Im Liebesbann des Tycoons - Olivia Gates - E-Book

Im Liebesbann des Tycoons E-Book

Olivia Gates

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

ERPRESST VON DEM GRIECHISCHEN TYCOON

Heißes Verlangen spürt Ariston Kavakos, als er Keeley bei einer Vernissage in London wiedersieht. So provokant schön wie damals - aber sicher noch genauso berechnend! Während der griechische Tycoon ungehalten beobachtet, wie sie mit seinem Bruder Pavlos flirtet, kommt ihm ein brillanter Gedanke: Mit einer List wird er Keeley auf seine Privatinsel locken, sie verführen und damit für seinen Bruder uninteressant machen. Danach will er sie ein für alle Mal aus seinem Leben verbannen! Doch sein Plan geht gründlich schief …

DIE SÜßE RACHE DES TYCOONS

Lady Marnie Kenington stockt der Atem, als sie dem stolzen Griechen Nikos Kyriazis entgegentritt. Damals zerbrach ihre Jugendliebe, weil Nikos in den Augen ihrer Eltern nicht gut genug für sie war. Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet: Nikos ist ein milliardenschwerer Tycoon - und Marnies Vater steht vor dem Ruin. Es würde Nikos ein Lächeln kosten, mit hundert Millionen Pfund einzuspringen. Aber nur, wenn Marnie auf seine ruchlose Bedingung eingeht: Sie soll in sein Bett zurückkehren - als seine Ehefrau …

SINNLICHER PAKT MIT DEM TYCOON

"Ich will nur einen Kuss! Haben Sie Angst, ich könnte beißen?" It-Girl Steffi Leigh ist empört! Wie kommt dieser erfolgsverwöhnte Casanova Jack Wolfe nur darauf, dass sie leicht zu haben ist? Schließlich steht nicht sie zum Verkauf, sondern ihr Internetforum, in dem sie stylische Modetipps gibt! Andererseits darf sie den wichtigsten Deal ihres Lebens nicht gefährden. Doch als der attraktive Unternehmer sie auf einen Luxustrip entführt, entfachen seine Küsse etwas in ihr, das süchtig macht … dabei weiß sie, bei einem Deal mit dem Teufel verbrennt man sich immer die Finger …

IN DEN ARMEN DES TYCOONS

Heiße Sehnsucht, Verlangen und kalte Wut - die widersprüchlichsten Gefühle stürmen auf Caliope ein. Denn vor ihrer Tür steht niemand anderes als Stahl-Tycoon Maksim Volkov! Ein Jahr ist es her, dass der attraktive Russe sie ohne ein Wort verließ. Und das, obwohl Caliope nach einer leidenschaftlichen Affäre ihren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht hat. Dennoch muss Caliope sich eingestehen: Sie liebt Maksim noch immer. Hat er eine zweite Chance verdient? Ihr Herz schreit Ja! Doch gerade als Caliope von einem Happy End zu träumen beginnt, gerät ihr Glück plötzlich in Gefahr …

DIE RÜCKKEHR DES GRIECHISCHEN TYCOONS

Wenn Billie in die Augen ihres kleinen Sohnes schaut, muss sie an Giorgios denken. Der griechische Tycoon, der ihr das Herz brach, als er eine andere heiratete! Schluss, aus, vorbei - bis Giorgios überraschend vor ihrer Tür steht, so überwältigend wie damals. Und geschieden …

NUR EINE NACHT MIT DEM TYCOON?

Nur eine heiße Nacht? Von wegen! Als Pippa nach einem One-Night-Stand mit Cameron feststellt, dass sie schwanger ist, steht sie am Scheideweg. Der attraktive Tycoon will sie zwar heiraten und versorgen, aber er macht ihr klar: Liebe ist bei diesem Arrangement völlig ausgeschlossen. Denn nach dem Tod seiner Familie hat er eine Mauer um sein Herz errichtet. Doch Pippa will ihren Traum vom wahren Glück nicht aufgeben und meidet Cam - bis er sich so rührend um sie kümmert, als sei jede Geste und jedes Geschenk ein Liebesbeweis. Gut, dass Pippa es besser weiß. Oder?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 1196

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sharon Kendrick, Clare Connelly, Natalie Anderson, Olivia Gates, Lynne Graham, Maya Banks

Im Liebesbann des Tycoons

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Sharon Kendrick Originaltitel: „The Pregnant Kavakos Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2339 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Monika Schott

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710194

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Die Person, die mit seinem Bruder sprach, verkörperte alles, was Ariston Kavakos an Frauen hasste. Ihre weiblichen Kurven sorgten garantiert dafür, dass jeder Mann sie begehrte, ob er es wollte oder nicht. Ariston wollte es definitiv nicht. Und dennoch war er von heftigem Verlangen gepackt worden.

Warum, zum Kuckuck, war Keeley Turner hier?

Sie stand dicht bei Pavlos. Die Deckenbeleuchtung der schicken Londoner Galerie ließ Keeleys blondes, welliges Haar glänzen. Sie hob die Hände, um eine Äußerung zu unterstreichen, und Aristons Blick fiel auf die wundervollsten Brüste, die er je gesehen hatte. Als er sich daran erinnerte, wie sie im Bikini aus dem blauen, schaumgekrönten Wasser der Ägäis aufgetaucht war, das ihr in kleinen Rinnsalen über den Bauch gerieselt war, musste er schlucken. Sie war eine Mischung aus Erinnerung und Träumerei, eine nie beendete Geschichte. Es war schon acht Jahre her, und doch hatte er für nichts und niemanden Augen als für Keeley Turner – und das trotz der atemberaubenden Aufnahmen seiner griechischen Privatinsel, die in der Galerie ausgestellt wurden!

Ob sein Bruder genauso eingenommen von ihr war? Ariston hoffte, dass es nicht so war, doch er konnte die Körpersprache der beiden aus der Entfernung nicht deuten. Er durchquerte die Galerie, doch falls Keeley und Pavlos sein Näherkommen bemerkt hatten, ließen sie es sich zumindest nicht anmerken.

Ariston spürte einen Anflug von Wut, die er rasch verdrängte, da sie kontraproduktiv gewesen wäre, das war ihm inzwischen klar. In komplizierten Situationen war eiskalte Ruhe wesentlich effektiver – sie war sein Schlüssel zum Erfolg. Das Mittel, mit dem er das schwächelnde Familienunternehmen wiederaufgebaut und sich einen Ruf verdient hatte als jemand, der alles zu Gold machte, was er berührte. Die Misswirtschaft seines Vaters war Geschichte, und nun war er, der älteste Sohn, zuständig. Inzwischen war die Kavakos-Reederei das profitabelste Schifffahrtsunternehmen der Welt, und er würde dafür sorgen, dass es so blieb.

Das bedeutete nicht nur, dass er mit Schiffsmaklern verhandeln und immer auf dem neuesten Stand sein musste, was die Weltpolitik betraf, sondern es hieß auch, dass er ständig ein wachsames Auge auf die leichtgläubigeren Familienmitglieder haben musste. Das Kavakos-Imperium strotzte vor Geld, und er wusste, wie Frauen sich in der Umgebung von Geld verhielten. Er hatte in jungen Jahren eine einschneidende Erfahrung mit der weiblichen Habgier gemacht; seitdem war er stets auf der Hut. Diese Grundhaltung führte dazu, dass manche Leute ihn für übervorsichtig hielten, doch Ariston sah sich selbst lieber als leitenden Impulsgeber – als Kapitän, der das Schiff steuerte. In gewisser Weise war das Leben ja wie eine Seereise. Eisberge umschiffte man aus gutem Grund – und Frauen waren wie Eisberge. Man sah nur zehn Prozent von ihrem wahren Ich, der Rest blieb unter der Oberfläche verborgen.

Während er auf die beiden zuging, ließ er die Blondine nicht aus den Augen. Wenn im Leben seines Bruders etwas schieflief, würde er das klären – und zwar schnell. Ariston verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Er würde sie so schnell wie möglich hinausbefördern.

„Pavlos, was für eine Überraschung“, sagte er ruhig, als er bei den beiden ankam, und bemerkte, wie die Frau auf der Stelle verkrampfte. „Ich hatte nicht erwartet, dich so kurz nach der Vernissage wieder hier zu sehen. Hast du auf einmal dein Interesse für die Fotografie entdeckt oder einfach nur Sehnsucht nach der Insel, auf der du geboren wurdest?“

Pavlos sah aus, als wäre er nicht gerade begeistert davon, unterbrochen zu werden, doch das war Ariston egal. Momentan konnte er an nichts anderes denken als an das, was gerade in ihm selbst vorging. Denn ärgerlicherweise hatte er offenbar keine Immunität gegen die grünäugige Sirene entwickelt, die er zum letzten Mal gesehen hatte, als sie achtzehn gewesen war. Damals hatte sie sich ihm mit einer Leidenschaft an den Hals geworfen, die ihm den Verstand geraubt hatte. Sie hatte sich sofort an ihn geschmiegt und hätte sich ihm sicher auch komplett hingegeben, wenn er das Ganze nicht gestoppt hätte. Indem er ihre Willigkeit verachtet und gleichzeitig betört davon gewesen war, hatte er genau die Doppelmoral an den Tag gelegt, die man ihm in Liebesdingen manchmal vorwarf. Es hatte seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um von ihr abzulassen, aber es war ihm gelungen, auch wenn sein Körper sich hinterher monatelang nach ihr gesehnt hatte.

