Fressen.
Aus dem Rock der Mutter hatte sie sich einen Wollumhang gemacht, unter den sie schlüpfen konnte und der ihr sowohl als Bettdecke als auch als Regenschutz diente. Eine provisorische Kapuze verbarg ihr hellbraunes Haar. Sie fühlte sich darunter geborgen in einer wölfischen Welt.
Ihr Leben war von einem Tag auf den anderen zu dem eines Raubtiers geworden, das lauernd auf seine Beute wartete. Die wenigen Kupfermünzen, die ihre Mutter besessen hatte, hatte Afra dem Pfarrer geben müssen, der ein paar beiläufige Worte gesprochen hatte, als der Körper in eine Grabgrube abgelassen wurde. Sie war voll gewesen mit Leichen und bald darauf mit Kalk und Erde bedeckt worden. Nur ein brauner Hügel erinnerte an die Toten.
Kurz darauf war Afra von ihrem Vermieter auf die Straße gesetzt worden. Nun bettelte sie hier auf dem Markt und lebte von dem, was sie als Almosen ergattern konnte. Unrecht war ihr das nicht, denn sie suchte kein Zuhause, sie suchte nach dem weißgesichtigen Unbekannten mit den tief liegenden Augen. Dabei war ihr Bettlerdasein mehr als hilfreich.
Doch sie hatte Hunger – und Hunger war ein schlechter Ratgeber.
Eine Alte in ihrer Nähe hatte sich auf einen Melkschemel gesetzt und bot in der zwischen ihren Schenkeln aufgespannten Schürze schrumpelige Lageräpfel feil. Sie dufteten verlockend, und Afras Magen zog sich zusammen. Aber sie verbot sich, die Babette zu bestehlen. Es wäre ihr völliges Unglück. Die alte Vettel saß seit Jahren an immer derselben Stelle, und Afra hatte schon so manchen Dieb an ihrer füchsischen Aufmerksamkeit scheitern sehen. Noch an der Hand ihrer Mutter hatte sie die Babette wütend keifen hören. Kaum zuckte eine Diebeshand vor und schnappte sich einen Apfel, schrie die Alte Zeter und Mordio, und der Dieb konnte von Glück reden, wenn er ohne Blessuren davonkam.
Afra seufzte. Einen Apfel, mehr würde sie nicht brauchen. Für diesmal musste sie alle Vorsicht über den Haufen werfen, alle Bedenken beiseiteschieben. Der Hunger wütete zu stark in ihrem Gedärm.
Sie musste unbedingt etwas essen, und die Babette war ihr Opfer. Sie war schon dabei, sich aufzuraffen. Gerade, als sie sich erheben wollte, fegte ein Wirbelwind in Form zweier junger Kerle heran, die sich gegenseitig verfolgten. Sie stießen die Alte auf ihrem wackeligen Schemel um, und die Äpfel rollten aus der Schürze in alle Richtungen davon.
Die Haare unter der Kapuze verborgen, die grünen Augen gesenkt und den Mädchenkörper unter einem weiten Umhang versteckt, sah Afra, wie einer der Äpfel direkt auf sie zu rollte. Ihr Cape zu heben und ihn darunter zu verbergen, war eine fließende Bewegung. Ihr Herz schlug wie rasend. Sie wusste, wenn die Alte gesehen hatte, wie sie einen Apfel unterschlug, waren ihre Tage auf diesem Markt gezählt.
Afra kauerte sprungbereit unter ihrem Umhang. Die Vettel rappelte sich auf, fluchte und schrie den Jungen hinterher und sammelte ihre Äpfel ein. Sie blickte spähend umher, zog ihre Äpfel unter den Budentischen hervor und fischte sie aus dem kleinen Mettlochbach und – übersah Afra völlig. Sie war unsichtbar.
Vorsichtig tastete sie unter ihrem Umhang nach dem Apfel. Die schrumpelig, raue und trockene Haut des Lagerobstes fühlte sich gut an und verstärkte ihr Magenknurren. Noch immer schlug ihr Herz wie wild. Immerhin bestahl sie nicht irgendeinen der reichen Säcke aus der Oberstadt, sondern eine Frau, die in derselben Situation war wie sie. Der Apfel in ihrer Hand begann zu feuern. Sie schluckte, presste die Lippen aufeinander und erhob sich schließlich.
Sie wollte schon an der Alten vorbeigehen, doch dann tat sie etwas Verrücktes. Sie wusste nicht, warum, aber obwohl ihr schlecht vor Hunger war, streckte sie der Alten den Lagerapfel hin.
»Hier. Er ist unter meinen Umhang gerollt!«, erklärte sie und wartete, bis die Alte den Apfel entgegengenommen hatte.
Babette beäugte sie misstrauisch, doch dann gewann ein Lächeln die Oberhand, und sie strahlte über das ganze Gesicht.
»Gutes Mädchen!«, sagte sie. »Ich habe darauf gewartet, dass du ihn mir gibst.«
Hatte sie tatsächlich gesehen, wohin der Apfel gerollt war?
Afra schwieg.
Es mochte die Wahrheit sein, was die Alte sagte, es konnte aber auch nur so dahergeplappert sein.
Afras Essen war jedenfalls ausgefallen. Erschöpft ließ sie sich wieder an der Mauer nieder und wartete.
Für heute brauchte sie noch ein Opfer, einen jungen Gecken, der vor Selbstbewusstsein kaum laufen konnte und daher unvorsichtig war, oder einen alten Greis, den man kurz stützen und so um seinen Geldsack erleichtern konnte, oder gar eine Magd aus gutem Hause, die leichtsinnig mit einem offenen Korb durch die Gegend lief und nach besonderen Angeboten für ihre Herrschaft Ausschau hielt. Je länger Afra auf eine Gelegenheit wartete, desto lauter knurrte ihr Magen – und das war für das Geschäft wenig vorteilhaft. Zwar übersah man sie, aber man konnte sie hören. Und die meisten Marktbesucher hatten gute Ohren. Während sie auf Beute lauerte, blieb sie so regungslos, als wäre sie selbst Teil des Gebäudes. Grau in Grau, schmutzig und bröckelnd wie die Ziegelmauer hinter ihr, aber mit den Augen in alle Richtungen spähend.
Plötzlich klimperten zwei Münzen in ihren Schoß. Afra erstarrte. Jemand hatte ihr Geld zugeworfen. Das allein war kein Unglück. Mit Geld konnte man sich etwas kaufen. Aber er hatte sie als Bettlerin wahrgenommen, und das war ihr noch nie passiert.
Sie fischte in ihrer Schürze und fand zwei Kupferpfennige, die sie verblüfft hin und her drehte. Ihr Blick suchte nach dem Spender und fand einen jungen Kerl mit dunklen Haaren, der sich kurz nach ihr umdrehte und ihr mit ebenso dunklen Augen zuzwinkerte.
