INSEL DER DRACHEN - Robert MacLeod - E-Book

INSEL DER DRACHEN E-Book

Robert MacLeod

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Beschreibung

Magische, rituelle Tänze bei einem Eingeborenenfest geben den Anstoß zu Rebellion und Aufstand auf Borneo.

Talos Cord jagt im Auftrag der UNO nach den Drahtziehern, welche dieses Unheil für die Eingeborenen heraufbeschworenen haben...

Insel der Drachen von Robert MacLeod - ein Pseudonym des schottischen Kriminal-Schriftstellers Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999 ebenda) - erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstausgabe folgte 1969.

Insel der Drachen erscheint in der Reihe APEX ADVENTURE, in welcher Klassiker der Abenteuer-Literatur als durchgesehene Neuausgaben neu aufgelegt werden.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Ähnliche


 

 

 

 

ROBERT MACLEOD

 

 

Insel der Drachen

 

Roman

 

 

 

 

Apex Adventure, Band 3

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

INSEL DER DRACHEN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Magische, rituelle Tänze bei einem Eingeborenenfest geben den Anstoß zu Rebellion und Aufstand auf Borneo.

Talos Cord jagt im Auftrag der UNO nach den Drahtziehern, welche dieses Unheil für die Eingeborenen heraufbeschworenen haben...

 

Insel der Drachen von Robert MacLeod - ein Pseudonym des schottischen Kriminal-Schriftstellers Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1999 ebenda) - erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstausgabe folgte 1969. 

Insel der Drachen erscheint in der Reihe APEX ADVENTURE, in welcher Klassiker der Abenteuer-Literatur als durchgesehene Neuausgaben neu aufgelegt werden. 

   INSEL DER DRACHEN

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

In den Buchten von Borneo gibt es noch viele altersschwache, überforderte kleine Küstendampfer wie die Tari, in deren klappernden Kolben gerade noch genug Leben steckt, dass sie ein bisschen Gewinn abwerfen. Der Rost hatte den größten Teil der Farbe vom eisernen Rumpf gefressen, und der einzige Schornstein über dem Achterschiff war mehrfach in auffälliger Weise geflickt. Die Tari hatte im Hafen von Tawau festgemacht; sie wurde beladen, und auf ihrem sonnenverbrannten Deck wimmelten zwischen halb verstauten Kisten geduldig wartende Passagiere durcheinander.

Talos Cord stand im Obergeschoss des Bürogebäudes der Rajah-Laut-Agencies am Fenster und betrachtete interessiert die Szene. Tawau ist einer der wenigen nennenswerten Häfen an der ganzen Ostküste von Nordborneo. Es herrschte hier emsiges Treiben. Tränenförmige einheimische Kumpits, Schoner und andere Wasserfahrzeuge drängten sich neben riesigen Flößen mit Baumstämmen aus dem Inneren des Landes. Vor der Küste lagen zwei schlanke australische Frachter vor Anker und warteten auf ihre Kopra-Ladung.

Noch weiter draußen, jenseits der weiten Sibuko-Bucht, konnte er im Dunst den Strich dunkelgrünen Dschungels ausmachen, der den Beginn des Territoriums von Indonesien anzeigte: sein Ziel, das hier irgendwie drohend am Horizont erschien.

»Nun, was halten Sie von dem Kahn?« Die mürrische, ein wenig ironisch klingende Stimme ließ Cord aufhorchen. Er drehte sich um.

An dem großen Schreibtisch aus Stahl und Chrom saß ein gedrungener, kahler Mann von Mitte Fünfzig. Sein Hemd strahlte in makellosem Weiß, der nüchterne graue Schlips war vorschriftsmäßig geknotet – der Bezirkschef der Handelsagentur Rajah-Laut verstand es immer, Tüchtigkeit mit Komfort zu verbinden. Die Einrichtung von Jameson Taggards Büro wirkte modern und funktionell, eine Klimaanlage summte in der Ecke und kämpfte gegen die Außentemperatur an.

»Die Tari?« Die Andeutung eines Lächelns huschte über Cords junges bronzefarbenes Gesicht und machte an einer haarfeinen Narbe halt, die sich über seine linke Gesichtshälfte zog. Vor knapp einer Stunde war er aus Jesselton im Westen des Landes mit einem hastig gecharterten Fokker-Doppeldecker von zweifelhaftem Jahrgang nach Tawau herübergeflogen. Nach diesem Flug schien ihm sogar ein Küstendampfer einen gewissen sicheren Reiz auszuüben. »Sie ist nicht gerade ein Delphin, aber sie wird’s schon schaffen. Wann legt sie ab?«

»Erst wenn sie bis an den Rand vollgepackt ist. Sie haben noch genug Zeit.«

Cord blieb am Fenster stehen. Unten schob sich auf der staubigen Uferstraße ein schwerer Lastwagen langsam durch die achtlosen Menschenhaufen. Malaien und Chinesen, schwarzgekleidete Dusuns, kleine, schmächtige Muruts aus dem Landesinneren, turbangekrönte Sikhs und auch die übrigen schienen ihre Ehre dareinzusetzen, das Fluchen und Hupen des Lastwagenfahrers bis zum letzten möglichen Augenblick zu ignorieren.

