Insel Der Sehnsucht - Barbara Cartland - E-Book

Insel Der Sehnsucht E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Seit dem Tode ihrer Mutter hat die schöne aber unschuldige Linetta Falaise ein behütetes Leben unter dem Schutz ihrer gütigen französischen Zofe geführt. Als diese stirbt, ist sie zutiefst traurig und steht ohne Einkommen da. Deshalb gibt es keine Alternative für sie als nach Paris zu reisen, wo die Nichte ihrer Zofe ihr bestimmt helfen kann, eine Anstellung zu finden, vielleicht als Englischlehrerin für französische Kinder aus gutem Hause. Doch schon auf dem Weg nach Frankreich werden ihre unschuldigen Augen für die harten Tatsachen des Lebens geöffnet als sie den Annaehrungen eines Fremden zu entkommen versucht. Ein Gentleman rettet sie vor dem Wüstling, der Marquis von Darleston, der auf einer geheimen Mission auf dem Weg nach Paris ist... Ihr Kennenlernen wird ihr noch auf ihren weiteren Abenteuern als Fügung Gottes erscheinen...

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2022

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1. ~ 1798

„Wie lange müssen wir denn noch hierbleiben?“

Die Stimme des jungen Mannes klang ungeduldig, während er über die Bucht von Neapel blickte.

Man konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen als den Blick vom Palazzo Sessa, in dem der britische Botschafter lebte.

Zur Linken leuchteten die pastellfarbenen Fassaden der flachen Häuser mit ihren Terrassen, und die mächtigen Mauern des königlichen Palastes ragten majestätisch in die Höhe. Das Schloß dell'Ovo soll der Überlieferung nach auf einem magischen Ei erbaut worden sein, einem Geschenk des Zauberers Vergil.

Vor dem jungen Mann lag verschwommen die Insel Capri, deren Küstenlinie sich unter dem rauchenden Vesuv in der Ferne verlor.

„Man erwartet täglich ein Schiff“, erwiderte mit sanfter Stimme Lady Cordelia Stanton und schritt über die mit Marmorplatten ausgelegte Terrasse auf ihren Bruder zu. Sie blieb neben ihm stehen und ließ ihren Blick über die Bucht schweifen.

Immer wieder begeisterte sie dieser Anblick. Der azurblaue Himmel spiegelte sich in der grün-blauen See, das Sonnenlicht schien die Schiffe im Hafen zu vergolden, und schwarze Zypressen standen wie Wachtposten auf den Hügeln über der Stadt.

Niemals, dachte Cordelia, hatte sie sich einen solchen Überfluß an Farben vorstellen können, wie es ihn in den Gärten Neapels gab.

„Wir sind nun schon seit beinahe drei Wochen hier“, sagte ihr Bruder in ärgerlichem Ton.

„Es ist doch gar nicht deine Art, dich zu beklagen, David“, sagte Cordelia sanft. „Und Sir William und Lady Hamilton waren so freundlich zu uns.“

„Dafür bin ich auch sehr dankbar, Cordelia, aber du weißt, wie gern ich endlich Malta erreichen möchte. Jede Meile dieser Reise war für mich wie ein Kreuzzug, und jetzt endlich ist mein Heiliges Land in Reichweite.“

Seine Stimme zitterte vor Erregung, so daß Cordelia ihre Hand auf seinen Arm legte.

„Ich kenne deine Gefühle, Liebster“, sagte sie, „aber ich muß immer wieder daran denken, daß du mich verlassen wirst, sobald du dem Ritterorden des Heiligen Johannes beitrittst.“

Ein Augenblick lang herrschte Schweigen, bevor der junge Graf von Hunstanton in völlig verändertem Ton fragte: „Es ist sehr selbstsüchtig von mir, mich so wenig um dich zu kümmern, nicht wahr?“

„Nein, bestimmt nicht“, beeilte sich Cordelia, ihn zu beruhigen. „Wir haben oft genug darüber gesprochen und sind uns einig, daß wir beide unser eigenes Leben führen müssen. Und schon als kleines Kind hattest du den Wunsch, einmal Ritter zu werden.“

