Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Im Jahre 1901 erschienener Kriminalroman von Richard Harding Davis, amerikanischer Kriegsberichterstatter, Journalist und Buchautor, gleichzeitig eine der frühesten Detektivgeschichten. Mitglieder eines exklusiven Klubs in London sitzen zusammen beim Abendessen. Ein amerikanischer Diplomat berichtet ihnen von einem Verbrechen, das sich im dichten Londoner Nebel ereignet hat. Auf der Suche nach Orientierung hatte er sich in ein seltsames Haus begeben, wo er zwei Leichen vorfand. Das Verbrechen stellt Scotland Yard vor Rätsel, aber die Männer im 'Grill Club' wollen dem auf den Grund gehen - egal wie lange es dauert ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Anmerkung: Im Originalbuch sind drei der Hauptfiguren – Vater und zwei Söhne der Familie Chetney – oft schwer zu unterscheiden, da deren Titel unterschiedlich verwendet oder weggelassen werden. Bei einem Earl (oder Duke, Marquess) trägt der älteste Sohn des Vaters bis zu dessen Tod seinen Titel, ohne ihn bereits zu besitzen. Der jüngere Sohn trägt den Titel Lord. Lord ist auch eine allgemeine Bezeichnung für einen Hochadligen im Oberhaus (House of Lords). Ein Mitglied (Peer) kann statt mit seinem speziellen Adelsrang allgemein auch mit Lord angesprochen werden. Die Peerswürde wurde grundsätzlich vererbt, bis 1958 ein Gesetz verabschiedet wurde, dass die Peerswürde meist nur noch begrenzt auf die Lebenszeit des Trägers verliehen wird. In der Übersetzung wurden deshalb einige Veränderungen/Standardisierungen oder Ergänzungen bei Namen/Titel vorgenommen, um das Lesen zu erleichtern; dies gilt auch für einige Passagen des Textes.
Die vier Fremden saßen beim Abendessen zusammen
Es gibt keinen Klub auf der Welt, bei dem es schwerer ist, Mitglied zu werden, als den 'Grill Club'. Die Aufnahme in seine Reihen zeichnet das neue Mitglied in einer Weise aus, als hätte man den vakant gewordenen Platz im Hosenbandorden übernehmen dürfen oder wäre im Buch 'Jahrmarkt der Eitelkeiten' karikiert worden.
Männer, die dem Grill Club angehören, sprechen nie darüber. Wenn man einen von ihnen fragt, in welchen Klubs er Mitglied ist, wird er alle aufzählen, nur diesen nicht, weil er Angst hat, dass die Erwähnung seiner Mitgliedschaft als Prahlerei aufgefasst wird.
Der Grill Club wurde zu einer Zeit gegründet, als das 'Shakespeare's Theatre' noch dort stand, wo sich heute das Büro der 'Times' befindet; im Eigentum des Klubs befindet sich ein goldener Bratrost, der ihnen von Charles II. zum Geschenk gemacht wurde, und das Originalmanuskript von Tom und Jerry in London', das ihnen Pierce Egan selbst vermacht hat. Wenn die Mitglieder des Klubs Briefe schreiben, benutzen sie immer noch Sand, um die Tinte zu trocknen.
Man genießt zudem die Ehre, einen Premierminister jeder Partei abgelehnt zu haben – ohne jegliche politische Vorurteile. In derselben Sitzung, in der einer von ihnen durchfiel, wurde Quiller, Q. C., damals noch ein mittelloser Anwalt, wegen seines 'Brogue'* und seiner Schlagfertigkeit gewählt [* allgemeiner Begriff für einen irischen Azent, aber auch für ähnlich klingende Aussprachen in Schottland und West-England].
Als Paul Preval, der französische Künstler, der auf königlichen Ersuchen nach London kam, um ein Porträt des Prinzen von Wales zu malen, zum Ehrenmitglied ernannt wurde (nur Ausländer können Ehrenmitglieder werden), sagte er, als der seine erste Weinkarte unterschrieb [hier Übernahme der Rechnung gemeint]:
»Ich sehe meinen Namen lieber auf dieser Karte, als auf einem Gemälde im Louvre.«
Daraufhin bemerkte Quiller:
»Das ist nicht gerade ein besonderes Kompliment, denn die einzigen Männer, die heutzutage ihren Namen im Louvre lesen können, sind seit fünfzig Jahren tot.«
Es war am Abend des großen Nebels von 1897, als fünf Mitglieder im Klub anwesend waren. Vier waren eifrig mit ihrem Abendessen beschäftigt, einer saß vor dem Kamin und las in einem Buch. Es gab nur einen Raum mit einem langen Tisch. Am hinteren Ende glühte das rote Feuer des Grills und loderte auf, wenn das Fett heruntertropfte; am anderen Ende befand sich ein breites, zur Straßenfront gerichtetes Erkerfenster mit rautenförmigen Scheiben.
