In Neptuns Schlepptau - Heidelind Clauder - E-Book

In Neptuns Schlepptau E-Book

Heidelind Clauder

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Beschreibung

Das Tagebuch einer Schiffsreise führt durch ganz Europa – vom Mittelmeer zum Nordkap. Dabei beeindrucken die Erzählerin die Sehenswürdigkeiten aus der Antike bis zur heutigen Zeit ebenso wie die Schönheit der Landschaften, wie beispielsweise die schottischen Highlands, die Fischerdörfer am Nordkap oder die Fjordlandschaften in Norwegen. Eingefügt sind Sagen und Märchen aus den verschiedenen Ländern, die sowohl kulturelle Eigenheiten wie auch Gemeinsamkeiten der europäischen Länder betonen und auf diese Weise diese Länder dem Leser nahebringen. Im Mittelpunkt stehen jedoch Begegnungen mit Menschen – aufmerksam und zuweilen kritisch kommentierte Erlebnisse mit den Einheimischen der bereisten Länder ebenso wie mit den Mitreisenden. Neptun, der Meeresgott, begleitet die Reise als fiktives „Alter Ego“, Kommentator, Kritiker, am Ende sogar als Freund – ein Gott, der die Menschen liebt.

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Seitenzahl: 126

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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Impressum:

© Verlag Kern GmbH, Ilmenau

© Inhaltliche Rechte beim Autor

1. Auflage, Dezember 2017

Autorin: Dr. Heidelind Clauder

Fotos: Heidelind Clauder

Technische Unterstützung: Sven Metz

Covermotive: www.fotolia.de | © serz72 | © Christine Wulf

Layout/Satz: Brigitte Winkler, www.winkler-layout.de

Lektorat: Manfred Enderle

Sprache: deutsch

ISBN: 978-3-95716-262-5

E-Book: ISBN 978-3-95716-280-9

www.verlag-kern.de

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Übersetzung, Entnahme von Abbildungen, Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, Speicherung in DV-Systemen oder auf elektronischen Datenträgern sowie die Bereitstellung der Inhalte im Internet oder anderen Kommunikationsträgern ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags auch bei nur auszugsweiser Verwendung strafbar.

Heidelind Clauder

In Neptuns Schlepptau

Vom Mittelmeer zum Nordkap

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Textbeginn

Autorenbiographie

Quellenangaben

20. September bzw. 21. September 2015

Um Mitternacht geht die Party nebenan zu Ende. Ich bin auch am Ende. Ich, eine Mittvierzigerin, Justizbeamtin, durchaus fleißig, neublond, neugierig und deshalb viel auf Reisen.

Um vier Uhr treffe ich mich mit Gabi und Piet – beide mitteljung und mit der Vorliebe für gutes Essen ausgestattet – um in Düsseldorf mit dem Flieger abzuheben.

Nach mehrmaligem Verfahren, denn die Wuppertaler Umbauarbeiten, den neuen Bahnhof betreffend, erstrecken sich inzwischen fast über das gesamte Stadtgebiet, erreichen wir die Landeshauptstadt und als Highlight endlich den Flughafen, womit wir im Verlaufe der immer knapper werdenden Zeit nicht mehr so sicher rechnen konnten. Leider nahm mit verstreichender Zeit auch das Konfliktpotenzial zu, sodass Gabi und Piet, die sich sonst recht gut verstehen, irgendwie verstört wirkten. Auch ich fühlte mich gestört – nicht nur durch die Kälte und die Müdigkeit.

Das Auto wird verfrachtet, wir checken ein und sehen, dass das kleine Flugzeug, welches uns avisiert wurde, durch ein noch kleineres ersetzt worden war. Die XXL-Plätze sind weg, aber das macht eigentlich nicht viel. Es herrscht eine gewisse intime Atmosphäre. Mein Vordermann sitzt auf meinem Schoß. So ähnlich geht es auch den anderen Flugpassagieren. Der Spaß hört auf, als es keinen Kaffee für die müden Geister gibt. Revolutionäres Gedankengut macht sich im Transportmittel breit. Ich glaube, das ist die erste Revolution, deren Ursache Kaffeelosigkeit ist. Die etwas verstört wirkende Crew schafft es letztlich doch, ein finster wirkendes Gebräu heranzuschaffen. Es ist bitter, schmeckt bitter, die Flugbegleiter sind verbittert, die Passagiere bitter verwundert.