Afra war entsetzt. Noch nie war sie beachtet worden. Niemand hatte sie je wahrgenommen, seit sie auf der Straße war, außer, sie wollte es so – doch dieser junge Mann, der mit seiner sonnengebräunten Haut aussah, als käme er aus dem Welschland, war eine Ausnahme. Sofort erhob sie sich.
Dieser Tag fing nicht gut an. Sie hatte Hunger und war gesehen worden. Schlimmer konnte es kaum kommen. Sie musste weg von diesem verfluchten Platz.
Afra verabschiedete sich mit einem Nicken von der alten Babette und wandte sich in Richtung Fischmarkt. Vielleicht fiele dort ein Fischkopf für sie ab.
Wie eine Schlange glitt sie durch die Menge und genoss es, nicht aufzufallen. Sie musste sich nicht einmal bemühen, keinen Menschen zu berühren oder anzustoßen. Die Leute wichen unwillkürlich beiseite und gaben den Weg frei. So streunte sie unbehelligt über den Platz und hielt Ausschau mit Augen und Ohren.
Und plötzlich stand dieser junge Kerl wieder vor ihr und hielt ihr einen Apfel unter die Nase, der so süß duftete, dass sie sich vor Schreck verschluckte. Unwillkürlich hob sie den Kopf und blickte in die Augen des Mannes, der sie unverwandt ansah.
»Ich wollte nur sicher sein, ob deine Augen wirklich grün sind«, sagte er und drückte ihr den Apfel in die Hand.
Afra wollte etwas sagen, doch im selben Augenblick sah sie zum Gebäude des Bäckerzunfthauses hinüber. Auf Höhe der Eingangstür war eine Gestalt mit einem Passanten zusammengestoßen und der hatte ihr die Kapuze halb vom Kopf gerissen. Obwohl er sie rasch wieder überstreifte, erspähte sie kurz ein Gesicht, das sie niemals vergessen würde. Es war so kalkweiß, so starr, dass ihr allein der flüchtige Anblick eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Die Gestalt war kein Geist, sondern beinahe mönchisch ganz in Schwarz gekleidet, mit einer spitzzipfligen Kapuze, die das Gesicht ganz im Dunkeln dahinter verbarg, und strebte dem Markt zu.
Afra ließ den jungen Kerl ohne einen Dank, ohne jegliche Antwort einfach stehen und lief so schnell sie es bei der Menschenmenge vermochte, zum Zunfthaus gegenüber dem Perlach hinüber. Doch bis sie dort angekommen war, war die Gestalt verschwunden. Sie drehte sich mehrmals um sich selbst, suchte mit den Augen die Menge in alle Richtungen ab, doch der Weißgesichtige blieb verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Sie stampfte kurz mit dem Fuß auf, weil sie sich darüber ärgerte, ihn verloren zu haben. Er ist also in der Stadt, war der einzige Gedanke, den sie denken konnte. Aber jetzt wusste sie, wie er sich kleidete und worauf sie achten musste. Sie würde ihn aufspüren. Irgendwann würde er ihr wieder über den Weg laufen.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und bemerkte dabei, dass sie noch immer den Apfel des jungen Kerls in der Hand hielt. Kräftig biss sie hinein, als wäre er der Feind und nicht dieses lebende Gespenst, und müsste vernichtet werden. Der Apfel beruhigte ihren Hunger etwas, stillte ihn aber nicht.
Langsam ging sie zurück, hielt weiter Ausschau nach dem Weißgesichtigen, suchte mit den Augen die Menschenmenge zu durchdringen, und hielt gleichzeitig nach dem jungen Kerl Ausschau, dem sie noch einen Dank schuldig war. Außerdem wollte sie ihn fragen, weshalb sie ihm aufgefallen war. Doch auch von ihm fehlte jede Spur.
Vor den Buden von St. Peter blieb Afra stehen. Sie hatte zwar weder den Weißgesichtigen noch den jungen Burschen entdeckt, ihre Ohren aber hatten ihre heutigen Opfer erlauscht, ihre Augen mussten sie erst noch finden.
Drei Männer standen vor einem Stand, der in die Mauer des Turmunterbaus eingelassen war, und machten sich lustig über die Rosenkränze, die dort verkauft wurden, hielten sie für katholisches Hexenwerk und Verführungsmittel des Teufels. Sie unterhielten sich in einem Dialekt, der ihr durchaus vertraut war: Eidgenossen. Afra kannte sich mit der Sprache aus, denn sie selbst war vor Jahren mit ihrer Mutter aus der Gegend von Schaffhausen hierhergekommen. Die drei Männer stammten der Sprache nach aus Basel und steckten in Reitkleidung. Die schweren Lodenmäntel klatschten noch durchnässt vom morgendlichen Regen gegen ihre Unterschenkel. Mit sicherem Blick erkannte Afra, dass der feuchte Wollfilz ihr Vorteil war. Sie lief an ihnen vorbei und versuchte, herauszufinden, in welche Richtung sie wollten, während sie die Reiter zu Fuß aufmerksam musterte. Offenbar streunten sie ebenso ziellos über den Markt wie sie selbst. Afra lief ein Stück voraus und lehnte sich gegen die Rathausecke. Über ihr lag der Pranger. Wer vorüberlief, sah nach oben, nicht aber in ihr Gesicht. Die Neugier der Menschen auf das Unglück war größer als das Interesse an einer zerlumpten, vor Schmutz starrenden jungen Frau.
Die drei Eidgenossen kamen lachend und schwatzend auf sie zu. Kurz vor ihr bogen sie zu einer Bude ab, deren Duft sie anlockte. Ein Mann rührte in einem Kessel, der über einer offenen Feuerschale auf einem metallenen Dreifuß stand. Es roch nach Sauerkraut und Speck. Für einen kleinen Obolus packte er einen gekochten Speckstreifen mit Kraut auf eine Brotscheibe. Die Männer stellten sich in die Schlange, und Afra wurde wie durch eine unsichtbare Gewalt von dieser Menge angezogen. Der Duft ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Rasch musterte sie die Männer von oben bis unten. Einerseits waren sie eine leichte Beute, da die schweren, nassen Mäntel sie unempfindlicher gegen andere Berührungen machten, andererseits verdeckten die Loden ihre Gürtel. Dennoch erspähte Afra an einem der Leibriemen eine Geldkatze aus dunklem Samt.
Lange durfte sie nicht mehr warten. Noch während sie auf die drei zulief, rutschte ihr das scharfe kleine Messer, das sie immer im Ärmel versteckt hielt, in die Hand. Der Erste gab bereits seinen Bestellungswunsch ab, der Zweite reckte den Kopf über dessen Schulter, und der Dritte drängte nach vorn, als Afra in die Gruppe stolperte.
Sie entschuldigte sich, schob sich zwischen dem vorletzten und letzten Eidgenossen hindurch, und verschwand auch schon in Richtung Perlach, bevor die drei Männer wussten, was geschehen war.
Keiner von ihnen hatte bemerkt, wie Afras flinke Finger den Beutel mit dem Messer abgetrennt und mitgenommen hatte.
Der kleine Zwischenfall war sogleich wieder vergessen, weil die Brote mit den Speckstreifen ausgegeben wurden.