Er biss die Zähne zusammen. Sie war nichts weiter als ein Flittchen. Ein billiges, aufdringliches kleines Flittchen. Wie die Mutter, so die Tochter, dachte er. Diese Art von Frau war das Letzte, auf das sein Bruder sich einlassen durfte.

„Ach, hallo, Ariston“, sagte Pavlos auf seine lässige Art, die oft dafür sorgte, dass die Leute überrascht waren, wenn sie erfuhren, dass er Aristons Bruder war. „Ja, da bin ich schon wieder. Ich dachte, ich komme noch mal her und treffe mich bei der Gelegenheit mit einer alten Freundin. Du erinnerst dich doch noch an Keeley, oder?“

Einen Moment lang war es ganz still. Ariston spürte sein Herz heftig pochen, als sie mit ihren grünen Augen zu ihm aufsah. „Natürlich erinnere ich mich an Keeley“, antwortete er dann schroff.

Ihm entging die Ironie seiner Worte nicht. Die meisten Frauen waren für ihn nur Mittel zum Zweck, und er vergaß sie schnell wieder. Vielleicht erinnerte er sich ab und zu an ausgesprochen schöne Brüste oder einen besonders knackigen Hintern, und wenn eine Frau besonders geschickt mit dem Mund oder den Händen war, dachte er mit einem nostalgischen Lächeln an sie zurück. Aber Keeley Turner war eine andere Liga gewesen, und er hatte sie nie wirklich vergessen können.

Ob es daran lag, dass sie tabu gewesen war? Oder daran, dass sie ihm eine Kostprobe ihres unglaublichen Zaubers gegeben hatte, bevor er sich von ihr losgerissen hatte? Ariston wusste es nicht. Es war ebenso unerklärlich, wie es heftig war, und er musste feststellen, dass er sie mit derselben Aufmerksamkeit betrachtete wie die Umstehenden die Fotos an den Wänden.

Zierlich und doch unendlich weiblich gebaut, so stand sie da mit ihrem langen, gewellten blonden Haar. Sie trug ganz normale Jeans und einen unauffälligen dünnen Pullover, aber sie hätte selbst in einem Kartoffelsack unglaublich gut ausgesehen. Der billige synthetische Stoff spannte sich über ihre üppigen Brüste, und der blaue Denim umschmeichelte ihren runden Po. Sie trug keinen Lippenstift, und ihre Augen, aus denen sie ihn verunsichert ansah, hatte sie nur mit ein wenig Mascara betont. Ihr Look war nicht gerade modern, aber sie hatte etwas ganz Besonderes … Etwas, das ihn tief berührte und den Wunsch in ihm auslöste, sie auszuziehen und sich über sie herzumachen, bis sie seinen Namen schrie. Zu gerne wollte er mit ihr ins Bett. Aber noch lieber wollte er, dass sie hier verschwand – also musste er nun handeln.

Sie bewusst ignorierend, lächelte er seinen Bruder an. „Ich wusste gar nicht, dass ihr Freunde seid.“

„Genau genommen haben wir uns ein paar Jahre nicht gesehen“, antwortete Pavlos. „Nicht seit dem Sommer damals.“

„Ich denke mal, dieser Sommer ist einer, an den sich keiner von uns besonders gern erinnert“, erwiderte Ariston und beobachtete mit Genugtuung, wie sich Keeleys Wangen tiefrot färbten. „Habt ihr seitdem die ganze Zeit über den Kontakt zueinander gehalten?“

„Über soziale Medien halt“, erklärte Pavlos schulterzuckend. „Du weißt ja, wie das ist.“

„Nein, das weiß ich nicht. Du kennst meine Meinung über die sozialen Medien, und die ist alles andere als positiv.“ Ariston machte keinerlei Anstalten, seine Missbilligung zu verbergen. „Ich muss mit dir sprechen, Pavlos. Allein.“

Pavlos runzelte die Stirn. „Wann?“

„Jetzt.“

„Aber ich habe Keeley gerade erst getroffen. Kann das nicht warten?“

„Leider nicht.“ Ariston bemerkte den entschuldigenden Blick, den Pavlos Keeley zuwarf, als wolle er sie für das eigensinnige Verhalten seines Bruders um Verzeihung bitten. Aber das kümmerte ihn nicht. Er hatte stets alles darangesetzt, Pavlos von solchen Skandalen fernzuhalten, die ihre Familie in der Vergangenheit ins Elend gestürzt hatten. Sein Bruder sollte nicht denselben jämmerlichen Weg einschlagen wie sein Vater. Ariston hatte dafür gesorgt, dass Pavlos ein gutes Internat in England besucht hatte und dann zum Studieren in die Schweiz gegangen war. Außerdem hatte er behutsam Einfluss auf die Wahl seiner Freunde und Freundinnen genommen. Und er würde diesem hübschen kleinen Flittchen klarmachen, dass sein Bruder tabu war. „Es geht um etwas Geschäftliches“, erklärte er.

„Nicht schon wieder Ärger am Golf?“

„Etwas in der Art“, antwortete Ariston und fragte sich verärgert, warum sein Bruder sich nicht an die Regel hielt, dass geschäftliche Angelegenheiten nicht vor Fremden besprochen wurden. „Wir können in das Büro der Galerie gehen“, fügte er hinzu. „Der Besitzer ist ein Freund von mir.“

„Aber Keeley …“

„Um Keeley brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die kommt sicher gut alleine klar. Hier gibt es ja einiges für sie zu gucken.“ Mit einem unterkühlten Lächeln wandte Ariston sich ihr zu und fuhr mit warnendem Unterton fort: „Und jede Menge Männer, die meinen Bruder gern ersetzen werden. Just in diesem Moment gucken ein paar davon gerade her. Ich bin sicher, dass du viel Spaß mit ihnen haben könntest, Keeley. Du brauchst uns wirklich nicht länger aufzuhalten.“

Keeley erstarrte. Sie wünschte, ihr wäre eine passende vernichtende Erwiderung eingefallen, die sie dem mächtigen Griechen hätte entgegenschleudern können, der sie so missbilligend ansah und mit ihr redete, als wäre sie ein billiges Flittchen. Doch sie traute sich nicht, etwas zu sagen, weil sie fürchtete, dass sie nur Unsinn herausbringen würde. Das lag an der Wirkung, die er auf sie hatte. Die er auf alle Frauen hatte. Selbst wenn er voller Geringschätzung mit ihnen sprach – oder sollte man sagen: zu ihnen sprach? –, löste er ein Verlangen in ihnen aus, das man in Gegenwart der meisten anderen Männer nicht empfand. Er brachte einen dazu, von ihm zu träumen, obwohl er nichts als Finsternis ausstrahlte.

Ihr war nicht entgangen, wie ihre eigene Mutter ihn angestarrt hatte. Und sie sah die Blicke der anderen Frauen in der Galerie, die ihn jetzt ansahen – voller Verlangen, aber auf der Hut, als würden sie ein fremdartiges Wesen beobachten, von dem sie nicht wussten, wie man damit umging. Als wäre ihnen klar, dass sie besser die Finger von ihm ließen, während sie sich weiterhin danach sehnten, ihn zu berühren.

Und das konnte sie ihnen nicht zum Vorwurf machen. Hatte sie sich nicht selbst an ihn herangeschmissen? Sie hatte sich an ihn gedrängt und gehofft, dass er das Verlangen stillen würde, das sie peinigte. Wie ein dummes Naivchen hatte sie sich benommen und die unangenehme Situation noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon gewesen war, indem sie eine simple Geste von ihm missverstanden hatte.

Nach ihrer letzten Begegnung war ihr Leben aus den Fugen geraten, und sie hatte sich davon noch immer nicht ganz erholt. Keeley kniff die Lippen zusammen. Sie hatte zu viel durchgestanden, um sich von einem arroganten Milliardär runtermachen zu lassen. Wahrscheinlich sollte sein spöttischer Blick sie dazu bringen, von hier zu verschwinden, doch den Gefallen würde sie ihm nicht tun. In ihr regte sich Widerstand. Dachte er wirklich, dass er sie einfach aus dieser öffentlichen Galerie werfen könnte, wie er sie damals von seiner Privatinsel geworfen hatte?

„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich schaue mir gern noch eine Weile die Bilder von Lasia an“, sagte sie und sah, wie sich sein Blick verfinsterte. „Ich hatte ganz vergessen, wie schön die Insel ist, und komme gut alleine klar, bis ihr wiederkommt.“ Sie lächelte. „Ich warte hier auf dich, Pavlos. Lass dir ruhig Zeit.“

Das war eindeutig nicht die Antwort, die Ariston sich gewünscht hatte; sie sah, wie seine attraktiven Züge sich verhärteten.

„Wie du willst“, entgegnete er. „Aber es kann eine Weile dauern.“

Sie erwiderte den kalten Blick seiner blauen Augen mit einem unbekümmerten Lächeln. „Das macht nichts. Ich habe es nicht eilig.“

Er zuckte mit den Schultern. „Schön. Komm, Pavlos.“

Gemeinsam mit seinem Bruder entfernte er sich, und Keeley konnte nicht anders, als ihm hinterherzusehen, genau wie alle anderen Leute in der Galerie.