Aber auch das kann einen urlaubswilligen Touristen nicht völlig erschüttern. Palma de Mallorca wird letztlich doch erreicht mit angezogenen Knien unter dem Kinn und ohne Bombendrohung oder ähnliche Überraschungen.

Das Schönste an Palma sind der wunderbar blaue Himmel und die angenehmen Temperaturen. Irgendwie gewinnt die müde Schar der angehenden Kreuzfahrer wieder an Lebendigkeit und Freude.

Der Transfer-Bus fährt auf der Uferstraße an der wunderbaren Kathedrale vorbei, der Himmel wird noch blauer, die Temperatur erscheint noch höher – eigentlich alles paletti. Schön ist der Anblick des Schiffes im Hafen von Palma, den wir über eine Stunde genießen dürfen. Die Transfer-Busse bilden eine lange Schlange, dazwischen rasen Taxen durch das Hafengelände mit Gästen, die die private Anreise bevorzugen. Wir harren der Dinge, die da kommen werden. Gabi harrt nicht, sie murrt, sie mosert. Ihr Ritter erklärt, er habe furchtbaren Durst. Einige Mitreisende kontern, dass wohl alle mit Durst zu tun hätten. Damit verpuffen seine Wehklagen zunächst im Leeren. Er mault, hat aber die „Zeichen der Zeit“ verstanden.

Endlich ist es so weit, dass wir das Zeichen zum Aussteigen erhalten. Eine Invasion, die aber in der Mehrheit den kriegerischen Aspekt vernachlässigt, setzt sich in Bewegung.

Da die Kabinen „aufgehübscht“ werden müssen und alle Marco Polos zu gleichen Zeit einrücken, die abreisenden Passagiere aber z. T. noch an Bord sind, gibt es einen immensen Stau, mit dem die Rezeption, die sich große Mühe gibt, der Heerscharen Herr zu werden, ihren Kummer hat. Erfreulich: Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Humor der Crew. Die Kabinen sind noch nicht beziehbar, aber Essen gibt’s in Hülle und Fülle, sodass der ganze Frust sich in Hühnerbeinen, Gratins und anderen Köstlichkeiten auflöst. Ich weiß nicht, was ich im Augenblick mehr begehre: die Pistazientorte oder den rundlichen Koch. Ich glaube, ich bleibe bei der Pistazientorte. Gabi ist völlig versunken in Pommes mit Currywurst. Piet schleckt XXL-Eisportionen. Er sieht rührend glücklich und zufrieden aus; von seinem Hemd tropft das Himbeereis.

Der Nachmittag vergeht mit Essen, Warten, schließlich Kofferauspacken und ähnlichen segensreichen Tätigkeiten. Nach dem Abendessen – so wird über Bordlautsprecher angesagt – legt die Schiffscrew Wert auf einen Trockenschwimmkurs mit Rettungsweste, bei der Hitze ein wirklich ergötzlicher Programmpunkt. Selbst mit größter Anstrengung kommt man an diesem Übungsteil nicht vorbei, wie die häufigen Durchsagen erkennbar machen.

Die Kabinen sind geräumig, der Balkon bedeutet eine Rückzugsmöglichkeit. Nett: Die beiden Kabinenstewards bringen jedem eine rote Rose und ganz lieb gemeinte Hilfsangebote.

Am Abend desselben Tages

Trockenschwimmen, d. h. die Rettungsmaßnahmen im Falle einer Seenotgefährdung sind angesagt. Keiner kann sich drücken, obwohl sich das alle wünschen. Aber das Abhaken von Kabinennummern scheint zu den Lieblingsbeschäftigungen der Crew zu gehören. Alles, was das Schiff an dienstbaren Geistern aufzubieten hat, steht als Bollwerk an Deck. Man kommt ohne ein Handgemenge nicht vorbei. Es ist heiß, die angelegten Schwimmwesten machen den Vorgang keineswegs erträglicher. Gabi kollabiert; ein mitleidiger Schiffsoffizier nimmt ihr das orangenfarbige Folterinstrument von Hals und Brust und führt sie in ein stilles Eckchen. Sie tut mir leid; man sieht, dass es ihr nicht gut geht.