Afra hielt ein wenig abseits kurz inne und schaute über die Schulter zurück. Keiner der Männer hatte den Diebstahl bemerkt, niemand verfolgte sie, keine Aufregung war zu sehen oder zu hören. Innerlich musste sie grinsen. Ein Geist kam und ging ohne Aufsehen.
Sie schlenderte den Berg in die Jakober Vorstadt hinunter und bog auf halber Strecke in eine Gasse hinter den Perlach ein. Eine Treppe führte zum Fischmarkt hinauf, aber sie war leer. Sie freute sich schon darauf, dem Beutel eine Münze zu entnehmen und sich etwas zu essen kaufen zu können. Vielleicht einen der Schrumpeläpfel der Alten, die zwar unansehnlich aussahen, aber von überragendem Geschmack waren.
Obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, beobachtet zu werden, wandte Afra der Gasse den Rücken zu, lehnte sich mit einer Schulter an die Mauer und zupfte den Samtbeutel auf, der ihr merkwürdig leicht vorkam. Nichts klimperte darin. Die Aufregung, die sie befiel, schnitt jegliche Geräusche ab und schuf eine eigene Welt aus Stille um sie herum. Vorsichtig griff sie in das Säckchen – und ein Fluch würgte sich ihre Kehle hoch. Keine einzige Münze, nur irgendwelche gefalteten Zettel. Wütend riss sie die Papiere aus dem Beutel, schleuderte sie in die Gosse und griff ein zweites Mal hinein. Nichts. Nur wertlose Wechsel! Niemand außer dem Überbringer würde sie einlösen können, wenn er denn wusste, wem er sie auszuhändigen hatte. Mit dem Fuß stieß sie nach den Fetzen Papier – und stutzte. Sofort kniete sie sich hin, hob sie wieder auf und strich sie glatt. Da war keine Schrift wie bei Wechseln üblich. Sie hielt Zeichnungen in der Hand. Bunte Zeichnungen von irgendwelchem Schmuck. Einmal war es eine Hutfeder, eine Art Pfeil, nur dass rote und weiße Steine sowie große und kleine dunkle Perlen zu sehen waren. Waren das etwa Rubine? Diamanten? Gesehen hatte sie solche Steine schon. Sie prangten an den Hüten von Kaufleuten, an den Stolen geistlicher Herren oder an den Schärpen von Adligen. Rubine, Diamanten, Perlen. Ihr stockte der Atem. Ein anderes Bild zeigte drei große rote Steine. Wieder Rubine und ein ebenso heller Stein. Ein Diamant?
Über ihr raschelte es. Sie blickte hoch, aber dort war niemand. Allerdings glaubte sie, Schritte auf der Treppe zu hören, die zur Gasse hinunterführte.
Rasch schob sie die unterschiedlich großen Bögen unter ihre Bluse. Was um alles in der Welt hatte sie da in die Hände bekommen? Waren die Zeichnungen etwa von Wert?
Ein Geräusch ließ sie herumfahren.
Ein Mann bog zu ihr in die Gasse ein. Er hinkte leicht, und sein linker Mundwinkel hing schlaff herab.
»Der Hucker Sepp«, murmelte sie vor sich hin.
Nachdem er in eine Prügelei geraten war, hatte ihn ein Schlagfluss ereilt, der seine linke Körperhälfte leicht lähmte und unbeweglicher machte.
»Sepp, du hast mich erschreckt!«, rief sie.
»Hast du was für mich?«, fragte er neugierig und blickte auf die Stelle unter ihrer Bluse, wo die Zeichnungen steckten.
Afra schüttelte den Kopf.
»Ein leerer Beutel. Fast leer. Ein paar Zettel.«
Der Hucker Sepp horchte auf und hob die Augenbrauen.
»Wechsel? Von wem an wen?«, hakte er nach. »Du weißt, dass ich die allermeisten an den Mann bringen kann, aber du …«
»Ich weiß. Goldstücke oder Wechsel gehen an dich. Mir ist klar, dass niemand, dem ich ein Goldstück gebe, glauben wird, ich hätte es verdient oder auch nur gefunden.«
Der Hucker streckte die Hand aus. Sie zitterte.
»Also, her damit.« Seine Stimme klang ungeduldig.
Afra trat einen Schritt näher, bis ihr der käsige Körpergeruch des ehemaligen Huckers in der Nase kitzelte. Selbst sein Bartwuchs hatte unter dem Schlaganfall gelitten. Auf der linken Wange gab es kein einziges Haar mehr.
»Es sind Bilder. Zeichnungen. Mit denen kannst auch du nichts anfangen.«
Mit dem Handrücken wischte sich der Hucker Sepp über den gelähmten Mundwinkel und entfernte den Speichel, der ihm dort aus dem Mund lief.
»Zeig trotzdem her«, forderte er sie auf.
Seufzend holte Afra die fünf Zettel aus ihrem Kleid, gab sie aber nicht aus der Hand. Sie hielt sie dem Hucker nur vor die Augen.
Der besah sie sich genau, ohne den Versuch zu wagen, sie an sich zu nehmen.
Während der Begutachtung knurrte Afras Magen. Sie brauchte dringend etwas zu essen. Eine Diebin, deren Magen knurrte wie eine Bracke, blieb nicht mehr unsichtbar. Sepp seinerseits wusste genau, wie sehr sie aufeinander angewiesen waren. Brachte sie ihm keine Beute, würde er verhungern, denn als Hucker konnte er nicht mehr arbeiten. Außerdem wollte niemand etwas mit einem schieläugigen, sabbernden Hehler zu tun haben. Dafür übervorteilte er Afra nur in einem gewissen Rahmen, weil er wiederum wusste, dass ihr jede Silbermünze, die sie zur Zahlung vorlegte, als Diebstahl ausgelegt werden würde.
Beim Anblick der Zeichnungen versuchte er, durch die Lippen zu pfeifen, was aber in einem Sprühregen aus Speichel endete.
»Wenn die Klunker echt wären, könnten sie uns über die nächsten Jahrzehnte hinweghelfen. Aber du hast recht. Nichts für mich«, knurrte er schließlich. »Keine Münzen?«
Afra schüttelte den Kopf, faltete die Papiere, steckte sie zurück in den Beutel. Dabei fiel ihr auf, dass eines der Blätter doppelt war, das mit dem Juwelenpfeil, die stilisierte Hutfeder. Kurz entschlossen entschied sie, dieses Blatt zu behalten, und steckte es unter ihren Ärmel. Den Beutel barg sie in einer Tasche ihres Kleides. Dabei spürte sie gleichzeitig die beiden Münzen des jungen Mannes.
Sepp tat ihr leid. Er war ein ebenso armer Teufel wie sie, mit dem Unterschied, dass es ihm mit seiner körperlichen Schwäche noch schlechter ging als ihr.
