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Ein Roman über ein witzig-verrücktes Verbrecherquartett, schräge Raumpiraten, böse Diktatoren und die Benutzung eines Helikopters als Raumschiff. Diese Geschichte ist in einem Forenspiel entstanden, bei dem man zu dieser Geschichte jeweils einen Abschnitt hinzufügen musste. Die für dieses Format ungewöhnlich hohe, zusammenhängende Qualität veranlasste uns dazu, die entstandene Geschichte als Buch zu veröffentlichen. Teil 1: Die absurd-witzige Vorgeschichte. Drei verrückte Studenten unternehmen eine äußerst unkonventionelle Weltreise mit gestohlenen Zügen, Helikoptern und Flugzeugen. Teil 2: Die inzwischen international gesuchten Freunde setzen sich kurzerhand ins All ab. Science Fiction mit bunten Sternennebeln, Raumpiraten, Kanonengefechten und zwei größenwahnsinnigen Diktatoren.
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Seitenzahl: 484
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Infinite Adventures: zweiteiliger Doppelband Originale deutschsprachige Fassung – nicht übersetzt. © Mirco Hensel, yury und Tobias Frei, infiniteadventures.de
Dies ist eine offizielle Ausgabe der Infinite Adventures, herausgegeben von Tobias Frei. Veränderte Versionen und unautorisierte Nachdrucke müssen deutlich als solche erkennbar sein. Auch das Impressum muss angepasst werden, wenn das Dokument verändert wird.
Diese EPUB-Ausgabe wurde speziell für den Vertrieb über Drittanbieter erstellt. Aufgrund rechtlicher Bedenken ist diese spezielle Ausgabe NICHT frei lizenziert. Der frei lizenzierte LaTeX-Quelltext sowie frei lizenzierte Ausgaben in den Formaten PDF, HTML und EPUB sind wahrscheinlich auf der offiziellen Website, infiniteadventures.de, erhältlich.
Printed on Örz, NGC 6193 – brought to you by IGLS, your friendly interstellar freight forwarding service!
Texte: © Mirco Hensel, yury und Tobias Frei, infiniteadventures.de
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Erste Auflage, erschienen 2019-04-01
Verlag & Herausgeber: Tobias Frei Böhler Weg 19 42285 Wuppertal [email protected]
Teil 1:
Die absurd-witzige Vorgeschichte. Drei verrückte Studenten unternehmen eine äußerst unkonventionelle Weltreise mit gestohlenen Zügen, Helikoptern und Flugzeugen.
Teil 2:
Die inzwischen international gesuchten Freunde setzen sich kurzerhand ins All ab. Science Fiction mit bunten Sternennebeln, Raumpiraten, Kanonengefechten und zwei größenwahnsinnigen Diktatoren.
Diese Geschichte ist in einem Forenspiel entstanden, bei dem man zu dieser Geschichte jeweils einen Abschnitt hinzufügen musste. Die für dieses Format ungewöhnlich hohe, zusammenhängende Qualität veranlasste uns dazu, die entstandene Geschichte als Buch zu veröffentlichen. Mehr Informationen gibt es auf der offiziellen IA-Website:
infiniteadventures.de
Vom 14. Februar 2010 an schrieben die Autoren, anfangs noch ohne yury, die folgende Geschichte. yurys Erscheinen im Text kennzeichnet die Stelle, an der er anfing, die Infinite Adventures zu dem zu machen, was sie heute sind.
Die Handlung des Romans ist fiktiv, absurd und nicht zur Nachahmung geeignet. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Der gesamte Inhalt des Buches wurde von den Autoren der Infinite Adventures frei erfunden.
Orakel wollte gerade ein Buch lesen, als er merkte, dass er es falsch herum hielt. Er wendete das Buch und bemerkte erstaunt, dass man es so viel einfacher lesen konnte. Danach ging Orakel zur Universität. Da er vor der ersten Vorlesung noch etwas Zeit hatte, machte er Halt vor der Mensa und kaufte sich dort drei Schokomuffins und einen Apfel.
Während Free durch den Gang lief, sah er durch die Glastür der Mensa seinen Freund Orakel, der gerade am Fenster einen Apfel aß. Free schlich sich an ihn heran und schubste seine Hand plötzlich nach vorne, sodass der Apfel aus dem Fenster fiel. Orakel sprang hinterher, denn er liebte Äpfel. Free wollte Orakel festhalten, ohne Erfolg. Auch Free fiel aus dem Fenster.
Quintus, der unten auf dem Weg stand, beobachtete, wie ein Apfel aus einem Fenster im dritten Stock fiel. Er stand da, starrte den Apfel an und musste lachen, als Orakel und Free auch aus dem Fenster fielen. Free fragte ihn, warum er lache – schließlich hatten die beiden gerade ohne Probleme eine Landung aus dem dritten Stock überlebt! Quintus war der Meinung, Orakel und Free seien »total irre«. Danach fiel den beiden auf, dass Quintus laut den Angaben in ihren Lateinbüchern eigentlich schon längst tot sein müsste. Quintus erinnerte sich, entschuldigte sich und fiel tot um. Orakel und Free hatten keine Zeit, sich darüber zu wundern, weil plötzlich ein Polizist neben ihnen stand. Er schrie die beiden an und war fest davon überzeugt, dass sie Quintus ermordet hätten. Free und Orakel wollten ihm erklären, dass Quintus einfach so tot umgefallen war, aber der Polizist glaubte ihnen nicht und die beiden mussten vor Gericht. Der Richter entschied auf dreihundert Sozialstunden im öffentlichen Dienst. Orakel machte zehn davon und ließ Free 290 machen.
Free war wütend auf Orakel, doch der war schon lange zu Hause und sah sich ein Fußballspiel im Fernsehen an. Daher beschloss Free, noch einmal zum Richter zu gehen und ihm die Sache zu erklären. Der Richter verstand das Problem von Free und ließ Orakel die 290 Stunden Sozialarbeit machen. Free durfte nach Hause. Als Orakel das hörte, verklagte er den Richter. Er verlor den Prozess und war sehr traurig.
Dann ging Orakel zum Bahnhof und nahm einen Zug nach »Leerfahrt«. Orakel fand diesen Ort komisch und stieg in den Zug ein. Er wunderte sich, warum er so alleine im Zug war. Als er im Betriebshof landete, sah er Free, denn der hatte seine Schuhe in einem Zug vergessen und wollte sie nun finden. Als »Wiedergutmachung« half Orakel Free bei der Suche. Nach drei Stunden hatten sie schon 98 Züge der DB durchsucht, hatten dabei aber kein Glück gehabt. Free fing an, zu verzweifeln. Orakel wollte ihn beruhigen, indem er erklärte, dass sie doch schon 98 von 23.261 Zügen durchsucht hatten, doch das war kein Trost für ihn. Free erinnerte sich allerdings, dass er die Schuhe zu Hause hatte – Orakel und Free hatten umsonst gesucht.
Bis jetzt waren die beiden unbemerkt geblieben und hatten sich vor den Bahnangestellten im Betriebshof versteckt, um nicht für Einbrecher gehalten zu werden. Nun mussten sie es schaffen, den Bahnhof unbemerkt zu verlassen. Auf der Suche nach dem Ausgang kam ihnen ein Mitarbeiter des Objektschutzes entgegen. Er sah Orakel und Free merkwürdig an und fragte sie, ob sie hier arbeiteten. Orakel sagte schnell, dass sie die neuen Praktikanten seien und sich nur ein bisschen umsehen wollten. Der Wachmann ging kurz in einen anderen Raum, um nachzufragen, ob es wirklich neue Praktikanten gab. Diesen Moment nutzten die beiden, um davonzulaufen. Der Wachmann bekam nichts mit. Er wunderte sich, warum die »neuen Praktikanten« schon weg waren. Nach dem Besuch bei der DB gingen Orakel und Free zur Schwebebahn. Als sie ohne Ticket erwischt wurden, kam ihnen der gleiche Mitarbeiter entgegen, der sie auch schon im Betriebshof erwischt hatte.
Der Wachmann meinte verärgert: »Euch kenne ich doch!«
Schnell sagte Free zu Orakel: »Hey you! I know you!«
Orakel antwortete: »No!«, und Free sagte zum Wachmann »Nein!«. Free erklärte ihm, dass Orakel nicht gut Deutsch sprechen könne, sondern nur Englisch. Der Wächter verlor bald die Geduld und rief die Polizei. Nun wurden Free und Orakel von der Polizei verfolgt! Als ein Streifenwagen eintraf, versteckten sich Orakel und Free hinter einer Hütte.
