...In einem Sommer wie diesem... - Gabriele Matern - E-Book

...In einem Sommer wie diesem... E-Book

Gabriele Matern

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Beschreibung

Erfahrungsbericht: Die Krankheit- ein Schock! Der Kampf zurück ins Leben. Ich hatte Freunde- bis ich krank wurde. Ich hatte Bekannte, die zu Freunden wurden- obwohl ich krank wurde. Was habe ich aus dieser schweren Zeit gelernt? Der Kontakt zu anderen Menschen- Freunden- ist gerade in so einer Zeit sehr wichtig. Man sollte sich nie zu sicher sein, dass man weiß, wie der Lebensweg weiter geht.! Die Gesundheit und die Liebe sind das Wichtigste im Leben! Aber: ICH LEBE...

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Seitenzahl: 102

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Bildnachweis

Cover: Yauhen Korabua by 123rt

Innen: Verena N, by pixelio

Ich widme dieses Buch allen Verwandten, Freunden, Bekannten, …..

Aber vor allem all jenen, die den Mut aufbringen, dieses Buch zu lesen, und die Kraft, auf Menschen mit ähnlich schweren Erkrankungen zuzugehen!

Inhaltsverzeichnis

2003

Und es wird nie vorbei sein

Und heute?!?

Als ich erfuhr, dass ich einen Gehirntumor habe, dachte ich zuerst: Nun ist alles aus!

Ich wollte mich in eine Ecke verkriechen und auf das Sterben warten!

Ich war auf Gott und die Welt sauer!

Konnte es nicht jemand anderen treffen?

Warum ausgerechnet mich?

Diese oder ähnliche Gedanken quälen mich in den ersten Monaten nach der Diagnose Gehirntumor.

Aber gerade in der Zeit, als ich meine Freunde am nötigsten gebraucht hätte, zogen sich die Meisten von ihnen zurück!

Dieses Buch soll keine Anklage und kein Vorwurf sein.

Es soll vielmehr helfen, erklären, Verständnis wecken. Nicht für mich, sondern für alle Menschen, die plötzlich aus ihrem normalen Leben herausgerissen werden. Die nach einer Untersuchung ins Arztzimmer gerufen werden: Frau/ Herr …, sie dürfen sich jetzt nicht aufregen…

Dieses Buch möchte auch helfen, Hemmungen abzubauen, vor Menschen, die eine schwere Krankheit haben.

Ein Tumor oder Krebs sind nicht ansteckend, aber manchmal die Angst davor………

In einem Sommer wie diesem? Sommer? Warm? Nein! Und das nicht nur, weil es gerade erst Mitte Februar ist. Nein, die Kälte ist in mir drin-Eiseskälte! Aber warum denn nur?

Ich sitze in der Wartezone einer Radiologiepraxis in Hamburg. Kein Raum, sondern ein Flur. Lang, kahl und ohne Schmuck. Steril, aber voller Menschen. Warum sind sie hier? Ich versuche in den Gesichtern zu lesen. Ich sehe Gleichgültigkeit, Langeweile, Anspannung, aber auch Furcht. `Furcht` denke ich, `warum das denn`? Da werde ich mir wieder dieser sonderbaren Kälte, die sich in meinen Eingeweiden festgesetzt hat, bewusst. Außerdem bin ich ein bisschen genervt wegen der langen Wartezeit!

Dann kommt der Arzt zu mir, es ist derselbe, der mich vorhin aufgenommen hat. Der mir gesagt hat, dass es nur eine Ausschlussuntersuchung ist, was diese aber nicht angenehmer macht. Dass dieser Kernspintomograf ziemlich laute Geräusche von sich gibt, weshalb ich auch einen schallschluckenden Kopfhörer aufbekäme, damit sei das dann gut auszuhalten. Er erklärte mir noch, dass diese Untersuchung notwendig sei, da ich diese Gefühlsstörungen in der linken Gesichtshälfte habe.

