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Ein signifikanter Anstieg der Insolvenzen als Folge der Corona-Pandemie lässt sich trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen nicht vermeiden. Ein schneller Einstieg in geltendes Recht wird damit zwingend notwendig, insbes. auch zum Zusammenspiel zwischen Zivil- und Steuerrecht. Mit ihren Vorschriften überlagert die Insolvenzordnung zum Teil die steuerrechtlichen Bestimmungen, teilweise stehen aber auch insolvenz- und steuerrechtliche Vorschriften nebeneinander. Die verschiedenen Verfahren nach der Insolvenzordnung, von dem Insolvenzeröffnungsverfahren bis zur Restschuldbefreiung, wirken sich daher regelmäßig auf das Besteuerungsverfahren des Schuldners aus. Hier setzt "Insolvenzrecht und Steuern visuell" an: die Autoren erläutern aufbauend auf einer Darstellung der Grundlagen des Insolvenzrechts komplexe Sachverhalte sowie Vorschriften ausführlich und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung. Die Ausführungen werden anhand von übersichtlichen Schaubildern visualisiert. Das Buch bietet einen schnellen und vertiefenden Einstieg ins Insolvenzrecht und dessen Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren. Neu in der 3. Auflage: durchgängige Überarbeitung und Aktualisierung. Inkl. aktueller Rechtsprechung des BFH und BGH sowie der Änderungen durch die Gesetzgebung zu Covid-19. Rechtsstand: 01.10.2020.
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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH
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ISBN 978-3-7910-5027-0
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Bestell-Nr. 20063-0151
Busch/Winkens/Büker
Insolvenzrecht und Steuern visuell
3. Auflage, Dezember 2020
© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
www.schaeffer-poeschel.de
Bildnachweis (Cover): © Satori Studio, Adobe Stock
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.
Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Ein Unternehmen der Haufe Group
Wenn das Insolvenzrecht auf das Steuerrecht trifft, sind Verständnis- und Bearbeitungsprobleme vorprogrammiert. Beide Rechtsgebiete sind bereits für sich betrachtet außerordentlich schwierig, zusammen aber fast unlösbar. Dazu kommen die häufigen neuen Entscheidungen der Zivilgerichte und der Finanzgerichtsbarkeit. Aber auch Verwaltungsvorschriften, wie die Einführung des AEAO zu § 251 und das BMF-Schreiben zu § 55 Abs. 4 InsO, bringen neue Anforderungen mit sich.
„Insolvenzrecht und Steuern visuell“ bietet einen schnellen und sehr vertiefenden Einblick. Alle wichtigen Themen werden aufgearbeitet, intensiv erklärt und zusätzlich in Schaubildern übersichtlich dargestellt. Die Bandbreite der Themen reicht dabei von den Aufrechnungsmöglichkeiten über die Behandlung der einzelnen Steuerarten bis hin zur Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen in den verschiedenen Verfahren nach der Insolvenzordnung.
Die Autoren, Dipl.-Finanzwirte (FH) Holger Busch, Herbert Winkens und Melanie Büker, sind in den Steuerfachgruppen im Landesamt für Steuern in Koblenz bzw. im Finanzministerium Düsseldorf tätig und setzen sich hier nahezu täglich mit den Problemen des Insolvenzsteuerrechts auseinander. Die in ihrer Verwaltungspraxis gewonnenen Erfahrungen finden sich anschaulich und verständlich im vorliegenden Werk wieder. Das Aufeinandertreffen von Insolvenz- und Steuerrecht fordert in der Theorie und Praxis bei der Finanzverwaltung und gerade auch bei den Insolvenzverwaltern und Steuerberatern ständig adäquate Lösungsansätze. Hierzu bietet „Insolvenzrecht und Steuern visuell“ brauchbare und nachvollziehbare Hilfestellungen.
In der vorliegenden dritten Auflage wurde das erfolgreiche Werk grundlegend überarbeitet. Die Autoren haben alle wichtigen Neuerungen aufgenommen, u.a. die Sanierungsregelung im § 3a EStG, die Rechtsprechung des V. Senats des BFH zu Umsatzsteuer und Organschaft und des VII. Senats des BFH zur Aufrechnung. Aber auch alle aktuellen Verwaltungsanweisungen zum Insolvenzrecht wurden – genauso wie das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie– berücksichtigt.