„So ist es“, stimmte der Graf zu. „Ich erinnere mich noch an die Geschichten, die Mama mir von den Kreuzfahrern erzählt hat. Wie tapfer sie gegen die Heiden gekämpft haben. Aber die Ritter haben dann die Verwundeten beider Armeen voller Demut in ihrem Hospital in Jerusalem gepflegt.“

Er legte eine kleine Pause ein, bevor er hinzufügte: „Das ist wahres Christentum, Cordelia, und diesem Ideal habe ich mein Leben geweiht, seit ich denken kann.“

„Ja, ich weiß“, erwiderte Cordelia. „Falls ich jedoch nach England zurückkehre, wird Malta dann sehr weit entfernt sein.“

„Falls?“ Ihr Bruder sah sie erstaunt an. „Du sagtest falls. Hast du dir meinen Vorschlag denn noch einmal überlegt?“

„Ja, David, aber ich möchte jetzt nicht darüber reden. Wir sprachen gerade von dir und darüber, daß du nichts sehnlicher erwartest als ein Schiff.“

Er lächelte sie an.

„Mir kommt es vor, als wartete ich schon seit Jahrhunderten. Dabei sind es eigentlich erst drei Jahre. Zuerst wartete ich darauf, ob meine Bewerbung von dem Hohen Meister angenommen worden war dann auf die Päpstliche Zustimmung, und jetzt warte ich lediglich auf eine Transportmöglichkeit, um den Ort zu erreichen, an dem ich meinen Eid ablegen werde.“

Noch während er sprach, wandte er sich von seiner Schwester ab und sah wieder auf die glitzernde See hinaus, als erwartete er jeden Augenblick, ein Schiff in den Hafen einlaufen zu sehen, das auf seinen Segeln das Wappen der Ritter vom Orden des Heiligen Johannes trug.

Doch obwohl im Hafen, der einer der wichtigsten im Mittelmeer war, reger Verkehr herrschte, konnte er das ersehnte Schiff nirgendwo entdecken.

Cordelia stieß einen kleinen Seufzer aus und entfernte sich einige Schritte von ihrem Bruder, um ein paar der Kamelien zu pflücken, die durch die Balustrade lugten.

Sie sah selbst wie eine Blume aus in ihrem weißen Musselinkleid mit dem angekrausten Kragen und der schmalen Schärpe, die ihre Taille betonte.

Trotz des warmen Sonnenscheins trug sie keinen Hut, so daß die Sonne auf ihrem goldenen Haar funkelte, das ihr schmales Gesicht mit modischen Locken umrahmte.

Ihre Augen waren sehr groß und von langen, dunklen Wimpern umrandet. Entgegen allen Erwartungen waren sie jedoch nicht blau, sondern ihr tiefes Grau besaß einen Hauch von Purpur.

Es waren sehr ungewöhnliche Augen, die ihrem Gesicht einen Reiz und etwas Rätselhaftes verliehen, das man selten in dem Gesicht eines jungen Mädchens entdecken konnte.

Seit ihrer Ankunft in Neapel war Cordelia von den dunkeläugigen Aristokraten mit Komplimenten und Einladungen überhäuft worden.

Sie alle lebten in eleganten Palästen, deren prunkvolle Wappen man durch die hohen, vergoldeten Tore kaum erkennen konnte.

Schon manchmal hatte Cordelia überlegt, ob es nicht ein Fehler gewesen war, zu einem Zeitpunkt nach Neapel zu reisen, zu dem sich ganz Europa in einem Zustand der Angst und Besorgnis befand und England sich allein, ohne einen Verbündeten, Napoleon, widersetzte.

Er war wie ein Ungeheuer, das seinen Schatten auf alle Länder warf.

Aber seit ihr Bruder erfahren hatte, daß sein Auftrag, ein Ritter vom Orden des Heiligen Johannes zu werden, angenommen war, konnte ihn nichts in der Welt davon abhalten, sein „Verheißenes Land“ zu erreichen.

Es erschien etwas befremdend, daß ein Graf von Hunstanton, der ein großes Gut in Berkshire besaß, ein Haus in London und außerdem etliche Besitztümer, die über die britischen Inseln verstreut waren, auf all dies verzichten wollte, um Ritter zu werden.

Aber dies war, wie er selbst sagte, seit seiner Kindheit sein Ziel und sein Bestreben.