Sie hatte vergessen, wie beeindruckend er war, weil sie sich gezwungen hatte, ihn zu vergessen; sich gezwungen hatte, die Erinnerung an eine Sinnlichkeit auszuradieren, die sie berührt hatte wie nichts anderes zuvor oder danach. Doch jetzt kam es alles wieder: die sonnenverwöhnte Haut und die schwarzen Härchen, die unter seinem Kragen hervorlugten …

Allerdings hatte er ausgesehen, als würde er sich in seinem erstklassigen grauen Anzug nicht wohlfühlen. Sein durchtrainierter Körper wirkte dadurch eingeschränkt, so, als sei es ihm angenehmer, in abgeschnittenen Jeans herumzulaufen, so wie damals auf Lasia. Jeans, in denen seine muskulösen Schenkel zur Geltung gekommen waren, als er tief in das saphirblaue Wasser eingetaucht war, das seine Insel umgab.

Auf einmal wurde ihr klar, dass es egal war, was er trug und was er sagte, weil sich nichts geändert hatte. Nicht wirklich. Man sah ihn, und man begehrte ihn, ganz einfach. Dass der einzige Mann, den sie je gewollt hatte, ausgerechnet einer sein musste, der kein Geheimnis daraus machte, wie sehr er sie hasste, zeigte wieder einmal, wie gemein das Leben war – als hätte sie das nicht längst gewusst.

Sie riss ihren Blick von Ariston los und versuchte sich auf die Fotografien von der Insel zu konzentrieren, die seit Generationen den Kavakos gehörte. Lasia wurde aus gutem Grund als das Paradies der Kykladen bezeichnet, und Keeley hatte sich tatsächlich wie im Garten Eden gefühlt, sobald sie einen Fuß auf den hellen Sand der Insel gesetzt hatte. Begeistert hatte sie das erstaunlich üppige Inselinnere erkundet, bis ihre Mutter auf Lasia in Ungnade gefallen war, woraufhin sie den Aufenthalt auf der Insel sofort beendet hatten. Nie würde sie das Blitzlichtgewitter und die Horden von Journalisten vergessen, von denen sie empfangen worden waren, als sie von Bord des Bootes gegangen waren, das sie nach Piräus zurückgebracht hatte. Genau wie die Schlagzeilen, als sie nach England zurückgekehrt waren – oder die peinlichen Interviews, die ihre Mutter hinterher gegeben hatte und die alles nur noch schlimmer gemacht hatten. Der Skandal hatte auf Keeley abgefärbt, und sie hatte noch immer darunter zu leiden.

War das nicht der Grund dafür, dass sie heute Nachmittag hergekommen war? War sie nicht hier, um sich mit Pavlos zu treffen und sich daran zu erinnern, wie schön Lasia war? Um endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen? Sie hatte gehofft, ein paar von den scheußlichen Erinnerungen ausradieren und durch schönere ersetzen zu können. In der Zeitung hatte sie ein Bild gesehen, das Ariston auf der Vernissage zeigte, zusammen mit einer Rothaarigen, die wie eine Klette an ihm hing. Keeley hatte nicht damit gerechnet, dass er heute wieder hier sein würde. Sie fragte sich, ob sie gekommen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass sie ihm hier begegnen würde.

Natürlich nicht. Nie im Leben hätte sie sich freiwillig in seine Nähe begeben!

„Keeley?“

Sie wandte sich um; Pavlos war wieder da. Ariston stand ein Stück hinter ihm und lächelte triumphierend, als ihre Blicke sich trafen.

„Hallo“, sagte sie zu Pavlos und spürte, wie ihr ganz heiß wurde von Aristons durchdringendem Blick. „Das ging ja schnell.“

Ein reumütiger Ausdruck huschte über Pavlos’ Gesicht, und Keeley ahnte, was jetzt kommen würde …

„Ja, stimmt. Hör mal, ich muss leider weg, Keeley“, sagte er. „Wir müssen unser Treffen auf ein andermal verschieben. Ariston braucht mich; ich muss mich um ein Schiff im Nahen Osten kümmern.“

„Was, jetzt?“, fragte Keeley, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte.

„Genau jetzt“, sagte Ariston und fügte hinzu: „Hätten wir dich vorher um Erlaubnis fragen sollen?“

Pavlos beugte sich lächelnd vor, um sie auf beide Wangen zu küssen. „Ich schicke dir nachher eine Nachricht, okay?“

„Okay.“ Sie stand da und sah zu, wie er wegging. Ihr war klar, dass Ariston sie noch immer ansah, aber sie wagte nicht, seinen Blick zu erwidern. Stattdessen versuchte sie krampfhaft, sich auf die Fotografie zu konzentrieren, die sie gerade angesehen hatte. Sie zeigte eine Bucht, in der man Meeresschildkröten ausmachen konnte, die in kristallklarem Wasser schwammen. Vielleicht würde er weggehen. Und sie in Ruhe weiter daran arbeiten lassen, ihn wieder zu vergessen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du meine Anwesenheit nicht bemerkst“, sagte er mit seiner samtigen Stimme, „oder ob es dir einfach nur Spaß macht, mich zu ignorieren.“

Er war näher gekommen und hatte sich neben sie gestellt. Als Keeley zu ihm aufsah und den durchdringenden Blick seiner leuchtend blauen Augen auf sich gerichtet fand, stieg ihr das Blut in den Kopf. Und in die Brüste. Sie spürte, wie sie schwer und empfindlich wurden. Ihr Mund war plötzlich trocken. Wie machte Ariston das? Ihre Finger fühlten sich taub an, und ihr war ein wenig schwindelig. Trotzdem brachte sie es irgendwie fertig, eine einigermaßen schlagfertige Antwort von sich zu geben. „Wieso? Bemerken es immer alle Frauen, wenn du einen Raum betrittst?“

„Was meinst du denn?“

In diesem Moment wurde Keeley klar, dass sie bei diesem Spiel nicht mitmachen musste. Sie hatte nichts mit diesem Mann zu tun. Also musste sie aufhören, sich zu benehmen, als hätte er Macht über sie. Ja, sie hatte einen Fehler gemacht – na und? Das war lange her. Sie war jung und naiv gewesen, hatte dafür gebüßt und war ihm nichts schuldig. Nicht einmal Höflichkeit.

„Willst du es wirklich wissen?“ Sie lachte spöttisch. „Ich meine, dass du unglaublich unhöflich und arrogant und der aufgeblasenste Mann bist, dem ich je begegnet bin.“

„Und dir sind ja wohl schon einige Männer begegnet.“

„Sicher nicht annähernd so viele, wie du Frauen abgeschleppt hast, wenn man dem glauben kann, was man in der Zeitung liest.“

„Kann schon sein. Aber wenn du mir mit Zahlen kommst, kannst du nicht gewinnen.“ Seine Augen glitzerten. „Hat man dir nie gesagt, dass da für Männer und Frauen verschiedene Regeln gelten?“

„Nur in der rückständigen Welt, in der du zu leben scheinst.“

Ariston zuckte mit den Schultern. „Es ist eben so, auch wenn es ungerecht ist. Bei Frauen missbilligt man ein Verhalten, an dem sich bei Männern keiner weiter stört.“

Er hatte die Stimme gesenkt, und das samtene Raunen hatte genau die falsche Wirkung auf Keeley. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und wollte so schnell wie möglich weg von ihm. „Lass mich bitte vorbei“, sagte sie, um eine ruhige Stimme bemüht. „Ich muss mir dieses steinzeitliche Gequatsche nicht länger anhören.“

„Stimmt, das musst du nicht“, antwortete er, doch er hinderte sie am Weggehen, indem er eine Hand auf ihren Unterarm legte. „Aber bevor du gehst, möchte ich gern ein paar Dinge klären.“

„Was für Dinge?“

„Ich denke, du weißt, wovon ich spreche, Keeley.“

„Ich fürchte, da irrst du dich“, erwiderte sie. „Gedankenlesen war noch nie meine Stärke.“

Ariston sah sie scharf an. „Dann muss ich es dir wohl ganz deutlich sagen, damit es keine Missverständnisse gibt.“ Er hielt kurz inne. „Lass die Finger von meinem Bruder, verstanden?“

Keeley starrte ihn ungläubig an. „Wie bitte?“

„Du hast ganz richtig gehört. Lass ihn einfach in Ruhe. Such dir einen anderen, dem du schöne Augen machen kannst – sicher gibt es genügend Interessenten.“

Seine Hand ruhte noch immer auf ihrem Arm. Für Außenstehende musste es aussehen wie eine freundschaftliche Berührung zweier Menschen, die einander wiedergetroffen hatten, aber für Keeley fühlte es sich nicht so an. Sie spürte den Druck seiner Finger durch ihren Pullover, und ihre Haut glühte unter seiner Berührung.

