Im freien Fall - Tessa Hofreiter - E-Book

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Tessa Hofreiter

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Beschreibung

Dr. Brunner bewohnt mit seiner geliebten Frau Ulrike und einem Jagdhund namens Lump ein typisches Schwarzwaldhaus, in dem er auch seine Praxis betreibt. Ein Arzt für Leib und Seele. Die Serie zeichnet sich gegenüber dem Vorgänger durch ein völlig neues Konzept aus. Es wird noch größerer Wert auf Romantik, Spannung und sich weiterdichtende, zum Leben erwachende Romanfiguren, Charaktere und Typen gelegt. Eines darf verraten werden: Betörend schöne Frauen machen dem attraktiven Landdoktor schon bald den Hof. Und eine wirkliche Romanze beginnt... Ein herrlicher Morgen, dachte Selma, als sie auf ihrem Weg zum Rathaus den Marktplatz mit seinem schönen alten Kopfsteinpflaster überquerte. Die Sonne stand gerade im richtigen Winkel, um auch die schmalen Gassen, die auf den Marktplatz mündeten, in helles Licht zu tauchen. Die Geschäfte in den Erdgeschossen der mit Lüftmalereien geschmückten Häuser hatten alle vor ein paar Minuten geöffnet, und auch das Café Höfner hatte bereits seine Tische aufgestellt. Bald würden die ersten Gäste zu einem gemütlichen Frühstück eintreffen. »Guten Morgen, Ursel!«, rief Selma der Frau in dem honigfarbenen Dirndl zu, die die Getränke- und Speisekarten auf den Tischen verteilte. »Guten Morgen!« Ursel Wermig, die schon über dreißig Jahre im Café bediente, winkte ihr fröhlich zu. Selma war erst seit einigen Tagen in Bergmoosbach, und doch schien ihr alles schon so vertraut. Das lag sicher zuerst an den liebenswürdigen Bewohnern des Dorfes, die ihr alle freundlich begegneten. »Hallo, Lydia«, begrüßte sie die junge Frau, die mit einem Stapel Zeitungen aus dem Verlagshaus des Bergmoosbacher Tagblatts kam. »Grüß dich, Selma.« Lydia Draxler, eine kleine hübsche Person mit halblangen blonden Locken, die ihr rundes Puppengesicht umrahmten, war für den Tourismus in Bergmoosbach zuständig. Sie hatte ihr Büro im Rathaus, und das Appartement, das die Gemeinde Selma während ihres Aufenthaltes zur Verfügung stellte, gehörte den Draxlers. Selma mochte Lydias offene Art, und sie hatte sich schnell mit ihr angefreundet. »Warte, ich helfe dir«, sagte Selma und fing die Zeitungen auf, die Lydia aus der Hand gerutscht waren. »Das ist aber nicht die neueste Ausgabe«, stellte sie fest, als sie auf die Titelseite schaute.

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Seitenzahl: 116

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Der neue Landdoktor – 76 –Im freien Fall

Matteo ist Selmas Retter in der Not – immer wieder

Tessa Hofreiter

Ein herrlicher Morgen, dachte Selma, als sie auf ihrem Weg zum Rathaus den Marktplatz mit seinem schönen alten Kopfsteinpflaster überquerte. Die Sonne stand gerade im richtigen Winkel, um auch die schmalen Gassen, die auf den Marktplatz mündeten, in helles Licht zu tauchen. Die Geschäfte in den Erdgeschossen der mit Lüftmalereien geschmückten Häuser hatten alle vor ein paar Minuten geöffnet, und auch das Café Höfner hatte bereits seine Tische aufgestellt. Bald würden die ersten Gäste zu einem gemütlichen Frühstück eintreffen.

»Guten Morgen, Ursel!«, rief Selma der Frau in dem honigfarbenen Dirndl zu, die die Getränke- und Speisekarten auf den Tischen verteilte.

»Guten Morgen!« Ursel Wermig, die schon über dreißig Jahre im Café bediente, winkte ihr fröhlich zu.

Selma war erst seit einigen Tagen in Bergmoosbach, und doch schien ihr alles schon so vertraut. Das lag sicher zuerst an den liebenswürdigen Bewohnern des Dorfes, die ihr alle freundlich begegneten. »Hallo, Lydia«, begrüßte sie die junge Frau, die mit einem Stapel Zeitungen aus dem Verlagshaus des Bergmoosbacher Tagblatts kam.