Orakel flüsterte zu Free: »Ob sie uns finden werden?«
»Ja. Werden sie«, antwortete eine Stimme hinter ihnen. Es war yury, der Orakel und Free die ganze Zeit bei ihren Taten beobachtet hatte. Er fragte, ob er ihnen auf der Flucht helfen solle. Free wollte daraufhin wissen, ob yury einen Führerschein hatte, denn Orakel war gerade dabei, ein Fluchtauto mit Automatikgetriebe zu klauen. Nun wurden sie erst recht verfolgt, aber zum Glück konnte yury sehr gut Auto fahren und so hängten sie ihre Verfolger ab. Free wunderte sich, dass es so leicht war, vor der Polizei zu fliehen, doch yury behauptete, Polizisten gäben immer so schnell auf. Orakel glaubte ihm das nicht, und er sollte Recht behalten. Denn gerade als sie sicher waren, die Polizisten abgehängt zu haben, tauchte an der nächsten Ecke ein Polizist auf. yury wollte umkehren, aber hinter ihnen stand ebenfalls ein Polizist. Also fuhr yury einfach durch den Wald, haarscharf an Bäumen vorbei. Zehn oder zwanzig Polizeiautos verfolgten sie. Die Polizisten riefen:
»Sofort anhalten, oder wir schießen!«
Daraufhin hielt yury natürlich nicht an, sondern fuhr einfach weiter durch den Wald. Während die Polizisten Mühe hatten, überhaupt mitzukommen, war bereits ein Polizeihubschrauber im Anflug. Außerdem gab es im Fernsehen und im Radio Aufrufe, die bei der Suche halfen. Der Wachmann von der DB hatte sie wiedererkannt und gemeldet.
Trotzdem konnten Free, Orakel und yury mit knapper Not entkommen – zumindest dachten sie das, nachdem yury tiefer in den Wald gefahren war und als sie keine Polizeiautos mehr sahen. Einige Zeit später hörten sie allerdings einen Hubschrauber über sich. Es war natürlich der Polizeihubschrauber, der sie verfolgte. yury fuhr schneller in den dichten Wald hinein, bis vor ihnen plötzlich ein Baum und daneben ein funktionstüchtiges Flugzeug standen. Er hatte die Wahl, entweder in den Baum oder in das Flugzeug zu rasen, denn er konnte nicht mehr bremsen. Er entschied sich für den Baum, alle sprangen aus dem Auto, das Auto raste gegen den Baum und Free fragte yury, ob er auch fliegen könne. yury meinte, dass sich ein Flugzeug sicher wie ein Auto steuern ließe, nur, dass man dabei in der Luft und nicht auf einer Straße sei. Obwohl Orakel daraufhin stolz seine eigene gültige Flugerlaubnis vorzeigte, hielten Free und yury es für eine ziemlich schlechte Idee, Orakel das Flugzeug steuern zu lassen. Also setzte sich yury ins Cockpit. Die Propellermaschine fuhr los, aber bereits eine Minute später stieß yury mit einem Baum zusammen und das Flugzeug war kaputt. Free war sauer auf yury und Orakel grinste schadenfroh, obwohl er von dem Problem selbst betroffen war. Als sie das Flugzeug verlassen hatten und keinen Polizisten sahen, freuten sie sich. Die Freude hielt ungefähr eine halbe Minute an, denn danach tauchten plötzlich mehr als hundert Polizeiautos vor ihnen auf. Free, yury und Orakel liefen zu einem Flughafen, als ginge es um ihr Leben, und fanden dort ein leeres Passagierflugzeug vor. Die drei stiegen in das Flugzeug ein und verschlossen die Tür. Diesmal waren sie sich einig, dass Orakel ins Cockpit gehen sollte, und wirklich – Orakel fuhr das Flugzeug zur Startbahn. Dann wurde das Flugzeug immer schneller und sie hoben ab. Orakel konnte wirklich fliegen.
Zehn Minuten lang hatten sie gedacht, dass sie jetzt in der Luft in Sicherheit seien, aber dann zeigte einer der etwa fünfzehn Bildschirme im Cockpit den Text »Technical failure of engine 2« an. Kurz darauf begann das Flugzeug gefährlich zu schlingern. Eine Notlandung war notwendig. Mit den Worten »Komm, lass mich mal!« drängte Free Orakel von den Instrumenten weg und begann, die Bedienungsanleitung des abstürzenden Flugzeugs zu lesen: »Seite 1. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Airbus A 340!«
Das Flugzeug verlor immer mehr an Höhe und der selbsternannte Profipilot las einfach nur die erste Seite der Bedienungsanleitung. Danach fragte Free noch nach Erdnüssen. Das wurde Orakel zu viel. Er schrie ihn an: »Du musst den Steuerknüppel zu dir hinziehen! Schnell!«
Sofort nahm Free den Steuerknüppel in die Hand und zog ihn so stark zu sich hin, dass er abbrach. yury und Orakel beschimpften Free, als das Flugzeug im Wasser landete und sich blitzschnell mit Wasser füllte.
Free, yury und Orakel sahen ein Passagierschiff und riefen um Hilfe, bis der Kapitän sie an Bord holte. Er wollte wissen, wo sie herkamen. Free antwortete, dass sie aus einem gerade abgestürzten Flugzeug kämen und dass die Polizei hinter ihnen her sei, weil… – Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment unterbrach ihn der Kapitän. Er fragte, ob sie ihn auf den Arm nehmen wollten, doch die drei versicherten ihm, dass sie die Wahrheit gesagt hatten. Der Kapitän erklärte ihnen daraufhin, dass er auch von der Polizei verfolgt werde, aber ein sicheres Versteck auf einer einsamen Insel kenne. Er ging zum Buffet und sagte zu Free, yury und Orakel: »Hier, bedient euch! Aber zuerst will ich auch etwas essen!«
Der Kapitän wollte gerade das letzte Milchhörnchen vom Buffet nehmen. Orakel bemerkte das und schnappte es ihm vor der Nase weg. Als yury ihn erstaunt fragte, aus welchem Grund er das getan habe, antwortete er: »Er wollte sich gerade das letzte Milchhörnchen nehmen!«
Zur Strafe durfte Orakel nicht mehr mit den anderen essen. Er ging ganz allein über das Schiff. Dabei sah er eine Tür mit der Aufschrift »Brücke – Kein Zutritt!«
Na ja, dachte Orakel, vielleicht ist die Brücke ja einsturzgefährdet.
Trotzdem betrat er diesen Raum. Der Erste Offizier stand am Steuer und bemerkte Orakel nicht. Orakel wollte ihn ansprechen, denn vielleicht wusste er ja, wo diese merkwürdige Brücke war. Als er ihn gerade antippen wollte, sah er einen schönen weißen Kapitänsanzug. Orakel zog ihn an und stellte sich neben den Offizier. Der Offizier sagte: »Oh. Hallo Kapitän, Sir. Dort drüben ist ein großer Stein im Wasser. Was soll ich tun?«
Orakel wusste nicht, was er antworten sollte. Er hatte allerdings vor fünf Tagen einen Kapitän im Fernsehen gesehen, der sehr beliebt war und andauernd »Volle Kraft voraus!« sagte. Diesen Satz verstand Orakel nicht, aber er war sich sicher, dass dieser Satz der richtige war. »Volle Kraft voraus!«, wies Orakel den Offizier an; dieser reagierte mit einem verwunderten Blick, tat schließlich allerdings, was der »Kapitän« ihm befahl.
Orakel fand diesen Ort langweilig. Er ging weg und fand nach kurzem Umherirren das Buffet wieder, doch Free und yury waren nicht mehr da.
Sie suchen mich bestimmt, dachte er, und beschloss, noch einmal zu dieser »Brücke« zu gehen.
Dazu kam er allerdings nicht, denn auf einmal erwischte eine riesige Welle das Schiff und er wurde nass. Er zog seinen Kapitänsanzug aus, denn glücklicherweise waren seine normalen Sachen noch trocken. Also ging Orakel in seiner gewohnten Kleidung weiter zur Brücke, vor deren Tür nun der Offizier saß. Er erkannte seinen Unglücksbringer nicht. Orakel fragte ihn mit ehrlichem Erstaunen, warum er draußen sitze.
»Der Kapitän hat mich gefeuert, weil ich volle Kraft auf so einen blöden Stein gesetzt habe«, antwortete der Offizier.
»Nein!«, sagte Orakel, als könne er sich das überhaupt nicht vorstellen. Plötzlich standen Free und yury hinter Orakel.
»He«, sagte yury, »wusstest du, dass irgend so ein Dummkopf dem Offizier befohlen hat, auf einen Stein zu steuern?«
»Nein!«, sagte Orakel wieder unschuldig.
Kurz darauf traf auch der Kapitän ein. Er war sehr wütend auf den Offizier. Außerdem mussten die drei irgendwie zu dieser Insel kommen, also nahmen sie ein Rettungsboot und ruderten weg. Der Kapitän, der jetzt endlich bemerkt hatte, was wirklich passiert war, rief hinter ihnen her und wollte sie wegen Sachbeschädigung anzeigen. Zum Glück konnte Orakel gut rudern. Zur großen Überraschung von yury und Orakel holte Free einen Laptop heraus und fing an, sich in das WLAN des Passagierschiffes einzuloggen. yury fragte, wo er den Laptop herhabe und Free sagte, er habe ihn gerade auf dem Schiff geklaut. yury und Orakel schüttelten den Kopf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte Orakel auf, zu rudern, obwohl weit und breit kein Land in Sicht war.
»Sind wir da?«, fragte Free.
»Das Boot hat einen Motor«, gab Orakel zurück.