»Kommen Sie, Mann, trinken Sie aus«, rief Taggard. »Da, wo Sie hinfahren, ist guter Schnaps rar.«

Das Whiskeyglas, in dem langsam die Eiswürfel schmolzen, blitzte kühl und einladend auf einem kleinen Tischchen. Talos Cord ließ sich bereitwillig in den geflochtenen Sessel daneben nieder und entspannte sich. Noch vor drei Tagen war er in West-Berlin. Berlin ist Anfang Juli warm und angenehm. Was er bis jetzt von Borneo zu sehen bekommen hatte, schien sich zu gleichen Teilen aus Hitze, Feuchtigkeit und dem ranzigen, öligen Geruch trocknender Kopra zusammenzusetzen.

Und doch hatte die ganze Geschichte eigentlich in Berlin begonnen. Ganz gezielt war ihm ein Tipp zugesteckt worden, dass in einer abgelegenen Ecke von Indonesisch–Borneo sehr sorgfältig eine größere Rebellion vorbereitet würde, die unter Umständen den ohnehin fragwürdigen Frieden der ganzen Insel stören und wahrscheinlich sogar die Nachbarinseln anstecken könnte.

Warum der sowjetische Geheimdienst dieses Gerücht ausgerechnet in Berlin durchsickern ließ und ob es sich um ein ideologisches Motiv oder um Rachsucht handelte, waren nebensächliche Fragen. Wichtig war nur, dass die chinesischen Kommunisten schon einmal eine blutige Niederlage hatten einstecken müssen, als sie einen Handstreich in Indonesien versuchten. Falls sie dasselbe noch einmal vorhatten, würde es Moskau wohl nicht ungern sehen, wenn gerade dieser Expansionsversuch Pekings danebenginge – solange man die Schuld nicht Moskau in die Schuhe schieben konnte.

»Na ja...« Ein wenig verärgert über die Schweigsamkeit seines Gastes räusperte sich Taggard geräuschvoll. »Mit zugeschraubtem Sicherheitsventil schafft die Tari sieben Knoten und dürfte morgen früh Barumma erreichen.« Man merkte ihm eine Spur von Verlegenheit an, als er sich gezwungen sah, seine Position zu erklären. »Ich habe alles nach Möglichkeit vorbereitet, aber mir sind gewisse Grenzen gesetzt. Die Firma Rajah-Laut ist eben ein reines Handelsunternehmen. Mein Direktorium sieht es nicht gern, wenn wir uns in irgendeiner Weise auf etwas einlassen, was mit Politik zu tun hat, gleichgültig welcher Schattierung. Das ist schlecht fürs Geschäft, ganz besonders für unsere Art von Geschäften.«

Cord trank einen Schluck und nickte. »Aber Sie sind manchmal anderer Ansicht?«

»Manchmal.« Taggard betrachtete seinen Besucher sehr nachdenklich.

Talos Cord war glattrasiert, trug sein schwarzes Haar kurzgeschnitten, war etwas über mittelgroß und kräftig gebaut. Unter der rehfarbenen, von der Reise zerknitterten Jacke, die er offen über einem blassblauen Hemd trug, wirkte er schlank und muskulös. Dazu trug er eine Köperhose und weiche Ledermokassins. Scheinbar sorglos lehnte er in dem Sessel. In dem Gesicht fielen die dunklen Augen und die kräftige Nase auf – und natürlich die Narbe. Bei manchen Leuten hätte sie hässlich gewirkt, dachte Taggard, aber zu Cord passte sie – die Wirkung wurde gemildert durch den breiten Mund, der Humor ausdrückte und darauf hindeutete, dass dieser Mann jetzt schon mehr erfahren hatte, als andere Leute in ihrem ganzen Leben.

Taggard beruhigte sich ein wenig und taute wieder auf.

»Wie geht’s eigentlich Andy Beck?«

»Sie kennen ihn?« Cord spielte mit seinem Glas und bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen.

»Ich kannte ihn vor vielen Jahren. Wir haben eine Zeitlang zusammen im Pazifik gekämpft, dann riss die Verbindung ab – bis jetzt.«

»Er ist jedenfalls gesund«, sagte Cord und fügte in Gedanken hinzu: Und ein gutes Gedächtnis hat er auch. Mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge dachte er: Wieder einmal typisch für den dicken, unordentlichen Andrew Bede, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort jemanden zu kennen. »Unter anderem ist er auch mein Chef.«

Chef der UN-Ermittlungsabteilung mit einem Büro hoch oben in der Streichholzschachtel des Gebäudes der Vereinten Nationen in New York; von dort aus regierte Andrew Beck mit drei Telefonen und einer Weltkarte. Er sammelte geflüsterte Gerüchte, Andeutungen und missgünstige Bemerkungen und verflocht sie zu einer Voraussage. Deshalb hatte er auch Cord zuerst nach Berlin und nun nach Borneo geschickt.