»Hier!«, sagte sie. »Von einem jungen Kerl, der mich bemerkt hat.« Sie streckte ihm die beiden Münzen auf der flachen Hand entgegen. »Wenn du mir versprichst, sie nicht zu versaufen. Ich habe nämlich einen ebensolchen Hunger wie du.«
Zuerst sah er sie an, als hätte sie ihm gerade erzählt, sie sei vom Perlachturm gesprungen.
»Er hat dich bemerkt?«, hakte er nach.
Afra nickte nur. Von der zweiten Begegnung und dem Apfel schwieg sie.
»Dann solltest du hoffen, er ist auf der Durchreise. Wenn nicht, musst du ihn entweder …«
Mit einem Räuspern unterbrach sie ihn. Wie oft hatte sie das schon gehört?
»Was soll ich?«
»… heiraten oder töten.«
»Nette Alternativen«, stöhnte Afra. »Beide kaum zu erfüllen. Er wird schon keine Gefahr sein.«
Das Lächeln, das der Hucker Sepp versuchte, wirkte wie eine Grimasse.
»Das wäre zu hoffen. Das Geld kannst du jedenfalls gebrauchen, Afra. Sei ihm dafür dankbar.«
Er griff zu, nahm aber nur eine der beiden Münzen. Über seine Lippen kam zwar kein Dank, aber in seinen Augen entdeckte sie ein weiches Glänzen. Er steckte die Münze ein und trottete humpelnd davon.
Afra zuckte mit den Schultern, packte die Sorgen, die der Hucker in ihr ausgelöst hatte, in die hinterste Stube ihres Kopfes, und machte sich wieder auf den Weg. Für eine Scheibe mit Speckfleisch und Sauerkraut reichte die einzelne Münze nicht, aber ein zweiter Apfel war drin. Und das war mehr, als sie gestern hatte ergattern können.
Zurück auf dem Markt spähte sie umher. Auf dem Weg nach oben war ihr eine andere Idee gekommen. Sie war nicht ungefährlich, aber sie konnte zum Erfolg führen. Was, wenn sie den Männern eine handfeste Lüge auftischte, die man als solche nicht erkennen konnte?
Sie war schon auf dem Weg zu der alten Vettel und hatte mit ihr Blickkontakt aufgenommen, als sie den Kopf schüttelte und dann achselzuckend abbog. Sie brauchte etwas anderes als noch einen Apfel.
Mit einem scharfen Blick auf die Menschen, die mittlerweile in Mengen über den Markt strömten, schlenderte sie durch die Neugierigen und Kauflustigen und suchte nach den drei Basler Reitern. Die Lodenmäntel waren eigentlich schwer zu übersehen. Aber ihr kleiner Disput mit dem Hucker Sepp hatte anscheinend zu lange gedauert. Sie stellte sich sogar auf die Schwelle des Rathauses, die etwas erhöht lag, und versuchte so, die Männer zu entdecken, aber sie waren wie vom Erdboden verschluckt.
Während sie sich um ihre eigene Achse drehte und den Blick wandern ließ, fiel ihr eine Gestalt in einem dunklen Umhang auf, die zu ihr hinübersah. Sie kannte die Gestalt, doch als sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, war sie verschwunden.
Resigniert darüber, ihre gute Idee nicht austesten zu können, beschloss Afra, sich wieder auf dem Markt auf die Lauer zu legen. Zuvor musste sie jedoch noch etwas essen. Eine Kleinigkeit nur.
Sie schlenderte am Rathaus vorbei hinauf zum Brotmarkt, um dort ihre Münze gegen einen verschobenen und aufgeplatzten Laib einzutauschen, der verbotenerweise unter dem Ladentisch verhökert wurde, sie aber zwei Tage sättigen könnte.
Vor dem Tanzhaus hatten die Bäcker die Wagen aufgebaut und boten ihre Brote feil. Manche hatten Planen über die Handkarren gespannt, an denen ein auffrischender Wind riss.
Afra sah in den Himmel hinauf. Sie würden sich mit dem Verkauf beeilen müssen. Ein Wetter zog auf. Feuchte Böen fegten über den Platz und bliesen durch die Gasse zum Weinmarkt. Wenn sie etwas wartete, würde sie vielleicht sogar ein richtiges Brot bekommen, weil der bald einsetzende Regen die Bäckerwaren durchnässte. Sie beschloss also, an den Wagen vorbeizugehen, den Weinmarkt einmal zu umrunden – und da entdeckte sie den letzten der drei Lodenmäntel.
Er verschwand eben durch eine Tür ins Innere von Minners Schenke »Drei Mohren«.
Im Nu war ihr Hunger verschwunden.
Minner würde sie nicht wegschicken. Der Wirt hatte sie in sein Herz geschlossen und überließ ihr hin und wieder den Kessel zum Auskratzen, bevor er am Morgen einen neuen Eintopf ansetzte. Zwar waren die Essenreste darin meist leicht angebrannt, aber das war allemal besser als nichts im Magen. Und meist lag noch eine Scheibe Brot wie zufällig neben dem Kessel. Sie musste lächeln. Minner verlangte nichts dafür. Die einzige Auflage war, in seinem Gasthaus niemanden zu bestehlen.
Afra rannte die letzte Strecke beinahe. Einmal, weil sie hoffte, etwas zu essen zu bekommen, und zum andern, weil sie ihren Plan jetzt doch umsetzen konnte.
Die Tür ließ sich nur schwer nach innen schieben, kaum war Afra kräftig genug dafür. Wäre ihr das Türblatt entglitten, hätte es sie vermutlich erschlagen. In der Gaststube, die noch nicht sonderlich gefüllt war, stank es nach Schweiß und Bier, nach Urin und Essen. Es roch abstoßend und lockte zugleich.
Afra seufzte. Ihre Augen huschten sofort von links nach rechts und suchten die drei eidgenössischen Reiter. Sie hatten sich an einen freien Tisch gesetzt – und glücklicherweise waren hinter ihnen weitere Plätze frei.
»Was willst du hier?«, fuhr Minner sie knurrend an, als sie die Schankstube betrat. Er stand vor ihr, drei Krüge mit Bier in der Hand und sah auf sie herab. Es war nicht die Begrüßung, die sie erhofft hatte. Sein Blick war finster und gleichzeitig zweideutig.
Afra schluckte, kramte dann aus ihrer Tasche die letzte Münze heraus.
»Etwas zu essen«, antwortete sie und streckte ihm den Pfennig entgegen. »Ich bezahle auch dafür.«
Offenbar verblüfft beäugte sie der Wirt und sah auf ihre Hand, dann zog ein Grinsen über sein Gesicht.
»Hock dich in eine Ecke. Ich bring dir was.«
Afra, der bereits mulmig geworden war, schlängelte sich zu der Bank hinter den Reitern und ließ sich so nieder, dass sie mit dem Rücken zu den Männern saß. Sie wollte hören, was sie sagten, aber nicht gesehen und noch weniger erkannt werden.
Die Männer prosteten sich gerade zu und schlugen die Krüge aneinander. Dann hörte Afra, wie das Bier durstige Kehlen hinunterrann, wie sie schluckten, würgten, rülpsten. Schließlich stellten sie ihre Krüge ab.