Brey, Rheinbrohl und Steinheim, im Oktober 2020
Dipl.-Finanzwirt (FH) Holger Busch
Dipl.-Finanzwirt (FH) Herbert Winkens
Dipl.-Finanzwirtin (FH) Melanie Büker
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, u. U. aber schon mit Anordnung der vorläufigen Verwaltung, verliert der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Aus steuerlicher Sicht wird der Insolvenzverwalter Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 AO und erlangt die notwendige Handlungsfähigkeit nach § 79 AO. In der Folge obliegen ihm sämtliche steuerrechtlichen Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen. Dies gilt für Zeiträume vor, wie auch für Zeiträume nach seiner Bestellung. Die Geltendmachung dieser Ansprüche durch die Finanzverwaltung wird aber durch die Insolvenzordnung mit ihren 12. Teilen erheblich beeinflusst bzw. eingeschränkt.
Die Insolvenzordnung (InsO) am 01.01.1999 in Kraft. Sie gliedert sich in 13 Teile, in denen die allgemeinen Vorschriften bis hin zu den Besonderheiten im Insolvenzverfahren beschrieben sind.
Das Insolvenzrecht sieht eine Unterscheidung nach Regel- und Verbraucherinsolvenzverfahren sowie insbesondere die Restschuldbefreiung für natürliche Personen vor. Das Insolvenzverfahren dient der gleichmäßigen, gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger durch Verwertung des Schuldnervermögens (Befriedigung durch Liquidation) oder durch abweichende und individuelle Regelung in einem Insolvenzplan (Befriedigung durch Sanierung).
Das Insolvenzverfahren ist ein zivilprozessuales Verfahren; es gelten, soweit nichts anderes geregelt wurde, die Vorschriften der ZPO (§ 4 InsO). Die Regelungen der Insolvenzordnung haben nach § 251 Abs. 2 S. 1 der Abgabenordnung (AO) grundsätzlich Vorrang vor den steuerrechtlichen Vorschriften.
Insolvenzfähig, d. h. zum Insolvenzverfahren zugelassen, sind alle natürlichen und juristischen Personen, Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (u. a. OHG, KG, GbR), der Nachlass sowie das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 11 Abs. 1 und 2 InsO). Nicht insolvenzfähig ist dagegen die stille Gesellschaft (nur das Vermögen der einzelnen Gesellschafter). Auch über das Vermögen einer Partei – als (nicht) rechtsfähiger bürgerlich-rechtlicher Verein (§§ 21 ff. BGB) – kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Mangels spezieller Regelungen im Insolvenz- oder Parteienrecht ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Partei grundsätzlich nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durchzuführen. Die Insolvenzfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins ergibt sich aus § 11 Abs. 2 InsO, so dass nach der einfachgesetzlichen Rechtslage die politische Partei daher insolvenzfähig ist.
Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen dem Regelinsolvenzverfahren (Aktenzeichen bei den Insolvenzgerichten IN) und dem Verbraucherinsolvenzverfahren (Aktenzeichen IK). Während das Verbraucherinsolvenzverfahren nur für natürliche Personen bestimmt ist, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, fallen in den Regelungsbereich des Regelinsolvenzverfahrens alle gewerblich tätigen Personen sowie juristische Personen und Personengesellschaften (z. B. OHG, KG, GbR).
Der Ablauf der Verfahren unterscheidet sich teilweise. Während dem Verbraucherinsolvenzverfahren das außergerichtliche und gerichtliche Einigungsverfahren vorangehen, geht dem Regelinsolvenzverfahren regelmäßig die Anordnung der vorläufigen Verwaltung voraus. Das Feststellungs- und Verteilungsverfahren ist in beiden Verfahren gleich. Auch besteht für natürliche Personen in beiden Verfahren die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO.
Alle gewerblich tätigen natürlichen Personen (§ 15 EStG), Personenvereinigungen und juristische Personen fallen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Regelinsolvenzverfahrens (Umkehrschluss aus § 304 Abs. 1 InsO). Dies gilt auch für selbständig Tätige i.S.v. § 18 EStG sowie für Land- und Forstwirte (§ 13 EStG).
Das Insolvenzverfahren ist ein Antragsverfahren, d. h. es wird nur auf besonderen Antrag hin eröffnet. Antragsberechtigt sind die einzelnen Gläubiger sowie der Schuldner selbst (§ 13 InsO).