Verärgert schüttelte sie seine Hand ab. „Ich fasse es nicht, dass du es tatsächlich wagst, mir so etwas zu sagen.“

„Warum nicht? Es ist nur zu seinem Besten.“

„Willst du damit sagen, dass du regelmäßig herumgehst und Pavlos’ Freunde vergraulst?“

„Bislang habe ich mich damit begnügt, ein wachsames Auge auf sie zu haben, aber heute wollte ich auf Nummer sicher gehen.“ Er lächelte ironisch. „Ich kenne deine Trefferquote bei Männern ja nicht, aber ich nehme mal an, dass sie ziemlich hoch ist. Jedenfalls denke ich, dass ich deine etwaigen Hoffnungen besser zunichtemache, indem ich dir sage, dass Pavlos schon eine Freundin hat. Eine schöne, respektable Frau, die er sehr liebt und bald heiraten wird.“ Seine Augen funkelten. „Also würde ich an deiner Stelle keine weitere Zeit mit ihm verschwenden.“

Es erstaunte Keeley, wie herrisch er selbst in dieser Angelegenheit war. Er benahm sich, als würden alle springen, wenn er mit den Fingern schnippte. „Hat er da nicht auch ein Wörtchen mitzureden?“, fragte sie. „Hast du schon den Verlobungsring ausgesucht? Und einen Termin für die Trauung angesetzt?“

„Halt dich einfach von ihm fern, verstanden?“

Nun war es so, dass Keeley nie romantische Gefühle für Pavlos Kavakos gehegt hatte. Sie waren damals eng befreundet gewesen, aber rein platonisch, und sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen. Ihre gegenwärtige Freundschaft – wenn man das überhaupt so nennen konnte – bestand daraus, dass sie ab und zu den „Like“-Button oder einen Smiley drückte, wenn er ein Bild postete, das ihn inmitten von schönen jungen Menschen zeigte. Ihn heute wiederzusehen, war wohltuend gewesen, weil ihr klar geworden war, dass ihm egal war, was damals passiert war. Aber ihr war bewusst, dass sie in grundverschiedenen Welten verkehrten: Er war reich – sie nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass er eine Freundin hatte, und es hatte keine Bedeutung für sie, aber Aristons anmaßender Befehl wirkte wie ein rotes Tuch auf sie.

„Ich lasse mir von niemandem sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe“, sagte sie. „Von dir nicht und auch von niemand anderem. Du kannst die Leute nicht wie Schachfiguren herumschieben. Ich treffe mich mit wem ich will, da kannst du machen, was du willst. Wenn Pavlos mich sehen will, werde ich nicht Nein sagen, nur weil du das so willst. Verstanden?“

Keeley sah seinen erst ungläubigen und dann wütenden Gesichtsausdruck – als würde es kein Mensch wagen, ihm so offen zu widersprechen. Sie versuchte, das ungute Gefühl beiseitezuschieben, das sie beschlich. Nun hatte sie ihm die Meinung gesagt und musste schleunigst hier weg, bevor sie anfing, darüber nachzudenken, wie es sich angefühlt hatte, von ihm berührt zu werden.

Sie wandte sich ab und verließ unter Aristons durchdringendem Blick die Galerie. Der gläserne Aufzug war zwar schnell da, dennoch zitterte Keeley am ganzen Körper, als sie ins Erdgeschoss hinuntersauste. Und als sie in die Londoner Luft hinaustrat, war ihre Stirn feucht.

2. KAPITEL

Während der Rückfahrt zu ihrer Wohnung in New Malden dachte Keeley unablässig daran, wie unverhohlen geringschätzig Ariston sich ihr gegenüber verhalten hatte. Doch das hatte ihre Brustwarzen nicht davon abgehalten, sich unter seinem arroganten Blick aufzurichten. Es hatte auch nichts daran geändert, dass sie jedes Mal, wenn sie in seine leuchtend blauen Augen gesehen hatte, von dieser dummen Sehnsucht gepackt worden war. Und nun musste sie von Neuem versuchen, ihn endgültig zu vergessen.

Als sie den Bahnhof verließ, wurde sie von einem Frühlingsschauer überrascht. Das Wetter im April war berühmt für seine Unberechenbarkeit, aber Keeley hatte es versäumt, einen Schirm mitzunehmen. Als sie endlich in ihrer Wohnung ankam, war sie klatschnass und durchgefroren; ihre Finger zitterten, als sie die Tür hinter sich zuzog. Doch statt sich auszuziehen und eine Tasse Tee zuzubereiten, ließ sie sich auf den erstbesten Stuhl fallen und kümmerte sich nicht weiter um ihre klammen Klamotten. Sie starrte aus dem Fenster, doch sie bemerkte den Regen kaum, der auf die Dächer prasselte. Auf einmal saß sie nicht mehr zitternd in einem unscheinbaren Außenbezirk Londons. Sie sah einen breiten, silbrigen Strand und dahinter schöne Berge. Einen paradiesischen Ort. Lasia.

Keeley schluckte. Auf diesen plötzlichen Ansturm der Erinnerungen war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie dachte an ihre Zeit auf Lasia zurück, auf der Privatinsel der mächtigen Kavakos-Familie. Sie und ihre Mutter hatten auf der nahe gelegenen Insel Andros Urlaub gemacht. Ihre Mutter hatte den gesamten Aufenthalt lang über die – damals erst kurz zurückliegende – Scheidung von Keeleys Vater gejammert und versucht, ihren Kummer mit zu viel Retsina wegzuspülen.

Doch Aristons Vater war einer jener Männer gewesen, die sich von Promis angezogen fühlten, selbst wenn es nur B-Promis waren. Und als er gehört hatte, dass sie Schauspielerin und ihre jugendliche Tochter in der Nähe war, hatte er darauf bestanden, dass die beiden ihren Urlaub auf seiner Privatinsel fortsetzten.

Keeley war es unangenehm, sich fremden Leuten aufzudrängen, aber ihre Mutter freute sich über die kostenlose Aufwertung des Urlaubs, zumal sie das Zusammentreffen mit so vielen reichen und mächtigen Männern kaum erwarten konnte. Sie legte eine Extraschicht Kriegsbemalung auf und zwängte sich in einen Bikini, der für eine Frau ihres Alters viel zu knapp war.

Keeley wollte mit der Feierei des Jetsets nichts zu tun haben – das Partyleben fand sie langweilig. Trotz ihres zarten Alters hatte sie längst genug von den dekadenten Festen, zu denen ihre Mutter sie geschleppt hatte, seitdem Keeley laufen konnte. Die künstlich verlängerte Mädchenhaftigkeit ihrer Mutter trug dazu bei, dass sich Keeley, trotz der ihr lästigen sehr weiblichen Figur, eher burschikos gab.

Wie sehr freute sie sich, als sie dem sportlichen Pavlos begegnete, mit dem sie sich von Anfang an hervorragend verstand. Der griechische Teenager brachte ihr in den kristallklaren Buchten das Schnorcheln bei und ging mit ihr in den Bergen wandern. Körperlich fühlte sie sich nie zu ihm hingezogen, weil sie – wie so viele Kinder, deren Eltern ein ausschweifendes Leben führten – eher prüde war. Keeley empfand nie auch nur einen Anflug von Verlangen, und der Gedanke an Sex war ihr eher unangenehm. Sie und Pavlos waren wie Geschwister und erkundeten gemeinsam die Insel.

Dann kam eines Morgens sein großer Bruder Ariston mit seinem glänzenden Boot an. Mit seinem zerzausten schwarzen Haar, der sonnengebräunten Haut und den meerblauen Augen sah er hinter dem Steuer aus wie ein griechischer Gott. Keeley beobachtete ihn vom Strand aus, und ihr Herz klopfte ungewohnt heftig. Ihr Mund wurde trocken, als er in den Sand sprang und die silbernen Körnchen wie Weihnachtsglitter um seine braunen Beine stoben.

Später wurde sie ihm vorgestellt, doch sie war in seiner Gegenwart so befangen, dass sie ihm kaum in die Augen sehen konnte – im Gegensatz zu den anderen Frauen, die dort das Leben genossen. Es war Keeley ungeheuer peinlich, wie ihre Mutter mit ihm flirtete – sie bat ihn sogar, ihren Rücken mit Sonnenmilch einzucremen. Mit einem kaum wahrnehmbaren Schaudern übertrug er die Aufgabe einer weiblichen Hausangestellten, und Keeleys Mutter schmollte.

Eines Abends fand eine Party statt – ein rauschendes Fest, zu dem auch der griechische Verteidigungsminister eingeladen war. Ariston machte ein missbilligendes Gesicht, als die Leute immer betrunkener wurden. Keeley fragte sich, wohin ihre Mutter verschwunden war, und musste dann erfahren, dass sie beim Rummachen mit dem Fahrer des Ministers erwischt worden war. Dabei, wie sie einen Mann, der halb so alt war wie sie, auf dem Rücksitz des Dienstwagens oral befriedigt hatte. Irgendwer hatte das Ganze sogar gefilmt! Danach war dann der Teufel los.

Keeley flüchtete sich an den Strand. Sie schämte sich so sehr für ihre Mutter, dass sie niemanden sehen wollte, erst recht nicht den Ekel in den Gesichtern der Leute. Stattdessen wollte sie einfach nur allein sein. Doch Ariston folgte ihr und fand sie weinend am Strand. Seine Worte waren überraschend freundlich, fast zärtlich. Er nahm sie in die Arme, und es fühlte sich himmlisch an!

Ob Keeley dieses Trösten als etwas anderes missdeutete, weil sie von ihrer Mutter nie körperliche Zuwendung bekommen hatte? Weil ihr Vater, als sie klein gewesen war, selbst schon zu alt gewesen war, um sie in den Armen zu wiegen? War das der Grund dafür, dass dieses Verlangen, das sie bis dahin nicht gekannt hatte, Besitz von ihr ergriff und sie dazu brachte, sich so zu verhalten wie nie zuvor?

Es war so stark, dieses Gefühl. Sie schmiegte sich an Ariston und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn mit bebenden Lippen zu küssen. Nach kurzem Zögern erwiderte er ihren Kuss, und es fühlte sich wundervoll an. Es wurde noch besser, als er sie mit mehr Nachdruck küsste. Er stupste ihre Lippen mit seiner Zunge an, woraufhin sie den Mund leicht öffnete, um ihm Zugang zu gewähren.