Leute, die über die Ermittlungsabteilung Bescheid wussten, gebrauchten manchmal den Ausdruck Peacemakers; das Wort hat einen Doppelsinn und heißt nicht nur Friedensbringer, sondern es ist auch der Name einer berühmt gewordenen Handfeuerwaffe. Wenn Beck etwas unternahm und einen seiner Leute wie eine Karte im internationalen Pokerspiel in einer bestimmten Situation einsetzte, dann verlangte er auch Resultate. Die Ermittlungsabteilung hatte die Wahrheit herauszufinden und an Ort und Stelle etwas zu unternehmen – manchmal drastisch, manchmal behutsam, um die erhitzten Gemüter in dem drohenden Konflikt abzukühlen.

Schon eine einzige Karte mehr in einer bestimmten Hand kann das ganze Spiel verändern, das war jedenfalls Becks Grundregel, die er überlegen befolgte, wobei er sich über die beteiligten Nationen und die anfallenden Probleme einfach hinwegsetzte. Das Überraschungsmoment war die einzige Trumpfkarte, die er in diesem gefährlichen Spiel im Ärmel hatte.

»Waren Sie schon einmal auf Borneo?«

Taggards Frage brachte Cord mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Er schüttelte den Kopf. »Auf ein paar anderen Inseln ringsherum, aber hier noch nicht. Meine Sprachkenntnisse reichen aber aus, um nicht verlorenzugehen.«

Trotz der Klimaanlage schimmerten ein paar Schweißperlen auf Taggards kahlem Schädel. Der Geschäftsführer der Rajah-Laut-Agentur wischte sich mit einem großen Taschentuch darüber.

»Nun, ich nehme an, dass Sie die Lage in großen Zügen kennen. Nordborneo gehört zur Föderation Malaysia. Indonesien besitzt den Süden und möchte gern die ganze Insel haben. Sukarno hat es mit seinem sogenannten Konfrontationskrieg versucht, weil er damit unter anderem sein Volk vom Chaos im eigenen Land ablenken wollte. Dann wollten die Kommunisten in Indonesien an die Macht kommen, zogen bei einem zweiseitigen Massaker den Kürzeren, und alles kühlte sich ein wenig ab. Die Konfrontation wurde unter den Teppich gekehrt. Das heißt aber nicht, dass man sie vergessen hat oder dass die örtlichen Militärbehörden geneigt sein könnten, einen UN-Beauftragten willkommen zu heißen.«

Cord zwinkerte ihm zu – er hatte die milde Untertreibung verstanden. Indonesien war als die erste Nation, die freiwillig aus der UNO auszog, zu einigem historischen Ruhm gelangt. Die meisten anderen Mitgliedsländer hätten es lieber gesehen, wenn Indonesien geblieben wäre, und man war erleichtert, als schließlich die Rückkehr erfolgte. Zynische Gemüter meinten in Privatgesprächen, es sei immer besser, einen möglicherweise aufsässigen Nachbarn im Auge behalten zu können, als ihn irgendwo frei herumlaufen zu lassen.

»Nach meinem Pass bin ich Fotograph«, erinnerte Cord. »Angeblich arbeite ich für einige europäische Zeitschriften und habe den Auftrag, einen Bildbericht über das Borneo des zwanzigsten Jahrhunderts zusammenzustellen.«

»Das habe ich gehört«, sagte Taggard trocken. »Schön, wenn Sie drüben landen, vergessen Sie nicht, dass Borneo umgetauft wurde, es heißt jetzt Kalimantan.« Er zog eine Schreibtischschublade heraus, entnahm ihr einen Umschlag und schob ihn Cord zu. »Ich weiß nicht, welche Empfehlungen Sie mitbringen, aber das hier wird Ihnen vielleicht helfen. Es ist ein persönliches Schreiben von mir an Oberst Suramo, den Militärgouverneur des Bezirks Barumma. Wenn er Sie mag, ist alles in Ordnung. Wenn nicht – nun, das ist Ihre Sache.«

»Danke.« Cord öffnete den Umschlag und warf einen Blick auf den kurzen, maschinegeschriebenen Text.

»Ich habe nur geschrieben, dass Sie uns um Hilfe baten und dass ich Sie an ihn weiterreiche«, sagte Taggard unbeteiligt. »Es heißt hier nicht, dass ich Sie kenne oder dass die Firma Rajah-Laut Sie unterstützt. Aber Suramo hat – nun, sagen wir einmal – eine persönliche Vereinbarung mit uns, sodass dieser Einführung schon einiges Gewicht zukommen dürfte.«

»Geschäft bleibt Geschäft, wie?« Cord ließ ein zufriedenes Lachen hören, schob den Brief wieder in den Umschlag und steckte ihn weg. »Ich hätte gern mehr über den Oberst gewusst.«

»Das kann Ihnen jemand anderer viel besser erzählen.« Taggard drückte auf einen Knopf neben seinem Ellbogen. Gleich darauf klopfte es leise an die Tür, und ein schlankes, honigfarbenes Malaien-Mädchen in einem europäischen, sehr schicken Baumwollkleid trat ein. »Mora, ist Peter Dimo schon hier?«

»Er wartet draußen, Tuan.« Sie streifte Cord mit einem raschen Blick. »Brauchen Sie ihn jetzt?«

»Ja.«

Das Mädchen ging, und Taggard wandte sich wieder seinem Gast zu.