Der Antrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn ein rechtliches Interesse an der Eröffnung besteht (§ 14 InsO). An einem rechtlichen Interesse kann es aber fehlen, wenn sich der Gläubiger auf einfachere, schnellere oder billigere Art befriedigen kann. Auch das Verfolgen verfahrensfremder Gründe, z. B. die Beseitigung eines Mitkonkurrenten macht den Antrag unzulässig, wenn keine weiteren Gründe vorliegen. [30]Wurden die dem Antrag zugrundeliegenden Forderungen erfüllt, wird allein dadurch der Antrag aber nicht unzulässig (§ 14 Abs. 1 S. 2 InsO).
Mit der Verkündung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht im Bundesgesetzblatt I vom 27.03.2020, S. 569 hat der Bundestag das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) beschlossen.
Danach wird die dreiwöchige Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG vorübergehend bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Sie soll zudem rückwirkend auch den Zeitraum ab dem 1. März 2020 abdecken. Dies gilt nur für Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen (Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis 31. Dezember 2020).Die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, wird nach § 3 COVInsAG für drei Monate eingeschränkt. Bei einem Gläubigerinsolvenzantrag im Zeitraum zwischen dem 28.03.2020 und dem 28.06.2020 muss der Eröffnungsgrund demnach bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben.Zudem haften Geschäftsleiter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG während der Aussetzung der Insolvenzantragspflichten nur eingeschränkt für Zahlungen, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens vornehmen.Die während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht an – von der COVID-19-Pandemie betroffene – Unternehmen gewährte neue Kredite sind nach § 2 Abs.1 Nr. 2 und Nr. 3 COVInsAG nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. Ihre Besicherung und eine bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr sollen zudem als nicht gläubigerbenachteiligend gelten.Während der Aussetzung erfolgende Leistungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, sind nach § 2 Abs.1 Nr. 4 COVInsAG nur eingeschränkt anfechtbar.Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO). Daneben kann sich der Schuldner auch auf die drohende Zahlungsunfähigkeit berufen (§ 18 InsO).
Für juristische Personen, für Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (z. B. GmbH & Co. KG) und für Nachlässe ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund (§ 19 InsO).
Ist der Antrag zulässig, hat das Insolvenzgericht alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um bis zur Entscheidung über den Antrag nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage zu verhindern (§ 21 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzgericht kann insbesondere einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1–3 InsO). Welche Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht angeordnet werden, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig und fällt alleine in die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Gegen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (§§ 21 Abs. 1, 6 Abs. 1 InsO).
Verbindet das Insolvenzgericht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters den Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt InsO, so geht die Verwaltungs- und Verfü[31]gungsbefugnis über das gesamte Schuldnervermögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO).
Es handelt sich dann um den sogenannten – in der Praxis leider rar gewordenen – starken vorläufigen Insolvenzverwalter.
Unterlässt das Insolvenzgericht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbotes, verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner. Der bestellte vorläufige Insolvenzverwalter wird zum schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter.
Reicht das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht aus um die Kosten des Verfahrens zu decken, weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung ab. Werden die Verfahrenskosten nach § 4a InsO gestundet (nur bei natürlichen Personen möglich) oder wird ein ausreichender Geldbetrag – regelmäßig vom antragstellenden Gläubiger – vorgeschossen, unterbleibt die Abweisung (§ 26 Abs. 1 InsO).
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs. 1 InsO); dies wird in vielen Fällen der bisherige vorläufige Insolvenzverwalter sein. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO); der Insolvenzverwalter handelt als Partei kraft Amtes. Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Masse sind damit unwirksam (§ 81 InsO).
Im Eröffnungsbeschluss fordert das Insolvenzgericht die Gläubiger auf, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 28 InsO). Die Forderungen sind dann unter Beifügung aller erforderlichen Urkunden schriftlich beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden (§ 174 Abs. 1 InsO).
Im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Insolvenzgericht u. a. den Termin für die erste Gläubigerversammlung und den Prüfungstermin (§ 29 InsO). Im Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach geprüft und ggf. mit den Gläubigern erörtert (§ 176 InsO). Wird weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Gläubiger gegen die Forderung Widerspruch erhoben, gilt diese als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzgericht trägt die angemeldeten Forderungen, festgestellt oder bestritten, in die Tabelle ein (§ 178 Abs. 2 InsO). Nur für festgestellte Forderungen wirkt aber der Tabelleneintrag wie ein rechtskräftiges Urteil (analog bestandskräftiger Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, BFH-Beschlüsse vom 05.07.2018 – XI B 17/18, InsbürO 2018, 488 und vom 05.07.2018, XI B 18/18, InsbürO 2018, 489).
