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Wie ist es jemanden zu lieben, der transmännlich ist? Constantin, oder kurz Con, ist der Schwule in einer vielfältigen, queeren Clique. Als er allerdings immer mehr Gemeinsamkeiten mit L entdeckt, drängen sich diverse Veränderungen auf. Plötzlich muss ausgesprochen werden, was undenkbar erscheint. Aber warum reagieren seine LGBTIQ Freunde so zynisch? Und steht nun ein weiteres Coming-Out bei den Eltern an?
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Seitenzahl: 100
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Wie ist es jemanden zu lieben, der transmännlich ist?
Constantin, oder kurz Con, ist der Schwule in einer vielfältigen, queeren Clique. Als er allerdings immer mehr Gemeinsamkeiten mit L entdeckt, drängen sich diverse Veränderungen auf. Plötzlich muss ausgesprochen werden, was undenkbar erscheint.
Aber warum reagieren seine LGBTIQ Freunde so zynisch? Und steht nun ein weiteres Coming-Out bei den Eltern an?
Seit seinem Coming-Out ist Falk Teil von verschiedenen queeren Communitys. Sowohl ehrenamtlich als auch beruflich engagiert er sich für mehr Akzeptanz und Empowerment für LSBTIQ.
Jüngst arbeitete er in einem Jugendzentrum und die dortigen Erfahrungen veranlassten ihn die vorliegende Novelle zu verfassen. In seiner Profession war es nicht möglich Dinge so anzusprechen, wie es für ihn als Autor möglich ist. Als Pädagoge ist es wichtig Grenzen einzuhalten. Als Autor hingegen, darf die ausgedachte Geschichte hin und wieder Grenzen überschreiten, um Themen zu betrachten, die unaussprechlich erscheinen.
Dabei ist ihm wichtig, dass die Geschichte zwar inspiriert ist von den Jugendlichen, aber nie nur eine Person gemeint ist. Selbst dann, wenn sich jemand besonders angesprochen fühlt.
„Wir sind alle einzigartig. Was, für mich, jedoch besonders spannend ist, sind unsere Gemeinsamkeiten."
Falk Dennis Adam
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„im Kleid ein Junge“ FAdam (Spotify)
LEAN
LUN
LARS
LEVITAN
LYNKS
LIKKA
LOREANDER
LOMI
LUFEFAMIR
LASSE
CASPAR
L nannte es Mall und das passte viel besser als „Einkaufszentrum” oder „Arkaden“. Hinter und neben der Mall waren Neubauten. Moderne Fassaden mit Holz, damit alle dachten wie umweltbewusst hier gebaut wurde.
Wir saßen davor. Auf der Freifläche oder Grünfläche oder Spielplatz. Irgendwie war es alles und nichts davon. Warum wir hier saßen lag nicht an der angeblichen Nachhaltigkeit der Bauten, die auf einer designten Plastiksäule aufdringlich ins Auge stach. Auch nicht an der chicen Architektur oder dass jemand von uns hier wohnte. Schon gar nicht wegen der Mall.
Vielleicht lag es an dem Platz, denn es gab Sitzstufen und manchmal Schatten beziehungsweise Schutz vor plötzlichem Regen. Auf jeden Fall trafen wir uns hier, weil wir es durften.
Es war erlaubt.
Kein alter Sack schrie aus dem Fenster, fuchtelte erbost mit der Faust oder schnalzte missbilligend beim Vorübereilen. Eigentlich störten wir sie überhaupt nicht, aber irgendetwas störte sie an uns.
L schlenderte an mir vorbei, als ich dort lange vor den anderen hockte. Keine Ahnung, wie es dazu gekommen war, jedenfalls saß ich da und die anderen noch lange nicht. Klar fand ich es ätzend und ärgert mich jetzt hier alleine zu sein, auf der anderen Seite hatte ich meine Bluetooth-Box dabei und vollen Akku.