»Peter Dimo ist bei uns als Einkaufsagent beschäftigt«, sagte Taggard. »Was in seinem Fall bedeutet, dass er unser Kontaktmann für den größten Teil der Küste von Barumma ist. Er stammt von Malaien, Chinesen und wahrscheinlich noch ein paar anderen Völkerstämmen ab. Er kam aus Singapore zu uns, und fast jede zweite Woche wünsche ich mir, dass er schleunigst wieder dorthin zurückkehrt.«

»Also ein recht selbständiger Typ?«

»So kann man es auch nennen.« Taggard seufzte leise. »Aber er kennt die richtigen Leute, weiß, an welcher Stelle man wieviel Schmiergeld bezahlen muss und wann. Er fährt zusammen mit Ihnen auf der Tari hinüber, und ich habe ihn gebeten, Sie da drüben ein wenig einzuführen. Aber etwas möchte ich klarstellen.« Er beugte sich vor und legte beide Hände flach auf den Schreibtisch. »Ziehen Sie ihn nicht mit hinein. Wir haben es Dimo zu verdanken, dass ein so großer Teil des Kopra- und Gummihandels aus dem Süden über uns läuft. Er ist für uns so wertvoll, dass wir nicht riskieren wollen, ihn zu verlieren.«

»Ich werde daran denken«, murmelte Cord beruhigend. »Wieviel weiß er überhaupt von der Sache?«

»Ich habe ihm erklärt, dass Sie Fotograph sind. Falls er anderer Meinung ist, wird er es für sich behalten.« Taggard kaute unzufrieden auf der Unterlippe. »Cord, niemand hat sich die Mühe gegeben, mir auch nur andeutungsweise zu sagen, was hier vorgeht. Wenn ich Ihnen schon helfen soll...«

»Tut mir leid.« Cord schüttelte langsam und mit besänftigendem Lächeln den Kopf. »Andrew Beck hat mich mit einem bestimmten Auftrag hierhergeschickt, und ich werde ihn erledigen. Halten Sie mich ruhig für widerlich, wenn Sie wollen, aber ich werde Ihnen nichts sagen.«

Taggard brummte etwas vor sich hin und drehte sich dann mit seinem Sessel herum, als es laut und selbstbewusst an der Tür klopfte.

»Masuk – kommen Sie herein, Peter.«

Der große Mann, der eintrat, war dünn wie eine Bohnenstange und sah ganz anders aus, als Talos Cord ihn sich vorgestellt hatte. Peter Dimo mochte noch Anfang Zwanzig sein und hatte einen dichten Schopf schwarzes, ölig-glänzendes Haar. Er trug einen cremefarbenen Leinenanzug, dessen Jacke für seine schmächtige Gestalt um mindestens eine Nummer zu groß war, auf Hochglanz polierte beigefarbene Schuhe von fast derselben Tönung wie seine Haut, dazu eine mächtige Brille mit dicken Gläsern, die den Ausdruck vorsichtiger Neugier in seinem eigenartig jungenhaften Gesicht nicht zu verbergen vermochten.

»Selamat siang – guten Tag, Jameson.« Der junge Mann sprach mit leichter, fast akzentfreier Tenorstimme. »Das ist Ihr Mr. Cord?«

Taggard nickte. »Ich habe ihm schon von Ihnen erzählt.«

»Und jetzt muss ich versuchen, meine Beschreibung zu rechtfertigen, wie?« Dimo schob mit dem Zeigefinger die schwere Brille ein Stückchen höher und grinste. »Ich verstehe nicht viel von Fotographie, Mr. Cord, wenn man von den unanständigen Bildern absieht, die manchmal aus Hongkong hereingeschmuggelt werden. Die Polizei besitzt davon eine phantastische Sammlung.« Er zog eine kleine, reichverzierte silberne Zigarettendose aus einer Tasche und öffnete sie. »Amerikanische.«

»Nein, danke.« Cord erhob sich, aber er schüttelte den Kopf und zog eine seiner dicken, braunschwarzen Zigarren aus der Brusttasche seiner Jacke. »Ich rauche nur diese hier.« Er sah Taggard fragend an.

»Jameson hat nur wenige Untugenden«, antwortete Dimo. Er riss ein Streichholz an, wartete, bis Cords Zigarre richtig zog, zündete dann seine Zigarette an und stieß eine elegante Rauchwolke aus. »Ich habe mich auf der Tari erkundigt. Sie ist fast fertig zum Auslaufen.«

»Gut«. Fast schien Taggard erleichtert. »Peter, wenn Sie Oberst Suramo sehen...«

»Werde ich zu ihm wie ein Bruder sein«, sagte Dimo. Zu Cord gewandt erklärte er: »Der Oberst hat die Ausfuhrgenehmigungen aus Barumma in der Hand. Jedes Boot von dort braucht eine Genehmigung, bevor es mit einer Ladung hierher dampfen darf, und in den letzten zwei Wochen waren diese Genehmigungen ziemlich schwer zu bekommen.«

»Also muss man den Oberst wieder irgendwie freundlicher stimmen?«, fragte Cord.