Das Insolvenzverfahren umfasst das gesamte Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung sowie das Vermögen, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangt (§ 35 InsO). Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören grundsätzlich nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 InsO). Ebenso rechnen Ansprüche aus einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 2 InsO).
Gläubiger, die eine zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründete Forderung (Insolvenzforderung) gegenüber dem Schuldner haben, sind Insolvenzgläubiger i. S. v. § 38 InsO. Maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um eine Insolvenzforderung handelt, ist nicht die Fälligkeit oder Entstehung, sondern die Begründetheit der Forderung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Nicht fällige Forderungen gelten als fällig (§ 41 InsO).
Nachrangige Insolvenzgläubiger sind in § 39 InsO aufgeführt. Hierzu zählen in erster Linie Gläubiger mit Zinsen und Säumniszuschlägen ab der Verfahrenseröffnung sowie Zwangsgeldern.
Nicht zur Insolvenzmasse gehören nach § 47 InsO Gegenstände, an denen andere Personen dingliche oder persönliche Rechte geltend machen können (z. B. Gegenstände, die im Eigentum anderer Personen – u.a. Eigentumsvorbehalt bei Warenlieferungen – stehen).
Gläubiger, die ein Pfandrecht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse haben, sind zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand berechtigt (§ 50 InsO).
Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu zahlen (§ 53 InsO). Die danach verbleibende Masse wird quotal an die Insolvenzgläubiger verteilt.
Zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören nach § 54 InsO die Gerichtskosten sowie die Vergütungen und Auslagen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten rechnen u. a. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Art und Weise durch Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
Ebenso stellen die durch den schwachen vorläufigen und starken vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten dar (§ 55 Abs. 2 und 4 InsO). Für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten ist der Insolvenzverwalter den Massegläubigern grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet (§ 61 InsO); dies gilt aber nicht für Steuerforderungen (BGH vom 14.10.2010, IX ZB 224/08, ZInsO 2010, 2188–2189).
Für die Dauer des Insolvenzverfahrens sind Vollstreckungsmaßnahmen von Insolvenzgläubigern in die Insolvenzmasse oder das sonstige Vermögen des Schuldners unzulässig (§ 89 InsO).
Mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger kann erst nach dem allgemeinen Prüfungstermin begonnen werden (§ 187 InsO). Der Insolvenzverwalter stellt hierfür ein Verteilungsverzeichnis mit den Forderungen auf, die bei der Verteilung berücksichtigt werden. Das Verzeichnis kann beim Insolvenzgericht eingesehen werden (§ 188 InsO). Nach der Verwertung der Insolvenzmasse erfolgt grundsätzlich die Schlussverteilung (§ 196 InsO).
Nach Vollzug der Schlussverteilung beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO).
Die Insolvenzordnung sieht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger auch die Zerschlagung und Verwertung der Insolvenzmasse und die Verteilung des Erlöses vor. Abweichend davon kann die Befriedigung der Gläubiger und die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten durch einen Insolvenzplan anderweitig geregelt werden (§§ 217 ff. InsO).
In einem Insolvenzplan, der vom Verwalter oder vom Schuldner selbst eingebracht werden kann, können abweichend von den gesetzlichen Regelungen des Insolvenzverfahrens sämtliche Vereinbarungen, wie z. B. über die Fortführung des Unternehmens, Ratenzahlungen und Erlasse, getroffen werden. Stimmt die Mehrheit der Gläubiger und der Schuldner dem Plan zu, gilt dieser als angenommen. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf (§ 258 InsO). Gerät der Schuldner mit der Erfüllung der im Insolvenzplan vereinbarten Regelungen (im Regelfall Zahlungen) erheblich in Rückstand, so wird die im Plan vereinbarte Stundung bzw. der vereinbarte Erlass hinfällig (Wiederauflebensklausel nach § 255 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzplanverfahren findet im Regel- wie auch im Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung.
Das Insolvenzgericht kann auf Antrag des Schuldners die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner unter der Aufsicht eines Sachwalters anordnen (§ 270 Abs. 1 InsO). Voraussetzung ist, dass keine Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden (z. B. durch Verfahrensverzögerung, § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO).