Ein Vorteil war, ohne die anderen konnte ich ins neue Album von Yiruma reinhören. Das wäre mir sonst etwas zu peinlich gewesen. Außerdem hätte ich mich dann ohnehin nicht auf die feinen Klavierklänge konzentrieren können. Und wenn sich die Gelegenheit, wie heute, quasi aufdrängte, wollte ich sie nicht verstreichen lassen.
Nur so halb sah ich L. Erst an mir vorbei laufend. Einen Blick, völlig unbedacht. Einfaches Registrieren, dort hört jemand neue klassische Musik.
Kurz darauf trottete L wieder vorbei. Blieb stehen oder hielt inne. Sah mich an.
Irgendwie beobachtete ich alles, doch irgendwie auch nicht. Meine Konzentration war voll bei der Musik. Im Nachhinein fiel mir aber ein, dass L bestimmt während gesamter zwei Lieder da stand. Vielleicht so 4 Meter von mir entfernt beziehungsweise der Musik, der L lauschte.
Beim dritten Lied, was ich bereits kannte, wurde mir Ls Anwesenheit bewusst. Unsicher grinste ich hinüber. Es war schon peinlich in meinem Alter klassische Musik zu hören. Ausschalten wollte ich allerdings nicht, weil mich das Lied zu sehr berührte.
Naja, und dann schlenderte L zu mir.
Nicht direkt, sondern eher als führten Serpentinen einen Berg hinauf. Oder wie eine Katze, die auf ihre Beute zuschlich. Obwohl ich mich nie als Beute von L gesehen habe. Obwohl das vielleicht doch eine treffende Beschreibung wäre; allerdings erst Wochen später.
Heute begegneten wir uns zum ersten Mal.
Schweigend wartete L, nach dem scheinbar endlosen Weg, kaum einen Schritt vor mir. Mein Kopf war scheu hinab gesenkt und ich rechnete mit einem mindestens ungläubigen Kommentar.
„Kenn‘ ich nicht.“
Die Welt platzte auf, sprühte wie ein LSD Trip, oder eher gesagt, wie ich mir einen LSD Trip vorstelle. So in etwa wie dieser Musikclip von „Tones and I“: „Cloudy Day“. Wobei der Titel gar nicht zu dem Moment passte. Dazu passte viel mehr „Kawaii“. Eine krass süße und heftig intensive Farbexplosion.
Es musste Stunden gedauert haben, bis ich zurück an Ort und Stelle war. Auf dem grauen Beton, den beruhigenden beigen Steinmauern, den grünen Klecksen des Grases und bewusst platziertem Industrieholz.
L war geblieben. Das Lied spielte auch noch. Mein Kopf jedoch war angehoben und mein Blick ruhte auf Ls Gesicht. Oder ich starrte krass wie ein Stalker oder so!
„Sorry.“, murmelte ich darum schnell und schaute auf die Box.
„Welcher Komponist ist das?“
„Was?“
„Es klingt nach Chopin; ein bisschen.“
„Du hörst sowas?“
L schmunzelte leicht verlegen.
„Ich mag Chopin.“, beeilte ich mich zu gestehen, „Dachte bloß nicht, es würde anderen gefallen. Also anderen unter 30.“
L lachte und schickte mich damit erneut in diese farbenprächtige Unwirklichkeit.
„Gefällt mir auch.“, L setzte sich, so dass die Box zwischen uns stand, „Ist das dieser von «Rivers Flow in You»?“
„Stimmt. Das neue Album. Ist es nicht verrückt, es gibt noch neue Melodien.“
„Verrückt finde ich es nicht gerade.“
Ärgerlich biss ich mir auf die Lippe. Warum nannte ich alles immer «verrückt»? Ich meinte das überhaupt
nicht damit.
„Neue klassische Musik ist schön.“, half L über die peinliche Stimmung hinweg, „Die klingen modern und zeitlos; gegensätzlich aber es passt.“
„Ja, sie hätten damals nicht so geschrieben werden können.“
„Spielst du sie auch?“
Ich wurde verlegen.
„Früher habe ich Cello gespielt. Daher kenne ich die meisten Stücke.“, führte L weiter aus, da ich gar nichts antwortete.
„Spielst du das jetzt noch?“, interessierte mich.