Als er jetzt, nach dem Tod ihrer Eltern, sein eigener Herr war, hätte nur der Tod ihn davon abhalten können, Malta zu erreichen.

Cordelia erhielt durch diese Reise die Gelegenheit, die elegante Gesellschaft kennenzulernen, von der sie während ihrer Trauerzeit bis zum Jahresbeginn ausgeschlossen gewesen war.

Sie fand Vergnügen an den Bällen, den Theateraufführungen und den vielen Empfängen, die sie seit ihrer Ankunft in Neapel besucht hatte.

Sie hatte sich ein wenig vor der Begegnung mit Lady Hamilton, der Frau des britischen Botschafters gefürchtet, von deren legendärer Schönheit man sich in England erzählte.

Aber Emma Hamilton war ihr mit so viel Freundlichkeit begegnet, daß Cordelia ihre Schüchternheit augenblicklich verlor, als sie im Palazzo Sessa angekommen war.

Obwohl sie sich dem vierzigsten Lebensjahr näherte, war Lady Hamilton, deren Lebensart ein beliebtes Gesprächsthema unter den Aristokraten Neapels war, noch immer von außergewöhnlicher Schönheit.

„Sie ist faszinierend — absolut faszinierend!“ hatte Cordelia wohl ein Dutzend Mal zu ihrem Bruder gesagt.

Aber sie wußte, daß David seinen Gedanken niemals gestatten würde, sich mit der Schönheit irgendeiner Frau zu beschäftigen, während er im Begriff war, das Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams abzulegen.

Cordelia dagegen war überwältigt von all den Eindrücken, die die modische Welt Neapels ihr vermittelte.

Da war die Königin, eine blasse Habsburger Erscheinung, die den Mangel an Schönheit durch einen Überfluß von Juwelen und unzählige elegante Kleider, Pelze und Federn ausglich. Ihr königliches Gebaren verunsicherte die meisten Leute, ganz besonders jedoch ihren unscheinbaren, unnützen und dummen Gatten.

Seine Majestät König Ferdinand IV. hatte Cordelia mit unzähligen, außergewöhnlichen Komplimenten überschüttet, die sie jedoch eher amüsierten als in Verlegenheit brachten.

Es interessierte ihn nicht, was mit anderen Menschen geschah oder was sie taten, solange er ungestört seiner Eßlust frönen oder sich seinen zahlreichen anderen Vergnügen widmen konnte.

Noch niemals hatte Cordelia einen solchen König gesehen.

Er liebte es, im Hafen zu fischen und seine Beute danach auf dem Marktplatz in Neapel zu verkaufen und wie die einheimischen Fischer gewitzt um den Preis zu feilschen.

Sein Leibgericht waren Makkaroni, die er mit den Fingern aß. Eines Tages hatte Cordelia beobachtet, wie er aus seiner Loge in der Oper der Menge im Parkett eine Handvoll Makkaroni auf den Kopf warf.

Vor der Königin aber hatte er Angst, und um ihren hysterischen Ausbrüchen und ihrer scharfen Zunge entfliehen zu können, hatte er ihr fast jedes Ministerium überlassen, ohne auch nur die geringste Scham darüber zu empfinden.

Von allen Leuten, die Cordelia in Neapel kennengelernt hatte, war ihr Sir William Hamilton der Liebste.

In seinem Alter langweilten ihn die vielen Gerüchte über die gespannte politische Lage, die jedoch die Bevölkerung von Neapel immer wieder in neue Verzweiflung stürzten.

Statt dessen beschäftigte er sich ausgiebig mit seiner Antiquitätensammlung, die er in der Botschaft aufbewahrte. Er war fasziniert von seinen griechischen Urnen und den letzten Entdeckungen in Pompeji, die von der Mehrzahl der gebildeten Neapolitaner jedoch als unwichtig angesehen wurde.

Sir William war daher mehr als erfreut, in Cordelia eine interessierte Zuhörerin gefunden zu haben.

Sie brach in laute Entzückensrufe aus beim Anblick seiner Münzen- und Elfenbeinsammlungen.

Sie stellte ihm viele interessierte Fragen, und die Augen des Botschafters begannen zu leuchten, wenn er erzählte.