Die vier Männer am Tisch saßen, kannten einander nicht, aber während sie sich mit den gegrillten Knochen beschäftigten und an ihrem Scotch und Soda nippten, unterhielten sie sich mit solch charmanter Lebhaftigkeit, dass ein Besucher dieses Klubs – der keine Besucher duldet – sie für langjährige Freunde gehalten hätte und bestimmt nicht für Engländer, die sich zum ersten Mal und ohne eine offizielle Vorstellung trafen.
Es ist aber Sitte und Tradition im Grill Club, dass sich jeder, der ihn betritt, mit jedem, den er dort trifft, unterhalten muss. Um diese Regel durchzusetzen, gibt es nur diesen einen langen Tisch, und egal, ob zwanzig Männer daran sitzen oder zwei, die Kellner platzierten sie, der Regel entsprechend, direkt nebeneinander.
So saßen die vier Fremden beim Abendessen zusammen. Die Kerzen waren um sie herum gruppiert, und die Länge des Tisches zog sich wie ein weißes Band durch die ihn umgebende Dunkelheit.
»Ich wiederhole es«, sagte ein Gentleman mit einer schwarzen Perle am Kragenknopf, »die Zeit der romantischen Abenteuer und der tollkühnen Wagnisse ist vorbei, und wir sind selbst schuld daran.«
»Reisen zum Pol«, fuhr er fort, »zähle ich nicht zu den Abenteuern. Auch dieser Afrikaforscher, der junge Chetney [Earl of Chetney, der älteste Chetney-Sohn], der gestern wieder aufgetaucht ist, nachdem man ihn in Uganda für tot gehalten hatte, hat nichts Abenteuerliches getan. Er hat Karten angefertigt und die Quellen von Flüssen erforscht. Er war zwar ständig in Gefahr, aber das Vorhandensein von Gefahr ist kein Abenteuer. Wäre es so, würde der Chemiker, der sich mit hochexplosiven Stoffen beschäftigt oder tödliche Gifte erforscht, täglich Abenteuer erleben. Nein, Abenteuer sind etwas für Wagemutige, aber heutzutage wagt man nichts mehr. Der Geist des Abenteuers ist an Trägheit gestorben. Wir sind zu praktisch, zu gerecht und vor allem zu vernünftig geworden.«
»In diesem Raum hier zum Beispiel haben sich die Mitglieder dieses Klubs einst mit Schwertern darüber gestritten, wie man eines von Popes Reimpaaren richtig liest.«
»Wegen einer so 'gewichtigen' Angelegenheit wie dem Verschütten von Burgunder auf die Manschette eines Gentleman kämpften zehn Männer an diesem Tisch, jeder mit seinem Degen in der einen und einer Kerze in der anderen Hand. Alle zehn wurden verwundet. Die Angelegenheit des verschütteten Burgunders betraf zwar nur zwei von ihnen, aber die acht anderen kämpften, weil sie Männer mit 'Temperament' waren. In der Tat waren sie die ersten Gentlemen ihrer Zeit.«
»Wenn Sie jetzt Burgunder über meine Manschette schütten, wenn Sie mich gar grob beleidigen, so würden die anwesenden Herren es nicht für nötig halten, sich gegenseitig umzubringen. Sie würden uns nur trennen und morgen früh auf der Polizeistation in der Bow Street gegen uns aussagen.«
»Sehen Sie, heute Abend haben wir in der Person von Sir Andrew und mir ein anschauliches Beispiel dafür, wie sich die Sitten geändert haben.«
Die Männer am Tisch drehten sich um und blickten zu dem Herrn vor dem Kamin.
Die Männer am Tisch drehten sich um
Dort saß ein älterer, etwas korpulenter Mann mit einem freundlichen, faltigen Gesicht, das ständig ein fast kindlich zuversichtliches, gutmütiges Lächeln auf den Lippen trug. Es war ein Gesicht, das man aus den Illustrierten kannte. Er hielt ein Buch in Armeslänge von sich, um die Schrift besser lesen zu können, und seine zusammengezogenen Augenbrauen zeugten von gespanntem Interesse.