Er startete den Motor und gab Vollgas. Schließlich landeten sie auf der einsamen Insel. yury und Free stiegen aus, doch Orakel blieb im Boot. Free und yury wollten ihn gerade fragen, warum er nicht ausgestiegen war, als sie bemerkten, dass er vor Kraftlosigkeit eingeschlafen war. Weil er ja viel geleistet hatte beim Rudern, ließen sie ihn in Ruhe. yury und Free waren auch müde und legten sich daher auf den Strand, nicht ohne das Boot samt Orakel vorher auf den Sand zu ziehen, damit es nicht weggetrieben würde. Beide schliefen sehr fest nach diesem ereignisreichen Tag, wobei sie kaum glauben konnten, dass das alles an nur einem Tag passiert war. Erst gestern waren sie in der Universität einem Apfel hinterher gesprungen und heute Morgen war Orakel in den merkwürdigen Zug nach Leerfahrt eingestiegen. Wie schnell doch die Zeit verging!
Am nächsten Tag, der ein Samstag war, konnte Free seinem üblichen Schlafrhythmus nicht entkommen und wachte um sieben Uhr morgens auf. Er schaltete den Laptop ein und wollte gerade ins Internet gehen, als er feststellte, dass die Insel kein WLAN hatte. Daraufhin brüllte er sehr laut etwas wie »Diese scheißunmodernen Inseln, die nicht mal WLAN haben!« und zerschmetterte den Laptop an einer Palme, die zufällig in der Nähe stand. Der Palme war das egal, dem Laptop nicht, dessen Akku mit einem lauten Knall explodierte. yury und Orakel, der immer noch im Rettungsboot lag, wurden von dem Lärm wach. Sie waren sehr müde, weil es erst 7:30 Uhr morgens war. yury stand samstags normalerweise nie zu solch »unmenschlichen« Zeiten auf. Sie frühstückten gemeinsam einige Datteln (wobei Orakel eigentlich keine Datteln mochte und deshalb schlechte Laune hatte) und berieten dabei, wie sie jetzt weitermachen sollten. Da kam Orakel die zündende Idee: Er schlug vor, dass sie wieder zurückrudern und sich der Polizei stellen sollten. Free und yury waren von diesem Vorschlag nicht allzu begeistert.
In diesem Moment gab es in einiger Entfernung einen recht leisen, dumpfen Knall, doch die drei störten sich nicht weiter daran. Sie gingen zum Boot und wollten gerade einige Kekse essen, die Orakel vom Schiff mitgehen lassen hatte, da war das Boot voller Wasser. Ein paar Möwen hatten sich die Kekse geschnappt und dabei offenbar irgendwie versehentlich das Boot mit Wasser geflutet.
Als Free, yury und Orakel das Boot notdürftig wieder von Wasser befreit hatten, stellten sie fest, dass es nicht mehr zu gebrauchen war. Der Boden war undicht, und zu allem Überfluss befand sich kein Benzin mehr im Tank. Ratlos schleppten sie das kaputte Boot zu ihrem Platz und aßen die restlichen Datteln. Orakel hatte allerdings keinen Hunger mehr, und während die anderen aßen, kletterte er auf eine der Palmen. Von dort oben hatte er einen guten Ausblick über das Meer. Ganz weit in der Ferne sah er etwas, aber das störte ihn nicht weiter und er kletterte wieder herunter. Einige Stunden später landete ein kleines Boot mit Urlaubern an dem nicht viel größeren Inselstrand.
»Und hier sehen Sie die Küste von Deutschland. Dies ist ein Naturschutzgebiet. Hier sind alle Tiere sehr gesund!«
Die drei Freunde mischten sich unauffällig unter die verwunderten Touristen. Als der Reiseführer seinen Irrtum bemerkte, wurde die Reise in Richtung Hamburg fortgesetzt.
Als sie Stunden später im Hamburger Hafen aus dem Schiff stiegen, fragte Free, ob Hamburg zufällig auch einen Flughafen habe.
»Ja«, sagte yury, »sogar den ältesten Deutschlands.«
Also gingen sie zum Flughafen. Dort klaute sich Orakel Süßigkeiten, yury einen Pilotenschein und Free einen Laptop. Dann stieg yury in ein leeres Flugzeug und tat so, als wäre er der Pilot. Orakel setzte sich auf einen Sitzplatz und aß einen Schokoriegel.
Free setzte sich neben ihn und versuchte verzweifelt, den Laptop zu erwürgen. »Was machst du da?«, fragte Orakel erstaunt.
»Er läuft mit Windows Vista…«
»Hm…«, machte Orakel vielsagend.
Nun war Free anscheinend dazu übergegangen, den Ein/Aus-Taster einem Belastungstest zu unterziehen. »Ich habe gerade ein verdammt großes Problem!«
»Das erwähntest du bereits«, sagte Orakel und entsorgte die Schokoriegelverpackung gedankenverloren im Fach für die Notfallanweisungen.
Da yury zuvor Orakel beim Steuern beobachtet hatte, konnte auch er nun ein Flugzeug fliegen. yury fragte, wohin sie fliegen sollten. Free schlug das Silicon Valley vor, während Orakel lieber nach Mallorca reisen wollte… »Party machen«. Diesen Vorschlag akzeptierten Free und yury. Also flogen die drei nach Mallorca.
∞∞∞
Auf Mallorca gingen sie als Erstes in eine Bar und wollten gerade nach dem langen Flug etwas zu Mittag essen (es war nun etwa ein Uhr), als sie plötzlich mehrere Autos hörten, die vor der Bar abrupt stehen blieben.
Die drei ahnten Böses, und kurz darauf stürmten etwa dreißig Beamte der Guardia Civil in die Bar, in der außer ihnen nur zwei andere Gäste saßen. Sie kamen zielstrebig auf Orakel, Free und yury zu, als plötzlich ein Schwein von der Decke auf Orakels Teller knallte.
»Jetzt weiß ich auch, was vuelo, leckers de cerdo auf Deutsch heißt. Nämlich fliegendes, leckeres Schwein«, sagte Orakel.
Die dreißig Beamten fingen hemmungslos an zu lachen. Diesen Augenblick nutzen Free, yury und Orakel um sich aus dem Staub zu machen. Die Polizisten nahmen kurzerhand das Schwein, warfen es Free mitsamt dem Teller hinterher und trafen ihn am Kopf. Daraufhin fiel Free mit dem Gesicht auf ein Schild:
»Der Tag läuft dumm? Sie werden von Beamten verfolgt? Benutzen Sie das neue ANTI-BEAMTEN-SPRAY! PRO MILLILITER NUR 200.000 EURO!« Dann las Free das Kleingedruckte: »Für einen Beamten brauchen Sie 2 ml!«
Free fragte Orakel: »Haben wir zufällig 400.000 Euro?«
Orakel antwortete: »Für dreißig Beamte bräuchten wir aber… äh…« – In dieser Zeit nahmen sie Free fest. Er konnte allerdings seinen Laptop, auf dem ein IRC-Client installiert war, ins Gefängnis schmuggeln und sich so…
…nicht mit Orakel und yury unterhalten, weil es im Gefängnis kein ungeschütztes WLAN gab, aber sich wenigstens die Zeit mit Pinball vertreiben. Zumindest in den ersten zwei Stunden, denn dann bemerkte ein Gefängniswärter, dass Free einen Laptop hineingeschmuggelt hatte, und nahm diesen an sich, um selbst Pinball zu spielen. Sicherheitshalber überprüfte er, ob Free noch andere Gegenstände dabeihatte – das war aber nicht der Fall.
Unterdessen waren Orakel und yury ihren Verfolgern entkommen. Nun überlegten sie, wie sie Free wieder aus dem Gefängnis helfen konnten. Und wieder war es Orakel, der die zündende Idee hatte. Sein Plan sah eine Sprengung des Gefängnisses mit TNT vor. Um Free dabei nicht zu verletzen, bestand yury darauf, »wenig« TNT zu verwenden. Also fuhren yury und Orakel zu irgendeinem dubiosen Händler und kauften zwanzig Tonnen TNT. Danach gingen sie zu dem Gefängnis, in dem Free saß, und Orakel befestigte den Sprengstoff.
Plötzlich kam ein Wachmann und fragte, was Orakel da mache.
»Guten Tag. García, Gebäudereinigung. Wir sollen das reinigen«, sagte Orakel in fließendem Spanisch.
»Na dann, viel Spaß«, rief ihnen der Wachmann nach.
Orakel nahm das gesamte TNT, streute es um das Gefängnis herum und zündete es, ohne eine Zündschnur zu benutzen, an.
∞∞∞
Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Orakel spürte nur einen leichten Luftzug und yury bezeichnete das Geschehen später als »unrealistisch«. Vom Gefängnis war allerdings nichts mehr zu sehen. Nur Free saß noch mitten in den Trümmern und las ein »Micky-Maus-Magazin«.
»Äh, es ist nicht so, wie es aussieht!«, stammelte Free.
Free, yury und Orakel konnten weiter fliehen und sahen auf einmal, dass nicht nur das Gefängnis kaputt war. Die Polizisten waren gerade allesamt auf einem Betriebsausflug gewesen, als ihre Polizeizentrale zerstört wurde. Free schlug vor, sich in ein Café zu setzen, weil er unbedingt sein Mickymausheft weiterlesen wollte.