Und dann spürte sie seine Hände auf ihren Brüsten; er liebkoste ihre Brustspitzen, die sich aufrichteten, bevor er ihre Hand in Richtung seiner Hose führte. Sie verspürte keinerlei Scheu, nur die Heftigkeit ihrer und seiner Lust. Keeley stöhnte und staunte darüber, wie hart er sich durch den Stoff seiner Hose anfühlte. Sie war so besinnungslos vor Lust, dass sie ihn wohl hätte machen lassen, was er wollte – auf der Stelle, auf dem hellen Sand.

Doch dann stieß er sie unvermittelt weg, mit einem Blick, den sie nie vergessen würde.

„Du kleines Flittchen“, sagte er mit vor Wut und Ekel bebender Stimme. „Wie die Mutter, so die Tochter. Zwei dreckige, kleine Flittchen.“

Bis zu diesem Moment war ihr nicht klar gewesen, wie weh Zurückweisung tun konnte. Und dass jemand einem das Gefühl geben konnte, so wertlos zu sein. Sie hatte sich endlos geschämt und sich geschworen, sich nie wieder in eine solche Situation zu bringen.

Der Schmerz darüber war schnell von alldem überschattet worden, was passiert war, nachdem sie nach England zurückgekehrt waren und der Lebenswandel ihrer Mutter sie eingeholt hatte – unter dem sie fortan beide zu leiden gehabt hatten.

Sie schob die düsteren Erinnerungen beiseite, denn ihr Haar war noch immer nass, und sie begann zu frieren. Also raffte sie sich auf und ging in ihr kleines Bad. Der kümmerliche Strahl lauwarmen Wassers, der aus der Dusche tröpfelte, wärmte sie kaum auf. Doch das kräftige Abrubbeln mit einem Handtuch half, genau wie die große Tasse Tee, die sie sich anschließend aufbrühte.

Kurz nachdem sie ihre Uniform angezogen hatte, hörte sie es an der Tür klopfen und runzelte die Stirn. Ihr Freundeskreis war klein, weil sie so viel arbeitete, und abgesehen davon lud sie kaum jemanden zu sich ein. Sie wollte nicht, dass Leute herkamen und über sie urteilten. Sich fragten, wie es kam, dass die einzige Tochter eines wohlhabenden Mannes und einer Schauspielerin, die in einer Reihe von Low-Budget-Vampirfilmen im Kino zu sehen gewesen war, unter so dürftigen Bedingungen lebte.

Als es noch einmal klopfte, diesmal lauter, öffnete sie die Tür. Als sie sah, wer dort stand, beschleunigte sich ihr Herzschlag. Den Türgriff fest umklammert, starrte sie in Aristons funkelnde Augen. Sein schwarzes Haar war nass und klebte ihm am Kopf, auch sein Mantel war durchweicht. Sie wusste, dass sie ihn zum Teufel schicken und ihm die Tür vor der Nase hätte zuschlagen müssen, doch seine gebieterische Präsenz und diese magische Anziehung, die er auf sie ausübte, ließen sie zögern. Wie gut er aussah, mit seinem durchtrainierten Körper und diesem klassischen griechischen Gesicht!

„Was willst du hier?“, fragte sie kühl. „Willst du noch ein paar Beleidigungen loswerden?“

Seine Lippen verzogen sich zu einem seltsamen Lächeln. „Ich glaube, du hast das hier bei der Ausstellung verloren.“

Sie starrte den cremefarbenen Schal an, den er ihr entgegenhielt, und ihr Herz zog sich zusammen. Der zarte, mit winzigen rosa Blüten und grünen Blättern bestickte Kaschmirschal hatte ihrer Mutter gehört. Inzwischen war er ausgeblichen und fadenscheinig, aber er erinnerte sie an die Frau, die ihre Mutter einmal gewesen war. Als sie zu Ariston aufsah, hatte sie einen Kloß im Hals. „Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte sie.

„Es war nicht schwer, das herauszufinden. Du hast dich in das Gästebuch der Galerie eingetragen.“

„Aber du hättest mir den Schal nicht persönlich bringen müssen. Hättest du nicht einen deiner Untergebenen bitten können, ihn mir zurückzubringen?“

„Hätte ich. Aber es gibt gewisse Dinge, die ich nicht gern delegiere.“ Er sah ihr in die Augen. „Außerdem glaube ich, dass wir unsere Unterhaltung noch nicht beendet haben.“

Das hatten sie wohl nicht, aber es gab eine Menge Dinge zwischen ihnen, die ungesagt geblieben waren – vielleicht war das auch besser so. Trotzdem hinderte irgendetwas sie daran, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Vielleicht war es der Umstand, dass er sich extra auf den Weg gemacht hatte und nun so nass war.

Spürte er ihr Zögern? War das der Grund dafür, dass er einen Schritt näher kam?

„Willst du mich nicht hineinbitten?“, fragte er.

„Komm rein, wenn du unbedingt willst“, antwortete sie leidenschaftslos, doch ihr Herz klopfte wie verrückt, als sie in ihre Wohnung zurückging und hörte, wie er die Tür schloss und ihr folgte. Und als sie sich umdrehte und ihn da so männlich stehen sah, wurden ihre Brüste heiß und schwer vor Verlangen. Warum er? fragte sie sich verzweifelt. Warum musste ausgerechnet Ariston Kavakos der einzige Mann sein, der so heftige Gefühle in ihr auslöste? Sie lächelte knapp. „Aber falls du hergekommen bist, um dein überhebliches Verhalten zu rechtfertigen, dann vergiss es lieber.“

„Wovon sprichst du?“, fragte er harmlos.

„Ich spreche davon, dass du auftauchst und deinen Bruder auf Reisen schickst, nur um ihn von mir wegzubekommen. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“

Seine Züge verhärteten sich. „Wie gesagt – er hat schon eine Freundin. Eine junge Frau griechischer Herkunft, die gerade ihre Zulassung als Ärztin bekommen hat und Lichtjahre von jemandem wie dir entfernt ist. Abgesehen davon ist die Angelegenheit am Golf wichtig. Du misst dir selbst zu viel Bedeutung zu, wenn du meinst, ich würde irgendwelche Katastrophen erfinden, nur um meinen Bruder von dir fernzuhalten. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich froh darüber bin, dass er abgereist ist.“

Seine Worte verletzten sie, und doch konnte sie seine Sorge – zu der kein Anlass bestand – beinah verstehen, denn sie und Pavlos’ Freundin hätten nicht unterschiedlicher sein können. Keeley konnte sich vorstellen, wie Ariston es auf seine vereinfachende und chauvinistische Art sehen musste: die approbierte Ärztin gegen eine Person, die gerade mal so ihren Abschluss geschafft hatte. Wäre er die Sache anders angegangen, hätte er sie freundlich gebeten, dann hätte Keeley vielleicht getan, was er von ihr erwartete. Vielleicht hätte sie ihm versprochen, Pavlos nie wieder zu treffen – was wahrscheinlich ohnehin nicht passieren würde. Aber er bat nicht – er befahl! Und es war weniger sein verächtlicher Blick, der sie wütend machte, als seine Respektlosigkeit. Er tat, als sei sie ein Nichts, als würden ihre Gefühle nicht zählen.

„Wenn du meinst, du könntest mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, dann täuschst du dich“, sagte sie.

Ariston war angespannt. Ihre Auflehnung machte ihn an, und das war das Letzte, was er wollte. Er war unter dem Vorwand hergekommen, ihr den Schal zurückbringen zu wollen, und nun musste er feststellen, dass er sie hatte wiedersehen wollen, auch wenn er sich eingeredet hatte, dass es ihm nur um das Wohl seines Bruders ging. Im Wagen hatte er kurz sein Gesicht in dem weichen Kaschmirschal vergraben und Keeleys blumigen Duft eingeatmet. Er hatte sich gefragt, ob sie den Schal absichtlich vergessen hatte, damit sein Bruder damit zu ihr kam.

War das ihr Plan gewesen? Hoffte sie, dass ihr Sexappeal stärker war als die perfekte Beziehung seines kleinen Bruders?

Er erinnerte sich daran, wie gut sie und Pavlos sich in jenem Urlaub verstanden hatten und dass sie ständig zusammen unterwegs gewesen waren. Sein Bruder hatte Keeley kennengelernt, als er jung und leicht zu beeindrucken gewesen war. Lange bevor er fünfundzwanzig geworden war und auf ein riesiges Vermögen hatte zugreifen können, was die Haltung seiner Mitmenschen ihm gegenüber verändert hatte. Es konnte passieren, dass Pavlos mehr in das Treffen mit der sexy Blondine hineindeutete als da war. Möglicherweise vergaß er darüber die sichere und ruhige Zukunft, die vor ihm lag. Was, wenn Keeley Turner erkannte, dass sie ein Vermögen machen konnte, wenn sie die Sache richtig anging?

Er sah sich in ihrer Wohnung um. Es überraschte ihn, wie sie hier lebte – so sehr, wie ihn seit langer Zeit nichts überrascht hatte. Das hier war nicht nur ein niedriger Lebensstandard, das hier war ein Leben an der Armutsgrenze. Er hatte Pfauenfedern und über den Spiegel drapierte glitzernde Ketten erwartet. Wände voll mit alten Bildern, die den eher zweitklassigen Ruhm ihrer Mutter dokumentierten. Doch hier war nur Ordnung und eine fast schon fade Zweckmäßigkeit zu sehen. Es war extrem sauber. Ob das einfach nur ein cleverer Trick war, um zu zeigen, was für eine gute Hausfrau sie abgeben könnte, falls ein reicher und mächtiger Mann sie hier herausholen würde?

