Im Bann der Melodie des Schicksals - Daniela Vogel - E-Book
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Im Bann der Melodie des Schicksals E-Book

Daniela Vogel

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Beschreibung

Cairan MacDonald hat bei einem Massaker auf der Isle of Eigg alles, was ihm lieb und teuer ist, verloren, außer sein Leben. Einzig und allein der Gedanke an Rache ermöglicht es ihm, sein Dasein zu fristen. Um diese zu bekommen, lässt er sich auf einen Handel mit der Feenkönigin Morgane ein. Doch aus dem Feenreich entkommt man nicht so leicht. Schließlich aber bekommt er doch noch eine Chance. Um Morganes Reich zu entfliehen, soll er es denjenigen mit gleicher Münze heimzahlen, denen er sein Schicksal zu verdanken hat. Zu diesem Zweck wird er ins Menschenreich zurückgeschickt, um eine junge Frau zu beschützen. Bei seiner Rückkehr stellt er jedoch fest, dass nicht nur mehr Zeit vergangen ist, als er angenommen hat, sondern auch, dass sein Schützling ausgerechnet eine Angehörige des verhassten Clans ist, der Schuld an dem Massaker war. Cairan ist hin und her gerissen, denn, obwohl das Ziel so nahe scheint, rückt es immer mehr in den Hintergrund. Dennoch muss er sich entscheiden. Doch von seiner Entscheidung hängt nicht nur seine eigene Zukunft ab ...

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Im Bann der Melodie des Schicksals

 

 

 

Daniela Vogel

 Buchbeschreibung:

Cairan MacDonald hat bei einem Massaker auf der Isle of Eigg alles, was ihm lieb und teuer ist, verloren, außer sein Leben. Einzig und allein der Gedanke an Rache ermöglicht es ihm, sein Dasein zu fristen. Um diese zu bekommen, lässt er sich auf einen Handel mit der Feenkönigin Morgane ein. Doch aus dem Feenreich entkommt man nicht so leicht.

Schließlich aber bekommt er doch noch eine Chance. Um Morganes Reich zu entfliehen, soll er es denjenigen mit gleicher Münze heimzahlen, denen er sein Schicksal zu verdanken hat. Zu diesem Zweck wird er ins Menschenreich zurückgeschickt, um eine junge Frau zu beschützen.

Bei seiner Rückkehr stellt er jedoch fest, dass nicht nur mehr Zeit vergangen ist, als er angenommen hat, sondern auch, dass sein Schützling ausgerechnet eine Angehörige des verhassten Clans ist, der Schuld an dem Massaker war. Cairan ist hin und her gerissen, denn, obwohl das Ziel so nahe scheint, rückt es immer mehr in den Hintergrund. Dennoch muss er sich entscheiden. Doch von seiner Entscheidung hängt nicht nur seine eigene Zukunft ab ...

 Hinweise zum Urheberrecht

Das gesamte Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion, Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder andere Verfahren) sowie die Einspeicherung, Vervielfältigung und Verarbeitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt und auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung der Autorin untersagt.

 

Impressum

Texte:

              © Copyright by Daniela Vogel

Korrektorat:

Ruth Pöß

Umschlag

              © Copyright by Casandra Krammer

Verlag

              Daniela Vogel

              Nordstraße 52

              47169 Duisburg

              [email protected]

              1. Auflage

ImBannderMelodiedesSchicksals

 

 

 

Von Daniela Vogel

 Isle of Eigg 1525 a.D

Der Schnee tanzte in dicken Flocken auf die Erde, sodass die gesamte Insel binnen kürzester Zeit mit einer dichten weißen Decke überzogen wurde. In der Höhle war es so kalt, dass überall dort, wo Menschen saßen, ihr Atem in Nebelschwaden bis zur Höhlendecke emporstieg. Und da es nicht gerade wenige waren, entstand beinahe der Eindruck, als würde sich die Höhle langsam mit Qualm füllen. Eine Vorstellung, die ihn mehr frösteln ließ als die eisige, klamme Kälte, die sich allmählich durch seine Kleidung fraß. Fast alle Inselbewohner hatten hier Schutz vor der Rachsucht der MacLeods gesucht, deren Blutdurst keine Grenze kannte und die seit drei Tagen fieberhaft nach ihnen suchten. Die Warnung vor den anlandenden Schiffen war zu ihrem Glück jedoch noch früh genug gekommen, um den einzigen sicheren Ort der Insel aufzusuchen: die Uamh Fhraing, die St. Francis Höhle.

Cairan MacDonald ließ seinen Blick über die unzähligen Menschen schweifen, die dicht an dicht im hinteren Bereich der Höhle saßen. Im Augenblick war es so still, dass man selbst ihre Atemgeräusche hören konnte. Allerdings wurde diese Stille mitunter durch das leise Wimmern eines der Kinder unterbrochen, die in den Armen ihrer Mütter lagen und nicht begreifen konnten, was gerade geschah. Ihre Angst war förmlich greifbar und er konnte sie sogar riechen, zumal Frauen, Kinder und Alte ohnehin den größten Anteil der Inselbevölkerung ausmachten.

Obwohl all diese Menschen seinem Clan angehörten und er die meisten von ihnen sogar kannte, da er selbst auf Eigg geboren war, gehörte er nicht mehr wirklich zu ihrer Gemeinschaft. Er war zwar noch immer einer der Ihren, aber keiner, dem sie vorbehaltlos folgten und vertrauten. Nicht mehr! Denn inzwischen war Eigg nur noch Teil seiner Vergangenheit, mit der ihn einzig und allein seine Schwester Roana, die immer noch mit ihrer Familie hier lebte, verband. Gegenwärtig allerdings wäre es weit günstiger gewesen, wenn die Ereignisse, die ihn vor all den Jahren der Insel und ihren Bewohnern entfremdet hatten, niemals geschehen wären. Aye, er hatte es weit gebracht. Weiter als jeder andere seiner Familie. Doch er hatte auch einen hohen Preis dafür zahlen müssen.

Cairans Blick wanderte zu seiner Schwester, die im mittleren Teil der Höhle mit ihren Kindern ängstlich zusammengekauert auf dem Boden hockte. Aye, der Preis war eindeutig zu hoch, denn Roanas Kinder hatten ihren Onkel erst vor noch nicht einmal einer Woche kennengelernt, sodass er für sie ein Fremder war. Ein Umstand, der ihm auch jetzt noch einen Stich ins Herz versetzte. Damals jedoch hatte er sein Glück kaum fassen können. Ein Glück, das bei Weitem nicht das war, was es anfangs zu sein schien. Cairans Gedanken wanderten zurück. Zu jener Zeit war er noch ein naiver Junge gewesen, der dank seiner musikalischen Begabung die Aufmerksamkeit des Lairds auf sich gezogen hatte. Cairan erinnerte sich noch gut an jenen Tag, der sein Leben in eine vollkommen andere Richtung gelenkt hatte.

Damals war es genau wie jetzt zu blutigen Auseinandersetzungen mit den MacLeods gekommen. Der Laird hatte daraufhin Eigg einen Besuch abgestattet. Der damalige Dorfchief Alastair hatte Cairan deshalb rufen lassen, damit er durch sein Spiel dem Treffen einen formalen musikalischen Rahmen verlieh. Und so hatte das Schicksal seinen Lauf genommen. Donald »The Grim« MacDonald, wie er auch genannt wurde, der im Laufe des Abends Cairans Spiel weit mehr Aufmerksamkeit schenkte als der Unterhaltung mit dem Dorfchief, hatte ihn noch am selben Abend in seine Dienste genommen. So kam es, dass er tags drauf als Donalds persönlicher Piobaire mit ihm in Richtung Skye davongesegelt war. Ein Abschied, der ihn für sehr lange Zeit von seinem Zuhause getrennt hatte.

Doch nicht allein seine musikalischen Fähigkeiten hatten Donald beeindruckt. Cairan war keiner dieser Pfeifer, die nur am Schlachtfeldrand standen und mit ihrer Musik den Gegner zu zermürben versuchten. Nein, damit gab er sich nicht zufrieden. Er nahm das Schwert ebenso gerne selbst in die Hand, wie die Kämpfer, deren Handwerk es war, für den Sieg des Lairds zu sorgen. Eigentlich ein absoluter Affront. Man war entweder das eine oder das andere, aber niemals beides! Er allerdings schon. Vielleicht war das auch genau der Grund, warum er in allem, was er tat, herausragte. Die zwei Seelen, die in seiner Brust wohnten, befanden sich im vollkommenen Einklang, sodass die eine die andere zügeln konnte, wenn es notwendig war. Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, warum er sich an jenem schicksalsreichen Tag den Befehlen seines Kommandanten widersetzt und einfach die Phìob gegen sein Schwert getauscht hatte. Wäre er Donald nicht zur Hilfe geeilt, hätte dieser bereits vor Jahren sein Leben auf dem Schlachtfeld ausgehaucht und Cairans Lebensweg hätte mit Sicherheit eine ganz andere Richtung eingeschlagen. Doch es war nun einmal geschehen und obwohl der Grim nicht gerade begeistert darüber gewesen war, dass einer seiner Männer seine Befehle derartig missachtete, war er dennoch dankbar genug gewesen, ihn zu einem seiner Vertrauten zu machen. Einem mit besonderen Rechten noch dazu. Sehr zum Missfallen manch anderer. Demzufolge war es wohl sein Schicksal, niemals wirklich einer Gruppe vollständig anzugehören.