»Nun, wenn wir noch im 18. Jahrhundert leben würden ... «, fuhr der Herr mit dem Perlen-Kragenknopf fort, »... würde ich Sir Andrew, wenn er heute Abend den Klub verlassen wollte, fesseln und knebeln und in eine Sänfte werfen lassen. Die Wache würde mich gewähren lassen, die Passanten würden sich davonmachen, meine gedungenen Schläger und Raufbolde würden ihn an einen einsamen Ort bringen und ihn dort bis zum Morgen bewachen. Nichts würde passieren, außer dass mein Ruf als tatkräftiger Gentleman gestärkt würde. Vielleicht würde die Geschichte sogar in einem Artikel im Tatler' enden, mit Sternchen statt Namen, und dem Titel, sagen wir, Der Staatshaushalt und der Baronet'.«
»Und wozu sollte das gut sein, Sir?«, erkundigte sich der Jüngste der anwesenden Mitglieder. »Und warum ausgerechnet Sir Andrew – warum haben Sie ihn für dieses Abenteuer ausgewählt?«
Der Herr mit der schwarzen Perle zuckte mit den Schultern: »Das würde ihn daran hindern, heute Abend im Parlament zu sprechen. Es geht dort um das Gesetz zur Erhöhung der Ausgaben für die Marine«, fügte er mit düsterer Stimme hinzu. »Es ist eine Maßnahme der Regierung, und Sir Andrew spricht sich dafür aus. Sein Einfluss ist so groß und seine Anhängerschaft so zahlreich, dass es, wenn er es tut – der Herr lachte ein wenig – dass es durchgehen wird, wenn er es tut.«
»Wenn ich den Geist unserer Vorgänger hätte«, rief er aus, »würde ich Chloroform aus der nächsten Apotheke holen, ihn in diesem Stuhl betäuben, seinen bewusstlosen Körper in eine Droschke werfen und ihn bis zum Tagesanbruch gefangen halten. Wenn ich das täte, würde ich dem britischen Steuerzahler die Kosten für fünf weitere Kriegsschiffe ersparen, viele Millionen Pfund.«
Die Herren drehten sich wieder um und musterten den Baronet mit neuem Interesse.
Das Ehrenmitglied des Grill Club, dessen Akzent ihn bereits als Amerikaner verriet, lachte leise. »Wenn man ihn jetzt so ansieht«, sagte er, »würde man nicht vermuten, dass er sich gerade intensiv mit Staatsgeschäften befasst.«
Die anderen nickten stumm.
»Er hat seinen Blick nicht mehr von diesem Buch abgewendet, seit wir den Raum betreten haben«, fügte das jüngste Mitglied hinzu. »Er kann unmöglich vorhaben, heute Abend zu sprechen.«
»Oh doch, er wird sprechen«, murmelte der Mann mit der schwarzen Perle traurig. »Das Haus tagt bis spät in die Nacht, bis die Sitzung zu Ende ist. Wenn die dritte Lesung des Marinegesetzes ansteht, wird er zur Stelle sein – und dafür sorgen, dass es verabschiedet wird.«
Der Vierte im Bunde, ein stämmiger, rotwangiger, sportlich wirkender Herr in kurzer Smokingjacke und schwarzer Krawatte, seufzte neidisch.
»Man stelle sich vor, einer von uns würde so ruhig bleiben, wenn er wüsste, dass er in einer Stunde aufstehen muss, um eine Rede im Parlament zu halten. Ich wäre da ganz schön aufgeregt. Und er ist so vertieft in das Buch, das er gerade liest, als hätte er bis zum Schlafengehen nichts mehr vor.«
»Ja, seht nur, wie er die Zeilen verschlingt«, flüsterte das jüngste Mitglied. »Er schaut nicht einmal auf, selbst wenn er die Seiten umblättert. Wahrscheinlich ist es ein Bericht der Admiralität oder ein anderes gewichtiges statistisches Werk, das zu seiner Rede gehört.«
Der Herr mit der schwarzen Perle lachte mürrisch.