Man wolle damit ausschließen, dass der Gesichtsnerv bei einer Trommelfell-Op verletzt worden ist. „Also, alles halb so wild“, meinte er dann noch aufmunternd zu mir. Aber warum macht sich dann wieder diese Kälte in mir breit, als der Arzt mich mit den Worten: „Frau…, sie dürfen sich jetzt nicht aufregen“ aufruft, und dann mit gesenktem Blick davon geht. `Was ist denn los? ‘schreit mein Blick den Arzt an, `sie haben doch gesagt, dass es nur `ne Ausschlussuntersuchung ist`! Dann bin ich im Besprechungszimmer. Wie bin ich eigentlich da hingekommen? Gelaufen? Geflogen? Ich weiß es nicht! `Es ist sonderbar `schießt mir plötzlich durch den Kopf, als ich einen kurzen Blick durch das Zimmer schweifen lasse `es scheint, dass alle Ärzte eine Art Mauer zwischen sich und den Patienten aufbauen. Brauchen sie diesen Schutzwall etwa`? Bei diesem Gedanken huscht ein kurzes Grinsen über mein Gesicht, was der Arzt aber nicht bemerkt hat, er wäre sicherlich ziemlich verwundert darüber. Dann erfasst mein Blick den Leuchtkasten mit den Bildern meines Kopfes, und starrt diese wie magisch an. Auf dem Mittleren glotzt mich ein schwarzer Punkt drohend an. In meinem Kopf beginnen die Kernspinbilder und Wörter aus einem Medizinbuch durcheinander zu schwirren. GEHIRNTUMOR schreit es immer wieder durch meinen Kopf. In meinem Schädel fängt auf einmal ein sausen und brausen an. Stimmen, Wörter, Bilder, alles ein wildes Durcheinander! Und dann, erst undeutlich, dann immer verständlicher, die Stimme des Arztes. Sie versucht sich durch dieses Wirrwarr in meinem Kopf einen Weg in mein Bewusstsein zu erkämpfen. Es sind aber immer nur einzelne Wort, die bis in meinen Verstand vordringen: Gehirntumor… Mennengiom… gutartig… Zufallsbefund… muss man nicht operieren… kann aber Probleme bereiten. Irgendwann fangen meine Tränen an zu laufen, ich bemerke es nicht mal. Immer wieder der Versuch des Arztes mich zu trösten, was ihm aber nicht wirklich gelingt. Wenn ich ihm ins Gesicht schaue, schaut er schnell weg. Ist er nur feige, oder lügt er mich am Ende an? Ist der Tumor doch bösartig, sogar tödlich, nicht mehr zu operieren, alles aus, mein Leben vorbei?

Ich dreh noch durch…

Dann sagt der Arzt etwas, was diesen Nebel, der sich um mein Gehirn gelegt hat, plötzlich zerreißt. Diese Worte verstehe ich auf einmal glasklar, sie knallen mir ins Bewusstsein wie Kanonenkugeln. Der sagt doch allen Ernstes: „Der Bericht wird ihrem Arzt in den nächsten Tagen zugesandt“. „Sind sie noch ganz bei Trost? Ich muss doch zu meinem Arzt gehen, damit der mir das weitere Vorgehen erklärt! Wie soll ich ihm denn alles erklären, ohne ihren Bericht! Was denken….“ So geht es noch eine ganze Weile mit lauter Stimme weiter. Da ist er erstmal sprachlos! Der, der mich die ganze Zeit zugetextet hat, kriegt vorübergehend den Mund nicht mehr auf! Dann sagt er-etwas beleidigt wie mir scheint-„dann müssen sie eben warten, der Bericht kann natürlich auch gleich geschrieben werden“. Als nun Stille eintritt, kann ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Mein Gehirn ist wie mit Watte ausgepolstert. Das macht die Natur wohl so, damit man in solchen Momenten nicht wirklich verrückt wird oder vollkommen durchdreht, vermute ich. Im Moment bin ich froh, dass es das gibt! Was muss ich jetzt tun? Ach ja, das Arztzimmer verlassen. Also: rechter Fuß, linker Fuß, und wieder von vorne, bis ich draußen bin.