Aber Cordelia wußte, daß auch er die Spannung spürte, die in Neapel herrschte und die unwillkürlich auch auf ihn Übergriff. Sie begann, ein wenig nervös zu werden und sich vor der Zukunft zu fürchten.

Jetzt fragte sie sich, ob sie wohl mit ihrem Bruder sprechen konnte über ihre Befürchtungen.

„David...“, begann sie, und ihre Stimme klang sehr dringlich.

Im gleichen Augenblick wurden sie unterbrochen.

Ein Mann kam aus dem Salon auf die Terrasse, blieb dann stehen, um zuerst Cordelia und dann ihren Bruder zu betrachten.

David starrte noch immer aufs Meer und hatte den Neuankömmling gar nicht bemerkt. Cordelia jedoch ging ihm höflich entgegen.

Da Lady Hamilton der Königin im Palast einen Besuch abstattete, war es ihre Pflicht, die Rolle der Gastgeberin zu übernehmen.

Ihr fiel auf, daß der Gast ein außergewöhnlich großer Mann mit sehr breiten Schultern war. Er war modisch, wenn auch ein wenig nachlässig gekleidet. Cordelia war überzeugt davon, daß er Engländer war. Er strahlte eine starke Überlegenheit aus, als sei er es gewohnt, Befehle zu erteilen. Sein Gesicht unter dem blonden Haar war so von der Sonne verbrannt, daß man die Reinheit seines englischen Blutes hätte bezweifeln können. Jedoch waren seine Augen von leuchtendem Blau.

Im ersten Augenblick war er Cordelia sehr streng erschienen, als sie jetzt jedoch vor ihm knickste, lächelte er sie an und sie stellte fest, daß er ein außergewöhnlich attraktiver Mann war.

Als er jetzt ihre Hand ergriff, dachte sie, daß er sie an einen Piraten erinnerte, an Männer wie Drake und Hawkins, die mit ihren Schiffen die Meere beherrscht hatten.

„Guten Tag“, sagte Cordelia. „Leider ist Lady Hamilton nicht zu Hause. Wir erwarten sie jedoch in Kürze zurück.“

„Ich wollte aber nicht Lady Hamilton einen Besuch abstatten, sondern ich bin gekommen, um Sie zu sprechen“, erwiderte der Fremde.

Cordelia hatte Recht. Er war tatsächlich Engländer und hatte eine angenehme, tiefe Stimme. Es war beinahe eine Wohltat für Cordelia, ihn sprechen zu hören, nachdem sie wochenlang nur das schnelle Geschnatter der Neapolitaner hatte hören können.

Erstaunt sah sie ihn jetzt an, und er fuhr fort: „Sollten Sie wirklich die kleine Kusine mit den vielen Sommersprossen auf der Nase sein, die sich voller Wut auf mich stürzte, als ich eines Tages versehentlich eine ihrer Tauben erschossen hatte?“

„Mark!“ rief Cordelia aus. „Vetter Mark!“

„Wie ich feststelle, können Sie sich auch noch daran erinnern.“

Er streckte ihr die Hand entgegen, und sie legte ihre Finger hinein.

Mark Stanton, dachte sie ungläubig, war der Letzte, den sie hier erwartet hätte, zumal sie seit mindestens neun Jahren nichts mehr von ihm gehört hatte.

Jetzt erst wandte sich auch der Graf von Hunstanton dem Neuankömmling zu. Dann stieß er einen kleinen Schrei freudiger Überraschung aus.

„Mark!“ rief er. „Wie schön, daß du hier bist! Ich hatte keine Ahnung, daß du dich am Mittelmeer aufhältst.“

„Und ich war sehr überrascht, als ich hörte, daß du auf meine Hilfe wartest“, antwortete sein Vetter. „Ich habe oft an dich gedacht und dich in England geglaubt. Und jetzt erfahre ich, daß du auf dem Weg bist, Malta zu besuchen.“

„Nicht nur besuchen“, erwiderte der Graf schnell. „Ich werde dem Ritterorden beitreten. Man hat meiner Bewerbung stattgegeben.“

Einen Augenblick lang sahen ihn die blauen Augen des Gastes erstaunt an, dann jedoch legte Mark Stanton die Hände auf die Schultern seines Vetters.