Cairan seufzte. Seit jenem Tag war so viel Zeit vergangen. Zeit, in der Eigg langsam in seiner Erinnerung verblasst war.

Cairans Blick wanderte zurück auf die beschneite Landschaft. Hätten die jüngsten Ereignisse nicht stattgefunden, dann wäre es auch dabei geblieben. So aber ...

Die Geschehnisse, die vor ein paar Wochen den Zwist zwischen den MacDonalds und MacLeods neu entflammt hatten, hatten Donald dazu bewegt, ein paar seiner Männer als Verstärkung auf die Inseln abzukommandieren. Leider war dessen Wahl auch auf ihn gefallen. Wahrscheinlich weil er annahm, dass Cairans Einfluss auf die Dorfbewohner als ehemaliges Mitglied ihrer Gemeinschaft größer wäre als der eines fremden Außenstehenden. Doch in diesem Punkt hatte Donald sich gewaltig getäuscht. Seine ehemaligen Freunde und selbst seine eigene Familie waren weder bereit gewesen, auf ihn noch auf den Laird zu vertrauen. Sie hatten sich noch nicht einmal darauf eingelassen, wenigstens die Frauen und Kinder vorübergehend auf eine der anderen Inseln oder in die Nähe der Burg zu bringen. Selbst Lachlan, der Mann seiner Schwester, der zu allem Übel auch noch der Dorfchief war, nicht. Er hatte es wirklich versucht. Hatte sie alle in Sicherheit bringen wollen, doch da ihr Chief und dessen Frau auf der Insel verharrten, blieben mit ihnen auch die anderen. Die alte Ealasaid, die Heilerin der Insel, war sogar noch weiter gegangen. Sie hatte sich, als sie die Schiffe der MacLeods nahen sahen, strikt geweigert, mit den anderen Zuflucht in der Höhle zu suchen, und war stattdessen lieber in ihrer kleinen Kate geblieben. Kein Wunder, dass all seine Bemühungen im Sande verlaufen waren, wenn selbst seine Schwester und die Alte ...

Dennoch ..., überrascht war er deshalb keineswegs. Nein! Ganz im Gegenteil! Alles war genauso eingetroffen, wie er es vorausgeahnt und Donald begreiflich zu machen versucht hatte. Aber auch bei ihm war sein Unterfangen nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Aye! Sie alle machten dem Ruf der Schotten wahrlich Ehre: dickköpfig und stur wie Ziegenböcke.

Cairan seufzte erneut. Wenigstens war Lachlan letztendlich dennoch so vernünftig gewesen, seinem Rat zu folgen, die Uamh Fhraing aufzusuchen. Die Höhle war seit jeher ein Zufluchtsort. Unzählige Generationen hatten sich ihrer schon bedient, um drohendem Unheil zu entgehen, und diesmal kam das Verderben eben in Gestalt der MacLeods auf sie zu. Gleiches wurde immer mit Gleichem vergolten. Blut forderte Blut. Und diesmal musste viel Blut fließen, wenn die MacLeods ihre Schmach ungeschehen machen wollten. Es blieb nur zu hoffen, dass diese unverrichteter Dinge abzogen, denn ansonsten ... Aber so weit war es zu ihrem Glück noch nicht! Cairan hatte eben jene Höhle aus gutem Grund vorgeschlagen. Der Eingang der Uamh Fhraing lag gut versteckt und war zudem noch so schmal, dass jeweils nur ein einzelner Mann gebückt hineingelangen konnte. Deshalb hielten sich sämtliche Männer des Dorfes auch im vorderen Teil der Höhle auf, um jeden MacLeod, der es wagen würde, sich durch den Eingang zu zwängen, unverzüglich dort hinzuschicken, wo er hingehörte, nämlich in die Hölle!

Seit drei Tagen und Nächten durchkämmten diese Schweinehunde, allen voran William, der älteste Sohn des Chiefs Alasdair »Croatach« MacLeod, nun schon die gesamte Insel, um ihren Rachedurst endlich zu stillen. Nur den Eingang zur Höhle hatten sie, genau wie Cairan es sich erhofft hatte, bisher nicht entdeckt. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich. Noch nie hatte ein Uneingeweihter den Eingang gefunden. Nicht einmal durch Zufall! Wieso sollte dann gerade den MacLeods das gelingen, was bisher noch keinem glückte?

Obwohl er eigentlich durchaus zuversichtlich sein konnte, beschlich ihn bereits seit geraumer Zeit ein ungutes Gefühl. War es eine düstere Vorahnung oder vielleicht nur seine unbewusste Reaktion auf die Untätigkeit, zu der er verdammt war? Er wusste es nicht. Eines jedoch wusste er genau: Das Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil! Es verstärkte sich mit jeder Minute, die sie in der Höhle weiter ausharrten, sogar noch. Etwas musste geschehen, damit das hier endlich ein Ende nahm, denn nicht nur er schien langsam die Geduld zu verlieren. Zwischen den anderen Männern kam es immer häufiger zu kleineren Wortgefechten, die bereits mehrfach in Rangeleien ausgeufert waren. Diese verdammte mehr als zermürbende Warterei war dabei, ihnen allen den Verstand zu rauben, und früher oder später würde sie letztendlich dazu führen, dass Blut floss, und zwar in den eigenen Reihen. Man benötigte noch nicht einmal das Zweite Gesicht, um es vorher zusehen und was schlussendlich daraus entstehen würde, wusste Gott allein!

Cairans Blick wanderte zum wiederholten Male hin zu dem schmalen Eingang. Es hatte aufgehört zu schneien. Der Himmel war zwar noch immer bedeckt, aber zwischen die dichte Wolkenmasse mischte sich mitunter auch ein blauer Streifen. Mittlerweile musste es bereits Mittag sein. Es wurde demnach wirklich langsam Zeit, dass irgendjemand etwas unternahm.

»Was meint ihr?«, bemerkte er schließlich leise. »Ich denke, es ist an der Zeit, jemanden mit der Aufgabe zu betrauen, die Lage auszuspähen. Ich habe seit Stunden keine Stimmen von draußen mehr vernommen. Vielleicht sind sie abgezogen. Außerdem habe ich die Befürchtung, dass die Schweinehunde vor Verbitterung über ihre misslungene Jagd, das Dorf dem Erdboden gleichgemacht haben. Ealasaid befindet sich noch immer dort. Wir sollten wenigstens nachsehen, ob es ihr gut geht.«

»Warst nicht du es, der uns davor gewarnt hat, etwas Unüberlegtes zu tun? Jetzt willst du auf einmal das Risiko eingehen, dass sie uns doch noch finden. Dann hätten wir uns ihnen auch auf offenem Feld stellen können!« Lachlan, sein Schwager, sah ihn herausfordernd an. Es war offensichtlich, was dieser mit seiner Bemerkung und vor allen Dingen mit seinem Blick erreichen wollte. Die Nerven seines Schwagers waren ebenfalls zum Zerreißen gespannt. Dennoch, auch wenn er selbst liebend gerne seinen Unmut in einem ordentlichen Faustkampf ein wenig abgekühlt hätte, dies war nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Deshalb nickte er und überging dabei dessen Verhalten.

»Aye! Hätten wir vermutlich, wenn es nur um uns ginge. Außerdem, was soll daran unüberlegt sein? Irgendwann muss einer nachsehen. Die Frauen und Kinder müssen dringend ins Warme, bevor die Kälte das erledigt, was die MacLeods bisher nicht fertig gebracht haben«, erwiderte er ihm ruhig.

»Inzwischen sind drei Tage und Nächte vergangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die MacLeods noch länger nach uns suchen werden. Irgendwann gibt selbst ein MacLeod auf.« Die anderen Männer sahen ihn zunächst schweigend an, schließlich aber nickten sie.

»Aye! Die MacLeods sind zwar verfluchte Bluthunde, aber auch ein Bluthund braucht etwas Anständiges zu essen und einen warmen Platz. Den werden sie nicht finden, wenn sie das Dorf zerstört haben. Demnach stimme ich Cairan vollkommen zu. Lasst uns nachsehen.« Angus, ein bulliger Mann mittleren Alters, dessen Wort unter den Männern des Dorfes einiges an Gewicht hatte, mischte sich nun ebenfalls in das Gespräch.

»Dann sollten wir auf jeden Fall auch auf den anderen Inseln nach dem Rechten sehen«, bemerkte Finley, einer der Männer, die mit ihm auf die Isle of Eigg gekommen waren. »Wenn sie das Dorf hier auf Eigg zerstört haben, dann werden sie auch vor denen auf den anderen Inseln nicht Halt machen. Wir sollten umgehend einen Boten zum Laird schicken.« Wieder nickten die Männer.