Ariston hatte sich wirklich bemüht, sie nicht anzusehen, weil das sein Verlangen nur verstärkt hätte, und man konnte klarer denken, wenn einem nicht ganz heiß war vor Erregung. Als er sie nun schließlich doch betrachtete, fiel ihm auf, dass sie eine Art Uniform trug. Sie war doch wohl keine Krankenschwester? Er sah das formlose dunkelblaue Kleid mit den hellblauen Paspeln genauer an und bemerkte ein kleines Abzeichen, das unter dem Schriftzug Super Save eine Sonne und etwas, das aussah wie eine Hähnchenkeule, zeigte. Nein, sie war definitiv keine Krankenschwester. „Arbeitest du im Supermarkt?“

Nach kurzem Zögern hob sie trotzig das Kinn, was ihren Mund sehr verlockend aussehen ließ.

„Ja, ich arbeite im Supermarkt“, antwortete sie.

„Warum?“

„Warum nicht?“, fragte sie verärgert zurück. „Irgendjemand muss es ja machen. Was dachtest du denn, wie die Ware in die Regale kommt? Lass mich raten – du kaufst gar nicht selbst ein, oder?“

„Du räumst Regale ein?“, fragte er ungläubig.

Keeley atmete tief durch. Wäre er ein anderer gewesen, hätte sie ihm die Wahrheit über ihre Mutter und den ganzen Rest der traurigen Geschichte erzählt, die dazu geführt hatte, dass sie so viele Stellen hatte aufgeben müssen, dass der Supermarkt schließlich ihre letzte Rettung gewesen war. Vielleicht hätte sie ihm erzählt, dass sie sich bemühte, all die verlorenen Jahre des Herumtingelns zu kompensieren, indem sie jede freie Minute ihrem Onlinestudium der Wirtschaftslehre und Buchhaltung widmete. Vielleicht hätte sie ihm sogar von der Hoffnungslosigkeit erzählt, die sie empfand, wenn sie ihrer Mutter den wöchentlichen Besuch abstattete. Wenn sie Vivienne Turners leeren Blick sah, wenn sie dieses einst so lebendige Gesicht sah, das zu einer starren Maske geworden war. Wenn ihre Mutter sie zum x-ten Mal nicht wiedererkannte.

Als Keeley an das unangenehme Gespräch dachte, das sie letzte Woche mit der Leiterin des Pflegeheims geführt hatte, schloss sie die Augen. Man hatte ihr gesagt, dass die Kosten stiegen und der Wohlfahrtsstaat eben nur einen gewissen Anteil davon tragen konnte. Als sie dagegen Einspruch erhoben hatte, dass man ihre Mutter in ein riesiges, kasernenartiges Pflegeheim verlegen wollte, das zwar billiger, aber auch meilenweit entfernt war, hatte man ihr gesagt, dass man gegen die wirtschaftlichen Gegebenheiten eben nichts machen könne.

Aber es war nicht davon auszugehen, dass der mutmaßlich kaltherzige Ariston Kavakos sich auch nur annähernd für ihre Probleme interessierte. Der arrogante Milliardär war eindeutig entschlossen, nur das Schlechteste über sie zu denken, und Keeley bezweifelte, dass sich daran etwas ändern würde, wenn sie ihm ihre rührselige Geschichte anvertraute. Pavlos tat ihr leid. Wie schrecklich, einen so bevormundenden Bruder zu haben, der einem nicht einmal die Freiheit zugestand, sich seine Freunde selbst auszusuchen. Der attraktive Grieche, der vor ihr stand, war ein gestörter Größenwahnsinniger.

„Ja, ich räume Regale ein“, antwortete sie ruhig. „Hast du ein Problem damit?“

Ariston wollte ihr sagen, dass er ausschließlich ein Problem mit ihr hatte. Mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung, an der auch ihr hässlicher Aufzug nichts ändern konnte. Vielleicht lag es daran, dass er sie in dem Bikini gesehen hatte, der sich klatschnass an ihre weiblichen Kurven geschmiegt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er wusste, was für ein toller Körper sich unter der weit sitzenden Uniform verbarg. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass er so erregt war. Gleichzeitig war er geschockt zu sehen, unter was für bescheidenen Bedingungen sie lebte. Anscheinend war sie weniger gut darin als ihre Mutter, reiche Männer auszunehmen, sonst hätte sie nicht in einer so winzigen Wohnung gelebt und im Supermarkt gearbeitet.

Offenbar war sie pleite und damit eine unkalkulierbare Gefahr. Hätte er sich keine Sorgen um Pavlos machen müssen, wäre Ariston jetzt einfach gegangen, um nicht weiter gegen das Verlangen ankämpfen zu müssen, sie zu küssen. Er hätte das heiße Topmodel angerufen, mit dem er auf der Fotoausstellung gewesen war, um sich mit ihr zu vergnügen. Doch ärgerlicherweise erschien sie ihm im Vergleich zu Keeley in ihrer formlosen Uniform auf einmal langweilig.

Ob es an Keeleys wütend blitzenden grünen Augen und ihren vor Empörung zitternden Lippen lag, dass er sie besitzen und unterwerfen wollte? Oder war es, weil er seinen Bruder vor jemandem wie ihr schützen wollte?

Er hatte Pavlos losgeschickt, damit er sich um eine revoltierende Crew kümmerte, aber sobald die Angelegenheit geklärt wäre, würde sein Bruder zurückkommen. Und woher sollte Ariston wissen, was die beiden trieben, wenn er ihnen den Rücken kehrte? Er konnte sie nicht voneinander fernhalten, egal, wie mächtig er war. Und dann konnte es passieren, dass die blonde Schönheit seinen Bruder auf Abwege lockte, trotz der netten jungen Frau, die in Melbourne auf ihn wartete.

Plötzlich kam ihm eine Idee. Es gab eine verblüffend einfache Lösung. Denn hatten nicht alle Männer ein Revierverhalten – vor allem die Kavakos-Männer? Er und Pavlos hatten das Teilen nicht gelernt. Sie hatten weder ihr Spielzeug geteilt noch ihre Gedanken – und ihre Frauen schon gar nicht. Dafür hatte der Altersunterschied zwischen ihnen ebenso gesorgt wie die trostlosen und unsteten Umstände ihrer Kindheit. Wie wäre es, wenn er sie verführte, bevor sein Bruder die Gelegenheit dazu bekam? Pavlos war sicher nicht an Frauen interessiert, die sein großer Bruder schon gehabt hatte. Also wäre das eine wirksame Methode, dafür zu sorgen, dass Keeley für immer aus Pavlos’ Leben verschwand.

Ariston schluckte. Und vielleicht konnte er sie so endlich aus seinem Kopf verbannen. Denn sie war nie ganz daraus verschwunden, und die Erinnerung an damals war immer wieder aufgeflammt. Sie war die einzige Frau, die er geküsst hatte, ohne hinterher mit ihr zu schlafen, und vielleicht konnte er sein Bedürfnis nach Perfektion und Vollständigkeit befriedigen, indem er dieses Versäumnis nachholte.

Er sah sich in ihrem dürftigen Zuhause um. Betrachtete die dünnen Vorhänge vor dem auf die verregnete Straße hinausgehenden Fenster und den zerschlissenen Teppich auf dem Boden. Und er erkannte, dass es ganz einfach wäre. Das war es immer, wenn man Frauen gegenüber das Thema Geld aufbrachte. Verbittert dachte er an den Handel zurück, der sein Schicksal besiegelt hatte, als er noch ein Kind gewesen war. „Brauchst du Geld?“, fragte er. „Ich glaube, du brauchst welches.“

„Du bietest mir Geld, damit ich mich von deinem Bruder fernhalte? Ist das dein Ernst?“ Sie starrte ihn an. „Nennt man so etwas nicht Erpressung?“

„Ich biete dir Geld, damit du für mich arbeitest. Mehr Geld, als du dir je hast träumen lassen.“

„Willst du damit sagen, dass du einen eigenen Supermarkt hast und einen eigenen Regalbestücker brauchst?“, fragte sie spöttisch.