»Grüß dich, Selma.« Lydia Draxler, eine kleine hübsche Person mit halblangen blonden Locken, die ihr rundes Puppengesicht umrahmten, war für den Tourismus in Bergmoosbach zuständig. Sie hatte ihr Büro im Rathaus, und das Appartement, das die Gemeinde Selma während ihres Aufenthaltes zur Verfügung stellte, gehörte den Draxlers. Selma mochte Lydias offene Art, und sie hatte sich schnell mit ihr angefreundet.

»Warte, ich helfe dir«, sagte Selma und fing die Zeitungen auf, die Lydia aus der Hand gerutscht waren. »Das ist aber nicht die neueste Ausgabe«, stellte sie fest, als sie auf die Titelseite schaute.

»Stimmt, aber diese Ausgabe ist inzwischen ein Sammlerstück, auch für Touristen.«

»Aha, und warum?«

»Wegen des Artikels auf der ersten Seite.«

»Nolans Team im Höhenflug«, las Selma die Schlagzeile laut vor und betrachtete das Foto darunter.

Es zeigte einen Berner Sennenhund mit Pappkrönchen umringt von einer Mädchenfußballmannschaft.

»Nolan ist das Maskottchen unserer Mädchen.«

»Er bringt ihnen offensichtlich Glück. Sie sind aufgestiegen«, stellte Selma anerkennend fest und klemmte sich die Zeitungen unter den Arm.

»Achtung, er rutscht.« Lydia machte Selma auf den zierlichen goldenen Armreif mit den winzigen Rubinen aufmerksam, der ihr über die Hand rutschte, als sie weitergingen.

»Danke, den darf ich nicht verlieren. Meine Großmutter hat ihn mir vererbt, er ist mein Glücksbringer. Bis vor kurzem saß er noch fester. Ich habe in den letzten Wochen wohl ein bisschen abgenommen.«

»Was sich offensichtlich auch auf deine Füße auswirkt.«

»Auf meine Füße?«, wunderte sich Selma.

»Ja, schon, du hast deine Schuhe ziemlich eng geschnürt. So eng, dass die Schnürsenkel reichlich überdimensioniert aussehen«, stellte Lydia amüsiert fest, während sie auf die weißen Turnschuhe schaute, die Selma trug.

»Dieses Problem habe ich schon immer, die meisten Schuhe sind mir zu weit und die Schnürsenkel leider längenmäßig genormt.«

»Das ist kein Problem, mit dem ich mich herumschlage, meine Füße sind leider nicht die einer Elfe«, sagte Lydia und schaute auf ihre beigen Wanderschuhe, für die die Länge der Schnürsenkel gerade so ausreichte.

»Du hast kleine kompakte Füße, die dich überall hin tragen.«

»Kompakt? Wenn ich das mit stabil gleichsetze, dann ist das wohl eine ideale Voraussetzung für meine Wandertouren mit den Touristen.«

»Auf jeden Fall.«

»Danke, du hast meinen Tag gerettet. Kompakt klingt doch um Längen gefälliger als breit oder rundlich«, stellte Lydia lächelnd fest.

»Wer ist das, Tante Ursel?«, fragte der junge Mann, der im Eingang zum Café stand und Selma nachschaute.

»Wen meinst du?«

»Die junge Frau mit dem langen dunklen Haar.«

»Die in der Jeans und der weißen Bluse?«

»Tante Ursel, bitte, die andere ist Lydia. Sie hat sich seit meinem letzten Besuch vor einem halben Jahr nicht derart verändert, dass ich sie nicht mehr erkenne.«

»Dann meinst du wohl Selma.«

»Wohnt Selma in Bergmoosbach?«

»Nein, die Gemeinde hat das Verwaltungsprogramm gekauft, das sie entwickelt hat. Sie ist für ein paar Tage hier, um es zu installieren. Mei, Matteo, dieser Blick, das Madl gefällt dir wohl«, entgegnete Ursel amüsiert.