»Und?«, begann der erste der Männer.
Sie verfielen in ihren eidgenössischen Dialekt. So waren sie sich offenbar sicher, dass niemand sie würde verstehen können.
»Zu wem gehen wir zuerst? Höchstetter, Welser oder Fugger?«
Afra spitzte die Ohren. Was hatten sie mit den bekanntesten Augsburger Kaufmannsfamilien zu schaffen?
Gott sei Dank war die Gaststube halb leer, deshalb konnte sie die Männer gut verstehen. Erst in einigen Stunden würden die Menschen in die Schenke strömen, wenn die Glocke vom Perlachturm das Ende des Marktes eingeläutet hatte.
»Folgen wir dem Weg des Geldes!«, erwiderte ein zweiter und setzte wieder seinen Krug an. Als er sich den Mund abwischte, fügte er hinzu: »Hat der Fugger nicht ein junges Weib? Die ist doch viel jünger als er? Einem solchen Gewächs muss man doch Geschenke machen, um es bei Laune zu halten und Wurzeln zu schlagen.«
Alle drei lachten über die Zote.
Afra in ihrem Rücken hatte den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet. In ihren Gedanken hatte sie sich umgedreht und saß mitten unter den Männern. Selbst als diese die Köpfe zusammensteckten und ihre Sprache noch stärker zu vernuscheln begannen, vernahm sie ihre Stimmen klar und deutlich. Sie dankte dem Umstand, in Schaffhausen geboren worden zu sein. Sie war mit Eidgenossen und deren Sprache aufgewachsen, verstand auch deren undeutlich gesprochenen Wörter.
»Wer hätte gedacht, dass die Stadt Basel den Burgunderschatz je veräußert«, ließ sich der dritte Mann vernehmen. Und damit begann ein Gespräch, das so schnell geführt wurde, dass Afra die einzelnen Stimmen nicht mehr voneinander zu unterscheiden vermochte.
»Wer hat schon über zwanzigtausend Gulden?«
»Keine Sorge, die Augsburger Pfeffersäcke werden sich daran nicht verschlucken.«
»Man munkelt, dass keiner der großen Drei Nein sagen würde.«
»Verflucht viel Geld.«
»Für den Burgunderschatz ein kleiner Preis, wenn man bedenkt, dass man die Steine ausbrechen und einzeln verkaufen könnte.«
»Sie wären dann noch immer ein Vermögen wert.«
»Aber sie verschaffen vor allem eines: Ansehen. Jedes einzelne Teil ist ein Kleinod.«
Die drei nickten, prosteten sich zu und bestellten noch eine Runde, als Minner bei ihnen vorüberkam. Der Wirt nickte und stellte vor Afra einen Teller auf den Tisch. Der war zwar nur halb voll, aber ihr Magen zog sich sofort zusammen, als sie den Duft des Eintopfs roch, in dem sogar ein Stück Speck schwamm. Am Tellerrand lag ein Kanten Brot, der beinahe so groß war wie ihre ganze Hand und doppelt so dick.
Sie blickte kurz auf und sah noch, wie Minner ihr zunickte.
Afra begann, den Teller schräg zu halten und den Eintopf zu schlürfen. Einen Löffel besaß sie nicht. Er war heiß und brannte ihre Kehle hinunter und wärmte den Bauch.
Währenddessen lauschte sie weiter dem Gespräch.
»Der Rat braucht Geld, viel Geld. Er ist bis über beide Ohren verschuldet.«
»Ich hätte nie gedacht, dass die Klunker in unserer Stadt liegen, das Gürtelin, das Federlin, die Drei Brüder und die Weiße Rose. Das war doch alles verschwunden, nachdem unsere Soldaten Karl dem Kühnen bei Grandson eins auf die Nase gegeben haben.«
»Während der Plünderung ist so manches verschwunden. Also mein Vater …«
»Obwohl man das meiste wieder eingesammelt hat«, wurde der Mann unterbrochen. »Der Vater meines Schwagers war auch dabei. Musste alles wieder hergeben.«
»Alles?«
»Na ja, einen Dolch und ein paar Juwelen hat er unterschlagen. Aber auf die Gefahr hin, vor Gericht gezerrt zu werden.«
»Ja, wer eine ehrliche Haut ist, dem wird dieselbe über den Kopf gezogen.«
»Der Rat hat keinen Mucks von sich gegeben, dass er den wertvollsten Teil des Schatzes besitzt. Muss wohl einer der Ratsherren gewesen sein, der ihn nach der Schlacht entweder selbst geklaut oder später heimlich gekauft hat. Mit Geld aus der Stadtkasse.«
Nur mit Mühe konnte Afra ihre Erregung verbergen. Die Niederlage Karls des Kühnen gegen eine eidgenössische Armee vor mehr als einem Lebensalter war noch heute Thema der Bänkelsänger auf den Jahrmärkten, und von dem verschwundenen Schatz, der in irgendeinem Bergsee liegen und auf seine Entdeckung warten solle, träumte manch armer Schlucker nach so einem Auftritt. Und jetzt war dieser Schatz aufgetaucht – und Afra hatte sogar Beweise dafür. Sie langte unter den Rock und befühlte das Säckchen. So leicht fühlte es sich an und war doch goldschwer. Die Namen der Kleinodien waren wie Zauberwörter aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt. Juwelen und Schmuck, die Bedeutungen trugen wie der Schatz der Nibelungen oder das sagenhafte Grab des Westgotenkönigs Alarich im Busento, drückten auf ihren Magen. Wie gern lauschte sie diesen Sagen auf den Jahrmärkten, wenn die Bänkelsänger keine aktuellen Schauermärchen zu bieten hatten, und plötzlich wurde eine solche Mär zur Wirklichkeit.
Ihr Magen tat ihr weh von so viel Essen und Geschichten. Beides musste sie erst einmal verdauen. Der letzte Bissen Brot wurde eben im Mund zu einem Brei zermalmt und eingespeichelt, bis er süß schmeckte, als die Männer Geldstücke auf den Tisch knallten und sich erhoben. Rasch ließ Afra den Samtbeutel unter den Stuhl des jüngsten Reiters gleiten, der, wie sie gehört hatte, Utz genannt wurde.
»Also dann … zum Fugger?«, fragte der gerade entschlossen.
»Zum Fugger!«, klang es ebenso entschlossen aus dem Mund des Mannes, den alle Chasper nannten.
»Halt!«, rief der Älteste, der wohl Beat hieß. Er hob die Hand und stoppte den Eifer seiner Begleiter. »Nicht so eilig. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in der allernächsten Zeit.« Er strich sich über den grauen Bart. »Wir müssen uns zuerst erkundigen, welche weiteren Interessenten es geben könnte. Welche Kaufleute genügend Geld zur Verfügung haben und welchen Leumund sie besitzen. Alles dürfen wir, nur nicht zu rasch und zu unbedacht handeln.«
Während die Männer den Wirt zu sich riefen und bevor sie aufstanden, huschte Afra zur Tür hinaus. Sie hatte ihre Münze auf dem Tisch liegen gelassen.