»Das halte ich für keinen so guten Vorschlag«, warf Cairan daraufhin ein. »Ich halte es für wesentlich ratsamer, erst einmal selbst nachzusehen und uns zu vergewissern, dass die MacLeods auch wirklich die Insel verlassen haben. Ein Boot, das in Richtung Skye ausläuft, würde auf jeden Fall von ihnen gesehen, da sie mit Sicherheit oben auf dem Hügel einen Späher postiert haben oder aber sich ihre Wege zwangsläufig kreuzen, wenn sie sich bereits auf ihren Booten befinden. Was denkst du, wird ein einzelner Mann gegen ihre Übermacht ausrichten können? Mehr können wir hier nämlich auf keinen Fall entbehren. Außerdem, was wird wohl geschehen, wenn sie einen der unsrigen in die Finger bekommen? Das wäre viel zu riskant. Wenn es nur um uns ginge, dann würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen. Wir sind in der Lage, uns wenigstens eine Zeit lang gegen sie zu behaupten, aber ich habe nicht ohne Grund die Frauen und Kinder in diese Höhle bringen lassen.«

»Das sagtest du bereits!« Cairan nickt erneut.

»Ich wollte es nur noch einmal betonen.«

Eine Zeit lang schwiegen sie. Alle Blicke ruhten auf Lachlan, dem als Chief die Entscheidung oblag. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie er mit sich selbst rang. Schließlich aber nickte er.

»Wir sollten Seamus schicken. Der Junge ist flink wie ein Wiesel«, Lachlan deutete mit dem Kopf auf einen in etwa 13-jährigen Jungen, der sich in unmittelbarer Nähe der Männergruppe aufhielt.

»Seamus ist ja noch ein halbes Kind! Der Junge ist viel zu unerfahren!«, warf Cairan ein. »Wenn es zum Kampf kommen sollte, wird er nichts gegen sie ausrichten können.«

»Aye, aber er kennt die Insel!«

»Sicher! Nur ...«

»Dann werde ich gehen! Ich bin weiß Gott mehr als kampferprobt«, mischte sich Finley erneut in ihr Gespräch, während er auf ihn zu kam und dabei unsanft versuchte, ihn bei Seite zu schieben. Doch Cairan hielt ihn zurück.

»Finley, das hier ist kein Spiel! Ich hoffe, ich muss dich nicht daran erinnern, dass wir keinen Helden brauchen, sondern jemanden, der besonnen handelt. Hier stehen Menschenleben auf dem Spiel!« Finley grinste ihn breit an.

»Du kennst mich doch!«

»Eben drum! Jeder unbedachte Schritt könnte Verderben bringen. Jedes Risiko, das du bewusst oder unbewusst eingehst, könnte den Tod bedeuten. Nicht nur deinen, sondern auch den ihren.« Cairan deutete mit dem Kopf auf die Menschen im hinteren Teil der Höhle, während er Finley dabei direkt in die Augen sah. Finleys Grinsen verschwand augenblicklich, dabei starrte er seinerseits Cairan an. »Ich weiß, dass du keinen Kampf scheust«, fuhr dieser unbeirrt fort. »Aber dies hier ist kein Schlachtfeld! Sei bloß vorsichtig und vermeide so gut es geht offenes Gelände! Durch den Schnee wirst du sonst auffallen, wie der Schein der Flammen in einer sternenlosen Nacht!«

»Du kannst dich auf mich verlassen!«, entgegnete Finley ihm nickend. »Es wäre doch jammerschade, wenn wir in dieser verdammten Höhle völlig umsonst so lange ausgeharrt hätten.« Mit diesen Worten drängte er sich an Cairan vorbei durch den schmalen Ausgang und verschwand ins Freie.

Cairan sah ihm eine Zeit lang nach, dann wandte er sich an die Frauen und Kinder im hinteren Teil.

»Finley sieht nach dem Rechten. Wenn er zurück ist, hoffe ich, dass wir das Schlimmste überstanden haben und endlich die Höhle verlassen können. Sorgt Euch nicht länger. Alles wird gut!«

Die Zeit, die während Finleys Abwesenheit verstrich, war noch zermürbender als die drei Tage zuvor. Nicht nur Cairan starrte wie gebannt auf den Höhleneingang. Die Minuten schlichen wie Stunden.

Es war die Hölle! Seine innere Unruhe wuchs ständig. Hatte er einen Fehler begangen, als er den Frauen versprach, sie könnten die Höhle bald verlassen?

Erneut wanderte sein Blick zu ihnen. Noch immer war ihr Atem zusehen. Rauch!, der Gedanke kam ohne sein Dazutun. Cairan schüttelte unbewusst seinen Kopf.

Wieso in drei Teufels Namen, verband er diese zarten Trübungen immer wieder mit Rauch? Rauch war undurchdringlich, tödlich. Ganz im Gegenteil zu dem, was er sah. Denn diese hauchzarten, weißlichen Dunstschleier waren ohne Zweifel Zeichen des Lebens.

Cairan versuchte verzweifelt den Gedanken aus seinem Kopf zu bekommen. Doch es gelang ihm nicht. Jedes Mal wenn sein Blick erneut hinüber zu den Frauen glitt, kehrte er unwillkürlich wieder.

War das ein Zeichen? Eine düstere Vorahnung? Seine Besorgnis wuchs. Wenn die MacLeods sich noch immer auf der Insel aufhielten oder Finley ihnen direkt in die Arme lief ...? Der Mann war ein wahrer Heißsporn und stand bei jedem Kampf in vorderster Reihe. Nicht auszudenken, wenn sein Wagemut auch diesmal wieder über seine hoffentlich vorhandene Vernunft siegte. Bei dem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken. Hätte er ihn womöglich besser aufhalten sollen? Cairan lief ruhelos auf und ab.

Kurz bevor er es jedoch vor lauter Anspannung nicht mehr aushalten konnte, beschloss er, Finley zu folgen. Vier Augen sahen immer mehr als zwei und nur auf Finley zu vertrauen, dazu fehlte ihm inzwischen die Geduld.

Er war gerade dabei, sich durch den schmalen Spalt hinaus zu zwängen, als Finley völlig außer Atem in ihn hinein rannte. Cairan fluchte laut, während sein Mitstreiter sich mehrmals fieberhaft nach allen Seiten umsah.

»Verflucht! Hast du mich nicht gesehen, oder dachtest du, wir könnten uns beide gleichzeitig durch diesen schmalen Spalt zwängen.« Finley sah ihn an, als wüsste er nicht, wovon Cairan überhaupt sprach. »Verdammt Finley! Rede!« Anstatt zu antworten, sah dieser sich jedoch erneut hastig um, dabei atmete es mehrere Male hektisch ein und aus. Das war zu viel. Cairans Geduld war am Ende. Wenn der andere etwas zu sagen hatte, dann sofort. Und dass er etwas zu sagen hatte, war so sicher wie der tägliche Sonnenauf- und Untergang. Cairan packte ihn wütend an der Schnürung seines Hemdes und zog ihn so nah an sich heran, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.

»Finley, hörst du mir überhaupt zu?«, presste er daraufhin wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du erweckst beinahe den Anschein als seien alle Höllenhunde hinter dir her. Du siehst dich um wie ein Kaninchen, das vor einem Fuchs Haken schlägt! Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast denken, du hast Angst, aber wir beide wissen ja, dass du dieses Gefühl nicht kennst. Sag endlich was geschehen ist, bevor ich mich ganz vergesse!«

»Der Alten geht es gut«, brachte dieser schließlich mühsam hervor. »Obwohl das Dorf nahezu völlig zerstört ist, steht ihre Hütte noch. Anscheinend haben die Schweinehunde sich nicht getraut, der Heilerin etwas anzutun. Wahrscheinlich haben sie Angst vor einem schlechten Omen.« Cairan ließ seinen Gegenüber abrupt los.

»Gott sei gelobt! Ich habe schon das Schlimmste befürchtet, als du ...«, Cairans Worte erstarben auf seinen Lippen, als der Ruf einer Stimme aus nicht allzu weiter Entfernung erklang.

»Will, der Scheißkerl ist hier in der Nähe! Die Spuren führen in diese Richtung!«

»Aye! Weit kann er nicht gekommen sein! Sucht weiter!«

Cairan erstarrte, während sein Blick unbewusst in die Richtung wanderte, aus der die Stimmen kamen. Das war nicht gut! Gar nicht gut! Gleichzeitig packte er Finley erneut am Kragen.

»Verflucht Finley! Was hast du getan? Wie konnten sie dich entdecken? Habe ich dir nicht gesagt, dass du aufpassen sollst? Der Laird hat uns mit der Aufgabe betraut, für die Sicherheit dieser Leute zu sorgen und du ... Dann hätten wir auch den Jungen schicken können«, Cairan war außer sich.