»Könnte sein. Wird sie noch länger hier sein?«

»Es kommt darauf an, wie schnell sie im Rathaus mit dem Programm zurechtkommen, aber ein bissel wird es wohl noch dauern. Ich habe gestern eine Weile mit ihr geplaudert, als sie auf einen Kaffee hier war. Sie hat sich gerade von ihrem Freund getrennt, hat sie mir erzählt.«

»Dann wird es wohl nicht mehr geklappt haben mit den beiden.«

»Bei dir hat es bisher auch noch nie so richtig geklappt, vielleicht…«

»Nein, bitte nicht«, unterbrach Matteo seine Tante lachend, »du bist ja schneller als deine Schwester. Sie macht mich auch ständig auf junge unverheiratete Frauen aufmerksam, die sie ganz zufällig kennengelernt hat.«

»Deine Mutter möchte halt, dass du irgendwann die richtige findest.«

»Das ist aber nicht so einfach, das weißt du genauso gut wie meine Mutter. Die meisten Frauen sind nicht besonders begeistert, wenn sie hören, womit ich mein Geld verdiene.«

»Mei, es ist auch schon recht gefährlich, an Häuserfassaden, Strommasten und Windrädern hinaufzuklettern.«

»Irgendjemand muss die Wartungsarbeiten, die dort nötig sind, erledigen. Meine Kollegen und ich sind doch immer gut gesichert, schon in unserem eigenen Interesse.«

»Du bist auch schon ungesichert Häuserfassaden hinaufgeklettert. Deine Mutter war dann immer ganz krank vor Sorgen.«

»Das freie Klettern war ein Hobby, inzwischen mache ich das nur noch ganz selten.«

»Das ist gut, Bub.« Ursel streichelte ihrem Neffen liebevoll über den Arm. Sie sah Matteo nicht mehr so oft, so wie früher, als er noch zur Schule ging und seine Ferien gern in Bergmoosbach verbrachte.

Als ihre Schwester ihr vor vielen Jahren gestand, dass sie sich in einen Mann aus der Toskana verliebt hatte und mit ihm in seiner Heimat leben würde, war sie erst einmal geschockt. Aber dann lernte sie Matteos Vater kennen und sie konnte verstehen, dass ihre Schwester sich in den gut aussehenden charmanten Mann verliebt hatte. Und so weit war die Toskana nun auch nicht entfernt und schön war es dort allemal, so schön, dass Ursel und ihr Mann mindestens zweimal im Jahr bei den Verwandten Urlaub machten.

»Ich muss dann auch los, Tante Ursel. Ich treffe mich doch heute mit einem ehemaligen Kollegen in der Kreisstadt. Ich werde so um die Mittagszeit zurück sein, dann schaue ich wieder hier vorbei.«

»Ist recht, Matteo, bis später«, sagte Ursel und lächelte glücklich, als ihr Neffe sich mit einem Kuss auf die Wange von ihr verabschiedete.

*

Das Bergmoosbacher Rathaus war ein imposanter Bau mit einem mächtigen Turm, auf dem ein vergoldeter Wetterhahn thronte. Über dem prächtigen Eingangsportal aus dunklem Eichenholz hing das Wappen der Gemeinde, eine Biene, die vor einem blauen Hintergrund über einem Rapsfeld schwebte.

»Wir hätten gestern wohl doch eher Schluss machen sollen. Du siehst müde aus«, stellte Lydia fest, als sie und Selma die breiten Steinstufen zum Eingang des Rathauses hinaufgingen.

»Nein, das ist schon in Ordnung. Ich fand es schön, den Abend mit dir und deinem Verlobten zu verbringen. Ich fühle mich schon seit Wochen ständig müde, darauf kann ich gar nichts mehr geben.«

»Wenn du dich schon länger so fühlst, solltest du besser mal zum Arzt gehen.«

»Da war ich schon. Er meinte, diese Müdigkeit und die Kopfschmerzen, die mich ab und zu quälen, das sei alles stressbedingt. Ich sollte einfach kürzer treten.«

»Was du aber nicht tust, ganz im Gegenteil«, entgegnete Lydia lächelnd, als Selma ihr die Rathaustür aufhielt.