Er verkniff sich ein Lächeln und sah sie ernst an. „Ich habe vorerst nicht vor, mich im Einzelhandel zu betätigen, nein“, antwortete er trocken. „Aber ich habe eine eigene Insel, auf der ich gelegentlich Gäste empfange. Ich fliege morgen zurück, weil ich Vorbereitungen für ein Dinner treffen muss.“

„Das ist schön für dich. Aber ich wüsste nicht, was das mit mir zu tun haben könnte. Soll ich dir dazu gratulieren, dass du so viele Freunde hast? Obwohl es mir schwerfällt zu glauben, dass du überhaupt Freunde hast.“

Ariston spürte den Puls in seiner Schläfe pochen. So mutige und freche Reaktionen war er nicht gewohnt, schon gar nicht von Frauen. Und ihr Verhalten löste in ihm den Wunsch aus, sie an sich zu ziehen und zu küssen. Sie an die Wand zu drängen und sie vor Lust stöhnen zu hören, wenn er seine Finger in ihren Slip gleiten ließ …

Er schluckte. „Ich erzähle dir das, weil es immer Arbeit für entsprechend qualifizierte Personen gibt, wenn auf der Insel viel los ist.“

„Und du meinst, ich bin eine ‚entsprechend qualifizierte Person‘?“

„Es geht“, antwortete er. „Aber ich glaube, du bist knapp bei Kasse.“

„Und ich glaube, im Vergleich zu dir ist so gut wie jeder knapp bei Kasse.“

„Wir reden über deine Lage, Keeley, nicht über meine. Deine Wohnung ist erstaunlich bescheiden.“

Keeley widersprach ihm nicht. „Und?“

„Und ich bin neugierig. Wie ist es dazu gekommen? Wie bist du hierhergekommen, nachdem du in Privatfliegern durch Europa gejettet bist? Deine Mutter muss doch mit ihren diversen Beziehungen zu reichen Männern und den offenherzigen Interviews für die Klatschpresse eine Menge Geld zusammenbekommen haben. Könnte sie da nicht ihre Tochter unterstützen?“

Keeley starrte ihn wütend an. Er hatte keine Ahnung! Aber sie würde ihm nicht sagen, wie es wirklich war. Warum sollte sie auch? Manche Dinge waren zu schmerzhaft, um sie zu erzählen – vor allem einem kalten, gleichgültigen Menschen wie ihm. „Das geht dich nichts an“, antwortete sie.

„Okay. Was auch immer du machst, offenbar funktioniert es nicht. Da wäre ein Zuverdienst doch nicht schlecht, oder?“, fragte er schmeichelnd. „Ein fetter Zuverdienst, der dich aus der Armutsfalle befreit.“

Sie sah ihn argwöhnisch an und versuchte, die Hoffnung im Zaum zu halten, die sich augenblicklich in ihr breitgemacht hatte. „Und was muss ich dafür tun?“

Er zuckte mit den Schultern. „Deine Wohnung ist überraschend sauber und aufgeräumt, also gehe ich davon aus, dass du Erfahrung mit Hausarbeit hast. Genau, wie ich davon ausgehe, dass du einfachen Anweisungen folgen und in der Küche helfen kannst.“

„Und du vertraust mir genug, um mich einzustellen?“

„Ich weiß es nicht. Kann ich das denn?“ Er sah sie durchdringend an. „Ich könnte mir vorstellen, dass Unzuverlässigkeit der Grund für deine Armut ist und dich alltägliche Arbeiten schnell langweilen. Dass dir die Dinge nicht so in den Schoß gefallen sind, wie du es dir erhofft hattest. Habe ich recht, Keeley? Musstest du feststellen, dass du als Schmarotzerin weniger erfolgreich bist als deine Mutter?“

„Fahr zur Hölle“, gab sie verärgert zurück.

„Aber ich vermute, dass du anpacken kannst, wenn die Bezahlung stimmt“, fuhr er fort. „Also, wie wäre es, wenn ich dir für einen Monat eine Stelle als Hausangestellte auf meinem griechischen Anwesen gebe – und die Gelegenheit, genügend Geld zu verdienen, um ein ganz neues Leben anzufangen?“

Ihr Herz klopfte heftig. „Und warum würdest du das tun?“, fragte sie mit heiserer Stimme.

„Du weißt, warum“, antwortete er barsch. „Ich will nicht, dass du in London bist, wenn Pavlos zurückkommt. In zwei Wochen sollte er mit einem Diamantring im Gepäck nach Melbourne fliegen – danach ist mir egal, was du machst. Sehen wir es als eine Art Versicherung. Ich bin bereit, eine hohe Prämie zu zahlen, um dich von meinem Bruder fernzuhalten.“

Keeley hätte ihm gern gesagt, was er mit seinem Angebot machen sollte, doch sie konnte die Stimme in ihrem Hinterkopf nicht ignorieren, die sie beschwor, realistisch zu sein. Konnte sie es sich wirklich leisten, ein solches Angebot auszuschlagen, nur weil sie den Mann, der es machte, verachtete?

„Und? In Versuchung?“, fragte er.

Oh ja, sie war in Versuchung – ihm zu sagen, dass sie noch nie einem so uncharmanten und verletzenden Menschen wie ihm begegnet war. Keeley wurde heiß, als ihr klar wurde, dass er ihr einen Job als eine Art Dienstmädchen anbot. Als jemand, der sich die Hände damit schmutzig machte, ihm und seinen Gästen hinterherzuputzen. Sie würde Gemüse schneiden und sein Bett beziehen, während er am Strand mit seiner aktuellen Geliebten herumturtelte – wahrscheinlich mit der gut aussehenden Rothaarigen, mit der er bei der Vernissage gewesen war. Sie wollte ihm sagen, dass sie lieber verhungern würde, als sein Angebot anzunehmen … doch dann erinnerte sie sich daran, dass das Ganze nicht nur sie allein betraf.

Sie starrte eines der Löcher im Teppich an und dachte an die Kleinigkeiten, die ihrer Mutter das Leben ein wenig versüßen sollten, auch wenn sie nichts davon mitbekam. Die wöchentliche Maniküre und der gelegentliche Friseurbesuch, damit sie ein wenig der Frau ähnelte, die sie einmal gewesen war. Vivienne Turner wusste nichts von dem, was man für sie tat, aber Keeley wusste es. Und es tat ihr in der Seele weh, sich vorzustellen, wie ihre Mutter reagiert hätte, wenn sie geahnt hätte, was für ein Leben sie einmal führen würde.

Aber zum Glück konnte niemand in die Zukunft sehen. Keiner wusste, was vor ihm lag. Und für den Fall, dass ein Angehöriger eines anderen Heimbewohners oder jemand vom Pflegepersonal ihre Mutter als die ehemalige Berühmtheit Vivienne Turner erkannte, wollte Keeley gerne, dass ihre Mutter so gut wie möglich aussah. Sie wusste, wie wichtig das Vivienne gewesen wäre.

Also würde sie es darauf ankommen lassen und sehen, was der große Ariston Kavakos anzubieten hatte. Ob es genug war, um seine Gesellschaft noch länger zu ertragen. „Wie viel bietest du mir dafür?“, fragte sie.

Ariston schluckte sein Missfallen über Keeleys giftigen Tonfall und die Bemerkung, dass sie genauso gierig war wie ihre Mutter, herunter. Wie er sie und alles, wofür sie stand, verachtete! Und doch war seine Abneigung nicht stark genug, um sein Verlangen nach ihr zunichtezumachen. Beim Gedanken an Sex mit Keeley Turner wurde ihm ganz schwindelig vor Erregung. Denn es war unvorstellbar, dass sie nach Lasia kam und nicht mit ihm schlief. Damit würde er einen endgültigen Schlussstrich unter diese Geschichte ziehen. Wenn seine Sehnsucht nach ihr abgekühlt wäre, könnte er sie aus ihrer aller Leben hinausbefördern. Und sie würde genügend Geld erhalten, um zufrieden abzuziehen. Und das Wichtigste war, dass Pavlos sich nie wieder mit ihr treffen würde.

Lächelnd nannte er ihr eine Summe und erwartete, dass sie sich dankbar einverstanden erklären würde, doch sie sah ihn nur mit eisigem Blick an.

„Für das Doppelte bin ich dabei“, sagte sie.

Aristons Lächeln erstarb. Gleichzeitig spürte er, wie seine Lust auf sie stärker wurde, weil ihre Haltung seinen raffinierten Plan nur umso einfacher umsetzbar machte. Jede Frau war käuflich, erinnerte er sich verbittert. Man musste nur den entsprechenden Preis aushandeln. „Abgemacht“, sagte er.

3. KAPITEL

Lasia war genauso schön wie in Keeleys Erinnerung, vielleicht sogar noch schöner. Denn wenn man achtzehn war, glaubte man, dass die schönen Tage nie vorbei sein würden. Man konnte sich nicht vorstellen, dass das Leben so anders verlaufen würde, als man es sich ausgemalt hatte. Sie hatte geglaubt, dass das Geld immer reichen würde. Sie hatte geglaubt …

Nein. Sie sah aus dem Fenster in den blauen Himmel hinaus. Nein, sie würde nicht an damals denken. Jetzt war sie hier, auf dieser wunderschönen Privatinsel, um für Ariston Kavakos zu arbeiten und etwas für ihre arme gebrochene Mutter dazuzuverdienen. Also heftete sie ihren Blick auf den Horizont und ermahnte sich, das Positive zu sehen, nicht das Negative.

An der einzigen Landebahn der Insel hatte ein schicker Wagen auf sie gewartet. Sie war froh, dass er klimatisiert war, denn obwohl es noch früh im Jahr war, brannte die Mittagssonne bereits intensiv. Während des Fluges hatte sie sich gefragt, ob sich wohl jemand von Aristons Personal an sie erinnerte, denn sie fürchtete sich davor, wiedererkannt zu werden. Der Fahrer war zum Glück neu – für sie zumindest – und hieß Stelios.

Keeley war nicht nach Reden zumute, und auch er sprach nicht, während sie auf den Serpentinen durch die Berge fuhren. In Keeley rumorte es aus vielerlei Gründen. Zunächst einmal hatte sie ihren Job im Supermarkt verloren. Ihr Chef hatte ungläubig reagiert, als sie um einen Monat unbezahlten Urlaub gebeten hatte, gemeint, dass sie den Verstand verloren haben müsse, wenn sie derlei Extrawürste erwarte. Dann hatte er ihr gesagt, dass der Job wohl nichts für sie sei, was Keeley schon geahnt hatte. Denn egal, wie sehr sie sich auch bemüht hatte – sie hatte nie ganz dorthin gepasst.