„Ich erinnere mich. Schon als kleiner Junge hast du gesagt, daß dies dein größter Wunsch sei. Aber ich glaubte immer, daß du mit zunehmendem Alter deine Meinung ändern würdest.“ Mit einem Zwinkern in den Augen fügte er hinzu: „Oder daß andere Abenteuer doch verlockender für dich sein würden.“

„Ich betrachte dies nicht als ein Abenteuer, Mark“, antwortete der Graf ein wenig steif. „Ich habe den Wunsch, mein Leben in den Dienst Christi zu stellen. Und das kann ich am besten, indem ich dem Orden des Heiligen Johannes beitrete.“

Cordelia beobachtete ihren Vetter und glaubte, daß er ihrem Bruder eine spöttische Antwort geben würde.

Statt dessen lächelte er ihn jedoch an und sagte freundlich: „Ich schlage vor, wir setzen uns, und du erzählst mir mehr darüber.“

Seine Worte erinnerten Cordelia an ihre Pflichten.

„Wollt ihr nicht in den Salon kommen?“ fragte sie. „Es ist sehr heiß hier draußen, und ich bin sicher, daß die Diener bereits eine Erfrischung vorbereitet haben.“

Es wurde ihnen kühler Wein in großen Kristallgläsern serviert, in die das britische Wappen eingeschliffen war, und auf dem Tisch standen kleine Kuchen, Sandwiches und andere Delikatessen.

Sie ließen sich auf den bequemen Satin-Sofas nieder, mit denen der große Salon des Palazzo Sessa ausgestattet war, in dem auch Lady Hamilton ihre Gäste zu empfangen pflegte.

Außerdem gab es noch das Klavier, auf dem die Hausherrin sich begleitete, wenn sie mit dem König im Duett vor ihren Gästen sang, und einige sehr kostbare Vasen aus der Zeit der Etrusker, die aus der Sammlung des Botschafters stammten.

Mark Stanton betrachtete Cordelia, die unter seinen Blicken ein wenig verlegen wurde.

„Erzähle mir, warum du hier bist...“, begann er, wurde jedoch sofort von dem Grafen unterbrochen.

„Wenn ich dich anfangs richtig verstanden habe“, sagte er, „dann bist du in der Lage, uns nach Malta zu bringen.“

„Ich habe mein Schiff wegen einer notwendigen kleinen Reparatur in den Hafen gebracht“, erwiderte Mark Stanton.

„Dein Schiff?“

„Ich spreche als der Kapitän des Schiffes. Es ist jedoch das Eigentum eines Ritters.“

„Ein Schiff, das dem Orden gehört!“ rief der Graf aufgeregt aus. „Hast du gehört, Cordelia? Mark kommandiert ein Schiff, das uns nach Malta bringen kann.“

Cordelia sah ihren Vetter an, und dieser sagte: „Ich fürchte, ihr müßt euch noch ein wenig gedulden. Die Türken haben ein Loch in den Rumpf geschossen, das erst repariert werden muß, ehe wir weiterfahren können.“

„Du warst in einem Kampf?“ fragte der Graf. „Wie ist er ausgegangen?“

„Was glaubst denn du? Wir haben eine ganze Anzahl Gefangene gemacht und außerdem eine recht wertvolle Ladung übernommen.“

David Hunstanton seufzte glücklich.

„Wieder ein Schlag gegen die Ungläubigen!“ sagte er. „Ich wünschte, ich hätte dabei sein können.“

„Das war kein sehr ruhmreicher Sieg“, erwiderte Captain Stanton ein wenig spöttisch „Das türkische Schiff war kleiner als unseres, aber es fuhr unter falscher Flagge.“

„Wie ist denn das möglich?“

„Die Großmächte haben mit einigen unserer traditionellen Feinde eine ganze Reihe von Bündnissen und Verträgen geschlossen“, erklärte Captain Stanton. „Ursprünglich konnte jedes Schiff, das in Malta registriert war, Schiffe der Moslems angreifen.“

„Mit Recht!“ warf der Graf ein.