»Doch, eigentlich schon. Seitdem ich im letzten Monat aus dieser Softwarefirma ausgestiegen bin, für die ich drei Jahre gearbeitet habe, geht es mir schon besser«, versicherte sie Lydia. »Ich denke, dass ich mich in Bergmoosbach erholen werde. In einem Haus mit einer langen Tradition und in dieser angenehmen Atmosphäre ist das Arbeiten bereits Erholung.«

Selma schaute auf die Ölgemälde der ehemaligen Bergmoosbacher Bürgermeister, die in der Eingangshalle hingen. Xaver Talhuber, der derzeitige Bürgermeister, hatte ihr erzählt, dass die Gemeinde auf mehr als 700 Jahre Geschichte zurückblicken konnte. Die Nachfahren derjenigen, die das Dorf einmal gegründet hatten, lebten bis heute in der Gemeinde.

»Ich bringe die Zeitungen in mein Büro, dann komme ich nach«, sagte Lydia, nachdem sie die ausladende Steintreppe in den ersten Stock hinaufgestiegen waren.

»Ist gut, bis gleich.« Während Lydia in das Zimmer neben dem Treppenaufgang huschte, folgte Selma dem Hinweisschild zum Amtszimmer des Bürgermeisters. Es lag hinter der Eichenholztür am Ende des Ganges.

Sie klopfte kurz an und betrat dann zunächst das Vorzimmer, einen hellen Raum mit Holzdielen, einer Regalwand und einem Schreibtisch, der seitlich zu den großen Fenstern stand.

»Guten Morgen, Frau Talhuber«, begrüßte Selma die Frau im blauen Trachtenkostüm, die hinter dem Schreibtisch saß.

»Ich grüße Sie, Selma«, antwortete Helga Talhuber, die Frau des Bürgermeisters. »Ich bin direkt ein bissel nervös, ob ich das mit dem neuen Programm auch versteh«, sagte sie und nahm ihre Lesebrille ab.

»Die Bedienung ist ganz leicht. Das Programm erklärt sich von allein«, versicherte ihr Selma.

»Mei, für euch junge Leute ist das sicher kein Problem, aber für mich?«

»Keine Sorge, Sie schaffen das. Es wird Ihnen sogar Spaß machen, das Programm zu bedienen.«

»Hoffentlich nicht so viel Spaß, dass ich den Posten am Ende gar nicht mehr aufgeben will. Dabei bin ich doch eigentlich nur zur Aushilfe hier, bis mein Mann eine neue Sekretärin gefunden hat.«

»Ich denke, er will gar keine mehr finden«, sagte Lydia, die ins Zimmer kam. »Eine Sekretärin muss absolut loyal sein, ein Fels in der Brandung, auf den er sich immer verlassen kann. Es gibt wohl niemanden, dem er mehr vertraut als seiner Frau.«

»Mit unserer Bärbel war er auch zufrieden.«

»Ich weiß, aber Bärbel lebt jetzt in Wien. Und überhaupt, ich denke, es gibt einige Frauen, die gern die Sekretärin ihres Mannes wären, dann wüssten sie, was er den ganzen Tag so treibt.«

»Geh, Lydia, meinen Xaver muss ich nicht bewachen. Er ist eine treue Seele.«

»Allerdings, das bin ich!«, tönte es aus dem Amtszimmer, dessen Tür nur angelehnt war. »Würden die Damen bitte zu mir hereinkommen!«, rief Xaver.

»Also dann, gehen wir«, sagte Helga und kam hinter ihrem Schreibtisch hervor.

Das Amtszimmer war ein imposanter Raum mit hohen Fenstern, Dielenboden und weißem Stuck an den cremefarbenen Wänden. Vor dem offenen Kamin standen ein runder Tisch und zwei dunkle Ledersofas. Xaver Talhuber, ein stattlicher Mann im blauen Trachtenanzug, saß auf einem Bürosessel aus schwarzem Leder, der hinter dem wuchtigen Schreibtisch aus massiver Eiche stand. An der Wand hinter ihm hing ein lebensgroßes Ölgemälde, das ihn als amtierenden Bürgermeister darstellte.

»Ich schlage vor, Selma nimmt auf meinem Sessel Platz und führt uns das Programm an meinem Computer vor. Wir holen uns Stühle und sehen ihr zu«, schlug Xaver vor, nachdem er Lydia und Selma einen guten Morgen gewünscht hatte. »In Ordnung, mein Fels in der Brandung?«, wandte er sich mit einem liebevollen Lächeln an Helga und legte den Arm um ihre Schultern.