»Cairan, du kennst mich! Ich gehe zwar keinem ordentlichen Kampf aus dem Weg, aber ich würde niemals das Leben von Frauen und Kindern aufs Spiel setzen. Es war nicht meine Schuld. Ich habe mich strickt an deine Anweisungen gehalten und jede offene Fläche so gut es ging gemieden. Ich bin ihnen ja auch nicht direkt in die Arme gelaufen, sondern ... Die MacLeods hatten ihre Boote bereits zu Wasser gelassen und befanden sich ein Stück vom Ufer entfernt, als sie mich oben auf der Bergkuppe entdeckt haben«, gab Finley schließlich zu. »Sie haben wieder beigedreht. Ich denke, ...« Cairan nahm Finleys letzte Worte kaum noch wahr. Sein Blut rauschte durch seine Adern und er spürte, wie er seine Kiefer vor Wut so fest aufeinanderpresste, dass es weh tat. Es war nicht die Tatsache, dass die MacLeods Finley gesehen hatten, die ihn schier zur Weißglut trieb, sondern vielmehr der Umstand, dass er zur Höhle zurückgekehrt war. Durch den frischgefallenen Schnee hatte Finley eine deutliche Spur hinterlassen und man musste schon blind sein, um sie zu übersehen. Damit war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die MacLeods hier auftauchen würden, zumal sie sie ja bereits hören konnten.

»Bist du wahnsinnig geworden?« Cairan war vollkommen außer sich. Er war kaum mehr in der Lage, klar zu denken, geschweige denn, seine Wut einigermaßen im Zaum zu halten. Er schrie Finley geradezu an, dabei merkte er nicht, wie er seinen Griff an dessen Hals dermaßen verstärkte, dass dieser fast keine Luft mehr bekam. »Wie zur Hölle bist du dann auf die Idee gekommen, zur Höhle zurückzukehren?«

»Wohin hätte ich denn sonst laufen sollen?«, brachte dieser mühsam hervor.

»Was weiß denn ich? Aber alles wäre besser gewesen, als das hier! Sieh, was du angerichtet hast! Deine Spur hat sie direkt ...«

Erneut erklangen die Stimmen. Diesmal um einiges lauter. Cairan knurrte verächtlich, fletschte die Zähne, während er erst in Richtung der Stimmen und dann wieder in Finleys Gesicht sah.

»Ich würde mich liebend gerne noch ausführlicher mit dir befassen, aber uns bleibt leider keine Zeit mehr«, bemerkte er fauchend. »Wir müssen zurück in die Höhle!« Da Cairan in demselben Moment Finley abrupt losließ, geriet dieser ins Straucheln. Was Cairan jedoch vollkommen kalt ließ. Sollten die MacLeods ihn doch in ihre Hände bekommen, er hatte es, weiß Gott nicht anders verdient!

Doch Gott hatte einen völlig andersartigen Plan erdacht, denn kurz nachdem Cairan das Innere der Höhle betrat, erschien Finley bereits neben ihm. Cairan hätte ihn am liebsten durch den Spalt zurück ins Freie geschoben, aber dazu bekam er erst gar nicht die Gelegenheit. Anscheinend hatten die Männer im Innern der Höhle ihr Gespräch verfolgt, denn noch bevor Finley sich zu seiner vollen Größe aufbauen konnte, landete bereits Lachlans Faust in dessen Gesicht. Finley prallte mit dem Kopf gegen einen der schroffen Felsen. Ein lautes Knacken, dessen Echo von den Wänden widerhallte, war zu hören, bevor er seine Augen verdrehte und blutüberströmt zu Boden ging. Cairans Blick wanderte auf Finleys leblosen Körper.

Dem Knacken nach zu urteilen, war entweder sein Kopf oder sein Genick gebrochen, dennoch war er sich nicht sicher, ob er sich nun darüber freuen oder ärgern sollte. Aye! Finley hatte für sein Handeln weiß Gott den Tod verdient, aber einen solchen? Außerdem fehlte ihnen jetzt ein gut ausgebildeter Kämpfer.

»Er hat bekommen, was er verdient!«, hörte er Lachlan daraufhin sagen. »Schafft in aus dem Weg. Wenn die Hundesöhne hier hineinwollen, brauchen wir Platz.« Ein Raunen ging durch die Menge, während sie die Leiche in den hinteren Teil der Höhle schafften. Einige Frauen erhoben sich und versetzen dem Toten Ohrfeigen oder spuckten ihn sogar an. Cairan war nicht ganz wohl dabei, immerhin war Finley ein Gefolgsmann Donalds gewesen. Und Donald war auch derjenige, der eigentlich über ihn hätte richten müssen. Aber es war auch gleichermaßen verständlich, dass alle dermaßen heftig reagierten. Die nackte Angst und Wut sprach aus ihren Augen sowie die Sorge um ihre Kinder. Cairan konnte sich genau vorstellen, wie es in ihnen aussah. Er fühlte genauso. Und was noch schlimmer war, keiner von ihnen konnte vorausahnen, was noch geschehen würde.

Kurz nachdem die Männer zum Höhleneingang zurückgekehrt und sich davor postiert hatten, konnten sie auch schon laut und deutlich Stimmen vernehmen.

»Hier ist ein Spalt im Gestein. Kein Wunder, dass wir ihn nicht entdeckt haben. Ich hätte niemals vermutet, dass hier noch etwas ist«, hörten sie eine tiefe männliche Stimme sagen. Im hinteren Bereich der Höhle begannen einige Kinder leise zu weinen. Cairan, der sich direkt neben dem Eingang postiert hatte, sah zu ihnen hinüber und zischte leise:

»Beruhigt sie! Wenn die MacLeods uns hören, bricht hier die Hölle los.« Einige der Mütter nickten.

»Ich nehme an, dass sich dort eine Höhle befindet. Der Hund wird mit Sicherheit hindurch gekrochen sein,« war deutlich eine weitere Stimme von außen zu vernehmen. Diese Stimme kannte er genau. William! Cairan spürte, wie der Funke Hoffnung, den er noch in sich getragen hatte, ganz langsam erlosch. Wenn William sich vor der Höhle befand, dann stand ihnen nichts Gutes bevor. So viel war sicher. William war in allem, was er tat, äußerst gründlich und ging kaum ein Risiko ein. Demnach ...

»Du verlangst doch nicht etwa von uns, dass wir dort hineinkriechen? Wenn sich hinter dem Spalt tatsächlich eine Höhle befindet, in der sie sich verkrochen haben, dann warten sie doch bloß darauf, dass wir ihnen blindlings in die Falle tappen.«

»Alan, stell dich nicht dümmer, als du bist. Wie, so frage ich dich, fängt man ein Kaninchen?«

»Indem man Fallen aufstellt?«

»Aye! Oder in dem man es aus seinem Bau jagt!«, sein Tonfall ließ das spöttische Grinsen erahnen, was höchstwahrscheinlich bei seinen Worten auf seinem Gesicht erschienen war. »Da wir keinen Köder haben, bleibt uns nur noch die Möglichkeit, sie aufzuscheuchen! Sammelt Holz! Wir werden diese Brut solange ausräuchern, bis selbst der Letzte von ihnen vor uns kriecht oder elendig verreckt!«

Cairans Herzschlag setzte für einen Moment aus.

Holz! William plante demnach, sie auszuräuchern wie ein verdammtes Hornissennest! Qualm! Oh, mein Gott! War es nicht genau das, was er in den harmlosen Nebelschwaden ihres Atems gesehen hatte. Dann war es ein Omen gewesen. Eines, das er nicht hatte deuten können oder möglicherweise sogar wollen. Vielleicht weil er niemals damit gerechnet hatte, dass die MacLeods so weit gehen würden, wenn sie sie entdeckten. Ein ordentlicher Kampf, Mann gegen Mann, war eine Sache, aber in dem Wissen, dass sich wahrscheinlich sämtliche Dorfbewohner einschließlich der Frauen und Kinder in der Höhle befanden, diese dann auszuräuchern, war ein Frevel. Cairan überlegte fieberhaft. Wenn er nicht schnellstmöglich etwas unternahm, dann würde das hier in einem noch nie da gewesenen Massaker enden, bei dem nicht einmal Blut floss. Sein Blick wanderte hinüber zu Lachlan, der ihn genauso versteinert ansah, wie er gerade ihn.

»Wir sollten versuchen mit ihnen zu verhandeln«, flüsterte er seinem Schwager zu. Dieser nickte.

»Es ist mir so ziemlich egal, was aus mir wird, aber die Frauen und Kinder ...«

»Wir hätten sie zur Burg bringen sollen, wie ich es euch vorgeschlagen habe.« Lachlan nickte erneut.

»Aye! Das hätten wir wohl, aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer. Willst du oder soll ich!«

»Ich denke, als Dorfchief obliegt es dir!« Sein Schwager nickte ein weiteres Mal, dann erhob er seine Stimme.

»Haltet ein! Ihr wollt doch mit Sicherheit keine Frauen und Kinder gefährden?«

»Lachlan?«, das war eindeutig William, der ihm antwortete. »Dann habe ich recht behalten, ihr habt euch wie die Kaninchen in einem Bau verkrochen, der nur einen Ein- und Ausgang hat. Aber wir werden euch schon noch hinaustreiben.«, bemerkte er, während er sich vor den Spalt stellte und versuchte, etwas im Innern der Höhle zu erkennen.