Die Zeit vergeht keineswegs wie im Flug. Die Passagiere maulen, die Crew feixt. Das Ganze dauert eine gefühlte Ewigkeit. Ich glaube, dass wir im Falle echter Seenot schon auf dem Grund des Meeres lägen, vielleicht ein bisschen angeknabbert von ein paar neugierigen Haien. Auch das wäre nicht viel schlimmer als diese Zeit der Folter. Dann müssen wir uns vor den Rettungsbooten aufstellen. Ich habe große Angst, dass wir live in die Boote klettern sollen. Aber das erspart man uns doch.

Nach absolviertem Programm gehen bzw. schleichen wir in unsere Kabinen, setzen uns auf den Balkon und resümieren das Geschehen des heutigen Tages. Note 5 für den letzten Tagesabschnitt. Aber: Essen, Köche und alles andere: klasse!

Wir sind sehr schnell wieder versöhnt: Das Schiff legt ab. Und was sich im Tageslicht so schön präsentierte, sieht im Lichtermeer der mallorquinischen Hauptstadt märchenhaft aus. Unzählige bunte Lichter begleiten das sich langsam aus dem Hafen entfernende Schiff. Auf der Anhöhe erkennen wir wieder die Kathedrale, beleuchtet von bunten Lampen und dem Mondlicht. Die Kirche am Morgen bei Sonnenschein: schön. Jetzt, am Abend: geheimnisvoll, überirdisch, kaum zu beschreiben. Realität und Märchen zugleich.

Diese Kirche, der Heiligen Maria gewidmet und im Volksmund La Seu genannt, trägt mit Recht den Titel, eine der schönsten Kirchen der Welt zu sein. Das gotische Bauwerk scheint bis zu den Wolken des Himmels zu reichen. Die Dimensionen sind gewaltig: Das Hauptschiff ist 43 Meter hoch, die Säulen 20 Meter. Die Rosettenfenster sind wunderbar: gebrochenes Licht und doch ein Strahlen, welches zu Herzen gehen kann.

An der Reling stehen viele Mitreisende. Es ist sehr ruhig nach den Turbulenzen des Tages. Die märchenhaften Bilder ziehen die Menschen in ihren Bann.

Ich igle mich bald weiter auf meinem Balkon ein und träume vor mich hin. Die Legende, die sich um La Seu rankt, gefällt mir:

Der König geriet mit seinen Soldaten bei der Überfahrt nach Mallorca in einen gewaltigen Sturm. Der Herrscher und seine Leute glaubten sich verloren und wollten resignieren. Da betete der König, Jaume I., zu der Heiligen Maria und versprach ihr für die Rettung aus dieser hoffnungslosen Lage den Bau der Kirche. König und Truppen überlebten den schweren Sturm wie durch ein Wunder unversehrt. Wieder an Land, gerettet aus Todesnöten, machte der König sein Versprechen wahr. Nachdem die Mauren von der Insel vertrieben worden waren, wurde am Neujahrstag 1230 der Grundstein für die Kirche gelegt, und zwar auf den Fundamenten der Moschee, eine symbolträchtige Handlung. Die Vollendung des Baus dauerte viele Jahrhunderte. Baumeister, Handwerker, Arbeiter taten alles in ihrer Macht Stehende, um die Kirche vollendet zu gestalten.

Trotz aller Mühen der Bauleute muss man feststellen, dass die Kathedrale erst im 20. Jahrhundert mit der Fertigstellung der Hauptfassade vollendet war. Obwohl sie durch viele Stilarten geprägt ist, bleibt sie Erinnerung an die Frömmigkeit vergangener Zeiten und für uns ein faszinierendes und bewegendes Kunstwerk. Für viele Menschen bedeutet sie auch heute – in unserer unruhigen Zeit – Andacht und Trost – vielleicht gerade heute.