»Bist du verrückt?!«, rief yury.
Orakel ergänzte: »Überall hängen Fahndungsplakate mit unseren Bildern darauf, hast du das noch nicht gemerkt?«
»Öhm…«, sagte Free, und die drei nahmen sich ein Taxi zum Flughafen. Orakel gab dem Taxifahrer einen 50-Euro-Schein, damit er sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen ignorierte. Dieses Mal verlief allerdings nicht alles so reibungslos, denn plötzlich wurden sie von einer Polizeikontrolle angehalten.
»Haben Sie zufällig drei Verrückte gesehen? Die haben gerade das Gefängnis und die Polizeizentrale zerstört und ein Flugzeug geklaut!«
Der Taxifahrer versicherte, dass er keine Verrückten gesehen habe. Plötzlich bemerkte der Polizist, dass Free, yury und Orakel genauso aussahen wie die gesuchten Verrückten auf dem Fahndungsfoto. Orakel drückte dem Taxifahrer schnell einen 500-Euro-Schein in die Hand.
Der Taxifahrer reagierte schnell: »Das sollen die drei Idioten sein? Nein… das sind… meine Neffen!«
Zum Glück glaubte ihm der Polizist, und so kamen sie nach ein paar Minuten in Palma auf dem Flughafen an und berieten nun, was sie weiter tun sollten. Free war der Meinung, dass der einzige Weg sei, wie auf dem Hinflug ein ganzes Flugzeug zu kapern, und yury und Orakel stimmten zu. Als Orakel gerade vorschlagen wollte, ein bestimmtes Flugzeug zu klauen, gingen überall auf dem Flughafen Alarmsirenen an. Die drei sahen, wie der gesamte Flughafen nach und nach von der Polizei umstellt wurde. yury, Orakel und Free liefen, so schnell sie konnten, zu einem Flugzeug, das gerade von einem Tanklastwagen aufgetankt wurde. yury herrschte den Fahrer an, er solle sich beeilen, und dank des Flughafen-Mitarbeiteransteckers, den er sich unterwegs von einem Mann am Infostand geklaut hatte, beeilte der sich tatsächlich. Zum Glück war das Flugzeug schon aufgetankt, und der Mann musste den Lastwagen nur noch wegfahren.
Währenddessen stiegen yury, Orakel und Free in die Boeing 757. Diesmal wollte Free fliegen, das Problem war nur, dass das Flugzeug rückwärts eingeparkt war. Da keine Hoffnung bestand, dass es gezogen würde, weil der eigentliche Start erst in eineinhalb Stunden geplant war, schaltete Free kurzerhand den Rückwärtsschub ein und manövrierte den Jet aus seiner Parkposition. Das wiederum alarmierte die Fluglotsen, die mit ständigen Funksprüchen nervten. Free unterbrach die Verbindung und hielt auf die Startbahn zu, auf der sich gerade kein anderes Flugzeug befand. Er beschleunigte und hob bei einer Geschwindigkeit von exakt 283 Kilometern pro Stunde ab. Nachdem der Start geglückt war, atmeten die drei auf – jedoch zu früh. Als sie gerade den Rand der Insel überschritten hatten, tauchten plötzlich zwei schwarze Düsenjets auf.
Per Funk kam eine Nachricht herein: »Drehen Sie sofort um und landen Sie auf dem Flughafen!«
Free fragte Orakel und yury, was er machen sollte. Orakel antwortete in extrem sarkastischem Tonfall: »Na, hast du nicht gehört? Du sollst umdrehen und in Palma landen!«
Daraufhin versuchte Free tatsächlich, mit der 757 eine 180°-Kurve zu fliegen, tat dies jedoch viel zu schnell, sodass das Flugzeug in eine 40°-Schieflage geriet. Dadurch flog es zwar die 180°-Kurve, war aber völlig unkontrollierbar. Zu allem Überfluss verloren sie auch noch rasch an Höhe.
Orakel hatte nichts Besseres zu tun, als seelenruhig die Flughöhe herunterzuzählen: »20.000, 18.000, 15.000…«
yury meinte wütend, Orakel solle endlich die Kontrolle über das Flugzeug übernehmen, da er der einzige der drei war, der einen Flugschein hatte und sich eigentlich auskennen sollte.
»10.000…«
Free war in völliger Panik und drehte an allen möglichen Schaltern und Hebeln, was allerdings eher kontraproduktiv war.
»6.000…«
Die Abfangjäger neben ihnen waren inzwischen verschwunden, sie hörten auch keine Funksprüche mehr.
»3.000…«
Das Flugzeug war inzwischen in einer enormen Schieflage, und den dreien war ziemlich schlecht.
»Nur noch 1.500 Fuß!«, sagte Orakel. »Das sind« – er rechnete kurz – »knapp fünfhundert Meter.«
yury schrie ihn an, zog Free von den Instrumenten weg und schubste Orakel dorthin. Der begann sofort fieberhaft, sich an das Gelernte zu erinnern. Inzwischen waren sie nur noch knapp über dem Meer… und Orakel lenkte das Flugzeug wieder nach oben. Diese Maßnahme kam jedoch zu spät; das Flugzeug landete auf dem Wasser und fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf eine Schiffswerft zu, die gerade ein mehrere Hundert Millionen Euro teures Passagierschiff fertiggestellt hatte. Das Schiff schwamm auf dem Wasser und der stolze Besitzer stand auf der Brücke und winkte den Werftmitarbeitern noch zum Abschied zu. Da schwamm das Flugzeug nur noch ganz langsam an das Schiff heran. Die Nase des Flugzeuges berührte das Schiff leicht. Daraufhin ging das Schiff unter.
»Ihr schon wieder? Das kann ja wohl nicht wahr sein, ihr habt gerade eine halbe Milliarde Euro versenkt!«, brüllte der Kapitän, der sich noch gerettet hatte, in ihre Richtung.
Es war der Kapitän, dessen Schiff Orakel schon einmal zerstört hatte. Er war unglaublich sauer und die drei sahen Schwimmwesten in dem untergehenden Flugzeug. Sie zogen sie an, schwammen zu dem Passagierschiff und fuhren schnell mit einem Rettungsboot weg. Free rief dem Kapitän noch hinterher, dass er bei Ebay bestimmt ein neues, cooles Schiff bekommen würde, und dass er sich nicht so aufregen solle. Daraufhin nahm der Kapitän eine Pistole aus der Tasche und schoss in das Rettungsboot. Zum Glück wurden Free, yury und Orakel nicht verletzt. Sie sahen zu, wie aus dem kleinen Einschussloch Wasser ins Boot drang. Orakel summte währenddessen in aller Ruhe die Hauptmelodie des Titanic-Films nach. yury sagte ihm wütend, er solle damit aufhören, denn in diesem Moment kam der Kapitän mit einem Motorboot aus der Werft heran. Orakel handelte schnell: Er nahm ein Ruder aus dem Boot und drückte den Kapitän damit vom Steuer weg. Free, yury und Orakel sprangen ins Motorboot, setzten den Kapitän an Land ab, bevor dieser überhaupt begriffen hatte, was passiert war, und rasten davon.
Sie fuhren fast drei Stunden lang von der Werft weg zu einem anderen Hafen, um vor dem wütenden Kapitän in Sicherheit zu sein.
»In einem schlechten Roman würde jetzt der Tank ausgehen«, witzelte yury. Daraufhin ging der Tank aus.
»Och nö.«
Glücklicherweise befand sich im Boot ein Reservekanister, und die drei konnten gerade noch rechtzeitig den Hafen erreichen. Dort sollte gerade ein Kreuzfahrtschiff anlegen. Die Passagiere guckten komisch, als stattdessen auf einmal ein Motorboot anlegte. Free, yury und Orakel störten sich nicht weiter daran. Sie gingen zum richtigen Kreuzfahrtschiff, während die Touristen auf das Motorboot stürmten, um einen Platz zu bekommen. Während die Passagiere es irgendwie schafften, den Motor versehentlich zu starten und weg zu fahren (was sie gar nicht wollten, denn sie hatten jetzt bemerkt, was das richtige Schiff war…), konnten die drei das Kreuzfahrtschiff ganz allein genießen.
Free fragte den Kapitän, wohin die Fahrt ginge, und erfuhr, dass Manhattan das Reiseziel war. yury lag im Whirlpool, Free sorgte für Chaos im Computerraum und Orakel war im Speisesaal und fraß das Buffet leer.
So ging das ein paar Wochen lang; hätte es andere Restaurantgäste gegeben, dann wären sicherlich Beschwerden über einen komischen Vielfraß eingetroffen; andere Reisende hätten sich über die plötzlich fehlende grafische Oberfläche an allen Computern gewundert. Nur yury schien sich einigermaßen normal zu verhalten.
Schließlich wurde Orakel es zu langweilig, den ganzen Tag zu essen und zu schlafen, und so entschloss er sich, erneut auf diese komische »Brücke« zu gehen. Dort hatte gerade der Erste Offizier Dienst. Er meckerte Orakel an, Passagiere hätten an diesem Ort nichts zu suchen, was diesen allerdings nicht im Geringsten kümmerte. Irgendwann gab der Offizier entnervt auf und kümmerte sich nicht mehr um Orakel. Dem wurde es zu langweilig, weil er Aufmerksamkeit brauchte, was ihn dazu veranlasste, einmal in den Maschinenraum zu gehen.