»Wenn es nur Rache ist, die ihr wollt, dann lasst es uns wie Männer austragen. Kommt in die Höhle und wir werden kämpfen.«

»Kämpfen? Dass ich nicht lache! Wenn ihr auch nur einen Funken Verstand in euch habt, dann werdet ihr jeden meiner Männer, der es wagt, sich durch den Spalt zu zwängen, erst gar nicht in die Höhle hineinlassen. Aber wenn euch so viel an einem ordentlichen Kampf liegt, dann kommt ihr doch hinaus.«

»Damit ihr die Gelegenheit bekommt, uns kampflos niederzumetzeln? Niemals!«

»Wie ich höre, habt auch ihr es begriffen. Und was soll jetzt geschehen? Anscheinend stecken wir gerade in einem Dilemma. Denn, so wie es scheint, wird keiner von uns durch den Spalt kriechen, weder wir noch ihr. Allerdings befinden wir uns gerade in einer wesentlich besseren Position. Ihr habt die Wahl!« Mit diesen Worten, verschwand er aus ihrem Blickfeld. Das, was sie allerdings stattdessen sahen, jagte ihnen einen Schauer über den Rücken. Williams Männer hatten in der Zwischenzeit einen mehr als beachtlichen Berg an Ästen und Zweigen aufgehäuft, der fast unmittelbar vor dem Höhleneingang lag.

»Meinetwegen könnt ihr uns Männer ... Aber garantiert mir, dass den Frauen und Kindern nichts geschieht. Lasst sie gehen! Sie sind unschuldig!«, versuchte Lachlan verzweifelt auf William einzureden.

»Unschuldig?«, William spieh das Wort geradezu aus. »Wie können sie unschuldig sein? Waren es nicht sie, die unsere Männer beschuldigt hatten, ihnen Gewalt angetan zu haben? Worauf hin ihr nichts Besseres zu tun hattet, als sämtliche Männer zu meucheln und meinem Vetter seine Eier abzuschneiden? Es grenzt an ein Wunder, dass er lebend nach Skye zurückgekehrt ist. Also rede nicht von Unschuld! Sie sind genauso schuldig wie ihr.«

»Aber die Kinder? William, ich bitte dich! Lass meinen Schwager die Kinder wenigstens in Sicherheit bringen!«, flehte er erneut.

»Cairan? Der MacDonald hat seinen Liebling zu euch geschickt?«, die Gehässigkeit, die jetzt in seiner Stimme lag, war kaum zu überhören. »Welch vortrefflicher Zufall! Dann kann hier direkt eine weitere Rechnung beglichen werden!« Lachlan sah Cairan fragend an.

»Du kennst ihn?« Cairan nickte.

»Wer nicht?«

»Gibt es da etwas, was ich vielleicht wissen sollte?« Cairan schüttelte seinen Kopf.

»Aber, ...«

»Lachlan du kennst doch William ebenfalls. Er ist aufbrausend und vor allen Dingen besitzergreifend. Auf dem letzten Treffen der Lord of the Isles habe ich einer Dame in Nöten beigestanden, die allerdings ... William war über meine Einmischung nicht gerade erfreut. Dementsprechend ...« Nun war es Lachlan, der nickte.

»Das passt! William!«, wandte dieser sich nun wieder an den Mann vor dem Eingang. »Auch wenn ihr eine Rechnung offen habt, so denke ich, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Cairan hat nichts mit unseren Zwistigkeiten zu tun. Er ist zufällig hier und ich denke, er wäre genau der Richtige, um die Kinder in Sicherheit zu bringen.«

»Was ist hier los?«, die tiefe, befehlsgewohnte Stimme gehörte zu keinem anderen als dem Chief persönlich. Alasdair Crotach MacLeod hatte es sich demnach nicht nehmen lassen, an der Jagd Höchstselbst teilzunehmen.

»Vater, Ihr wolltet doch auf dem Schiff bleiben!« William klang erstaunt.

»Aye, aber allem Anschein nach war es weise, es nicht zu tun! Was geht hier vor sich?«

»Die gesamte Brut hat sich in dieser Höhle verschanzt! Kein Wunder, dass wir sie nicht finden konnten. Wer hätte auch ahnen können, dass sich hinter diesem Spalt ... Du siehst, wir befinden uns in einem Dilemma!«

»Wie ich sehe, willst du sie ausräuchern!«

»Aye!«

»MyLaird, es sind Frauen und Kinder in der Höhle!«, brüllte Lachlan so laut und verzweifelt, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte und nicht nur Cairan erschrocken zusammenfuhr.

»Stimmt das?«, hörten sie daraufhin den alten MacLeod fragen. Die Stille, die auf seine Worte folgte, konnte nichts Gutes zu bedeuten haben, so viel war sicher. Sie zog sich schier endlos in die Länge.

»Frauen und Kinder also«, bemerkte der Alte schließlich. »Wenn wir den Scheiterhaufen jetzt anzünden, werden sie uns vorwerfen, unser Blutdurst und unsere Rachsucht hätte selbst vor Frauen und Kindern nicht halt gemacht.«

»Aber Vater, Ihr könnt nicht zulassen, dass die Schweinehunde ...«

»Habe ich das gesagt? Ich möchte nur nicht als Schuldiger dastehen, wenn es hier zu einem Massaker kommen sollte.«

»Und wie gedenkt Ihr das zu verhindern?«

»Ich werde beten! Gott soll eine Entscheidung treffen! Ich werde mich hier in den Schnee knien und Gott anflehen, mir ein Zeichen zu senden. Sollte bei Sonnenuntergang der Wind in Richtung offenes Meer wehen, dann werden wir abziehen und alle, die sich in der Höhle befinden, verschonen.«

»Aber Vater ...!«, warf William ein.

»Nein, mein Junge, ich will und werde nicht über das Leben von Frauen und Kindern richten. Niemals! Sollte aber der Wind in die Richtung der Höhle wehen, dann, so Gott will, werdet ihr den Scheiterhaufen entzünden und es zu Ende bringen!«

Es dauerte nicht lange, bis auch der Letzte in der Höhle begriffen hatte, was Alasdairs Worte zu bedeuten hatten. Kinder weinten, Frauen schrien und wehklagten. Einige stürmten kopflos auf den Eingang zu und konnten nur mit äußerster Mühe von den Männern zurückgehalten werden. Das Entsetzen stand ihnen geradezu in ihren Gesichtern geschrieben und niemand wusste so richtig, wie er damit zurechtkommen sollte.

»Setzt euch!«, Lachlans Stimme donnerte zum wiederholten Mal durch die Höhle. »Es ändert nichts, wenn wir kopflos ins Freie rennen oder uns gegenseitig verletzen. Ich weiß, dass ihr Angst habt.« Ein paar der Frauen starrten ihn an, dann aber nickten sie und ließen sich wieder auf dem Boden nieder. Kaum dass die Ersten saßen, folgten ihrem Beispiel auch die anderen.

»Ihr habt ihn gehört!«, fuhr Lachlan daraufhin fort. »Er will ein Gottesurteil! Also würde ich vorschlagen, dass ihr die Zeit nutzt und Gott anfleht, dass es zu unseren Gunsten ausfällt!«

Die darauffolgenden Stunden waren die schlimmsten, die Cairan jemals erlebt hatte. Auf den Schlachtfeldern, die er bereits gesehen hatte, hatte niemals eine solch bedrückende Atmosphäre geherrscht, wie jetzt hier in dieser Höhle. Dort waren die Männer freiwillig und euphorisch in den Tod gegangen. Selbst am Vorabend hatten sie noch gescherzt und in freudiger Erwartung den kommenden Kampf und somit vielleicht ihren eigenen Tod willkommen geheißen. Nicht so hier. Der Stille und dem darauffolgenden Geschrei waren ein verzweifeltes Gemurmel und Schluchzen gefolgt, das einem durch Mark und Bein ging. Je länger sie warteten, umso lauter wurde es. Schließlich bildete es sogar eine Einheit, denn sämtliche Anwesende murmelten letztendlich dieselben Verse, die während jeder Messe in einem Gotteshaus erklangen:

Ar n-Athair tha air nèamh, gu naomhaichear d’ainm.

Thigeadh do rìochachd. Dèanar do thoil air an talamh, mar a n ìthear air nèamh.

Tabhiar dhuinn an-diugh ar n-aran làitheil.

Agus maith dhuinn ar fiachan, anhaail a mhaitheas sinne dar luchdfiach.

Angus na leig ann am buaireadh sinn; ach saor sinn a olc;

oir is leatsa an rìaghachd, agus an cumhachd, agus a’ghlòin gu sìorraidh.

Amen

(Vater unser, der du im Himmel bist, geheiligt sei dein Name.

Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.

Gib uns heute unser tägliches Brot. Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldnern vergeben.

Und führe uns nicht in Versuchung; sondern erlöse uns von dem Bösen;

denn dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit für immer.