Aber ich will nicht philosophieren, komme auch gar nicht dazu. Das Schiff passiert den Hafen und gelangt ins offene Meer. Die Wellen in den dunklen Farben, die durch das Mondlicht viele herrliche Nuancen erhalten, faszinieren nicht nur mich. So schön hatte ich mir das nicht vorgestellt. Und dann erstarre ich. Ein Bild, eine Imagination? Egal. Neptun der Gott der Meere, schaut mich an, er winkt mit seinem Dreizack und lächelt zu mir empor. Ich möchte ihm zuwinken, aber vor einer Majestätsbeleidigung schrecke ich zurück. Einen flüchtigen Moment denke ich an den Neptun-Brunnen vor dem Elberfelder Rathaus. Der Meeresgott gefällt mir lange nicht so gut wie das Original. Dennoch: Die Reise steht unter einem guten Stern – mit der fröhlichen Zustimmung eines Gottes, der dieses Element beherrscht.

IRGENDWIE VERTRAUE ICH DIR, GOTT NEPTUN, DEIN LACHEN KANN ICH ALLERDINGS NICHT DEUTEN. ABER WAS SOLL’S? ICH BIN AUCH VIEL ZU MÜDE, UM IN INTERPRETATIONEN ZU VERSINKEN. DU GEFÄLLST MIR NOCH BESSER ALS DER BELEIBTE KOCH VOM MITTAG.

Da ich Gabi und Piet in der Nebenkabine nicht wach bekomme, mache ich mich über die Minibar her. Ich schlafe schnell, sogar sehr schnell ein, träume von Neptun, der auf einmal wie mein Zeitungsbote zu Hause aussieht, seine Zähne im Neptun-Brunnen auf dem Marktplatz putzt und den Herrscher der Meere zum Duell auffordert. Aber das liegt mit Sicherheit an den Drinks, mit und ohne Alkohol, mehr mit …

Ich bin glücklich, sehe die Bilder von Nymphen mit Blumen- und Efeukränzen, riesigen Wellen und einem Gott, der die Menschen mag.

Nächster Tag

Schiffstag. Das Geschehen ist ganz leicht zusammenzufassen: Essen – Schlafen – Essen – Balkon – Essen – Schlafen. Die größte Abwechslung: Postkarten schreiben – und das im Akkord. Hin und wieder: Animation, die bei dem herrlichen Wetter kaum von Erfolg gekrönt ist. Piet, Gabi und ich machen aus Mitleid mit. Aber nicht lange. Dann rufen die Deckstühle und ein kaltes Getränk.

Interessant an diesem Tag: der Anblick vieler älterer Herren, von Statur ein wenig kompakt gebaut, in Shorts (kariert) und Socken (grau). Das ist kein Klischee, obwohl es eins sein könnte. Die Vorstellung der älteren (oder alten) Damen in Minikleidchen, gerade über den Po reichend, ist auch nicht wesentlich erhebender. Den besten Anblick bieten die Schiffsoffiziere in ihren schmucken Uniformen. Aber davon gibt es zu wenig. (Nicht von den Uniformen, sondern von den Offizieren.)

Schön ist es, auf dem Balkon zu liegen, zu lesen oder einfach nur zu dösen. Ich ertappe mich dabei, dass ich nach Neptun Ausschau halte. Aber der Beherrscher der Meere scheint das Mondlicht vorzuziehen. Was ich verstehe.

Am Abend, auf meinem Balkon, beobachte ich das Meer, den Mond. Stimmen ertönen sehr gedämpft. Ich stelle fest, dass ich diesen Tag, den ich mir vorher inhaltslos, langweilig vorgestellt hatte, genossen habe. Die Hast, die Eile, mit der wir sonst oft zu kämpfen haben, ist fort. Der Alltag ist weit weg. Man muss sich der Ruhe stellen, der Tatsache, dass man ihr nicht ausweichen kann. Gedanken, die man im Geschäft des täglichen Lebens zu verdrängen vermochte, sind da und müssen ausgehalten werden. Auseinandersetzung mit sich selbst ist angesagt. Aber es ist nicht schmerzlich, sondern voller Ruhe – im Mondlicht, beim Rauschen des Meeres, das hundert Geschichten und mehr erzählt, Sagen murmelt, Silberglanz vom Himmel aufnimmt und weiterleitet, schön und voller Frieden. Ich bin sicher, dass viele von uns so ähnlich empfunden haben.