»Dir entgeht aber auch gar nichts«, entgegnete Helga und knuffte ihn zärtlich in die Seite.

»Ein Bürgermeister sollte immer wissen, was um ihn herum vor sich geht. Hier in meinem Rathaus bin ich allerdings immer recht entspannt.«

Ein paar Minuten später saßen er, Helga und Lydia neben Selma und ließen sich das neue Programm erklären. Gegen zehn machten sie eine Pause, setzten sich auf die beiden Sofas, tranken Kaffee und aßen frische Laugenbrezel. Danach ging es weiter bis zur Mittagspause.

»Sie haben recht, das Programm ist wirklich leicht zu verstehen«, sagte Helga, nachdem sie unter Selmas Anleitung einige Daten eingegeben hatte.

»Es ist viel einfacher und übersichtlicher als unser altes Programm«, stimmte Lydia ihr zu.

»Was sagen Sie, Herr Bürgermeister«, wandte sich Selma an Xaver, der sich noch nicht geäußert hatte.

»Es ist genauso, wie Sie es beschrieben haben. Strukturiert, ohne Umwege, einfach zu bedienen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in das richtige Programm investiert haben.«

»Es war auch ein langer Weg bis zu dieser Version.« Selma war erleichtert, dass die Generalprobe so gut geklappt hatte. Die Gemeinde Bergmoosbach war ihr erster Kunde, seitdem sie sich selbstständig gemacht hatte, und sie waren die ersten, die ihr Programm gekauft hatten.

»Sobald sich die Vorteile dieses Programmes herumgesprochen haben, werden Sie sicher viele Anfragen bekommen«, versicherte ihr Xaver.

»Ich hoffe es, dann könnte ich von dieser Arbeit leben.«

»Das wird schon«, machte Xaver ihr Mut.

»An den nächsten beiden Vormittagen werde ich die anderen Rathausangestellten in das Programm einweisen, danach sollten wir uns alle noch einmal zusammensetzen und mögliche Fragen klären, die der eine oder andere noch hat«, schlug Selma vor.

»So machen wir es«, erklärte sich Xaver einverstanden.

»Xaver, wir müssen dann los«, sagte Helga und deutete auf die Uhr, die in einem Kasten aus edlem Nussbaum eingebaut war und deren Seilzug leise hin und her pendelte.

»Ich weiß, das Mittagessen mit den Mainingbergern«, seufzte Xaver, der seine Mittagspause lieber zu Hause im Kreise seiner Familie verbrachte, statt mit dem Bürgermeister der Nachbargemeinde über Amtsgeschäfte zu sprechen.

»Machen Sie nicht so ein Gesicht, Herr Bürgermeister, Ihr Kollege ist doch ganz amüsant«, munterte Lydia ihn auf.

»Freilich ist er das, und seine Frau ist auch ganz nett. Ehe ich es vergesse, ich habe vorhin mit dem Dachdecker telefoniert. Wir haben ausgemacht, dass er am nächsten Montag herkommt, um die Nägel am Kupferdach des Turmes auszutauschen. Dann ist dieser Pfusch, den mein Vorgänger zugelassen hat, endlich beseitigt«, stellte Xaver zufrieden fest.

»Was meinen Sie mit Pfusch? Hat sich das Dach gelockert? Ich habe gar keine Warnschilder unten auf der Straße gesehen«, stellte Selma fest.

»Noch besteht auch keine Gefahr. Es geht nur um ein paar Nägel. Mein Vorgänger im Amt hat das Dach ausbessern lassen. Leider nicht von unserem örtlichen Dachdecker, sondern von einer Firma aus der Stadt, deren Angebot günstiger war. Wie sich herausgestellt hat, haben sie statt der korrosionsbeständigen Kupfernägel Nägel aus verzinktem Stahl verwandt.«

»Die bei Feuchtigkeit mit dem Kupfer chemisch reagieren, was zur Folge hat, dass sich die Zinkschicht auflöst und die Nägel zerstört, und irgendwann rutscht das Dach dann ab.«

»Ich bin beeindruckt«, sagte Lydia und klopfte Selma anerkennend auf die Schulter.