Auch anderswo nicht, wenn sie genauer darüber nachdachte. Und hierher schon gar nicht, auf diese paradiesische Privatinsel, die Wohlstand und Privilegiertheit ausstrahlte, mit den teuren Jachten, die unbekümmert im azurblauen Wasser tanzten. Sie beugte sich vor, um besser sehen zu können, als der Wagen um die letzte Kurve fuhr. Dann rollte er langsam auf den Gebäudekomplex zu, den sie zum letzten Mal mit achtzehn gesehen hatte. Alles sah so anders aus, dass sie verblüfft blinzelte.

Nein, nicht alles. Die Assimenos-Bucht sah genauso aus wie damals.

Die natürliche Bucht mit ihrem silberweißen Sand war schön wie eh und je, doch das große Haus, das früher hier gestanden hatte, war verschwunden. An seiner Stelle befand sich nun ein imposantes Gebäude mit gläserner Fassade. Die transparenten Wände und die gebogenen Fenster spiegelten die verschiedenen Blautöne des Meeres und des Himmels wider, sodass Keeleys erster Eindruck war, dass hier alles sehr blau war. So blau wie Aristons Augen, dachte sie kurz, nur um sich sofort zu ermahnen, dass sie nicht hier war, um von ihm zu träumen.

Und dann, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken herbeibeschworen, sah sie den griechischen Magnaten an einem der großen Fenster im ersten Stock des Hauses. So reglos wie eine Statue stand er da und beobachtete sie. Widerwillig spürte sie, wie ein erregter Schauer sie durchlief, als sie zu ihm aufsah. Trotz der schönen Umgebung fiel es ihr schwer, den Blick von ihm loszureißen. Doch er musste ja nicht unbedingt sehen, dass sie ihn anhimmelte wie einen Popstar. Den Fehler hatte sie schon einmal gemacht – und sie wusste, wohin das führte. Jetzt hatte sie die Chance, das wieder wettzumachen, aber das würde nur funktionieren, wenn sie immun gegen ihn und sein Charisma war. Wenn sie ihm zeigte, dass sie nichts mehr von ihm wollte, weil sie nicht auf fiese Milliardäre stand, die einen respektlos behandelten.

Stelios hielt an und öffnete ihr die Tür. Als Keeley ausstieg, konnte sie Zitronen, Pinien und den salzigen Duft des nahen Meeres riechen.

„Das hier ist Demetra“, sagte Stelios, als eine Frau mittleren Alters in einer blendend weißen Uniform auf sie zukam. „Sie ist die Köchin – und sie hat hier das Sagen. Sogar Ariston hört zu, wenn sie spricht. Sie zeigt Ihnen, wo Sie wohnen werden. Sie haben Glück, hier untergebracht zu werden“, fügte er hinzu. „Alle anderen Angestellten wohnen im Dorf.“

Keeley sah ihn überrascht an. „Danke – Sie sprechen ja perfekt Englisch!“

„Einigermaßen, ja. Ich habe eine Weile in London gelebt und bin dort Taxi gefahren.“ Mit unergründlichem Lächeln fügte er hinzu: „Der Chef mag es aber nicht, wenn ich es herumerzähle.“

Das glaubte sie gern. Ein schweigsamer Fahrer, der die Gespräche englischsprachiger Besucher verstand, kam ihm sicher sehr gelegen. Aber ihr war der wohlwollende Ton nicht entgangen, mit dem der Fahrer von Ariston sprach, und sie fragte sich, was der despotische Reeder getan haben mochte, um das zu verdienen.

Aber es war eben so, dass einen alle mochten, wenn man Geld hatte. Die Welt war voll mit Leuten, die sich vom Reichtum locken ließen. Es waren die gleichen Leute, die einen fallen ließen wie eine heiße Kartoffel, wenn das Geld weg war.

Sie lächelte der Köchin entgegen. Es war wichtig, von den Leuten, mit denen sie zusammenarbeiten würde, akzeptiert zu werden und ihnen zu zeigen, dass sie harte Arbeit nicht scheute. „Kalispera, Demetra“, sagte sie und reichte der Köchin die Hand. „Ich bin Keeley. Keeley Turner.“

„Kalispera“, antwortete die Köchin wohlwollend. „Sie sprechen Griechisch?“

„Nur ein paar Wörter“, antwortete Keeley, „aber ich würde gern mehr lernen. Sprechen Sie Englisch?“

„Ja, ein bisschen. Herr Kavakos will, dass alle seine Angestellten Englisch sprechen.“ Sie lächelte. „Wir können uns ja gegenseitig helfen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Haus.“

Keeley folgte der Köchin einen schmalen, sandigen Weg in Richtung Strand hinunter, bis sie an ein weiß getünchtes Häuschen kamen. Sie hörte die sich am Strand brechenden Wellen und sah, wie sich die Sonne glitzernd im Wasser spiegelte. Doch trotz der Schönheit der Natur um sie herum konnte sie sich nur an den Aufruhr und das Chaos erinnern. War es nicht da hinten neben den Felsen gewesen, wo Ariston sie in die Arme genommen und geküsst hatte, bevor er sie weggestoßen hatte?

Sie schloss die Augen und spürte, wie sie trotz der Hitze eine Gänsehaut bekam. Wie konnte die Erinnerung an etwas, das so lange zurücklag, so lebendig sein?

„Gefällt es Ihnen?“, fragte Demetra, die Keeleys Schweigen offenbar falsch interpretierte.

„Oh, ja, es ist … schön“, antwortete Keeley rasch.

Demetra lächelte. „Ja, alles auf Lasia ist schön. Kommen Sie ins Haus, wenn Sie hier fertig sind, dann zeige ich Ihnen alles.“

Nachdem Demetra gegangen war, betrat Keeley das Häuschen. Die Tür ließ sie offen, um den Wellen zu lauschen, während sie sich in ihrem vorübergehenden Heim umsah. Es war zwar klein, aber größer als ihre Wohnung in London. Unten befanden sich ein Wohnzimmer und eine kleine Küche. Oben gab es ein Schlafzimmer, das kaum größer war als das geräumige Bett darin, und das Bad war überraschend gut ausgestattet. Alles war sehr schlicht und sauber, die Wände kahl und weiß. Sämtliche Räume wurden von Licht durchflutet und den Reflexen der Wellen durchflirrt. Wer brauchte schon Bilder, wenn er so etwas hatte?

Keeley packte aus, duschte und zog sich Shorts und ein T-Shirt an. Als sie wieder hinunterging, sah sie Ariston auf ihr Häuschen zugehen. Sie konnte nichts dagegen machen, dass sich ihr Herz zusammenzog und sich dieses sehnsüchtige Gefühl in ihr breitmachte.

Sie wollte sich abwenden, doch sie konnte den Blick nicht von ihm losreißen. Von seinen muskulösen Schenkeln, seinen breiten Schultern und seinen Armmuskeln. Vom Anblick seiner sonnengebräunten Haut, die mit dem weißen T-Shirt kontrastierte. Beim Anblick eines schmalen Streifens Haut, der über der niedrig sitzenden, verwaschenen Jeans hervorblitzte, wurde ihr Mund ganz trocken. Denn das war der Ariston, an den sie sich erinnerte – kein Herr im eleganten Anzug, der ihn einzuengen schien, sondern ein Mann, der aussah, als habe er gerade an einem der Fischerboote gearbeitet. Keine Frage, er war der maskulinste Mann, der ihr je begegnet war. Aber es war wichtig, dass er nicht merkte, wie er auf sie wirkte. Sie musste gleichgültig auf ihn reagieren, durfte sich nicht anmerken lassen, wie nervös sie in seiner Nähe war. Sie musste so tun, als wäre er wie jeder andere Mann, auch wenn er das nicht war. Denn kein anderer Mann hatte je solche Gefühle in ihr ausgelöst.

Als er näher kam, atmete sie tief ein. Sie durfte nicht vergessen, dass sie ihn nicht leiden konnte, das war das Wichtigste.

„Hier bist du also“, sagte er und musterte sie mit seinem sonderbaren Blick, der gleichzeitig kalt und glühend war.

„Ja, hier bin ich.“ Sie zupfte verlegen am Saum ihres T-Shirts. „Du klingst überrascht.“

„Vielleicht bin ich das. Ich war nicht ganz sicher, ob du dich nicht in letzter Minute umentscheidest und doch nicht kommst.“

„Hätte ich das tun sollen?“ Keeley sah ihn fest an. „Wäre es klüger gewesen, dein großzügiges Angebot auszuschlagen?“

Während Keeley ihm mit ihren wundervollen grünen Katzenaugen unerschrocken ins Gesicht sah, überlegte Ariston, was er ihr antworten sollte. Hätte sie ihm etwas bedeutet, hätte er ihr gesagt, dass es besser gewesen wäre, sich von einem Typen wie ihm und seiner Insel fernzuhalten. Aber sie bedeutete ihm nichts. Sie war eine Ware. Eine Frau, die er verführen würde, um das zu vollenden, was er vor vielen Jahren begonnen hatte. Warum sollte er sie vor etwas warnen, was ihnen beiden sehr viel Lust bereiten würde?

Und die Geschichte zum Abschluss bringen, dachte er. Das war ebenso wichtig.