Nun war es an L unsicher zu werden. Jedenfalls fiel mir nach dieser Frage Ls Unsicherheit auf.
„Das war noch ein altes Leben. Ich versuche so viel wie möglich anders zu machen.“
„Was denn zum Beispiel?“
„Jetzt halte mich aber nicht für doof, okay?“
„Selbstverständlich nicht. Warum sollte ich?“
„Wirklich. Halte mich nicht für irgendwie… schräg oder so.“
„An «schräg» ist nichts Merkwürdiges.“, verteidigte ich die deutsche Übersetzung von «queer».
„Uhm, dann merkwürdig… oder seltsam.“
L wirkte sehr ernst und schüchtern und zeitgleich wollte da etwas ausgesprochen werden und auch wieder nicht, weil wir uns nicht einmal 5 Minuten kannten.
„Du musst es nicht sagen.“, warf ich ein, „So oder so finde ich, du bist cool. Du magst klassische Musik, das ist nerdig. So bin ich eben auch.“
Entweder brach die Sonne unmittelbar durch die Wolken oder jemand richtete Bühnenscheinwerfer auf mich. Alles strahlte. Leuchtete. Glitzerte. Grell stach es in meine Augen, dabei lächelte L nur.
Aber wenn ihr dieses Lächeln nicht gesehen habt, dann kann ich es nur schlecht beschreiben.
Es glich dem Sonnenaufgang über verschneiten
Bergen. Nur schöner. Und unglaublich warm. Anders lässt es sich nicht vergleichen.
„.Uhm.“, L hatte sich entschieden, „Ich möchte jetzt lieber Fußball spielen.“
„Lieber als Cello?“, ich konnte es nicht glauben, „Warum das denn?“
„Ich finde, es passt jetzt besser zu mir.“
„Okay…“
„Spielst du Fußball?“
„Gott bewahre!“, wehrte ich mit Händen und Füßen ab, „Das ist mir zu macho. Ich habe keine Lust auf
Testo-Opfer in Umkleidekabinen.“
L schwieg.
„Hab ich was falsch…? Dich meinte ich nicht… Ach, sorry! Mein Mund redet manchmal, ohne Verbindung zum Hirn.“
„Das ist es nicht.“
Aber irgendwas war da trotzdem. L blickte, tief in Gedanken versunken, über den Platz.
„Ich kenne dich schließlich nicht.“, flüsterte L nach einiger Zeit.
„Dafür sind wir ziemlich ins Gespräch gekommen.“, versuchte ich die Stimmung zu entkrampfen.
„Du hast sowas Leichtes.“
Ich lachte kurz, aber herzhaft. „Dazu wurde auch schon flatterhaft gesagt. Oder schwul.“
Das letzte platzte einfach so raus. Verschlechterte die Stimmung selbstredend direkt wieder.
Eine Weile schwiegen wir, bis L plötzlich meinte:
„Mir gefällt’s.“
Meine Augen fingen Ls Blick auf. Dann die Lippen.
Sie lagen entspannt aufeinander. Ich schaute wieder in die Augen. Tief wie der stille Ozean. Umrahmt von kurzen, feinen Wimpern.
„Darf ich fragen…“, setzte L an.
„Bin ich.“, stieß ich einfach aus. Welche Frage kommen würde lag zu deutlich auf der Hand.
Sowieso müssten die anderen jeden Augenblick auftauchen und spätestens dann war klar, dass wir eine absolut queere Gruppe waren.
Auf die Nachricht erfolgte jedoch keine Reaktion. Wir schwiegen uns an, während das Album zu Ende lief.
„Es ist schön.“, kommentierte L endlich.
„Yiruma ist großartig. Das davor war auch gut und das ist super.“
„Ach ja.“, lächelte L, „Das war der Name. Klavier ist besser als Cello. Vielseitiger.“
„Da hast du Recht.“
„Die Emotionen können besser ausgedrückt werden.“
„Geht sanft und leicht, aber auch aggressiv und bedrohlich.“
„Es gefällt mir leicht besser.“
Ich grinste L an. Auch dieses Mal hätte ich nur zustimmen können, aber was für ein langweiliges Gespräch es werden würde, wenn wir uns gegenseitig ständig unsere Vorlieben bestätigten.