Amen)

Cairan war als Letzter am Eingang zurückgeblieben. Alle anderen Männer hatten sich zu ihren Familien gesellt, hielten Frauen und Kinder in den Armen und murmelten gemeinsam mit ihnen die Gebete. In diesem Moment wurde ihm erst recht bewusst, wie weit er sich inzwischen von diesen Menschen entfernt hatte. Er war der Einzige, der alleine stand. Der zwar dabei war, aber nicht dazu gehörte. Der niemand hatte, den er in den Armen halten konnte, wenn das Ende kam und für den es auch zukünftig niemanden geben würde. Das Schlimmste daran war, dass er sich bis zu diesem Zeitpunkt nie Gedanken darüber gemacht hatte. Er war viel zu sehr mit Donald und seinen Aufgaben beschäftigt gewesen, um an etwas anderes zu denken. Nur ein einziges Mal hatte er sich dazu hinreißen lassen, eine Frau zu begehren. Doch sie war für ihn genauso unerreichbar gewesen wie die Sterne am Firmament, weil sie ... Cairan seufzte leise. Aye, er hatte sein Leben in Donalds Dienst gestellt und dabei etwas Wichtiges vergessen: Er hatte nur dieses Eine und Liebe und Glück waren darin nicht vorgekommen. Würden es auch nicht mehr, denn, wenn er sich nicht vollkommen täuschte, dann war es gerade dabei hier zu enden.

Cairans Blick wanderte über die verängstigten Menschen. Wenn er wenigstens noch etwas für sie tun könnte! Aber was? Sich durch den Spalt zu zwängen, bedeutete zwar seinen sicheren Tod, aber er wäre völlig sinnlos. Sein Opfer würde den MacLeods, allen voran William, niemals reichen, so viel war sicher! Und wenn sich einige der Männer mit ihm opfern würden? Dann waren die Frauen schutzlos und was die MacLeods aus Rache mit ihnen anstellen würden, wenn sie aus der Höhle kamen, wollte er sich gar nicht erst ausmalen. Ihnen blieb also nicht wirklich eine Wahl. Er konnte nur mit den anderen ausharren und auf den Tod warten. Welche Ironie des Schicksals! Der Tod knüpfte ein neues Band zwischen ihm und den Bewohnern von Eigg. So schloss sich dann der Kreis. Der verlorene Sohn kam in den Schoß der Familie zurück, nur um mit ihnen ihr Schicksal zu teilen. Welcher Hohn! Wenn sie ihn sofort wieder in ihre Gemeinschaft aufgenommen hätten, wären sie gar nicht erst in diese Lage gekommen, so aber ...

Cairans Blick wanderte erneut nach draußen. Es dämmerte bereits, demnach konnte Alasdairs Entscheidung nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es war gerissen von dem Alten, die Verantwortung in Gottes Hände zu legen. Ein Schachzug, der seinem Ruf alle Ehre machen würde. Nur Cairan wusste es besser. Wie groß war wohl die Chance, dass der Wind aufs offene Meer blies? Wenn er sich an seine Kindheit zurückerinnerte, dann hatte der eisige Wind die Gischt des Meeres in den Wintermonaten meist landeinwärts in Richtung der Höhle getrieben und so das Fischen zu dieser Jahreszeit mehr als erschwert. Und da zum jetzigen Zeitpunkt Winter war ... Cairans Blick wanderte zum wiederholten Mal auf die Menschen. Nicht nur er wusste es, auch sie! Dennoch klammerten sie sich weiterhin an den letzten Funken Hoffnung. Es war bewundernswert.

In diesem Moment wurden Stimmen vor der Höhle laut.

»Vater!«, hörte er William laut und deutlich sagen. Cairan wandte sich instinktiv dem Spalt zu. Draußen war nur noch ein schmaler, heller Streif am Himmel zu sehen.

Sonnenuntergang! Alasdair MacLeod hielt Wort. Seine Entscheidung nahte.

Auch alle anderen schienen es zu begreifen, denn genau in demselben Moment verstummte das Gemurmel in seinem Rücken und wich einer gespenstischen Stille. So als würden sie alle gemeinsam mit angehaltener Luft das Urteil aus dem Mund des Alten in Empfang nehmen wollen. Auch Cairan vergaß zu atmen.

»Es ist so weit! Gott hat seine Entscheidung getroffen! Der Wind weht landeinwärts in unsere Richtung!«

»Ihr habt es gehört!«, Williams Stimme triefte förmlich vor Gehässigkeit. »Entzündet den Scheiterhaufen! Die Brut bekommt, was sie verdient!«

Noch immer herrschte Totenstille. Die Zeit stand für einen kurzen Augenblick nahezu still. Vielleicht, weil sie alle sich der Tragweite seiner Worte noch nicht richtig bewusst waren oder aber, es einfach nicht wahrhaben wollten. Erst als Cairan mit versteinerter Mine beobachtete, wie ein paar von Williams Männern mit Fackeln sich dem inzwischen mannshohen Holzstoß näherten und ihn zu entzünden versuchten, war er wieder in der Lage sich zu bewegen. Dennoch starrte er noch immer wie gebannt auf das Schauspiel, das sich ihm nun bot. Es dauerte einen Moment, bis das feuchte Reisig Feuer fing. Dann aber konnte er sehen, wie es langsam zu brennen begann. Zuerst mit kleinen züngelnden Flammen, die sich ganz allmählich ihren Weg zu den dickeren Ästen bahnten, bis auch diese schließlich loderten. Beißender Qualm stieg auf, der als dichte, todbringende Wolke seinen Weg in Richtung Höhle suchte. Cairans Augen brannten und er musste husten, als die ersten Dämpfe durch den schmalen Spalt ins Innere gelangten. Genau in diesem Moment brach hinter ihm die Hölle los. Schreie waren zu hören, gefolgt von den sich eilig nähernden Schritten gleich mehrerer Personen.

Cairan wollte sich gerade zu ihnen umdrehen, als er spürte, wie gut ein Dutzend Hände nach ihm griffen und ihn gewaltsam zur Seite zerrten. Davon völlig überrumpelt, verlor er den Halt und landete auf seinem Hinterteil. Voll Entsetzen beobachtete er dann, wie sich Frauen und Männer unter lautem Gekeife und Gebrülle gleichzeitig durch den Spalt zu zwängen versuchten. Er sah Sgiann Dubhs aufblitzen, hörte wütende Schreie und schließlich ging einer der Männer mit einem Dolch bis zum Anschlag in seinem Bauch steckend genau vor ihm zu Boden. Cairan starrte wie gebannt auf den Sterbenden.

War das die Gemeinschaft, die noch vor wenigen Stunden jeden Außenstehenden argwöhnisch beäugt hatte und wie eine Einheit aufgetreten war? Angst konnte selbst in dem Friedfertigsten eine Bestie zutage fördern, die bereitwillig alles zerfleischte, was sich ihr in den Weg stellte. Und hier waren mittlerweile gleich mehrere am Werk.

Die Rangelei ging noch eine Zeit lang weiter, derweil der Qualm in immer dichter werdenden Schwaden ins Höhleninnere drang.

Sollten sie sich weiter an die Gurgel gehen. Es hatte ja doch keinen Sinn, sie eines Besseren belehren zu wollen, ohne dabei zu riskieren, so wie der Mann vor ihm zu enden.Wollte er das? Nein, beantwortete er sich selbst seine Frage. Auch wenn er hier in dieser Höhle auf jeden Fall sterben würde, so gewiss nicht auf diese Weise.

Deshalb zog er sich ein wenig von den Streitenden zurück. Wie lange diese miteinander rangen, konnte er nicht sagen, letztendlich gelang es jedoch einem der Männer, dicht gefolgt von einer Frau sich vor den anderen durch den Spalt zu zwängen. Ihr gellender Schrei, der daraufhin folgte, machte nur zu deutlich, was ihr draußen widerfahren war. Ein paar versuchten es dennoch weiter, während die anderen resigniert aufgaben und sich wieder zurück in den hinteren Teil der Höhle begaben.

Cairan folgte ihnen so lange mit seinem Blick, bis dieser auf seine Schwester traf. Während ein Großteil der Anwesenden schluchzte, betete oder schrie, saß Roana noch immer scheinbar ruhig an derselben Stelle wie zuvor und hatte die Köpfe ihrer Kleinen auf ihrem Schoß gebettet. So als hätte sie seinen Blick auf sich gespürt, hob sie den Kopf und sah ihn an. Er konnte Tränen in ihren Augen sehen. Auch Cairan traten Tränen in die Augen.

All die vergangenen Jahre, in denen er sie nicht einmal besucht und von den Geburten seiner Nichte und seines Neffen nur durch Briefe erfahren hatte. Sie waren so weit entfernt von einander gewesen, obwohl man Eigg von Skye aus hatte sehen können. Die Kleinen! Niemand hier würde sie aufwachsen sehen, weil sie niemals das Erwachsenenalter erreichen würden. Ihr Leben endete, bevor es überhaupt richtig begann. Genauso wie seines!