Da wartet mein Mann und macht ein ziemlich erstauntes Gesicht. Erst jetzt wird mir bewusste, dass die Leute im Wartebereich meinen Ausbruch höchstwahrscheinlich mithören konnten. Einige schauen mich mitleidig, andere höchst missbilligend an. Aber was soll`s! Die wissen ja auch nicht, dass ich gerade mein Todesurteil bekommen habe! Nur Frank sieht sofort an meinem verheulten Gesicht, dass irgendetwas anders verlaufen ist als erwartet! Ich versuche mich ganz ruhig neben ihn zu setzen und alles zu berichten. Aber mit jedem Wort werde ich lauter, bis ich fast in sein Ohr brülle. Nun spüre ich erst recht die Blicke der anderen Patienten. Ich möchte sie anschreien: `Soll ich Autogramme verteilen, damit ihr mit der Glotzerei aufhört`? Das lasse ich dann aber doch. „Bitte bringe mich zum Auto“ sage ich Frank so beherrscht wie möglich. Dann stürme ich auch schon los, ohne darauf zu warten, ob er mir überhaupt folgt. Draußen vor dem Gebäude-Autobrausen empfängt mich-versuche ich erstmal tief durchzuatmen. Ich habe aber das unangenehme Gefühl, dass jemand auf meiner Brust sitzt und sie mir zusammenquetscht. Je tiefer ich einzuatmen versuche, desto mehr summt und brummt es in meinem Schädel! Dann ist Frank endlich bei mir und stützt mich. Mir selbst ist gar nicht bewusst geworden, dass ich schwanke. Ich kann kaum noch stehen, so dass er mich zum Auto führen muss. `Es ist sonderbar, aber es ist alles noch genauso wie vor meinem Todesurteil: Die Autos fahren immer noch viel zu schnell durch die Straßen, die Fußgänger fühlen sich genauso belästigt und bedrängt durch die hupenden Fahrzeuge und in unserem Auto summt noch die selbe Fliege, die mich auf der Herfahrt schon genervt hat`, blitzt ein Gedanke in mir auf. Nun versuche ich erst mal, Frank alles so genau wie möglich zu erklären. Ich sage ihm zum Abschluss dieser Hiobsbotschaft, dass er bitte drinnen warten soll, da die den Bericht gleich schreiben wollen.

Eine halbe Minute später bin ich mit mir und diesem Monster in meinem Schädel alleine. Nun geht es erst richtig rund in meinem Kopf! Ich möchte schreien-ich kann es nicht! Ich möchte weinen-ich kann es nicht! Ich möchte mit jemandem über meine Angst reden-ich kann es nicht! Doch, halt, klar, ich kann doch Peter anrufen! Ob ich ihn wohl störe, wenn ich ihn auf der Arbeit anrufe? `Was für unsinnige Gedanken mir auf einmal durch den Kopf schießen’ sinniere ich `ich hab doch seine Handynummer, und er hat gesagt, dass ich anrufen kann, wenn es brennt. Und wenn es jetzt nicht brennt, wann dann`! Nicht lange überlegen, sonst kämpft die Vernunft wieder ewig lange mit der Angst, die im Moment ja doch nur Sieger bleiben kann! Nach dem zweiten Klingeln ist Peter dran. Und nach einer kurzen Begrüßung prügele ich ihm alles über, was diese panische Angst in mir hochkochen lässt.