Jetzt entschied sich, ob der Tag glücklich für sie ausginge oder nicht.
Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen. Ein leichter Niesel befeuchtete den Boden und die Kleidung, wurde aber mit jedem Atemzug stärker. Afra überlegte, wo sie die Männer abpassen könnte. Wenn die eidgenössischen Reiter zu Fugger wollten, mussten sie zum Heumarkt, ein kurzer Weg. Zu weit von Minners Schenke durfte sie nicht sein, sonst verpasste sie die Kerle noch, zu nahe aber auch nicht. Ungeduldig wartete sie, bis die drei aus der Schenke traten. Sie liefen direkt an ihr vorüber, ohne sie auch nur zu bemerken. Als sie schon auf Rufweite weg waren, wurde das Bündel, zu dem Afra geworden war, lebendig und rief den Männern hinterher:
»So wartet doch. Hallo. Ihr habt etwas verloren!«
Beat drehte sich als Erster um und spähte hinter sich.
»Habt ihr das auch gehört?«, fragte er, schien aber Afra nicht zu sehen, die jetzt auf die drei Männer zurannte.
Was eine Gabe war, war zugleich ein Fluch. Afra musste mit den Armen wedeln, bis ein Zweiter auf sie deutete.
»Was will denn die von uns?«
»Wir geben Bettlern nichts.«
Afra hatte so eine Reaktion erwartet. »Ihr habt etwas verloren«, rief sie noch einmal.
Alle drei hielten inne.
»Was sagst du da?«
»Ihr habt etwas verloren!«, wiederholte Afra in derselben Sprache, die die Basler sprachen.
Mittlerweile stand sie in Reichweite vor den Männern.
Alle drei begannen ihre Kleidung abzuklopfen, ihre Geldsäcke zu kontrollieren. Niemand schien etwas zu vermissen. Schon hob der Älteste die Hand, als wolle er Afra verscheuchen, als Utz aufstöhnte.
»Was hast du?«
»Die Zeichnungen …«, murmelte Utz und klopfte sein Wams und die Hose ab. »Weg!«
Wie auf ein Kommando ruckten die Köpfe der Eidgenossen zu Afra hin.
»Hast du …?«
»Bevor Ihr Herren auf falsche Gedanken kommt«, begann Afra. »Ich habe Euch nicht bestohlen, aber ich habe gesehen, wie Euch ein Beutel aus der Kleidung gefallen ist …«
»… den du aufgehoben hast und uns jetzt aushändigst.«
Der Mann, den Utz Beat genannt hatte, streckte seine Hand aus und forderte sie nachdrücklich auf, den verlorenen Gegenstand dort hineinzulegen.
Afra blickte ihm verständnislos in die Augen.
»Haltet Ihr mich für dumm?«, fragte Afra zurück und konnte beobachten, wie den Männern die Kinnladen herunterklappten. »Ich habe Hunger und will etwas zu essen. Dafür braucht man Geld. Ihr habt Geld, ich habe euren Samtbeutel. Wie also könnten wir das für beide Seiten zufriedenstellend regeln?«
Noch immer brachten die Männer ihre Münder nicht zu. Sie blickten einander an.
»Erpresst uns das Gör gerade?«, fragte Chaspar.
Utz nickte. »So könnte man das nennen.«
Im gleichen Augenblick schnellte seine Hand vor und griff nach Afras Oberarm. Aber die war durch die übellaunige Reaktion gewarnt und der Basler zu langsam für sie. Sie sprang kurz zurück, und er griff ins Leere.
»Verdammt!«, knurrte er.
»Wie viel ist euch das Samtsäckchen wert?«, konterte sie und machte einen weiteren Schritt zurück.
Gleichzeitig bemerkte sie, wie die drei Männer sich auffächerten und sie zu umrunden versuchten.
»Bevor ihr etwas Unüberlegtes tut«, rief sie beherzt. »Ich habe den Samtbeutel nicht bei mir, weiß aber, wo er liegt. Noch liegt. Ziemlich offen und für jedermann sichtbar. Ihr solltet also schnell sein. Ich denke, er ist zwei Silbermünzen wert.«
»Ist das Miststück verrückt geworden?«, keifte Chasper und griff ebenfalls zu, doch Afra war schneller. Sie schien die Absichten der Männer vorauszuahnen und wich noch aus, bevor sie sich bewegten.
»Drei Silbermünzen. Die Preis erhöht sich gerade!« Sie lächelte Chasper spöttisch an. »Er liegt so offen da, dass man ihn zufällig entdecken kann. Überlegt es euch gut.«
»Verdammt«, knurrte Beat und warf Utz einen schiefen Blick zu. »Ohne …« Er verschluckte den Rest des Satzes. »Ohne … haben wir nichts in der Hand und … und unsere Mission ist gescheitert.«
Er nickte Utz zu, der murrend seine Börse hervorzog und darin kramte.
Zwei Münzen zog er hervor und warf sie Afra vor die Füße.
»Das muss …«
»Jetzt sind es vier Silbermünzen!«, sagte Afra ruhig und sah den Mann direkt an, ohne sich um die Münzen auf dem Boden zu kümmern.
Utz wollte protestieren, doch Beat knurrte ungeduldig, und zwei weitere Münzen fielen vor ihr in den Kies.
Afra war sich bewusst, dass sie Gefahr lief, gepackt zu werden, sobald sie die Münzen aufklaubte. Aber für solche Fälle hatte sie eine zweite Haut.
»Ich werde die Münzen jetzt aufheben«, verkündete sie. »Wenn Ihr mich dabei stört, seht Ihr den Beutel nie wieder. Ich habe ihn nicht bei mir und er liegt – wie schon gesagt – so offen da, dass jeder ihn greifen kann, wenn er etwas aufmerksam ist.«
»Wer sagt mir, dass er noch nicht weg ist?«, fuhr sie der Wortführer Beat an.
»Etwas Vertrauen solltet ihr schon in mich haben!«, antwortete Afra ruhig und langte zu Boden, ohne die Männer aus den Augen zu lassen.
Sie griff sich die vier Münzen und war schon dabei, sich aufzurichten, als Utz sie an der Schulter packte. Er wollte sie hochziehen, hatte aber nur ihr Obergewand in der Hand. Afra schlüpfte unter seinem Arm durch und war auch schon an ihm vorbei, als dieser zu fluchen begann und das zerlumpte Cape zu Boden schleuderte.
»Das kostet euch eine weitere Münze! Und diesmal werft ihr sie mir zu!«, keuchte Afra.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ihre Stimme zitterte.
Beat lachte laut auf.
»Diese Kröte ist schlauer als ihr zwei Holzköpfe zusammen. Hier!«
Er kramte in seinem Geldsack und warf ihr eine weitere Münze zu.
»Wo?«, fragte er, während das Geldstück durch die Luft flog.
Afra fing es geschickt auf und ließ es in ihrem Rock verschwinden.
»Bei Minner im Gasthof, unter seinem Stuhl.« Sie deutete auf Utz.