Die Tränen, die momentan über seine Wangen liefen, schob er auf den beißenden Qualm. Wenn er doch nur noch einmal die Chance bekäme, das, was nun folgen würde, zu verhindern, er würde alles anders machen. Er spürte, wie Trauer und Entsetzen einer unermesslichen Wut wichen. Wut auf das Schicksal und vor allen Dingen auf die MacLeods. In diesem Moment hörte er es. Erst kaum vernehmbar, dann aber immer lauter werdend, bis schließlich der Klang ihrer lieblichen, glasklaren Stimme die Höhle vollends erfüllte und von den Wänden widerhallte. Roana sang. Sie sang, wie sie es in ihrer Kindheit oft getan hatte, um ihre Angst zu vertreiben. Cairan schloss seine Augen. Das wehmütige Klagelied, das sie angestimmt hatte, zerriss ihm fast das Herz. Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Die Schreie und Gebete verstummten und das Schluchzen verebbte. Schließlich gesellte sich eine weiter Stimme zu Roanas und es wurden immer mehr, solange, bis letztendlich fast jeder in Roanas Gesang einstimmte.

Cairan war so vertieft darin, ihnen allen zu lauschen, dass er erst merkte, dass jemand zu ihm herüber gekommen war, als dieser seine Hand auf Cairans Schulter legte. Er zuckte unwillkürlich zusammen und öffnete seine Augen.

»Cairan, ich würde vorschlagen, du kommst zu uns in den hinteren Teil.« Lachlan sah ihm direkt in die Augen. »Wir haben es dir in den letzten Tagen zwar nicht gerade leicht gemacht, aber du bist immer noch einer der unseren. Ich möchte nicht, dass du als Einziger ...«

»Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich willkommen wäre.«

»Dann hat dich dein Gefühl gewaltig getäuscht. Sie alle sind mächtig stolz auf dich, weil einer von ihnen es geschafft hat, Eigg zu entfliehen.«

»Und warum haben sie dann nicht ...«

»Weil sie hier geboren wurden, gelebt haben und hier auch sterben wollen. Du kannst es vielleicht nicht verstehen, aber die meisten hier kennen nichts anderes als dieses Eiland. Und jetzt komm, Roana erwartet dich.« Cairan erhob sich und folgte Lachlan in den mittleren Bereich. Erst jetzt nahm er wahr, dass die Rauchschwaden nicht waagerecht ins Innere zogen, sondern sich wie ein aus Nebel bestehender Wasserfall über den Boden ergossen und sich auf diese Weise ihren Weg in den abschüssigen hinteren Teil suchten. Was nur bedeuten konnte, dass sich die Höhle langsam von hinten nach vorne mit dem tödlichen Qualm füllte. Als er das begriff, rannte er förmlich zu Roana.

»Roana, du musst die Kinder nehmen und mit mir in den vorderen Teil kommen. Es besteht die Möglichkeit, dass wir dort ...«, seine Stimme überschlug sich geradezu. Roana sah ihn zuerst erstaunt an, dann jedoch schüttelte sie ihren Kopf.

»Nein«, entgegnete sie ihm leise und unterbrach dafür kurz ihren Gesang. »Wir haben mit ihnen zusammen gelebt, also werden wir auch mit ihnen sterben. Ich werde sie nicht verlassen.«

»Aber ...«, versuchte er es noch einmal.

»Cairan, es ist zu spät!« In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich verstehe allerdings, wenn du es versuchen willst.« Diesmal war es Cairan, der den Kopf schüttelte.

»Ich werde dich nicht verlassen. Nicht noch einmal!«

»Dann Bruder setzt dich zu uns.« Cairan nickte, dabei ließ er sich neben ihr auf den Boden sinken. Eine Zeit lang saßen sie einfach nur schweigend nebeneinander und lauschten dem Gesang.

»Würdest du mir einen Gefallen erweisen?«, wollte Roana schließlich von ihm wissen und sah ihn fragend an.

»Aye! Jeden!«

»Dann spiel für uns! Seamus hat seine Phìob mit in die Höhle genommen. Es ist zwar keine Phìob, wie du sie von den Schlachten gewohnt bist, aber ich denke, seine wird genauso ihren Dienst tun.«

»Ich soll spielen?«, Cairan war mehr als überrascht.

»Aye! Begleitet die Phìob nicht jede Totenklage genauso wie sie das freudige Ereignis einer Geburt verkündet? Was, so frage ich dich, ist dies hier? Der Gesang ist unsere Art, den Tod willkommen zu heißen und gleichzeitig zu betrauern. Schaffe du den dazugehörigen Rahmen, der zu einer anständigen Totenfeier gehört. Sei der Piobaire, der seinen eigenen Tod beklagt.« Cairan konnte ihr nicht gleich antworten.

Aye, er hatte schon viele Totenklagen begleitet, aber eine Melodie zu finden, die für den Schmerz eines ganzes Dorfes, einschließlich ihm selbst ausreichen würde, war ... Ja, was eigentlich? Ein würdiger Abgang! Einer, der den MacLeods in Erinnerung bleiben und die den Alten, seine Brut und jeden, der auch nur im entferntesten mit ihm zu schaffen hatte, schon beim bloßen Klang einer Phìob an sein Vergehen erinnern würde. Roana hatte recht! Dieser Tod hier musste einen würdigen Rahmen bekommen und er war bereit, diesen bis zu seinem letzten Atemzug zu weben.

Noch während Cairan nickte, kam Seamus, der wohl einen Teil ihrer Unterhaltung verstanden hatte, auf ihn zu.

»Ich schenke sie dir. Ich werde sie ja nicht mehr brauchen!«, mit diesen Worten übergab er Cairan das Instrument und ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder. Cairan zögerte noch einen Moment, dann aber stand er auf, nahm das Anblasrohr in seinen Mund und füllte den Sack mit Luft. Kaum dass die ersten Töne erklangen, verstummte der Gesang allmählich. Die Totenklage, die er für sie alle spielte, war ihrer aller würdig. Cairan schloss seine Augen und konzentrierte sich nur noch auf sein Spiel. Die Melodie, die er schuf, fand wie von selbst ihren Weg zu seinen Fingern. Es war, als flüstere seine innere Stimme sie ihm zu.

Er sah nicht, wie der Qualm die Höhle langsam aber sicher ausfüllte. Hörte nicht, wie die Ersten verzweifelt husteten und nach Luft rangen. Und bemerkte nicht, wie sie schließlich sanft eindämmerten und nicht mehr erwachten. Erst als er selbst kaum noch atmen konnte, öffnete er seine Augen. Um ihn herum war es inzwischen totenstill. Soweit er es erkennen konnte, lagen alle, die sich in der Höhle befunden hatten, in kleinen Gruppen dicht beieinander auf dem Boden. Auch Roana, Lachlan und die Kinder.

Wieso lebte er noch immer? Warum war er nicht ...?

Cairan ließ die Phìob achtlos auf den Boden fallen. Dann schrie er seinen Schmerz und seine Wut darüber so laut heraus, bis seine Kehle brannte und er vor lauter Husten nicht mehr Schreien konnte. In diesem Moment sah er, wie sich etwas im vorderen Teil der Höhle bewegte. Doch durch den dichten Rauch war es ihm unmöglich, zu erkennen, was es war.

Waren es die MacLeods, die sich vergewissern wollten, dass ihr Werk vollendet war?Sollten sie ruhig kommen! Auch wenn er kaum noch atmen konnte und immer wieder von Hustenkrämpfen geschüttelt wurde, so weit reichte seine Kraft noch, um wenigsten einen von ihnen in die Hölle zu schicken!

Die Gestalt kam langsam näher. Cairan musste ein paarmal blinzeln, bis er erkannte, dass es kein MacLeod war, sondern eine großgewachsene Frau, die sich ihm näherte. Ihr pechschwarzes Haar fiel bis zu ihren Schenkeln und ihr Antlitz war das eines Engels. Das Verblüffendste an ihr aber waren ihre Augen. Sie waren smaragdgrün wie die einer Katze und leuchteten von innen heraus. Wo war sie auf einmal hergekommenund was wollte sie hier? Die Frau kam direkt auf ihn zu. Vielmehr, sie schwebte nahezu, aber wahrscheinlich war das nur seine Einbildung.

War sie vielleicht der Engel des Todes, von dem man sagte, dass er kam, um die Seelen der Verstorbenen mit sich zu nehmen?

Als die Fremde ihn erreichte, blieb sie unmittelbar vor ihm stehen und sah ihm direkt in die Augen.

»Willst du Rache Cairan MacDonald?«, der tiefe, rauchige Klang ihrer Stimme verwirrte ihn. »Wenn du mir aus freien Stücken folgst und mir eine Zeitlang zu Diensten bist, dann werde ich dafür sorgen, dass du deine Rache bekommst. Du brauchst mir nur deine Hand zu reichen!« Cairan sah sie verstört an, derweil ein weiterer Hustenanfall ihn auf die Knie zwang. Die Fremde beugte sich nun ein wenig zu ihm hinunter und streckte ihm ihre Hand wortlos entgegen. Cairan bekam kaum noch Luft. Er spürte, seine Kräfte schwinden und wie seine Gedanken langsam von dichten Schleiern davongetragen wurden. Kurz bevor er jedoch das Bewusstsein vollends verlor, hörte er sie zum wiederholten Male sagen: »Nimm meine Hand«, und noch im Fallen griff er zu.

 1

Cairan spürte es bereits, bevor er sein Bewusstsein vollends wiedererlangte. Das, worauf er lag, war mit Sicherheit nicht der schroffe, nackte Felsboden der Höhle. Eine Flut von Bildern strömte auf ihn ein.