Bei der Eigenverwaltung gelten dem Grunde nach die insolvenzrechtlichen Vorschriften des eröffneten Verfahrens. Der Schuldner erhält jedoch die Befugnisse, die ansonsten dem Insolvenzverwalter bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens übertragen werden.
Die Insolvenzforderungen sind beim Sachwalter anzumelden (§ 270c S. 2 InsO). Dem Sachwalter obliegen ansonsten lediglich Kontroll- und Aufsichtsrechte (§§ 274, 275 InsO).
In einem nicht offensichtlich aussichtslosen Eröffnungsverfahren wird dem Schuldner regelmäßig kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, und es wird ihm ein vorläufiger Sachwalter zur Seite gestellt (§ 270a InsO).
Wird vom Schuldner bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein Antrag auf Eigenverwaltung gestellt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans (§ 270b Abs. 1 S. 1 InsO, sog. Schutzschirmverfahren). Die Frist darf drei Monate nicht überschreiten. Der Antrag des Schuldners ist mit einer Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation zu versehen, aus der sich begründet ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 270b Abs. 1 S. 3 InsO).
Stimmt das Gericht dem Antrag des Schuldners zu, bestellt es einen vorläufigen Sachwalter (§ 270b Abs. 2 S. 1 InsO, § 270a Abs. 1 InsO) und kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 und 2 Nr. 1a, 3 bis 5 InsO anordnen. Auf Antrag des Schuldners hat es ein Vollstreckungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO anzuordnen. Außerdem hat das Gericht auf Antrag des Schuldners anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Abs. 2 InsO gilt entsprechend (§ 270b Abs. 3 InsO). Im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandene Umsatzsteuern sind als Insolvenzforderungen zu beurteilen und nicht als Masseverbindlichkeiten gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter festzuset[34]zen. Eine analoge Anwendung von § 55 Abs. 2 bzw. Abs. 4 InsO scheidet aus (FG Münster vom 12.03.2019 – 15 K 1535/18 U, FG Köln vom 11.04.2019 – 12 K 2583/17, BFH-Beschlüsse vom 07.05.2020 – V R 14/19 und V R 19/19).
Auf Antrag des Schuldners, der Gläubigerversammlung mit den in § 76 Abs. 2 InsO bestimmten Mehrheitsverhältnissen oder unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag eines Gläubigers hebt das Insolvenzgericht die Anordnung der Eigenverwaltung auf (§ 272 Abs. 1 InsO). Der bisherige Sachwalter kann zum Insolvenzverwalter bestellt werden.
Natürliche Personen können auf Antrag hin von ihren Verbindlichkeiten befreit werden; sogenannte Restschuldbefreiung (§ 286 ff. InsO). Dem Antrag auf Restschuldbefreiung ist eine Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren und gleichgestellten Bezüge für die Zeit von sechs Jahren bzw. von drei Jahren, bei Antragstellung ab dem 01.10.2020 nach Insolvenzeröffnung (Abtretungsfrist) an einen Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 InsO).
Nach § 290 Abs. 1 Nr. 1–7 InsO kann die Versagung der Restschuldbefreiung bei Vorliegen der Versagungsgründe bis zum Schlusstermin beantragt werden. Bereits mit Verfahrenseröffnung wird die Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht angekündigt (§ 287a InsO). Der Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren hat keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis; ihm obliegt die Verteilung der vom Schuldner abgetretenen Bezüge an die Gläubiger (§ 292 InsO).
Für die Dauer der Abtretungsfrist muss der Schuldner seinen Obliegenheitspflichten nach § 295 Abs. 1 Nr. 1–4 InsO nachkommen. Nach Ablauf der Abtretungsfrist entscheidet das Insolvenzgericht über die Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 300 InsO). Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht hat (§ 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens berichtigt, entscheidet das Gericht auf seinen Antrag, wenn fünf Jahre der Laufzeit der Abtretungsfrist verstrichen sind (§ 300 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Bei Antragstellung ab dem 01.10.2020 verkürzt sich die Abtretungsfrist auf drei Jahre. Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung, die gegen alle Gläubiger wirkt, wird der Schuldner endgültig von seinen Verbindlichkeiten befreit.