»Vielleicht.« Dimo verzog das Gesicht, dadurch wirkte er noch jünger. »Wenn Sie ihn mit Ihren Kameras besuchen, so könnte es zum Beispiel recht günstig sein, wenn Sie ihm ein paar spezielle Porträtstudien empfehlen.«

»Günstig für wen? Für mich oder für Rajah-Laut?«

»Sagen wir einmal, es könnte allen helfen«, knurrte Taggard und stand auf. »Zum Schluss noch etwas, Cord: Sollte es auf der Tari irgendwie Ärger geben, so überlassen Sie das Peter. Er kennt die Tricks, Sie nicht.«

»Das kann er gern machen.« Cord streckte ihm die Hand hin. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Taggard.«

»Sparen Sie sich das bis zu Ihrer Rückkehr«, sagte Taggard nüchtern. Nach einem kurzen, festen Händedruck fügte er hinzu: »Glückliche Reise.«

»Dann können wir ja gehen«, sagte Dimo gut gelaunt.

Taggard hob die Hand zu einem zerstreuten Abschiedsgruß, dann gingen sie. Als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück und legte die Stirn in nachdenkliche Falten. Sollte es im Süden zu irgendwelchen Unruhen kommen, so konnte leicht der gesamte Kopra-Nachschub aus Indonesien ausbleiben, und das vielgefragte, getrocknete weiße Fleisch der Kokosnuss mit seinem hohen Ölgehalt musste auf dem Weltmarkt unmittelbar im Preis anziehen. Wenn nun das Hauptbüro sich einige Optionen für nicht aus Indonesien stammende Ladungen beschaffte und die bereits eingelagerten Lieferungen festhielt, bis der Markt auf das unabänderliche Gesetz von Angebot und Nachfrage reagierte, dann...

Rasch entschlossen griff er zum Telefon.

 

Talos Cords grüne Reisetasche aus Segeltuch lag unten im Hauptbüro, wo ungefähr ein Dutzend Angestellter und Stenotypistinnen, meist Chinesen, fleißig bei der Arbeit waren.

Peter Dimo entschuldigte sich für einen Augenblick und kam mit einem Koffer zurück, den er kaum schleppen konnte.

»Fertig«, verkündete er. »Allzu schlimm wird die Reise schon nicht werden. Ich habe uns eine Kabine besorgt. Noch eine Bitte: Nennen Sie mich Peter, ja?«

Als sie durch den Haupteingang hinaustraten, prallte ihnen die Nachmittagshitze wie eine solide Mauer entgegen. Dimo sah sich um und winkte. Ein kräftiger Dusun-Träger in schmutzigen Shorts und mit einem ausgebleichten Schweißband um die breite Stirn schlenderte von der Mauer, an der er gelegen hatte, herbei. Er bestätigte mit einem kurzen Nicken Dimos Anweisungen, hob den Koffer hoch, als enthalte er nichts als Federn, und griff nach Cords Tasche.

»Nein.« Cord schüttelte den Kopf. »Tidak.«

Achselzuckend schulterte der Mann Dimos Koffer und marschierte auf den Kai zu.

»Sie hätten es ruhig wagen können«, murmelte Dimo. »Das Verbrechen spielt sich hier in Form direkter offener Gewalttaten ab. Die Bevölkerung von Tawau lernt erst jetzt allmählich das Stehlen.«

»Ich habe nur an meine Kameras gedacht«, erklärte Cord. »Ich möchte nicht, dass sie irgendwo herumgestoßen werden.«

»Das hatte ich vergessen.« In der hohen, klaren Stimme lag etwas, das Cord zu einem scharfen Seitenblick veranlasste. Aber Dimo begegnete ihm mit einem sanften, unschuldigen Lächeln. »Für einen Fotographen sind Kameras natürlich sehr wichtig.«

Sie folgten dem barfüßigen Dusun die belebte Straße entlang und kamen an ein paar lärmenden, improvisierten Marktständen vorbei, auf denen stinkender, getrockneter Fisch, Gemüse aus dem Inneren der Insel und farbenfroh verzierte Töpferwaren auf Kundschaft warteten. Eine alte Frau in knöchellangem Rock, die auf ihren Schultern einen Tragebalken mit zwei geflochtenen Körben schleppte, stieß mit Cord zusammen und schimpfte. Doch ihre böse Miene verflüchtigte sich schon im nächsten Augenblick, als Dimo ihr etwas ins Ohr flüsterte.

»Wie lautete das Kennwort?«, fragte Cord, als sie weitergingen.

Dimo kicherte. »Ich habe ihr gesagt, Sie sind ein armer Tuan, der zu viel getrunken hat. Vielleicht hat sie es geglaubt, vielleicht auch nicht – jedenfalls stimmte es sie froh.«

Nachdem sie erst einmal das Tor zum Hafen erreicht hatten, wurde es ruhiger. Ein einzelner malaiischer Wachtposten mit einem Gewehr über der Schulter nickte ihnen schläfrig zu, als sie vorüberkamen und glitt sofort in seinen vorherigen Dämmerzustand zurück.