Noch bevor die Männer reagieren konnten, drehte sie sich um und lief davon. Utz jagte ihr hinterher, aber Afras Gabe, sich durch Menschenmengen zu schlängeln, ohne die Leute auch nur zu berühren, besaß er nicht. Kaum war sie in dem Gewimmel des Marktes untergetaucht, wurde er auch schon unter Flüchen und Drohungen gestoppt, musste sich zwischen den Leibern hindurchzwängen und konnte Afra nicht mehr folgen.
Sie umrundete das Tanzhaus und spähte von hinten auf den Platz vor der Minnerschen Schenke. Ihre Hände zitterten, und ihr Atem ging so schnell, dass ihr beinahe schwindlig wurde. Der Regen wurde langsam stärker und kühlte sie etwas ab.
Sie kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Männer aus der Schenke kamen und erleichtert den Beutel begutachteten. Beat steckte ihn sich in eine Tasche seines Lodenmantels. Auf halbem Weg zwischen ihr und den Männern lag ihr Umhang. Sie wartete, bis diese in Richtung Rindermarkt davongingen, dann schlüpfte sie auf dem Platz hinaus, griff sich ihren Fetzen und verschwand in der Wintergasse.
Langsam beruhigte sie sich wieder. Das Zittern ihrer Hände ließ nach, und sie fühlte, wie ihr heißes Gesicht langsam abkühlte.
Vorsichtig sah sie sich um, ob einer der Basler Reiter ihr folgte. Als das nicht der Fall war, begab sie sich über einen Schlupf hinunter in die Handwerkerstadt. Sie würde eine der Silbermünzen beim Hucker Sepp gegen Kupfermünzen umtauschen, denn damit konnte sie als Bettlerin bezahlen. Gleichzeitig überlegte sie, wie schnell die Männer dazu bereit gewesen waren, ihr fünf Silbermünzen zu geben, um den Beutel wiederzubekommen.
Der Schluss, den sie daraus zog, war, dass die Bilder wertvoller waren als gedacht. Womöglich lässt sich noch mehr Geld herausschlagen, überlegte sie. Und sie wusste, sie hatte Zeit.
Sie berührte das doppelte Bild mit dem Juwelenpfeil, das sie für sich behalten hatte, und spürte ein Prickeln auf ihrer Haut, eine zunehmende Erregung und eine gewisse neugierige Furcht, die sie beflügelten.
Unruhig trat Herwart von einem Fuß auf den anderen. Noch nie hatte ihn sein Dienstherr so lange warten lassen. »Nütze die Zeit« war dessen Wahlspruch, darin kam der Begriff Müßiggang nicht vor. Stattdessen musste er manchmal neben seinem Herrn herrennen, während der ihm erklärte, was er zu tun habe.
Der junge Meldereiter begann, auf dem dunklen Flur vor dem Fugger-Kontor auf und ab zu gehen, bis er schon glaubte, man habe ihn vergessen. Eben hatte er sich dazu durchgerungen, an die Tür zu klopfen, als diese aufging und ein Mann in Reitkleidung auftauchte. Er nickte über die Schulter einem anderen zu und zuckte zurück, weil er beinahe in Herwarts zum Klopfen vorgestreckte Faust hineingelaufen wäre.
»Oho! Hast du gelauscht, Kerl?«, blaffte der graubärtige Mann ihn in einer merkwürdigen Sprache an. Herwart verstand ihn kaum. »Das Ohr am Rahmen?«
»Äh, was?«, stotterte Herwart. »Nein. Ich warte hier nur seit einer kleinen Ewigkeit. In der Zwischenzeit hätte die Welt untergehen können. Ich wollte mich gerade wieder ins Gedächtnis bringen und klopfen, bevor der Jüngste Tag anbricht.« Selbst irritiert nahm er seine Hand herunter.
»Der Herwart? Herein mit ihm«, ertönte von innen Fuggers Stimme. »Und Ihr, Beat, raus mit Euch.«
Der Reiter musterte Herwart noch einmal von oben bis unten, dann ging er an ihm vorbei, nicht ohne ihn mit der Schulter beiseitezustoßen.
Normalerweise hätte sich Herwart das nicht gefallen lassen, aber vor dem Kontor seines Dienstherrn wollte er keine Schlägerei vom Zaun brechen. Er schlüpfte in den Raum, der zu seiner Überraschung bis auf Fugger menschenleer war. Sonst wuselten darin mindestes zwei Schreiber, Jakob Fuggers Bruder Ulrich und ein weiterer Buchhalter herum. Verblüfft sah er sich um.
»Wo sind die Leute hin?«, entfuhr es ihm.
»Setzt Euch, Herwart. Ich habe einen Auftrag für Euch, der nicht für fremde Ohren bestimmt ist.«
Fugger schloss sorgfältig die Tür, nachdem er auf den Flur hinausgespäht hatte, ob dieser leer wäre, und setzte sich ihm gegenüber. Bevor er begann, rückte er seine goldene Kappe zurecht, eine Gewohnheit, die er in den letzten Jahren angenommen hatte, seit er mit Sibylla Artzt verheiratet war. Als müsse er die darunter liegenden Gedanken zurechtrütteln, ehe er sie aussprach.
»Ihr reitet sofort nach Basel zum dortigen Magistrat. Ihr fragt ihn, ob das Angebot des Beat Schiffer handfest ist. Wenn ja, dann eilt weiter nach Luzern. Dort wird der Prunkhut Karls des Kühnen angeboten. Den kauft und bringt hierher. Hier …« Jakob Fugger hob einige Blätter vom Tisch und reichte sie Herwart. Ein eigenartiges Glitzern stand in seinen grauen Augen. »… das sind Wechsel über 6.800 Gulden. Bezahlt damit und holt mir den herzoglichen Schaubhut. Kein Wort zu niemandem. Ich verlasse mich auf Euch!«
Herwart musste schlucken. Er hatte sich kaum den Staub aus Wien vom Körper gewaschen und sollte nun gleich mit 6.800 Gulden nach Luzern. Das war eine Summe, die ihm Schwindel bereitete. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Jakob Fugger musterte ihn. »Ich weiß, dass Ihr mir treu ergeben seid, Herwart. Ich kenne niemanden, dem ich diese Aufgabe sonst anvertrauen würde. Erinnert Ihr Euch an das Halsband für die Königin von Ungarn? Ihr habt es für mich nach Wien gebracht, während alle Welt glaubte, es würde mit zehn Reitern Bewachung von Venedig aus über die Fuggerau in Kärnten nach Wien überführt.«
Fugger musste bei dem Gedanken an die Täuschung lachen.
»Weil ich keine Ahnung hatte, was da in der Tasche lag!«, wagte Herwart zu sagen.
»Jetzt erzählt mir nicht, dass meine Meldereiter nicht wissen, was sie transportieren«, winkte Fugger ab und erhob sich. »Allerdings ist der Schaubhut ein sperriges Ding. Ihr braucht also einen Behälter und Platz. Aber man sagte mir, dass ein einzelnes Pferd ausreichend wäre.«
»Ich soll ein zusätzliches Pferd mitnehmen?«
Fugger kam um den Tisch herum und legte Herwart die Hand auf die Schulter.