Ist der Schuldner eine natürliche Person, die keine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, ist das Verbraucherinsolvenzverfahren angezeigt. Wurde die selbständige oder gewerbliche Tätigkeit vor Antragstellung eingestellt, gilt dies nur, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind (weniger als 20 Gläubiger) und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen vorliegen. Zu den Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gelten neben den Ansprüchen der bisherigen Arbeitnehmer auch Forderungen von Sozialversicherungsträgern und der Finanzämter (Lohnsteuer). Zu den Verbindlichkeiten, die in einem außergerichtlichem Schuldenbereinigungsverfahren berücksichtigt werden können, gehören auch Haftungsschulden des Schuldners (z.B. Umsatzsteuer).
Das Verbraucherinsolvenzverfahren gliedert sich in drei Abschnitte:
Außergerichtliches EinigungsverfahrenGerichtliches EinigungsverfahrenInsolvenzverfahrenIm Vorfeld eines Insolvenzverfahrens kann sich der Schuldner um eine außergerichtliche Einigung bemühen. Diese Einigung ist an keine festen Vorgaben gebunden. Erzielt der Schuldner mit seinen Gläubigern keine Einigung, gilt die außergerichtliche Einigung als gescheitert. Das Finanzamt kann sich regelmäßig an einem außergerichtlichen Einigungsverfahren beteiligen. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können aber nur im Rahmen einer persönlichen Unbilligkeit abweichend festgesetzt (§ 163 Abs. 1 S. 1 AO), gestundet (§ 222 AO) oder erlassen (§ 227 AO) werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011, VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552-555). Neben einer Zahlung oder Aufrechnung führen die v.g. Billigkeitsmaßnahmen – außer die Stundung – zum endgültigen Erlöschen des Steueranspruchs (§ 47 AO). Sachliche Billigkeitsgründe werden vom außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren nicht berührt und sind daher vorab zu berücksichtigen.
Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder unverzüglich danach) hat der Schuldner eine Bescheinigung einer geeigneten Stelle oder Person vorzulegen, aus der sich das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches innerhalb der letzten sechs Monate ergibt. Daneben ist der Plan dem Insolvenzgericht vorzulegen sowie die Gründe für das Scheitern darzulegen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
Des Weiteren hat der Schuldner einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung (bzw. eine Erklärung über die Nichtbeantragung) sowie ein Verzeichnis über seine Vermögensverhältnisse und seines Einkommens mit einem Verzeichnis aller Gläubiger mit ihren Forderungen vorzulegen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO).
Der nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorzulegende Schuldenbereinigungsplan wird regelmäßig eine aktualisierte Fassung des im außergerichtlichen Einigungsversuch verwendeten Plans sein. Der Schuldenbereinigungsplan unterliegt der vollständigen Gestaltungsfreiheit des Schuldners und der Gläubiger. Im Schuldenbereinigungsplan können sämtliche Regelungen über Stundungen, Erlasse, Ratenzahlungen und sonstige Vereinbarungen getroffen werden. Das Insolvenzgericht erklärt das Insolvenzverfahren bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan für ruhend (§ 306 Abs. 1 InsO).
Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner genannten Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan sowie die Vermögensübersicht zu (§ 307 Abs. 1 InsO).
Zugleich werden die Gläubiger aufgefordert, binnen einer Notfrist von einem Monat Stellung zu nehmen. Geht dem Insolvenzgericht innerhalb der Frist keine Stellungnahme zu, gilt dies als Zustimmung zum Plan (§ 307 Abs. 2 InsO).
Der Schuldenbereinigungsplan gilt als angenommen, wenn alle Gläubiger zugestimmt haben, kein Gläubiger innerhalb der Notfrist Einwendungen erhoben hat oder die Zustimmung eines Gläubigers oder mehrerer Gläubiger auf Antrag ersetzt wurde (§ 309 Abs. 1 InsO).
Das Verfahren über den Eröffnungsantrag wird von Amts wegen aufgenommen, wenn Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erhoben wurden, die nicht durch die gerichtliche Zustimmung ersetzt werden konnten (§ 311 InsO).