Minuten später wunderte sich der Erste Offizier auf der Brücke, wieso die Geschwindigkeit des Schiffes stetig sank und das Schiff schließlich ganz zum Stehen kam. Als er einen Matrosen damit beauftragte, nachzusehen, was los sei, war Orakel schon längst wieder am Buffet und fraß sich voll. Der Matrose fand heraus, dass die Maschinen kaputt waren, weil jemand Waschmittel in den Tank gefüllt hatte. Stunden später standen sie immer noch mit dem Schiff auf einer Stelle. Das wurde Free, yury und Orakel zu viel. Free und yury stiegen in ein Rettungsboot und Orakel holte die Karte von dieser komischen Brücke, danach sprang er auch ins Boot. Also fuhren sie los nach New York City.
Die Fahrt dauerte drei Tage, und als sie endlich ankamen, gingen sie als Erstes in den Central Park und aßen Eis. Orakel hielt es dabei für besonders lustig, die Waffel vor der Eiskugel zu verspeisen. Auch Free hatte Gefallen an dieser Methode gefunden und aß sein Eis »rückwärts«. yury sah die beiden merkwürdig an. Es musste ziemlich lustig ausgesehen haben, dass zwei Leute eine Kugel Eis ohne Waffel oder Becher in der Hand hielten. Als er sein Eis aufgegessen hatte, wollte Orakel auf einmal schnell wieder nach Spanien.
»Wieso willst du wieder weg?«, fragte yury.
Orakel erklärte ihm, er wolle weg, weil er sich an den Film »The Day After Tomorrow« erinnere. Free und yury fragten ihn, was das mit dem Central Park zu tun habe, und er antwortete, dass dieser Film in New York spiele.
»Nicht nur in New York. Auf der ganzen Welt!«, verbesserte yury.
»Oh, Mist«, sagte Orakel plötzlich. »Ich muss noch ein Praktikum für mein Studium machen. Ich mache es einfach hier in Manhattan.«
»Und wo willst du es machen?«, fragte yury.
Orakel wollte gerne beim Fernsehen ein Praktikum machen. Nachdem er kurzfristig bei einer Fernsehstation eingestellt worden war, begleiteten ihn Free und yury. Orakel wirkte nervös, denn es handelte sich um eine Liveübertragung. Kurze Zeit später saß Orakel im Studio. Neben ihm saß ein Fernsehdarsteller namens Peter Zwegat. Endlich ging es los.
Orakel sagte: »Und hier sind wir wieder, bei, äh, ›Wach auf mit Orakel‹. Wir, äh, haben heute einen besonderen, äh, Gast bei uns. Bitte begrüßen Sie mit mir Peter Zwieback!«
»Peter Zwegat«, unterbrach ihn Peter Zwegat, doch Orakel ließ sich davon nicht beirren. Er redete weiter:
Orakel: »Also, Herr Zwieback…«
Zwegat: »Zwegat.«
Orakel: »Tschuldigung, Herr Zwieback, was ich fragen wollte, Ihr Job ist ja sehr langweilig. Werden Sie gut bezahlt?«
Zwegat: »Erstens: Zwegat! Zweitens: Nein, ich werde…«
Orakel: »Ach, was der Zwieback redet, ist doch egal!«
Zwegat: »Zwegat!«
Das reichte der Regie. Sie spielten einen Werbespot ein und gaben Orakel einen neuen Gast:
Orakel: »Hallo! Hier sind wir wieder bei ›Wach auf mit Orakel‹. Bitte vergessen Sie unser Quiz nicht. Sagen Sie mir, wie viele Buchstaben das Wort ›Apfel‹ hat. A 2 oder B 5. Rufen Sie einfach an: 0123/ORAKEL, für nur 5,40 Dollar die Minute aus dem amerikanischen Festnetz. Oder schicken Sie eine SMS mit ›Orakel A‹ oder ›Orakel B‹ an die 7777. Also, da Herr Zwieback nun weg ist, begrüßen Sie mit mir meinen neuen Gast. Herzlich willkommen, Herr Tod! Herr Tod, das was Sie machen, Ihr Job, ist ja ein richtiger Knochenjob, haben Sie auch manchmal Urlaub?«
Mehr konnte Orakel nicht sagen. Free, yury und Orakel wurden Hals über Kopf aus dem Betrieb geschmissen. Da allerdings jeder Orakels Sendung verfolgt hatte, war er nun ein Held in New York. yury fragte Orakel, warum ein amerikanischer Fernsehsender einen deutschen Praktikanten auf Deutsch einen deutschen C-Prominenten interviewen ließ. Orakel dachte nach und wunderte sich. Als sie aus dem Studio kamen, war der Himmel draußen erstaunlich dunkel, obwohl es noch zwei Uhr nachmittags war.
Orakel war die Antwort inzwischen eingefallen: »Bestimmt senden die auf Deutsch, weil…« – Weiter kam er nicht, weil plötzlich Eisbrocken vom Himmel fielen.
»Falsches Drehbuch, die Eisbrocken sind in Tokio«, bemerkte yury.
Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, hörte es auf, Eisbrocken zu regnen. Stattdessen kam nun eine große Welle auf die drei zu. Free wollte schnell wieder zum Rettungsboot, doch das war zu spät. Die Welle hatte bereits den Hafen zerstört. Sonst schien nichts passiert zu sein. yury hatte sich allerdings ein Fernglas geschnappt und sah auf das Meer. Dort kam eine echte, riesige Tsunami-Welle und drohte, alles zu überfluten.
Orakel lief zurück zum Fernsehsender und machte eine Durchsage: »Achtung, Achtung! New York City droht gerade von einer riesigen Welle überflutet zu werden. Brooklyn scheint bereits zerstört zu sein. Bitte bleiben Sie ruhig, suchen Sie sich den höchsten Platz, den sie finden können, und warten Sie ab. Wenn Sie dies tun, besteht keine unmittelbare Gefahr für Sie (außer durch den Tornado, aber das ist eine andere Geschichte)!«
Als er das Mikrofon wieder abschaltete, herrschte eine ungewöhnliche Stille. Das Studio war wie leergefegt und neben dem gescheiterten Praktikanten standen nur seine beiden vollkommen sprach- und planlosen Freunde. Orakel warf einen prüfenden Blick auf einen Monitor eines Meteorologen und rief den beiden anderen zu: »Schnell, beeilt euch!«
Doch es war zu spät. Unter lautem Getöse brach eine Wand in Stücke, und der Raum füllte sich in Sekundenbruchteilen komplett mit Wasser. Orakel, yury und Free wurden durch die (glücklicherweise) offene Tür gespült, bevor diese mitgeschwemmt wurde.
Sie wurden durch die Wucht der Welle aus einem Fenster im zehnten Stock hinaus gepresst und landeten sehr unsanft auf einem Hochhaus… oder dem Rest davon. Eine oben gelegene, mit Luft gefüllte Etage des Hochhauses hatte sich vom Rest getrennt und schwamm als quaderförmiger Betonblock mit Fenstern auf der Welle. Die drei fühlten sich wie auf einem Floß in einem reißenden Fluss.
yury und Free hielten Orakel an jeweils einem Bein fest und ließen ihn vom Rand der Plattform herunterbaumeln. So konnte er mit etwas Mühe ein unverschlossenes Schiebefenster öffnen, und sofort floss jede Menge Wasser hinein, bevor die drei hineinkletterten, das Fenster von innen schlossen und im (einigermaßen) Trockenen auf einem durchnässten Büroteppich liegen blieben.
Orakel wollte sofort Pinball auf einem Laptop spielen, der dort herumstand, bekam aber einen Stromschlag, als er den Schalter an der Seite des Geräts suchte. Zum Glück passierte ihm nichts Schlimmes, außer dass Free nun einen dreißigminütigen Vortrag über die Gefahr hielt, die von Stromschlägen ausgehe. Als Orakel und yury davon eingeschlafen waren, setzte sich Free an den Laptop und spielte Pinball.
Irgendwann wurde yury wach und sah aus dem Fenster. Die Etage war inzwischen irgendwo auf dem Meer zum Stillstand gekommen. Er weckte Orakel, zerrte Free vom Rechner weg (was gar nicht so einfach war, weil Free pinballsüchtig war), und die drei berieten sich, was nun zu tun sei. Free schlug vor, sich auf der Etage umzusehen. Die anderen waren mit dem Vorschlag einverstanden und verließen den Raum. Sie entdeckten dabei die Tür zum ehemaligen Treppenhaus, hinter der viel Wasser, aber keine Treppen zu finden waren. Free war sehr froh, dass Orakel das Fenster wieder geschlossen hatte, und vor allem, dass niemand eines offen gelassen hatte, sodass das Wasser nicht von unten durch das Loch hereinkam. Orakel lief kurz in einen anderen Raum, kam in einer Badehose wieder und sprang in den »Pool«. Er kam schnell wieder heraus, weil es sehr kalt darin war.
»Mann, nicht einmal ’ne Wasserheizung haben die hier!«, beschwerte er sich.