»Da ist noch etwas, das ich gern gewusst hätte.« Cord nahm die Tasche in die andere Hand, er spürte, wie ihm jetzt schon das Hemd am Rücken klebte. »Was meinte Jameson Taggard eigentlich, als er von Schwierigkeiten an Bord der Tari sprach?«

»Das?« Dimo zuckte die Achseln. »Vielleicht nur die Kakerlaken, die hier in einer prächtigen Rasse gezüchtet werden.« Dann wurde er ernst. »Vielleicht dachte er auch an die Bajaus, unsere Zigeuner des Meeres, wie der da drüben.« Er deutete unauffällig auf eine untersetzte, muskulöse Gestalt, die vor ihnen neben einem Berg Packkisten stand. Kupferfarbene Haut spannte sich über die mächtigen Muskeln, ein schmutziger Turban war flach um den Kopf gewickelt, der Mann war nackt bis zur Hüfte und hatte seine Daumen hinter den gewebten ehemaligen Militärgürtel geschoben, der seine vom Salz ausgebleichten Hosen hielt. Langsam und rhythmisch bewegte sich seine Kinnlade. Als sie an ihm vorübergingen, grinste er sie frech an und spuckte aus. Ein Strom von rotem Betelsaft landete dicht neben ihren Füßen.

»Typisch«, sagte Dimo ärgerlich. »Sie leben auf dem Meer und von dem Meer. In der einen Nacht sind sie vielleicht Fischer, in der nächsten schon Piraten.« Er spürte Cords unausgesprochene Skepsis. »Keine komischen Operettenfiguren, Mr. Cord. Sondern Piraten, die mit Motorbooten und Maschinengewehren operieren.«

»Ich habe davon gehört«, musste Cord zugeben. In verschiedenen Berichten von UN-Mitarbeitern wurde das Meeresdreieck zwischen den südlichen Philippinen, Borneo und Celebes als ein Zentrum von Überfällen und Gewalttaten beschrieben, ein Zustand, der fast an Anarchie grenzt.

»Dann wissen Sie vielleicht auch, dass sie sich normalerweise auf den Raub geschmuggelter Ladungen verlegen. Zigaretten, Seide, vielleicht auch Schnaps – nur kostbare Sachen, die wenig Raum einnehmen. Gelegentlich überfallen sie ein Dorf und lassen alles mitgehen, was man irgendwie zu Geld machen kann. Die reguläre Küstenschifffahrt wird sonst nicht belästigt, aber im Augenblick scheinen sie recht empfindlich geworden zu sein.« Dimo machte mit seiner langen, knochigen Hand eine unglückliche Geste. »Letzten Monat sind drei Bootsladungen zu weit nach Norden abgekommen und auf eine britische Fregatte gestoßen. Sie wurden geschnappt, und darüber sind die anderen jetzt natürlich böse.«

»Aber fährt auf der Tari denn nicht eine Eskorte mit?«

Dimo schüttelte den Kopf.

»Nett zu wissen«, bedankte Cord sich trocken. »Und ich habe gedacht, hier in der Gegend leben ehrliche Leute.«

Der Gepäckträger war an der schmalen Gangway stehengeblieben, die zur Tari führte. Dimo reichte ihm eine Münze, griff nach seinem Koffer und entließ den Mann. Cord betrachtete den Küstendampfer.

Er mochte etwa fünfzig Meter lang sein und ein Ladegewicht von ungefähr zweihundert Tonnen haben. Das Deck war schon seit langem nicht mehr gesäubert worden und noch länger mit keinem Pinsel mehr in Berührung gekommen. Die wenigen Besatzungsmitglieder, die an Bord arbeiteten, wirkten wie ein mürrischer Haufen von Tagedieben.

»Das Hilton ist das hier bestimmt nicht«, musste Dimo zugeben, der offenbar Cords Gedanken las. »Aber der Kahn schwimmt und erreicht sein Ziel.« Sein hageres Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Meistens jedenfalls. Kommen Sie, kümmern wir uns um unsere Kabine.«

Er schleppte mühsam seinen gewaltigen Koffer über die Gangway. Cord blieb dicht an seinen Fersen und drängte sich zwischen den Gruppen von Deckspassagieren durch, bis sie schließlich einen schmalen, muffig riechenden Niedergang erreichten. Dimo stellte seinen Koffer vor der zweiten Kajütentür ab und winkte einladend. Cord drückte die Klinke nieder, stieß die Tür auf und blieb mit offenem Mund stehen.

Die Kabine war klein. Sie bot kaum den beiden Kojen, einem Schrank und einem Stuhl Platz. Das stupsnasige indonesische Mädchen mit dem rabenschwarzen Haar, das von der oberen Koje auf ihn herunterstarrte, war sprachlos vor Überraschung. Auf der zerschlissenen Decke der unteren Koje lagen allerhand abgelegte Kleidungsstücke durcheinander, daneben stand ein schlanker, sommersprossiger Rotschopf, der gerade im Begriff war, eine grüne Hemdbluse überzuziehen. Zwischen BH und Gürtel leuchtete ein Stück hübsche sonnengebräunte Haut, und in diesem Augenblick wandte das Mädchen Cord die zornigsten Augen zu, die er jemals gesehen hatte.