Natürlich warte ich auf den Beherrscher der Meere. Ich warte lange, sehr lange sogar. Aber heute zeigt er mir die kalte Schulter.

Mittwoch, 23.09.

Am Vormittag: das übliche Ritual (s. o.). Essen kann man rund um die Uhr. Die Küchencrew hat den noch vorhandenen Modelmaßen der anwesenden Damenwelt den Kampf angesagt. Die Ausrede, dass doch Urlaub sei, hört man allenthalben. Trost? Kein Trost. Zu Hause werden die angefutterten Pfunde abtrainiert werden müssen. Und das ist kein leichtes Unterfangen.

Das Wetter ist wunderbar: tiefblauer Himmel, hin und wieder weiße Wölkchen.

In der glühenden Mittagssonne taucht Malta auf; die Insel macht den Eindruck, als würde uns Neptun den Dreizack entgegenstrecken und Aphrodite zusammen mit der restlichen Götterwelt aus dem Wasser emporsteigen. Wie viel Schönheit!

Die Einfahrt in den Hafen allein ist schon ein Erlebnis.

Der Blick vom Schiff, welches den Leuchtturm passiert hat, fällt unweigerlich auf Fort St. Elmo, einen riesigen Bau. Wenn man aber erkennt, dass außer diesem Bau mit Fort St. Angelo, Fort Ricasoli und Fort Rinella noch weitere Bauwerke vorhanden sind, die Malta zur Verteidigung dienten, so wird schnell klar, dass das kleine Land eine wechselhafte Geschichte erlebte, die dem Land und den Menschen viel abverlangte. Und so ist es: Karthager, Römer, Araber, Deutsche, Spanier, die Ordensritter, die vielleicht die nachhaltigsten Spuren hinterließen, Franzosen, Engländer haben die Geschicke der Insel beeinflusst, bis Malta 1974 Republik wurde. Fünf natürliche Hafenbecken ergeben einen optimalen Schutz. Imposant: die Lagerhäuser am Hafen, die den Kern der Valletta Waterfront bilden. Aber das, was am meisten beeindruckt und begeistert, ist der Anblick der weißen Häuserfront. Viele Reiseführer benutzen den Vergleich mit „Schwalbennestern“, abgedroschen, aber zutreffend. Ich empfinde den Eindruck der Gleichheit, die aber durchaus Vielfalt beinhaltet. Balkons, Fensterläden mit grünen Gittern, Dachgärten. Ich glaube, wenn man mich hier aussetzen würde, wäre ich nicht unzufrieden. Ich durfte in der Vergangenheit viel Schönes sehen – Rio mit dem Zuckerhut, die Pyramide des Zauberers, die Gobi –, alles war beindruckend, herrlich. Aber Malta ist von besonderer Qualität. Und vielleicht könnte ich den Blickkontakt mit Neptun noch gratis dazu bekommen.

Mit dem Bus geht es nach Valletta. Herrliche Aussichtspunkte, wunderschöne Gärten, pittoreske Gassen, die Straßen schachbrettartig angelegt, beeindrucken und imponieren. Mir gefällt auch, dass in der Innenstadt kein Autoverkehr herrscht. Lediglich kleine Elektro-Autos sind im Notfall zur Stelle.

Hübsch ist auch, dass die Plätze schön begrünt sind, dass unter den Bäumen sich das Leben in den Restaurants im Freien abspielt. Es ist eine heitere, ungezwungene Atmosphäre.

Das Highlight auf diesem Spaziergang in glühender Hitze ist der Besuch des Großmeisterpalastes, von Gerolamo Casar 1571 begonnen, jetzt Sitz des maltesischen Parlaments. Um den ersten Stock ziehen sich die großen, grünen Balkons, typisch für die maltesischen Häuser und vor allem die Paläste. Sie sind Überbleibsel aus der arabischen Epoche, dienen dem Schutz vor Hitze und ermöglichten es früher den Frauen, die das Haus nicht verlassen durften, am Tagesgeschehen teilzunehmen, ohne selbst gesehen zu werden.