Dann verließen die vier das »Treppenhaus« und sahen sich einen anderen Raum an. Aus dem Fenster des Büros konnte man irgendwo in der Ferne die Überreste von Manhattan erahnen, und einer der Mitarbeiter hatte auf seinem Schreibtisch ein Radio liegen lassen. Während Free das Handy des Mitarbeiters, das dieser ebenfalls vergessen hatte, mit einem Computer verband, um im Internet die Nachrichten lesen zu können (außerdem hatte Orakel die brillante Idee, online eine Zeitung zu bestellen und per Hubschrauber an die schwimmende Etage schicken zu lassen), nahm yury das Radio vom Tisch und schaltete es an.
»Krrrrrks… Musik krrrrrrrks… …ws. It’s 8:39 PM!«
(Orakel sah kurz aus dem Fenster und bemerkte, dass es langsam dunkel wurde.)
»This is a Sondermeldung. We speak Denglish to make that the German people verstehen uns, too. Today New York wurde getroffen von einer großen wave. It was a Tsunami. We don’t know the ground… er… Grund for this big Welle. New York was zerstört komplettly. What’s your Meinung to this Thema? Ruf us an: 1-800-555-0142. It’s free! Musik«
Orakel schnappte sich dann auch tatsächlich ein Festnetztelefon, um dort anzurufen. yury fragte ihn, wo er anrufe, und er antwortete, er wolle unbedingt ins Radio und mit diesem denglischen Mann sprechen. Free wollte ihm noch etwas sagen, aber Orakel hatte schon die Nummer eingetippt.
»Boah, ist das ein modernes Telefon, man hört noch nicht einmal das Piepen der Tasten!«
yury und Free mussten lachen und erinnerten Orakel daran, dass sie ohne Telefonleitung auf dem Meer schwammen. Noch bevor yury seinen Satz beendet hatte, nahm Orakel mit einer blind ausgeführten Handbewegung erstaunlich zielgenau das Handy an sich. Während Free sich noch über seinen abgebrochenen Download ärgerte, redete Orakel bereits mit irgendeinem Menschen, der ihn stundenlang mit Fragen zu seinem familiären Umfeld, seinem Lieblingsessen, seinem Allgemeinwissen und anderem unnötigen Zeug löcherte. Seine beiden Freunde hörten schon gar nicht mehr richtig zu; Orakel war wohl in eine besonders lästige Art von Warteschleife geraten.
Einige Stunden später – zwischendurch hatte er entgegen yurys Rat mehrfach aufgelegt, um es »noch mal zu versuchen« – schaffte er es tatsächlich, ins Radio zu kommen, und wurde von dem Radiosprecher interviewt. Müdigkeit machte sich bei yury und Free bemerkbar.
Reporter: »What Sprache do you want to sprech?«
Orakel: »Deutsch.«
Reporter: »Okay. Was ist deine Meinung zu dieser Katastrophe?«
Orakel: »Ach, New York ist mir egal…«
Reporter: »Aber es wurde komplett zerstört, haben Sie die Bilder im Fernsehen nicht gesehen?«
Orakel: »Ich war dabei!«
Reporter: »Wie, dabei?«
Orakel: »Ich war am Hafen und habe die Welle zusammen mit meinen Freunden gesehen und überlebt!«
Reporter: »Ja, und ich bin der Weihnachtsmann.«
Orakel: »Cool… gibt es den doch?!«
Der Reporter räusperte sich… »Äh… Nein. Sagen Sie, wenn Sie das überlebt haben…«
…und dachte kurz nach. »Wo befinden Sie sich denn dann jetzt?«
Orakel: »In einer abgetrennten einzelnen Etage eines ehemaligen Hochhauses, die auf dem Meer schwimmt!«
Der Mann am anderen Ende der Leitung sagte gar nichts mehr, und es herrschten fünf Sekunden Stille, bevor er den Hörer hinschmiss. Dabei traf er allerdings daneben – man hörte einen lauten Knall, bevor der zweite Versuch die Verbindung unterbrach.
Nun war Orakel beleidigt. »Der hat mich gar nicht ernst genommen!«
Free sagte gähnend, das könne er auch nicht verstehen. Neben ihm saß immer noch yury, der vor Müdigkeit bereits über der rechten Armlehne hing. Bevor er dagegen protestieren konnte, stand Orakel auf, schob yurys Stuhl an einen der vielen Schreibtische, sah sich kurz um, schien einen Moment lang ernsthaft nachzudenken und schmiss dann scheinbar zusammenhangslos und vollkommen unerwartet mit einer einzigen Armbewegung sämtliche Gegenstände vom Schreibtisch auf den Boden. Im Hintergrund saß noch immer Free, der kurz eine Augenbraue hob und dann auf seinem Stuhl einschlief. Dann hob Orakel yurys Stuhl hoch, kippte ihn über dem Schreibtisch nach vorne, ließ den nun leeren Stuhl wieder herab, klopfte den imaginären Staub von seinen Händen und betrachtete zufrieden sein Werk: yury, der immer noch nicht ganz begriffen hatte, was eigentlich gerade passiert war, lag schlafbereit auf dem geleerten Schreibtisch. Anschließend legte Orakel sich auf eine Fensterbank und glaubte, die Ruinen von Manhattan im Hintergrund zu sehen.
∞∞∞
Am nächsten Morgen wurde Orakel vor yury und Free wach. Schlaftrunken stand er auf, kratzte sich am Rücken, gähnte ausgiebig und ging auf ein Fenster zu. Dabei stolperte er über eine Taschenlampe, die auf dem Boden lag, wodurch yury aufwachte. Hellwach stand er auf, himmelte die Zahl Pi an und sagte die 7er-Reihe auf. Durch so viel Lärm wurde nun auch Free wach, verlagerte zu viel Gewicht auf die Armlehne des Sessels und krachte mitsamt dem Bürostuhl unsanft zu Boden. Orakel meckerte über die stickige Luft in der Etage und öffnete ein Fenster. Sofort drang Wasser in den Raum ein; Orakel schaffte es gerade noch, das Fenster zu schließen.
Free erhob sich wenig begeistert von dem durchnässten Teppich. »Warum kommt denn Wasser herein, wenn wir schwimmen?«
yury erklärte ihm, dass aus dem Treppenhaus Wasser von unten hereinkommen könne, solange nicht alles komplett abgedichtet sei. »Die schwimmende Etage verhält sich auf dem Meer wie ein Trinkbecher, den man mit der Öffnung nach unten in eine gefüllte Badewanne drückt. Der Becher geht trotz des großen Loches am Boden nicht unter, solange es nicht ein zweites Loch oberhalb der Wasseroberfläche gibt. Wenn du hier ein Fenster öffnest, ist das so, als würdest du ein Loch in die Seitenwand des schwimmenden Bechers bohren.«
Sie konnten also noch kein Fenster öffnen, ohne eine Überschwemmung zu verursachen. Langsam wurde aber die Luft knapp. Sie mussten die Tür zum Treppenhaus irgendwie luftdicht abschließen, bevor ihnen die Luft ausging.
Orakel hatte eine Idee: Er wollte den Teppichboden herausreißen und damit die Tür abdichten. yury und Free waren einverstanden. Sie bemerkten allerdings bald, dass der Teppich am Boden festgeklebt war. Zum Glück hatte Orakel ein Messer dabei. Sie schnitten den Teppich aus und klebten ihn an die Tür. Nun hatten sie die Tür abgedichtet.
Orakel wurde langweilig und er beschloss, sich auf der Etage ein wenig umzusehen. Nach einiger Zeit fand er einen Toaster, den er sehr interessant fand und in seine Tasche steckte. Wenig später stieß er auf eine schwere Eisentür, die mit »Betreten verboten! Tiefkühlzelle!« beschriftet war. Orakel dachte, dass er ein wenig Abkühlung gebrauchen könne und so ging er in die Zelle. Das Problem: Als er den Raum wieder verlassen wollte, ließ sich die Tür nicht mehr öffnen. Dreckstechnik, dachte Orakel.
Free und yury suchten nach Orakel und stießen dabei auf eine Tür. Darauf stand nicht »Tiefkühlzelle«, sondern »Notausgang, alarmgesichert, auch im Notfall nicht öffnen«. Als Free die Tür trotzdem öffnete, fuhr dahinter ein Laptop hoch und eine kurze Melodie ertönte.
»Warum startet da ein Computer?!«
Dann sahen yury und Free, was sich wirklich hinter der »Notausgang«-Tür befand…
Zur selben Zeit schaffte Orakel es, die Eisentür zu überwinden. Er war ein einziger Eisblock und fiel aus der Tiefkühlzelle heraus. Die Tür fiel hinter ihm wieder zu; der Orakel-Eisblock lag auf dem Gang und taute langsam vor sich hin. Da hörte er in der Ferne eine bekannte Melodie. Er versuchte, sich von dem Eis zu befreien und dorthin zu gehen, da er sich sicher war, dort seine Freunde wiederzufinden.
Free und yury sahen hinter der Tür ein Zimmer mit Geräten, die so modern waren, dass sie ihre Funktionsweise nicht ganz verstanden. Auf dem Laptop, der die Melodie von sich gegeben hatte, erschien das Logo einer bekannten Suchmaschine.