»Raus!« Sie wurde rot und hielt vorn ihre Bluse zusammen.

Das Mädchen auf der oberen Koje setzte sich mit einem wütenden Aufschrei in Bewegung, kletterte herunter und strich sich den plissierten Nylonrock über den wohlgeformten Hüften glatt.

»Entschuldigung«, begann Cord, »aber...«

»Hinaus!« Die Tür donnerte vor seiner Nase ins Schloss. Cord stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. Damit eröffneten sich für die Dampferfahrt völlig neue Perspektiven. Peter Dimo stand neben ihm, nahm langsam die Brille ab und kaute feixend auf einem Stiel des Brillengestells herum.

»He! Die Damen waren scheinbar ärgerlich.«

»Und wahrscheinlich gefährlich.« Cord nahm die Tasche wieder in die andere Hand. »Wir haben die falsche Kabine erwischt.«

»Nein, das ist die einzige Passagierkabine.« Dimo setzte seine Brille wieder auf, beugte sich vor und klopfte hoffnungsvoll an. »Hallo, ihr beiden. Vielleicht dürften wir Sie einmal sprechen, sobald Sie fertig...«

»Bleiben Sie, wo Sie sind«, unterbrach ihn energisch die Stimme der Rothaarigen. Hastiges Rascheln und Tappen war zu hören, dann ging die Tür auf.

»Also?« Sie stand entschlossen im Türrahmen, die Fäuste geballt. Die Bluse hatte sie fest in den Gürtel einer gebleichten Baumwollhose geschoben, das Durcheinander von Kleidungsstücken war verschwunden, und das andere Mädchen stand dicht hinter ihr, ebenfalls bereit, jede Invasion zurückzuschlagen.

Dimo räusperte sich. »Äh, mein Name ist Peter Dimo, und das hier ist Mr. Cord.«

»Der nicht anklopfen kann«, fauchte die Rothaarige.

»Schließen Sie Türen nie ab?«, konterte Cord und hob erstaunt seine Augenbrauen.

»Das schon, aber, aber...« Sie presste die Lippen zusammen, packte die äußere Türklinke und bewegte sie auf und ab. »Das verdammte Ding lässt sich anscheinend trotzdem von außen öffnen. Woher sollten wir das wissen?«

»Leider«, pflichtete ihr Dimo mitfühlend bei. »Leider hat sich hier irgendwo ein Fehler eingeschlichen. Das ist nämlich unsere Kabine.«

»Kamu gila – sind Sie verrückt geworden?«, plapperte das andere Mädchen empört los. Eine lange Strähne hatte sich aus ihrem rabenschwarzen Haar gelöst und fiel ihr in die Stirn. Ungeduldig schob sie sie zurück. »Sie langer, elender Lulatsch! Das ist unsere Kabine, und wir können es auch beweisen. Hier, sehen Sie selbst.« Sie hielt den beiden einen Zettel vor die Augen. »Unsere Quittung! Kabine A – stimmt’s?«

»Stimmt, kleines Fräulein. Aber...« Plötzlich blitzte in seinen Augen Verstehen auf. Er zog genauso einen Zettel aus der Tasche. »Da haben wir’s – ebenfalls Kabine A. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Sie offenbar zehn Dollar mehr bezahlt haben. Und leider gibt es keine Kabine B.« Er wandte sich achselzuckend Cord zu. »Ich vergaß zu erwähnen, dass unser Kapitän ständig unterbezahlt ist.«

Die Rothaarige wechselte einen erstaunten Blick mit ihrer Begleiterin und schluckte, aber ihre Empörung hatte sich noch nicht gelegt. »Schön, das ist Ihre Sache. Wir ziehen nicht aus.«

»Ich dachte mir fast, dass Sie das sagen würden«, murmelte Cord grinsend.

»Das wär’s also.« Ihre Lippen wurden wieder schmal. »Und Sie können diesen Banditen da oben sagen, dass wir uns das zu viel bezahlte Geld zurückholen werden. Leben Sie wohl.« Wieder fiel die Tür ins Schloss.

Dimo zog scharf die Luft ein, bückte sich und hob seinen Koffer hoch. »Mein alter Vater war dreimal verheiratet«, sagte er bitter. »Streite nie mit einer Frau, pflegte er immer zu sagen. Und dieses eine Mal werde ich mich als gehorsamer Sohn erweisen, Mr. Cord.«

 

Der Kapitän der Tari war ein bekümmerter, dicker Indonesier, dessen einziges Rangabzeichen die goldbetresste Mütze war, die bedenklich schief auf seinem Kopf saß. Im Augenblick hatte er zu viel zu tun. Sie konnten ihn erst sprechen, als der Küstendampfer abgelegt hatte und geräuschvoll in die Sibuko-Bucht hinausstampfte. Die See lag glatt, es herrschte fast völlige Windstille, und die Deckpassagiere machten es sich schon zwischen ihren Bündeln und Packen bequem. Eine sechsköpfige chinesische Familie errichtete in aller Ruhe unter einem Rettungsboot ein Miniaturzelt aus Matten.

Cord wartete unterhalb der Brücke, blickte ins träge vorbeifließende blaue Wasser und überließ alles andere Peter Dimo.