„Ich bin ziemlich unmusikalisch.“, gestand ich stattdessen.
„Bis auf das, du gerne welche hörst.“
Wir lachten. Innerlich bemerkte ich trotzdem eine gewisse Unruhe. Meine Augen suchten die Umgebung ab und ich fragte mich immer mehr, wo die anderen blieben.
Das Gespräch mit L wurde mir zwar nicht unangenehm, irgendwie gar nicht; es wäre mir allerdings unangenehm gewesen, wenn die anderen uns in diesem Moment überraschten.
„Du spielst keinen Fußball und machst keine Musik.“, fasste L zusammen, „Hast du ein anderes Hobby?“
„Schon.“, nuschelte ich, „Das ist allerdings noch peinlicher.“
„Als was?“
„Als klassische Musik zu hören.“
L schenkte mir erneut dieses perfekte Lächeln, was aus diesem perfekten Gesicht strahlte.
„Diese Peinlichkeit teilen wir.“
Ich blinzelte lange, um mich wieder konzentrieren zu können. Vielleicht sprachen wir erst eine halbe Stunde miteinander, aber es hätten auch schon Tage sein können.
Ich fühlte mich L irgendwie… nahe. Mir musste nichts peinlich sein.
„Naja,“, fasste ich mir also ein Herz, „ich gehe wandern. Da bin ich mit Abstand der Jüngste. Aber es ist toll in aller Ruhe durch die Natur zu streifen.“
Ich erwartete ein dezentes Kopfschütteln, wie bei den anderen.
Jedoch, nachdem wir schon so viele Gemeinsamkeiten entdeckt hatten, sollte es mich nicht wundern, als L mir zustimmte.
„In der Natur zu sein ist super.“
„Aber das ist eigentlich was für alte Säcke.“
„Keine Ahnung, findest du?“
„Sagen alle.“
„Bestimmt, weil sie es sich nicht vorstellen können. Ich habe ein BMX und fahre häufiger zu einem kleinen See. Da ist es immer friedlich und niemand starrt mich blöd an.“
„Oh, habe ich dich vorhin angestarrt?“
L überlegte kurz und lachte dann: „Hast du. Aber dein Blick war anders.“
Röte schoss in meinen Kopf. Die Wangen leuchteten wie Signallampen und ich konnte nur noch stottern.
Zum Glück kommentierte L das nicht.
Wir warteten schweigend, bis sich meine Gesichtsfarbe beruhigt hatte.
„Darf ich fragen, was du dir gedacht hast?“, flüsterte L ahnungsvoll.
„Als ich dich anstarrte? Ich glaube gar nichts.“
Kurz schüttelte ich meinen Kopf, aber L verdiente eine Erklärung.
„Ich war gar nicht hier, also in meinem Kopf. Ich habe dich gesehen und war dann plötzlich… keine Ahnung wo. Irgendwie wired.“
„Ja, das klingt wired.“
„Hm, in einem Rausch.“ Besser konnte ich es nicht ausdrücken.
„Warte,“, stieg L ein, „du hast mich gesehen und warst im Rausch?!“
Ich wurde wieder feuerrot. Es war so schlimm, dass ich nichts sagen konnte. Ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht einmal bewegen.
„Sag schon.“, drängte L.
Mit aller Kraft zwang ich meinen Körper zu einer Reaktion. Zu irgendeiner, damit L mich nicht für völlig
geistesabwesend hielt.
„Du bist hübsch.“
Na großartig!
Das war der Höhepunkt aller Peinlichkeiten!
L war ein fester Teil unserer Gruppe geworden. Zum Glück hatte sich L nicht von meiner peinlichen Aktion abschrecken lassen.
Von mir selbst, selbstverständlich schon. Leuchtet ein. Da streunert L einfach so über den Platz, fragt sich von welchem Komponisten ein bestimmtes Lied ist und wird aus dem Nichts heraus übelst angegraben.