»Wir feiern den zehnten Geburtstag der neu aufgebauten Stadt New York.«
Free und yury wunderten sich plötzlich. Es konnten doch nicht über zehn Jahre vergangen sein, ohne dass sie es bemerkt hatten! Doch sie erinnerten sich an die riesige Flutwelle, die damals, vor rund dreißig Jahren, New York zerstört hatte, das erst zwanzig Jahre später wieder aufgebaut worden war. Noch eine Frage war offen: Wenn sie in wenigen Sekunden dreißig Jahre übersprungen hatten, warum konnten sie sich dann an Ereignisse aus diesen Jahren erinnern? Free und yury waren ziemlich verwirrt. Dann hörten sie Musik aus dem Nebenzimmer. Schließlich rief jemand nach ihnen. Es war Orakel, der einen merkwürdigen Laptop gefunden und das daneben stehende Radio eingeschaltet hatte.
Orakel war froh, dass die anderen gekommen waren, er hatte nämlich eine Frage: »Wofür ist dieses Programm da?«
Er zeigte auf ein Symbol mit der Beschriftung »TMPE«. Weil ihm niemand eine Antwort geben konnte, klickte er kurzerhand das Symbol an. Der Bildschirm wurde dunkel, dann liefen in weißer Schrift Jahreszahlen über den Bildschirm, von 2050 bis 2001. Später erschienen auch Monatsnamen. Es kamen immer neue, bis nach »September« keine mehr kamen und der Bildschirm wieder heller wurde. Orakel fand den »Bildschirmschoner« doof. Er wollte gerade einen neuen installieren, als yury ihn zurückhielt.
»Warte, da kommt etwas im Radio!«
»kkkrrrrk… krks… Willkommen bei Radio Deutschland-USA, dem deutschen Radiosender in den USA! Dies ist eine Eilmeldung. Es ist 9:46. Soeben rasten zwei Flugzeuge in die WTC-Türme. Die amerikanische Regierung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Anschlag durch…«
yury hatte das Radio abgestellt. Ihm und Orakel wurde jetzt einiges klar, obwohl sie es eigentlich nicht glauben wollten. Free hatte noch immer nicht ganz begriffen, was Orakel gerade am Computer gemacht hatte.
»Mann, du Blitzmerker, es ist der 11. September und wir haben gerade eine Zeitreise gemacht«, erklärte yury, während Orakel gedankenverloren auf den Monitor starrte.
»Hä?«, fragte Free.
»Pass auf, du… du… du… ach egal. Wenn Orakel in diesem Programm ein Datum einstellt, dann erleben wir diesen Tag in echt noch einmal. Keiner dieser Menschen kann sich dann an die ›Zukunft‹, die ja eigentlich die Gegenwart ist, erinnern«, erklärte yury. Endlich verstand es auch Free. Orakel wollte unbedingt ein bisschen mit dem Programm herumspielen. Bevor ihn die anderen davon abhalten konnten, hatte er wieder einige Mausklicks gemacht und bei »Location« etwas eingetippt. Gerade als er freudestrahlend die Entertaste drücken wollte und den anderen erzählen wollte, dass man mit dem Programm auch seinen Ort verändern konnte, schubste yury ihn mit voller Kraft vom Chefsessel und brüllte ihn an, ob er sie alle umbringen wollte. Free verstand nun gar nichts mehr. Orakel war wütend auf yury. Nun begriff Free: Orakel hatte bei »Location« das Pentagon eingegeben, kapierte aber immer noch nicht, was los war.
»Was hast du denn? Ist doch mal interessant!«
Free informierte ihn: »Wir haben den 11. September 2001…«
Er schlug vor, auf den Reset-Button zu klicken, was er auch sogleich tat, ohne eine Antwort der anderen abzuwarten. yury schaltete das Radio an… »Ganz New York ist von der Flutwelle zerstört worden!« …und wieder aus.
»Alles klar, wir sind zurück in der Gegenwart.«
Orakel hatte sich von seinem Schock erholt und sagte: »Gut, dann lasst uns überlegen, wie wir diese Zeitmaschine so gut wie möglich nutzen können, um uns aus unserer Lage zu befreien…«
Stattdessen griff yury nach dem Laptop, riss ein Fenster auf und versenkte die merkwürdige Zeitmaschine im Meer. Free und Orakel sahen ihn verständnislos an. yury sagte, dass eine Welt ohne Zeitreisen vermutlich eine bessere Welt sei.
Free schaltete das Radio wieder an und sagte: »So, und nun lasst uns noch mal bei diesem Radiosender anrufen. Ich kann verstehen, dass sie uns nicht glauben, aber wir müssen das irgendwie versuchen. Notfalls nehmen wir halt die 911. Wie war die Nummer doch gleich?«
»Nein, warte«, unterbrach ihn yury. »Wieso rufen wir nicht gleich die 911 an?«
»Gute Idee«, meinte Orakel.
Und so rief Free direkt die nordamerikanische Notrufnummer an. Das Freizeichen war einmal zu hören, dann meldete sich eine Person.
911: »911, where is your emergency?«
Orakel: »Eine Pizza bitte!«
911: »I’m sorry?«
Free nahm ihm das Telefon wieder weg.
»Hello, we need help and äh, sprechen Sie Deutsch?«
911: »Ja.«
Free: »Wir konnten uns vor der Welle in Manhattan retten und haben sie überlebt.«
911: »Wo befinden Sie sich?«
Free: »Wir befinden uns gerade auf dem Meer in einer schwimmenden Eta… Hey, yury, was soll das?!«
yury nahm Free das Telefon weg.
»Äh, er wollte sagen, in einem schwimmenden Boot, bei dem leider der Motor kaputt ist… Können Sie uns helfen?«
911: »Ja… Können Sie die Position Ihres Bootes möglichst genau beschreiben?«
yury: »Einen Moment, bitte. Wir versuchen, es herauszufinden…«
Free: »Orakel, in welcher Richtung liegt Manhattan und kann man es überhaupt noch sehen?«
Orakel: »Äh, ja, da ist Wasser draußen.«
Free: »Ob du Manhattan siehst!«
Orakel: »Nein. Manhattan sehe ich nicht. Bekomme ich denn jetzt meine Pizza?«
911: »Dann kann ich ihnen nicht helfen.«
Es klickte, und die Person am anderen Ende hatte aufgelegt.
Orakel schrie noch in das Telefon: »Mit extra Käse bitte!«, aber es war zu spät. Plötzlich stand ein Mann neben Free, yury und Orakel.
Free drehte sich erschrocken zur Seite. »Wer sind Sie? Warum sind Sie hier?«
»Mein Name ist jetzt egal. Ich bin vom FBI und sollte hier Informationen über eine Zeitmaschine in Form eines Laptops finden, als eine große Welle kam und diese Etage auf das Meer getrieben wurde. Ich war wohl einige Zeit ohnmächtig, und als ich wieder aufwachte, hörte ich, wie jemand bei 911 eine Pizza bestellen wollte.«
yury fragte den Mann, wie die gesuchte Zeitmaschine hieß.
»TMPE, Time Machine Professional Edition, warum?«
»Weil wir sie zerstört haben.«
»Ihr habt WAS? Aber ihr habt vorher den Reset-Knopf gedrückt, oder?«
»Ja…«
»Okay, dann ist mein Auftrag erledigt. Wo sind wir jetzt?«
Orakel sah sich grinsend um. »Irgendwo auf dem Meer, würde ich sagen.«
»Ich habe ein GPS-Gerät dabei!«
FBIGPS v2.6.4 starting
Your position is 40.374274, -73.661259
»Cool, und was heißt das genau?«, fragte Orakel.
»Das heißt, dass wir ein Problem haben, weil wir uns auf dem Meer befinden.«
yury verkniff sich die Bemerkung, darauf seien die drei ohne GPS gar nicht gekommen. Orakel, dessen Magen wieder knurrte, unterbrach das Schweigen.
»So. Und wie kommen wir zurück an Land?«
»Na ja, wir rufen den Notruf an.«
»Haben wir schon, die glauben uns nicht!«
»Mir glauben die bestimmt.«
»Wenn Sie wirklich Agent sind…«
»Ja, bin ich.«
Er nahm das Handy, das yury ihm reichte, und tippte die Notrufnummer ein.
911: »911, what is the location…«
Agent: »Hier ist FBI-Agent Island.«
911: »Wie? Sind Sie etwa der Floating Island?!«
Agent: »Nein, der andere.«
911: »Es gibt einen anderen Island?«
Agent: »Nein, eben nicht. Ihre Frage war sinnlos und ich werde nicht gerne mit sinnlosen Fragen genervt.«
911: »Wo sind Sie gerade?«
Agent: »Ich habe die Welle ebenfalls überlebt und…«
911: »Noch so ein Spinner.«
Agent: »…sitze in einer schwimmenden…«
911: »…Etage fest, jaja, die Geschichte kenne ich schon.«
Agent: »Nein. Wirklich. Ich sitze in einer schwimmenden Etage fest.«
911: »Sie verschwenden meine Zeit. Ist Ihnen eigentlich bewusst, welche Kosten jährlich durch missbräuchliche Verwendung des Notrufs…«
Orakel nahm das Telefon und schrie hinein: »Jetzt pass mal gut auf, du dumme Kuh! Ich sitze seit Tagen in dieser blöden Etage fest, der Aufzug funktioniert nicht mehr, ich habe Pizza mit extra Käse bestellt und Sie schicken mir einen Pizzaboten, der A meine Pizza mit extra Käse nicht dabeihat und B sich als Agent ausgibt. Wenn Sie sich keine vernünftigen Pizzaboten leisten können, dann arbeite ich halt für Sie. Ich möchte einen Stundenlohn von 10 Dollar und zwei Pizzen! Guten Tag!«
Orakel legte auf. yury fand das lustig, aber er war gleichzeitig sauer, weil Orakel einen weiteren Anruf sinnlos gemacht hatte.