Als der große, bebrillte Malaie schließlich wieder auftauchte, wurde er vom Maat der Tari begleitet. Mit einer missmutigen Kopfbewegung bedeutete er ihnen, ihm nach achtern zu folgen. Er blieb vor einer Kabinentür stehen, stieß sie auf und verschwand. Als er schließlich wiederkam, trug er einen hastig vollgestopften Seesack unter dem Arm, deutete mit dem Daumen über die Schulter und marschierte wortlos davon.

»Seine?«, fragte Cord.

»Ja. Befehl von oben.« Dimo legte wieder die gewohnte Zuversicht an den Tag. »Ich habe dem Kapitän erzählt, Sie würden ihn sonst fotographieren und die ganze Welt wissen lassen, was für ein betrügerischer Gauner er ist.«

Sie traten ein. Die Unterkunft des Maats war noch kleiner als die andere Kabine, und über der einzigen Koje wölbte sich ein Rohr, das verdächtig nach der Entlüftung des Maschinenraums aussah. Als Cord es berührte, verbrannte er sich fast die Finger. In einem Papierkorb aus Drahtgeflecht lagen leere Bierdosen, und der abgeschabte Lehnstuhl wirkte ebenso verblasst und trostlos wie die Pin-Up-Mädchen an den Wänden. Bei diesem Anblick begann Cord beinahe, die Deckspassagiere zu beneiden.

»Sie nehmen die Koje, ich den Stuhl.« Dimo wehrte entschieden jeden Protest ab. »Aber zunächst eine kleine Vorsichtsmaßnahme.« Er klappte den Koffer auf, suchte darin herum und fand eine Spraydose mit einem Insektenvertilgungsmittel. Er versprühte das Zeug reichlich in alle Ecken, bis die ganze Kabine durchdringend nach dem Mittel stank. Als er fertig war, warf er die leere Dose weg, legte die Jacke ab und warf sich zufrieden in den Lehnstuhl. »Kameras in Ordnung?«

»Alles in Ordnung.« Cord hatte bereits nachgesehen. Er legte die zwei Fotoapparate auf die Decke seiner Koje.

Das eine war eine 35mm-Leica, das andere eine große japanische Spiegelreflexkamera. Er hatte sie gebraucht gekauft, weil seine Ausrüstung aussehen musste, als sei sie schon viel benutzt worden. Als er sich auf die Koje setzte, stellte er fest, dass die Matratze reichlich uneben und buckelig war.

»Wie sieht’s eigentlich in Barumma aus, Peter? Ich hätte gern von einem Fachmann etwas darüber gehört.«

»Kommt ganz darauf an, was Sie wissen wollen – als Fotograph.« Dimo warf ihm einen seltsamen Blick zu, dann zündete er sich umständlich eine Zigarette an.

»Wie meinen Sie das?«

»Ach, nichts weiter. Ich versuche immer, der Neugier zu widerstehen.« Damit wechselte Dimo geschickt das Thema. »Wichtiger ist jedenfalls, was ich über die Mädchen erfahren habe.«

»Nun?«, fragte Cord.

»Die kleine Schwarze heißt Sadiah – Sadiah Beh.« Dimo fuhr sich mit der Hand anerkennend über das spitze Kinn. »Puh«, machte er. »Ist das ein feuriges kleines Luder. Die energische Rothaarige ist Katherine Shellon, von Freunden wird sie Kate gerufen. Stellen Sie sich vor: Die beiden kommen ausgerechnet aus einem Museum in Manila. Den Grund habe ich noch nicht herausbekommen.«

»Haben Sie das vom Kapitän erfahren?«

»Nein, von der kleinen Sadiah.« Dimo streckte in bester Laune die langen Beine aus. »Wir haben uns ein wenig unterhalten, als wir auf den Kapitän warten mussten. Sie wollte ihre zehn Dollar zurückfordern – was ihr auch gelungen ist.«

»Kann ich mir denken.« Cord konnte sich die Szene lebhaft vorstellen. Dann kam er ganz beiläufig wieder auf sein Thema zu sprechen. »Was ist nun mit Barumma?«

»Immer nur die Arbeit.« Dimo seufzte enttäuscht. »Da wäre einmal die Stadt Barumma, und dann noch der Bezirk. Kalimantan besteht aus ungezählten kleinen Bezirken, und die meisten werden vom Militär regiert. Was Barumma betrifft, so ist Kaan Suramo der unbestrittene Boss – bis auf die seltenen Gelegenheiten, wo die Zentralregierung in Djakarta ihm irgendeinen Beamten schickt, um die Bücher zu überprüfen und festzustellen, was eigentlich gespielt wird.«

»Und Suramo?«

»Ein großer Frosch in einem kleinen Teich – und er ist sich seiner Position sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht bewusst.« Das Schuljungengrinsen wirkte ein wenig verächtlich. »Er ist nicht schlechter als die meisten anderen, und vermutlich etwas klüger. Suramo bevorzugt Anerkennung in Form harter, amerikanischer Dollars. Die indonesische Rupie ist für seinen Geschmack ein wenig zu schwach auf der Brust.«