„Der Orden sorgte dafür, daß die Schiffe vieler Nationen auf der Insel versorgt werden konnten. Als Gegenleistung wurde die Beute in Malta verkauft, und der Orden kassierte zehn Prozent des Gewinns.“

„Das klingt aber sehr geschäftstüchtig“, bemerkte der Graf ein wenig zweifelnd.

„Die Ritter des Heiligen Johannes sind Helden, keine Heiligen“, erwiderte sein Vetter, und der Spott in seiner Stimme war nun nicht zu überhören.

Cordelia warf ihm einen kurzen Blick zu. Sie hoffte nur, daß er David nicht aufziehen oder versuchen würde, ihn von seiner Entscheidung, dem Ritterorden beizutreten, abzubringen.

Wie oft hatten sie beide darüber gesprochen, und wie viel Widerstand von Seiten der Verwandten hatten sie erdulden müssen... Aber sie wußte, daß nichts und niemand in der Welt David von seinem Entschluß würde abbringen können.

Ich könnte es nicht ertragen, jetzt noch einmal alles von vorn zu besprechen, dachte sie. Außerdem würde sich David viel zu sehr darüber aufregen.

,,Jetzt liegen die Dinge doch anders“, erklärte Captain Stanton. „Die französischen Schiffe, die im östlichen Mittelmeer verkehren, sind vor Angriffen der Ritter geschützt, auch wenn die Fracht, die sie bei sich haben, den Türken gehört. Und die Türken scheuen keine Mühe, französische Pässe zu erhalten.”

„Und du segelst immer noch an der afrikanischen Küste entlang?” fragte der Graf.

„So ist es”, stimmte sein Vetter ihm zu. „Und wir scheuen keine Mühe, um christliche Sklaven zu befreien.”

„Gibt es denn immer noch Tausende von ihnen in Algier und Tanger?” fragte Cordelia.

„Ich fürchte ja”, erwiderte Mark Stanton. „Aber du kannst auch in Malta viele Sklaven finden.”

Verwirrt sah Cordelia ihn an, und er sagte: „Malta war früher einmal einer der größten Sklavenmärkte Europas. Noch immer werden jährlich fast zweihundert Sklaven gefangen. Eine große Anzahl von ihnen kauft jedoch der Sultan wieder zurück...”

„Ich bin an Sklaven nicht interessiert”, unterbrach ihn der Graf, „obwohl ich einsehe, daß sie ein Teil der Beute sind. Erzähl mir lieber etwas über dein Schiff. Wie ist es möglich, daß du ein Schiff des Ordens kommandieren kannst, ohne selbst ein Ritter zu sein?”

„Das Schiff, das ich zur Zeit befehlige, ist Privatbesitz des Baron Ludwig von Wütenstein. Der Baron ist erst einundzwanzig Jahre alt. Ich nehme an, du weißt bereits, David, daß kein Ritter ein Schiff führen darf, bevor er vierundzwanzig Jahre alt ist und mindestens drei ,Fahrten' hinter sich hat.“

Aus den vielen Erzählungen ihres Bruders wußte Cordelia, daß diese „Fahrten“ Kreuzfahrten auf einem Schiff waren und mindestens sechs Monate dauerten.

Diese „Fahrten“ gaben allen Rittern die Möglichkeit, ausgiebige praktische Erfahrungen zu sammeln, was die Schiffahrt und die Navigation betraf. Dies hatte zur Folge, daß die Ritter von Malta den Ruf genossen, die besten Navigatoren der Welt zu sein.

Ein Ritter war nicht nur ein mutiger Kämpfer mit einem bewundernswerten Abenteuergeist, er war außerdem so beschlagen in allem, was die Seefahrt betraf, daß die Nachfrage nach den Rittern als Lehrer in Navigation außerordentlich groß war.

„Mein Schiff, die St. Jude“, fuhr Mark Stanton fort, „gehört dem Baron. Da die Orden jedoch zur Zeit nicht genügend Schiffe besitzen, sieht man es gern, wenn die Ritter ihr privates Eigentum zur Verfügung stellen.“

„Das werde ich später vielleicht auch einmal tun können“, sagte der Graf mit leuchtenden Augen.

„Warum nicht, wenn du es dir leisten kannst”, antwortete sein Vetter.

„Auf diese Idee bin ich noch niemals gekommen”, erwiderte der Graf. „Aber wann kann ich dein Schiff sehen?”