Free fragte: »Und was machen wir jetzt?«
Der Agent hatte inzwischen sein eigenes Handy herausgeholt und war dabei, eine Nummer einzutippen, die so lang war, dass man sie auf dem Display nicht mehr komplett lesen konnte. Orakel versuchte, herauszufinden, ob es ein System in der Nummer gab, gab aber bald auf.
9999/7320508…: »Französischer Backservice, guten Tag. Sie sprechen mit Frédéric Riqueti.«
Agent: »Hier spricht Floating Island 31/41. Sparen Sie sich den Quatsch.«
9999/7320508…: »Oh, Sie sind früh dran. Haben Sie den Auftrag bereits erledigt?«
Agent: »Erledigt, ja, aber ich sitze gerade mit drei Helfern auf einer schwimmenden, abgetrennten Hochhausetage im Meer fest.«
9999/7320508…: »Nicht schlecht, den muss ich mir merken. Was ist Ihre Position?«
Agent: »Äh, ungefähr 40,3743 Grad nördliche Breite, 73,6613 Grad westliche Länge.«
Ein paar Sekunden lang war es still am anderen Ende der Leitung, dann meldete sich die Kontaktperson wieder zu Wort.
9999/7320508…: »Das ist ja wirklich im Meer. Warum erleben ausgerechnet Sie immer die verrücktesten Abenteuer?«
Agent: »Freuen Sie sich doch, dass Sie gemütlich in Ihrem Büro sitzen dürfen. Wären Sie so nett, mir einen Hubschrauber zu…«
In diesem Moment tippte yury den Agenten an und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Agent: »Ihr spinnt doch. Na gut. Wären Sie so nett, mir zwei Hubschrauber zur Verfügung zu stellen?«
9999/7320508…: »Zwei Hubschrauber?!«
Agent: »Das erkläre ich Ihnen später.«
9999/7320508…: »In Ordnung. Hubschrauber kommen in acht Minuten.«
Dann war das Telefonat beendet. Der Agent fragte yury, warum er eben mitten im Telefonat um einen zweiten Hubschrauber gebeten hatte, da sie schließlich auch in einen einzigen gepasst hätten. yury verzichtete auf eine Erklärung; Orakel und Free verstanden, warum.
Als die gewünschte Unterstützung ankam, stieg Floating Island in den ersten Hubschrauber ein. yury, Orakel und Free ließen sich mit dem zweiten Hubschrauber direkt zum nächsten großen Flughafen fliegen, erhielten zum Dank für ihre Mitarbeit Flugtickets nach Europa und kamen nach einer kostenlosen Hotelübernachtung gegen Mittag in den Niederlanden an.
Irgendwo in Amsterdam stand ein kleiner Helikopter herum, und yury konnte nicht widerstehen, den privaten Piloten für einen kurzen Rundflug zu bezahlen. Bei einer Zwischenlandung vor einem Schnellrestaurant entschied sich der Pilot für einen kurzen Toilettenbesuch. Als er nach einer Weile zum Landeplatz zurückkehrte, war der Helikopter verschwunden.
Orakel wollte nun Erdnüsse essen, doch yury störte sich nicht dran. Er flog in Richtung Deutschland, weil Free Heimweh hatte – allerdings begann der Hubschrauber nach einiger Zeit zu schwanken. Zu allem Überfluss wollte Orakel immer noch Erdnüsse haben. yury gab Orakel Erdnüsse, die er in einem Fach gefunden hatte, und der fraß sie alle auf, während Free dabei war, den schwankenden Helikopter wieder in den Griff zu bekommen. Doch Free stellte sich so dumm an (er redete mit dem Helikopter und sagte, dass er jetzt endlich aufhören solle, zu schwanken), dass es nur noch schlimmer wurde. Free bekam Panik und holte die Bedienungsanleitung aus dem Fach, in dem yury die Erdnüsse gefunden hatte. Mit zitternder Stimme las er: »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Eurocopter EC 135…«
Orakel schubste ihn von den Instrumenten weg und begann, den Hubschrauber wieder in den Griff zu bekommen. Als er es geschafft hatte, waren sie in einer Feriensiedlung angekommen und landeten auf dem Dach eines Ferienhauses. Den Mietern war das nicht geheuer, und sie liefen davon. Orakel, yury und Free machten es sich gemütlich.
Die Mieter hatten gerade einen Kuchen gebacken. Als Orakel ihn essen wollte, verbrannte er sich eine Hand. Orakel wunderte sich noch, warum seine Hand so weh tat, als yury bereits einen Eimer Wasser darüber kippte. Anstatt sich bei yury zu bedanken, schrie ihn Orakel an: »Was fällt dir ein? Jetzt ist meine Hand so nass und ich muss sie an einem Handtuch abtrocknen, welches mir gar nicht gehört!«
»Ach, aber einfach den Kuchen anfassen, das darfst du!«, schrie yury zurück.
Free und yury erkundeten das Haus, während Orakel weiter Kuchen aß. Aus der Küche hörten die beiden immer wieder eine komische Lautfolge, die ungefähr so klang: »aua, hmmm, aua, hmmm, aua, hmmm, aua, hmmm, aua, hmmm, aua, hmmm…«
Als sie wieder zurückkamen, war der Kuchen weg. Orakel hatte sich ein sehr heißes Stück genommen (»aua«), es gegessen (»hmmm«) und diesen Vorgang wiederholt, bis der Teller leer war. Nun hatte Orakel natürlich starke Schmerzen an den Händen. yury nahm diesmal einen Wasserschlauch, verband ihn mit dem Wasserhahn und drehte ihn auf.
»Dass du auch immer übertreiben musst!«, sagten Orakel und yury gleichzeitig. Plötzlich hörten sie ein Polizeiauto.
»Mist, die Mieter haben die Polizei gerufen, ab aufs Dach!«, rief Free den beiden zu.
Die drei stiegen aus dem Fenster und kletterten an der am Fenster entlanglaufenden Regenrinne hoch, als diese plötzlich abbrach. Mit einem lauten, dumpfen Knall landete Orakel auf dem Boden. Die anderen dachten schon, sie würden weich auf ihm landen, doch Orakel wich aus, sodass zuerst Free und dann yury nebeneinander ebenfalls auf den Boden fielen.
»Okay, neuer Versuch…«
Die drei liefen in das Haus und suchten in der oberen Etage nach einem Dachfenster. Sie fanden eines, welches aber verschlossen war. Orakel nahm einen kleinen Tisch aus dem Schlafzimmer und wollte damit gerade gegen das Fenster schlagen, als yury den Schlüssel fand und Free den Tisch festhielt. Dann öffneten sie das Fenster mit dem Schlüssel, stiegen in den Hubschrauber und flogen schnell weg, während die Mieter und die Polizei wütend nach ihnen riefen.
yury schlug vor, sich zu beeilen und diesmal wirklich nach Deutschland zu fliegen. Dieser Vorschlag wurde von Free und Orakel akzeptiert. Also flog er nach Deutschland und wurde nach einiger Zeit von Orakel abgelöst. Als sie noch eine Weile geflogen waren, griff Free nach der Bedienungsanleitung.
»Hey, das Ding hat eine coole Funktion… Schle§$%it& oder so, ich kann es nicht genau lesen…«
yury fragte ihn, wie man diese Funktion aktivierte. Free sagte ihm, dass das ein roter Knopf am Sitz sei, der »eigentlich nur für Flugzeuge gedacht« war, aber »in diesen Spezialhelikopter sicherheitshalber auch eingebaut« worden war. yury wollte gerade raten, um welche Funktion es sich dabei handelte, als Orakel es ausprobierte und den Knopf drückte. Das Dach öffnete sich und die drei flogen aus dem Hubschrauber. Orakel und yury hatten am Sitz (der mit herausgeflogen war) einen Fallschirm. Frees Sitz war (er hatte sich nicht angeschnallt) ohne ihn auf dem Boden zerschellt. Free klammerte sich von unten an den Sitz von Orakel.
»Das war ein Schleudersitz, Mann!«, rief yury. »Orakel, du Spielkind, warum musst du auch jeden Knopf ausprobieren, der dir über den Weg läuft?«
Die drei sanken langsam zu Boden. Sie waren in etwa an der holländischen Grenze, doch plötzlich hörten sie einen lauten Knall.
»Mist!«, schrie Free. »Das Flugzeug explodiert!«