Er sah die Höhle; die Tage, die sie ausharrend dort verbracht hatten; Finleys Tod; die MacLeods; das Warten auf die Entscheidung des Alten; das Ende aller Bewohner Eiggs und schließlich sich selbst. Die Melodie, die er der Phìob entlockte, dröhnte nicht nur in seinem Kopf. Sie hallte von den Wänden der Höhle wider, wie eine nicht enden wollende Hymne über Tod und Zerstörung. Wenn auch nur ein Teil dieser Klänge hinausgelangt war, dann, so war er sich sicher, konnte keiner, der sie gehört hatte, sie jemals vergessen. Er nicht und die MacLeods erst recht nicht. Aye, wenn er es könnte, dann würde er dafür sorgen, dass seine Melodie die MacLeods bis zur Stunde ihres Todes heimsuchte. Ihnen den Verstand raubte und sie so in den Tod trieb. Die Vorstellung von wahnsinnigen MacLeods, die sich selbst das Leben nahmen, ließ ihn innerlich triumphieren. Aye und er würde dabei stehen, sie beobachten und sich an ihrem Elend weiden, genauso wie sie es bei dem Massaker getan hatten.

Da war allerdings noch etwas, woran er sich erinnern konnte, doch die Bruchstücke ergaben keinen Sinn. Eine Frau inmitten des Qualms, kaum zu erkennen und dennoch so nah, dass er ihre Hand ergriff. Hatte sie nicht genauso ausgesehen, wie er sich den Engel des Todes immer vorgestellte? Aber wenn er tot war, wieso konnte er noch fühlen, denken, sich erinnern? War der Tod vielleicht wirklich nur ein Übergang in eine andere Welt, in der man genauso lebte, wie vormals auf der Erde?

Cairan öffnete seine Augen. Gleißendes Licht durchflutete den Raum, in dem er sich befand. Seine Augen tränten, sodass er sie sofort wieder schließen musste. War er etwa in der Hölle oder im Fegefeuer gelandet? Aber nein! Dort herrschte dem Glauben nach eine solche Hitze, dass sie einem die Haut von den Knochen brannte. Hier war es allerdings angenehm kühl.

Er blinzelte mehrmals, um seine Augen an das Licht zu gewöhnen, dann öffnete er sie. Er lag auf einem riesigen Bett in einem großen, üppig ausgestatteten Gemach, durch dessen Fenster, die in drei der Seiten eingelassen und vollständig geöffnet waren, der Schein der Sonne den Raum bis in den letzten Winkel durchflutete. Ein leichter Windzug spielt mit den wie Schmetterlingsflügel anmutenden Vorhängen. Genauso schillernd und leicht, wie diese aussahen, fühlte sich auch sein Bettzeug an. Obwohl es hauchzart war, schien es ihn dennoch zu wärmen, denn selbst wenn der Luftzug kühl war, so spürte er ihn nicht. Auch der Rest des Gemachs war mehr als ungewöhnlich. Zwischen den Fenstern auf den schmalen Wandstreifen waren kunstvoll gemalte Ornamente zu sehen, die sich bis über die Decke schlängelten. Dort bildeten sie den Rahmen für eine riesige, gläserne Kuppel, durch die man den strahlend blauen Himmel sehen konnte. Überall standen reichlich verzierte, goldbeschlagene Truhen, in unmittelbarer Nähe zum Bett ein goldener Tisch, der sich unter der Last der mehr als reichlichen Köstlichkeiten, die sich darauf befanden, geradezu bog.

Eines war sicher: Er war nicht mehr auf Eigg. Doch wo war er dann? Im Himmel?

»Du bist also endlich erwacht?« Die rauchige, tiefe Stimme ließ ihn zusammenschrecken, während er sich instinktiv in die Richtung wandte, aus der sie kam. In einer Türöffnung, die sich schräg hinter dem Kopfende des Bettes befand, stand eine Frau. Nicht irgendeine, sondern eben jene, die ihm in der Höhle erschienen war. Sie war demnach keine Einbildung gewesen.

»Wo bin ich?«, brachte er mühsam hervor, dabei klang seine Stimme merkwürdig rau in seinen Ohren. »Ist dies hier der Himmel?« Die Frau brach in leises Gelächter aus.

»Mitnichten. Dies hier ist weder der Himmel noch die Hölle, wenn du das befürchtet hast. Mit dieser Art eures Glaubens habe ich nichts zu schaffen.« Cairan sah sie fragend an.

»Dann seid Ihr nicht der Engel des Todes?« Ihr Lachen wurde noch eine Spur lauter.

»Der Tod ist zwar durchaus mein Metier, aber Engel gibt es in meiner Welt nicht.«

»Wer seid Ihr dann?« Die Fremde antwortete ihm nicht sofort, stattdessen setzte sie sich anmutig in Bewegung und kam auf ihn zu. Direkt neben seinem Bett blieb sie stehen. Dort ließ sie sich genauso graziös auf die Bettkante sinken. Dann sah sie ihm tief in die Augen. Er konnte es sich selbst nicht genau erklären, aber ihre Nähe ließ ihn erschaudern und ihr Blick war alles andere als beruhigend.

Dennoch, wenn er noch lebte, dann war sie es, der er es zu verdanken hatte.

»Zunächst einmal möchte ich dir deine erste Frage beantworten. Du befindest dich in meinem Reich. Da du mir aus freien Stücken gefolgt bist, wird sich daran in nächster Zeit auch nicht sehr viel ändern.« Cairan sah sie fragend an.

»Dann kann ich nicht zurückkehren?«

»Doch! Aber darüber werden wir später reden. Viel später, wenn es nach mir geht.«

»Ich verstehe nicht!«

»Das wirst du noch. Habe nur ein wenig Geduld. Und nun zu deiner anderen Frage. Weißt du, wer die Túatha Dé Dannan sind?«

»Die Túatha Dé Dannan?« Cairan war verwirrt. »Was hat dieses sagenumwobene Feenvolk mit Euch zu tun? Die Túatha Dé Dannan existieren nicht. Sie sind bloß Bestandteil von Mythen und Sagen. Genauso wie Kobolde, Einhörner und Drachen.«

»Bin ich in deinen Augen ein Mythos?« Cairan schüttelte seinen Kopf.

»Nein, wenn ich nicht vollkommen den Verstand verloren habe, würde ich sagen, dass Ihr genauso real seid, wie ich selbst.«

»Dann befinden wir uns in einem Dilemma. Ich gebe zu, dass Einhörner, Drachen und Kobolde wirklich nicht existieren, sie entspringen alle eurer Fantasie, aber in Bezug auf die Túatha Dé Dannan irrst du. Sie sind ein sehr altes Volk. Älter als die Menschheit. Sie herrschen bereits seit Anbeginn der Zeit und nur, weil man sie nicht sehen kann, heißt es noch lange nicht, dass sie nicht existieren.«

»Ihr wollt mir wirklich Glauben machen, dass Ihr eine von ihnen seid?« Die Fremde nickte.

»Nicht nur eine, sondern eine ihrer Königinnen. Man nennt mich Morgane oder Mór-Ríoghain. Für dich allerdings geziemt sich die Ansprache meine Königin.«

»Mór-Ríoghain? Sagt man ihr nicht nach, sie wäre die Fee des Krieges, Kampfes und der Sexualität? Ihr könnt unmöglich ... Durch den Rauch, den ich geschluckt habe muss ich verwirrt sein. Ihr seid nichts weiter als ein Hirngespinst, eine Erscheinung, die ...«

»Wenn ich eine Erscheinung bin, wer hat dich dann gerettet?«, entgegnete sie ihm wütend, dabei blitzten ihre Augen gefährlich auf. »Was glaubst du, wie ich an den MacLeods vorbei in die Höhle gekommen bin? Denkst du, sie hätten mich freiwillig hineingelassen? Ihr elendes Menschengewürm! Ihr werdet niemals begreifen, denn eure Zweifel werden euch irgendwann einmal auffressen und eurer Rasse den Untergang bringen!«

 »Ich verstehe nicht!«

»Das wirst du!«, schlagartig änderte sich ihre Stimmung. Ihre Stimme bekam einen säuselnden Unterton, der ihn geradezu einlullte. Ihre Augen schienen plötzlich von innen heraus zu glühen und ihr Blick wurde so durchdringend, dass er befürchtete, sie könne damit sein Inneres nach außen kehren. Cairan bekam eine Gänsehaut. Es war nicht direkt Angst, die er verspürte, aber sein Unbehagen wuchs mit jeder Sekunde, in der sie ihm so nahe war.

»Ich beobachte dich schon eine ganze Weile«, fuhr sie unbeirrt fort.

»Was?« Cairan war entsetzt. Ein diabolisches Grinsen umspielte ihr Lippen.

»Es ist nicht das, woran du vielleicht denkst, wenngleich ich nicht abgeneigt wäre. Dein Körper ist eine wahre Augenweide und wenn ich mir vorstelle, was ich und vor allen Dingen du damit anstellen könntest ... Aber lassen wir das!

---ENDE DER LESEPROBE---