»Das 'gewichtige' Werk, in das der große Staatsmann so vertieft ist«, sagte er, »heißt 'der große Goldminen-Raub'. Es ist ein Kriminalroman, der in allen Buchhandlungen zum Verkauf steht.«
Der Amerikaner hob ungläubig die Augenbrauen.
»Der große Goldminen-Raum?«, wiederholte er ungläubig. »Was für ein seltsamer Geschmack!«
»Es ist nicht nur sein Geschmack, es ist sein Laster«, erwiderte der Gentleman mit der Perle, »es ist sein einziger Zeitvertreib, was allgemein bekannt ist, aber man kann kaum erwarten, dass Sie als Fremder von dieser seltsamen Eigenart wissen. Mr. Gladstone* suchte Entspannung bei den griechischen Dichtern, Sir Andrew findet seine bei Gaboriau**. Seit ich Mitglied des Parlaments bin, habe ich ihn in der Bibliothek nie ohne einen Groschenroman in der Hand gesehen. Er bringt sie sogar mit in die heiligen Hallen des Hauses und liest sie, unter seinem Hut versteckt, sogar auf der Regierungsbank. «
[* Politiker und viermaliger Premierminister, ** französischer Schriftsteller (1832-1873), Erfinder des Polizeiromans und Vorreiter des Detektivromans.]
»Wenn er sich einmal in eine Geschichte von Mord, Raub und ungewöhnlichen Todesfällen vertieft hat, kann ihn nichts mehr davon abbringen, nicht einmal der Ruf der Abstimmungsglocke, noch der Hunger, noch die dringenden Aufforderungen des Fraktionsführers. Er hat sein Landhaus aufgegeben, weil er auf der Zugfahrt dorthin so sehr in seine Kriminalgeschichten vertieft war, dass er immer wieder an seinem Bahnhof vorbeifuhr.«
Der Abgeordnete nestelte nervös an seiner Perle und biss sich auf den Rand seines Schnurrbartes. »Wenn er doch nur die ersten Seiten von 'der große Goldminen-Raub' lesen würde«, murmelte er bitter, »und nicht schon die letzten! Ich schwöre, mit so einem Buch könnte man ihn bis zum Morgen festhalten. Dann bräuchte ich kein Chloroform, um ihn vom Parlament fernzuhalten.«
Die Augen aller waren gebannt auf Sir Andrew gerichtet, und jeder sah fasziniert, wie er die letzten beiden Seiten des Buches umblätterte.
Ich würde seinen bewusstlosen Körper in eine Droschke werfen
Der Abgeordnete schlug sanft mit der offenen Handfläche auf den Tisch. »Ich würde hundert Pfund dafür geben«, flüsterte er, »wenn ich ihm in diesem Augenblick eine neue Geschichte von Sherlock Holmes in die Hand drücken könnte – tausend Pfund«, fügte er wie wild hinzu – »fünftausend Pfund!«
Der Amerikaner warf dem Redner einen scharfen Blick zu, als ob die Worte einen besonderen Eindruck auf ihn machen würden, und lächelte dann etwas verlegen über einen Gedanken, der ihm offenbar gerade gekommen war.
Sir Andrew hatte aufgehört zu lesen, aber er saß da, als stünde er noch immer unter dem Einfluss des Buches, und starrte ausdruckslos in das offene Feuer. Für einen kurzen Augenblick rührte sich niemand, bis der Baronet seine Augen abwandte und sich auf plötzlich an etwas erinnerte, dass ihn erschrocken nach seiner Uhr greifen ließ. Eifrig blickte er darauf und richtete sich mühsam auf.
Plötzlich unterbrach der Amerikaner das Schweigen mit heller, nervöser Stimme: »Und doch«, rief er, »könnte selbst Sherlock Holmes das Rätsel nicht lösen, vor dem die Londoner Polizei seit letzter Nacht steht.«
Bei diesen unerwarteten Worten, die etwas Herausforderndes hatten, schreckten die Herren am Tisch jäh auf, als hätte der Amerikaner mit einer Pistole in die Luft geschossen. Sir Andrew blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn mit großer Überraschung an.
Der Herr mit der schwarzen Perle war der erste, der seine Fassung wiederfand. »So, so«, sagte er beflissen und beugte sich über den Tisch. »Eine mysteriöse Sache, die die Londoner Polizei vor ein Rätsel stellt. Ich habe nichts davon gehört. Erzählen Sie uns sofort davon – ich bitte Sie inständig, erzählen Sie uns sofort davon.«