»Nein. Ihr reitet, so schnell Ihr könnt, nach Basel. Dort erwartet Euch mein Faktor Kohler …«
»Kohler aus Venedig?«, hakte Herwart ein. Er kannte den Mann vom letzten Frühjahr her, als es um das Halsband für die ungarische Königin ging.
»Ich habe ihn nach Basel beordert, um die Geschäfte zu erledigen. Aber er ist zu bekannt, als dass er eine solche Aufgabe erledigen und mit diesem Juwel herumreisen sollte.« Mittlerweile war Fugger wieder um den Tisch herumgelaufen. Mit Augen, die beinahe so hell waren wie die getünchten Wände von Fachwerkhäusern, musterte Fugger ihn erneut. »Ihr seid unverdächtig. Täglich reisen meine Meldereiter in die Städte, mit denen wir Handel treiben. Ihr werdet also nicht auffallen. Von Basel aus weiter nach Luzern und den Hut mitgenommen!«
Ein schmales Lächeln umspielte die Lippen des Kaufmanns.
»Wer war der Mann, den Ihr Beat genannt habt?«
Fugger hob eine Augenbraue. »Wird das ein Verhör?«
»Mit Verlaub, Herr«, setzte Herwart an und bemerkte, wie rau seine Kehle war. »Ich riskiere mein Leben, da sollte ich wissen, worum es geht.«
Langsam lehnte sich Jakob Fugger zurück, faltete die Hände und legte beide Zeigefinger an den Mund.
»Ihr reitet im Auftrag der Familie Fugger, Herwart. Neugier tut nicht immer gut. Für diesmal sei gesagt: Beat Schiffer war im Auftrag des Basler Rats hier bei mir, um mir ein Geschäft vorzuschlagen und es abzuschließen. Ein lukratives Geschäft. Mehr braucht Ihr nicht zu wissen.« Er zog einen Siegelring vom Finger. »Hier. Damit besiegelt Ihr das Angebot, wenn es denn in Ordnung ist. Kohler wird Euch in Basel einen Mann mitgeben, der Bescheid weiß. Den Juwelier Hans Walther von Worms. Ein Experte. Mit ihm reitet Ihr weiter nach Luzern.«
Zufrieden war Herwart nicht. Fugger, dieser Fuchs von einem Kaufmann, hielt immer etwas in der Hinterhand und handelte stets mit Netz und doppeltem Boden. So war es auch im Frühjahr gewesen.
Während der Tross beinahe vier Wochen unterwegs war, hatte er schon nach zwei Wochen Wien erreicht und das Halsband übergeben. Alle waren sie dem Schwindel aufgesessen, niemand hatte ihn durchschaut.
»Was sagt Ihr?«
Herwart nickte. »Ich reite morgen los, Herr.« Er streckte die Hand aus, und Jakob Fugger ließ den Siegelring in seine Hand fallen. Kurz betrachtete Herwart den Ring, dann steckte er ihn in eine Tasche seines Wamses.
»Sonst weiß niemand von diesem Kauf, Herr?«, hakte er nach und versuchte, in dessen Gesicht zu lesen und eine Spur von Gefühl darin zu entdecken. Aber die Miene Fuggers war starr und ohne Emotion wie eh und je, sodass es ihn schauderte.
Jakob Fugger schüttelte den Kopf. »Niemand!«
»Was soll das?«, herrschte die Patrizierin Afra an.
»Herrin. Welserin. Bitte! Hört mir zu!«
»Lass meinen Ärmel los, du dreckiges Bündel, oder du … Kenne ich dich nicht? Bist du nicht dieses lästige Wesen …«
Afra senkte den Blick und streckte der Welserin das Blatt mit der Aquarellzeichnung des Federlins hin, das sie aus dem Samtbeutel der Basler Reiter für sich behalten hatte.
»Schaut Euch wenigstens das Bild an!«, flehte Afra.
»Was soll das? Ich will dieses schmutzige Papier nicht«, fauchte die Welserin. »Geh mir aus dem Weg!«
Vieles hatte sich Afra vorstellen können, aber nicht, dass sie zu keinem der Augsburger Geschlechter durchkommen würde. Alles hatte sie unternommen: an den Türen geklopft, die Herren angesprochen, Diener gebeten, sie durchzulassen, sogar einen ihrer Silberbatzen als Bestechung eingesetzt. Nichts davon hatte sie auch nur einen Schritt weitergebracht. Statt das Bild des Federlins weiterverkaufen zu können, fand sich Afra dort wieder, wo sie zuvor gewesen war: auf der Straße. Niemand beachtete sie, niemand interessierte sich für sie. Es war, als wäre sie aus dieser Welt gefallen.
»Ich weiß von Basler Kaufleuten, die dieses Kleinod und auch weitere an Fugger verkaufen wollen!«
Catharina Welser brach in Gelächter aus.
»Was willst du wissen? Von eidgenössischen Kaufleuten? Von Fugger? Von Juwelen? Weiber wie du kennen sich allenfalls im Dreck der Gosse aus!«
Mit Gewalt riss sie sich los und stieß Afra beiseite. Sie fiel mit dem Gesicht nach vorn auf den Kies und schürfte sich dabei die Wangen auf. Es brannte höllisch.
Im selben Moment schien die Welserin die Bettlerin vergessen zu haben, denn sie langte an ihren Bauch, verzog das Gesicht, stöhnte und beugte sich vor.
Afra hatte die Frau seit Tagen beobachtet. Sie erwartete ein Kind. Aber irgendwas stimmte mit dieser Schwangerschaft nicht. Die Welserin war gelb im Gesicht, sie schwankte, und ihr Drang, sich zu bewegen, war enorm. Den ganzen Tag lief sie durch die Stadt, während man sie zuvor jahrelang gar nicht außer Haus gesehen hatte.
Vielleicht lag es an ihrer kleinen Verletzung, vielleicht an der Ungerechtigkeit, wie sie behandelt wurde, vielleicht an der Überheblichkeit der Welserin, jedenfalls rutschte Afra die Bemerkung heraus, ohne dass sie es hätte verhindern können.
»Das Kind. Es ist tot!«
Catharina Welser stöhnte laut auf und ging langsam in die Knie. Afra sprang hinzu und stützte die Frau, die sich geradezu in sie verkrallte.
»Was hast du gesagt, Weib?«, fauchte die Welserin. Gleichzeitig zuckte sie zusammen, und der Atem blieb ihr weg. Eine Art Knurren entrang sich ihrer Kehle.
»Ihr habt Wehen!«, sagte Afra.
»Ich weiß, was Wehen sind«, keuchte die Patrizierin. »Es ist nicht das erste Kind.«
Sie stieß Afra erneut beiseite.
»Vielleicht würden Euch die Juwelen helfen …«, versuchte Afra es ein letztes Mal.