„Wann immer du möchtest”, sagte Mark Stanton. „Aber da ich gerade erst angekommen bin, wurde ich mich aber vorher gern noch ein wenig mit euch unterhalten, wenn ihr nichts dagegen habt.”

„Nein — selbstverständlich nicht”, sagte David.

Cordelia fügte lächelnd hinzu: „David haßt Neapel. Er möchte nur eines — so schnell wie möglich nach Malta kommen. Jeder Augenblick, den er noch in dieser wunderschönen Stadt verbringen muß, ist ihm zuwider.”

„Und du?“ fragte Mark Stanton.

„Es ist so schön hier, daß ich manchmal glaube zu träumen.“

Er nippte an seinem Wein, bevor er gedankenvoll sagte: „Immer, wenn ich an etwas Schönes und Friedliches denken will, erinnere ich mich an Stanton Park.“

In diesem Augenblick erhob sich der Graf.

„Ich werde gehen und mich schon einmal fertig machen“, sagte er. „Wenn du dann bereit sein wirst, mir dein Schiff zu zeigen, will ich dich nicht warten lassen.“

„Ich habe keine Eile“, erwiderte Mark Stanton.

Der Graf jedoch lief ungeduldig über den glänzenden Boden, der mit vielen teuren persischen Teppichen belegt war, und Cordelia wandte sich mm lächelnd ihrem Vetter zu.

„Ich bin so froh, daß du gekommen bist. David war schon so unglücklich bei dem Gedanken, noch einige Tage warten zu müssen.“

Mark Stanton schien einen Augenblick lang zu überlegen. Dann fragte er langsam: „Habt ihr wirklich gründlich darüber nachgedacht? David ist noch sehr jung. Ist es wirklich richtig, daß er das Leben aufgibt, das er gewohnt ist?“

„Ich möchte dich bitten, nicht mit ihm darüber zu streiten“, erwiderte Cordelia. „Es war seit jeher sein Wunsch, sein Traum, und nichts, was du ihm sagen könntest, würde ihn von seinem Entschluß abbringen, Gott auf diese Weise zu dienen.“

Als Mark Stanton keine Antwort gab, fuhr sie nach einer kleinen Weile fort: „Du kannst dir nicht vorstellen, welche Sorgen ich mir machte, ob man seine Bewerbung auch wirklich annehmen würde. Das wäre für ihn ein Schock gewesen, von dem er sich sicher niemals erholt hätte.“

„Aber warum hätte man seine Bewerbung ablehnen sollen?“ fragte Mark Stanton erstaunt. „Er erfüllt doch alle Voraussetzungen. Seine Herkunft entspricht den Erfordernissen, und die Familie Stanton ist seit jeher katholisch.“

„Aber ich bin sicher, daß einer unserer Verwandten während eines Besuches in Rom versucht hat, den Papst zu überreden, Davids Antrag abzulehnen. Auf jeden Fall hat er nach seiner Rückkehr etwas dergleichen verlauten lassen.“

„Hast du denn eine Ahnung, warum er so etwas hätte tun sollen?“

„Er war der Meinung, daß David noch zu jung sei, um sich eine eigene Meinung zu bilden und eigene Entscheidungen zu treffen. Außerdem wollte er wohl verhindern, daß das Vermögen der Stantons nach Malta kommt.“

„Ich finde, daß dies alles sehr überzeugende Argumente sind“, bemerkte Mark Stanton.

„Es ist aber nicht deine Aufgabe, dich da einzumischen“, wies Cordelia ihn zurück.

Noch während sie dies sagte, empfand sie ihre Worte als sehr heftig, aber sie fühlte sich verpflichtet, ihren Bruder zu verteidigen und vor ihrem großen, beinahe überwältigenden Vetter zu beschützen.

Sie hätte nicht erklären können, warum sie so fühlte, aber sie konnte sich noch daran erinnern, daß Mark sie schon früher ständig in Aufregung versetzt hatte.

Er neckte sie bei jeder Gelegenheit, und da er erheblich älter als sie war, fürchtete sie sich ein wenig vor ihm. Außerdem, gestand sie sich im Stillen, war sie eifersüchtig gewesen.