Schweigen…

„Bist du noch da?“ frage ich. „Was `ne Scheiße“ antwortet er „oder ist das ein makabrer Scherz? Wenn ja, lege ich dich bei erster Gelegenheit übers Knie“! Selbst bei so einem Anlass kann er noch Scherzen, und auch ich muss erst mal ein bisschen schmunzeln. Als ich nichts sage, kommt von ihm, plötzlich ganz ernst: „Es ist also wahr, du hast einen Gehirntumor! Wie soll es denn jetzt damit weiter gehen?“ Als ich wieder anfange zu heulen, und sage, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, sagt er spontan: „Packe was zum Anziehen ein und komme mit Frank ein paar Tage zu uns. Karin wird dich sicherlich gerne ein bisschen bemuttern, wirst schon sehen, dann ist alles nur noch halb so schlimm!“ `Halb so schlimm?’ brüllt es in meinem Hirn. Ich spreche es aber nicht aus, ich weiß ja, dass Peter es total lieb meint! Ich bin ihm auch dankbar dafür! Schnell sage ich ihm, dass ich aber erst mal zu meinem Arzt muss damit. „Der kennt sich mit solchen Sachen aus. Richard hat schließlich selbst solche OP`s durchgeführt. Er kann mir auch sagen, ob dieses Ding wirklich gutartig ist, oder ob der Arzt sich nur rausgeredet hat“. So verbleiben wir also, dass ich zu Dr. Klausen fahre, um mit ihm alle weiter notwendigen Schritte zu besprechen. Er ist nicht nur der Arzt meines Vertrauens, sondern auch mein Ausbilder, bei dem ich eine Umschulung begonnen habe. Anschließend will ich noch zu meinem eigentlichen Hausarzt fahren, damit er mich ein paar Tage krankschreibt.

Ich wäre auch wirklich nicht in der Lage, in die die Umschulung vorbereitende Klasse zu gehen, und einen auf keepsmiling zu machen. Am Ende müsste ich dann auch noch zuhören, wie jemand wiedermal zum Besten gibt: „Jetzt habe ich schon seit 3 Tagen Schnupfen, ich werde wohl sicherlich bald meinen Kopf unter dem Arm tragen!“ Ich würde dann vermutlich anfangen zu toben: „Weißt du eigentlich was krank ist? Hast du überhaupt nur den Hauch einer Ahnung, wie sich das anfühlt, wenn der Arzt einem sagt, dass man einen Gehirntumor hat? DU hast doch noch dein ganzes Leben vor dir-aber ich?“ Sie würden mich dann sicherlich anstarren, als käme ich von einem anderen Stern! Dieser Gedanke lässt mich erst mal kichern. Als Frank zurückkommt, fragt er nach dem Grund und ich erzähle es ihm. Da muss auch er lachen. Kein echtes Lachen, es ist eher Galgenhumor, der sich zwischen uns breit macht!

Während der Fahrt suchen wir immer wieder krampfhaft nach Themen, die zum Lachen sind, nur um uns nicht anzuschweigen. Dann tue ich so, als ob ich aus dem Seitenfenster etwas besonders interessantes sehe. Ich will nicht, dass Frank sieht, dass ich schon wieder Tränen in den Augen habe! Endlich kommen wir in der Praxis Dr. Klausen an. Der Doc ist noch am Operieren, was natürlich bedeutet, dass wir warten müssen. Warten zwischen Patienten, die mich verständnislos anschauen wegen der deutlichen Tränenspuren in meinem Gesicht. Sie kenne mich aus der Praxis ja als taffe Helferin. Warten mit diesen Fragen, die in meinem Bauch rumoren. Das ist wie Folter. Dann-nach Stunden wie mir scheint, obwohl es sicherlich nur Minuten sind-kommt Richard endlich nach vorne, wo er mich auch gleich entdeckt. Eine nette, höfliche Begrüßung, wie sonst zwischen uns üblich, gibt es heute nicht. Seine Gesichtszüge erscheinen mir plötzlich wie eingefroren, als er meinen Gesichtsausdruck sieht. Dann sagt er nur schnell: „Gib mir 2 Minuten mich umzuziehen“, und schon ist er in seinem Zimmer verschwunden.

Wieder warten.