Grundsätzlich gelten die Regelungen der Insolvenzordnung auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Mit der Verkündung des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläubigerrechte am 18.07.2013 (BGBI I 2013, 2379 ff., Nr. 38) sind die §§ 312–314 InsO weggefallen. Aus dem bisherigen Treuhänder wird der Insolvenzverwalter, der jetzt auch in diesem Verfahren zur Anfechtung befugt ist. Daneben ist auch im vereinfachten Insolvenzverfahren ein Insolvenzplanverfahren zulässig. Zum Ablauf des vereinfachten Insolvenzverfahrens gilt das unter 2.3 bis 2.17 (mit Ausnahme von 2.15 und 2.16) Dargestellte entsprechend.
Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eines Gläubigers oder des Schuldners eröffnet (§ 13 InsO). Eine Eröffnung von Amts wegen ist nicht möglich. Der Insolvenzantrag eines Gläubigers ist nur zulässig, wenn dieser ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Verfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht glaubhaft macht (§ 14 InsO).
Eine Einschränkung in der Gläubigereigenschaft besteht grundsätzlich nicht; selbst der Eröffnungsantrag nachrangiger Gläubiger kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass diese im Insolvenzverfahren keine Befriedigung erreichen könnten.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16 InsO). Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Haupteröffnungsgrund ist regelmäßig die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO). Von einer Zahlungsunfähigkeit spricht man, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die Hoffnung auf Kredite beseitigt die Zahlungsunfähigkeit nicht. Es liegt dann eine Geldilliquidität vor. Persönliche Gründe des Schuldners (z. B. Krankheit, Arbeitslosigkeit) spielen keine Rolle bei der Beurteilung der Liquidität.
Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, ist von der – widerlegbaren – Vermutung der Zahlungsunfähigkeit auszugehen (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH vom 12.10.2017 – IX ZR 50/15, InsbürO 2018, 162 auch bei einem zahlungsunwilligen Schuldner denkbar. Zeigt danach der Schuldner ein nach außen hervortretendes Verhalten, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, liegt auch dann Zahlungseinstellung vor, wenn der Schuldner tatsächlich nur zahlungsunwillig ist.
Eine ausgebrachte Stundung (im abgabenrechtlichen Bereich z. B. nach § 222 AO), verschiebt jedoch die Fälligkeit. Ein bloßes Stillhalten des Gläubigers, im Sinne einer ernsthaften Einforderung, hat keinen Einfluss auf die Fälligkeit.
Ist der Schuldner nicht in der Lage, innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen mindestens 90 % seiner Verbindlichkeiten zu erfüllen, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist daher regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Die Eigenschaft von Vermögenswerten, liquidierbar zu sein, stellt aber selbst keine Liquidität dar. Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit kann anhand einer Liquiditätsberechnung festgestellt werden:
Der nach dieser Berechnung ermittelte Liquiditätsquotient muss, damit Zahlungsfähigkeit gegeben ist, bei 90 % oder mehr liegen.
Leistet der Schuldner noch einzelne Zahlungen, bleiben aber nicht unwesentliche Verbindlichkeiten unerfüllt, ändert dies grundsätzlich nichts an der Zahlungsunfähigkeit (BGH vom 10.07.2003 – IX ZR 89/02, ZInsO 2003, 755–757).
[42]Abzugrenzen von der Zahlungsunfähigkeit ist die Zahlungsstockung. Eine Zahlungsstockung liegt grundsätzlich vor, wenn der Schuldner einzelne Verbindlichkeiten vorübergehend nicht zahlen, sich aber z. B. ausreichend Bankkredite (Zeitraum von drei Wochen) beschaffen kann oder durch die Verwertung von verzichtbarem Anlage- oder Umlaufvermögen kurzfristig Liquidität verschaffen kann. Mit der Rechtsprechung des BGH zur Zahlungsunfähigkeit vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04 (ZInsO 2005, 807–810) dürfte auch die Beurteilung der Zahlungsstockung einfacher werden. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Der Schuldner ist aber nicht zahlungsunfähig, wenn er nur „zahlungsunwillig“ ist.
Die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) kann nur vom Schuldner selbst als Eröffnungsgrund herangezogen werden; erforderlich hierzu ist der Eigenantrag des Schuldners. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitraum der Fälligkeit zu erfüllen. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit muss dabei wahrscheinlicher sein als die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit. Die einfache Wahrscheinlichkeit, d. h. mehr als 50 % reicht hierbei aus.
Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt über einen gewissen Zeitraum, der abhängig vom jeweiligen Einzelfall unterschiedlich lang sein kann. Ziel dieses Eigenantrages ist nach der Intention des Gesetzgebers die „erfolgreiche“ Weiterführung des Betriebes durch die rechtzeitige rechtliche und wirtschaftliche Hilfe des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ein Schuldnerantrag aufgrund drohender Zahlungsfähigkeit kann aus Schuldnersicht sinnvoll sein, wenn er ein Schutzschirmverfahren mit späterem Insolvenzplanverfahren anstrebt (vgl. § 270b Abs. 1 InsO).
Der Eröffnungsgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) findet Anwendung bei juristischen Personen, Personengesellschaften ohne haftende natürliche Personen (z. B. GmbH & Co. KG) und in Nachlassfällen.
Von einer Überschuldung spricht man, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 InsO). Es handelt sich hierbei um eine rechnerische Überschuldung, d. h. die Schuldposten (Passiva) sind rechnerisch größer als die Vermögenswerte (Aktiva). Als Ansatz dienen die Liquidationswerte. Bei der Beurteilung, ob das Unternehmen (Vermögen) überschuldet ist, ist zuvor eine Fortführungsprognose zu treffen.
Kann von einer Fortführung ausgegangen werden, erfolgt ein (Neu-) Ansatz der bisherigen Liquidationswerte zu „Going-concern-Werten“ (Weiterführungswerten). Die Beurteilung der Aktiva nach „Going-concern-Werten“ führt regelmäßig zu einem betragsmäßigen höheren Ansatz der Wirtschaftsgüter. Wird dagegen von einer negativen Fortführungsprognose ausgegangen, erfolgt ein (Neu-) Ansatz der bisherigen Liquidationswerte zu Zerschlagungswerten. Die Beurteilung der Aktiva nach Zerschlagungswerten führt zu einem betragsmäßigen niedrigeren Ansatz der Wirtschaftsgüter.
Das Finanzamt muss – wie jeder andere Gläubiger – ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben. Dies wird regelmäßig der Fall sein, da vor der Antragstellung die fälligen und rückständigen Steuern erfolglos im Wege der Einzelzwangsvollstreckung beigetrieben wurden.
Zur Glaubhaftmachung der Steuerforderungen sind dem Insolvenzantrag des Finanzamts auch die Steuerbescheide und die Steueranmeldungen beizufügen (BGH vom 08.12.2005 – IX ZB 38/05, ZInsO 2006, 97–99). Die Vorlage eines vollstreckbaren Titels ist grundsätzliche Voraussetzung für die Glaubhaftmachung [45](BGH vom 29.06.2006 – IX ZB 245/05, ZInsO 2006, 824–825). Eine Glaubhaftmachung der Forderungen durch das Finanzamt durch Vorlage der Bescheide oder der Steueranmeldungen kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschreibt und der Schuldner diese Forderungen nicht bestreitet (BGH vom 12.07.2012 – IX ZB 264/11, ZInsO 2012, 1418-1419).
Soweit dem Insolvenzantrag angemeldete Steuerforderungen (z. B. USt-Voranmeldungen) zu Grunde liegen, genügt regelmäßig ein Ausdruck aus dem Überwachungsbogen.
Die Finanzämter werden regelmäßig die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als Eröffnungsgrund vortragen. Die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit kann anhand verschiedener Faktoren im jeweiligen Einzelfall erfolgen. Neben dem Anstieg der laufenden Steuern indizieren die Erklärung des Schuldners, nicht zahlen zu können, nicht eingelöste Schecks und insbesondere erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen die Zahlungsunfähigkeit.
Befindet sich ein Schuldner mit seinen fälligen Gesamtsozialversicherungsleistungen von mehr als sechs Monaten im Rückstand, hat der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit in der Regel glaubhaft gemacht (BGH vom 13.06.2006 – IX ZB 238/05, ZInsO 827–828). Dies gilt auch für rückständige Lohnsteuern. Dem Insolvenzgericht kann zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit das Protokoll über die fruchtlose Pfändung des Vollziehungsbeamten (Fruchtlosprotokoll) vorgelegt werden. Darüber hinaus dienen negative Drittschuldnererklärungen und Vermögensverzeichnisse als geeignete Nachweise.
Die Androhung eines Insolvenzantrages ist keine Voraussetzung für eine Antragstellung, in Bezug auf eine mögliche Anfechtung sogar schädlich. Hat der Schuldner über einen längeren Zeitraum keine Steuern gezahlt und sind Pfändungsversuche fehlgeschlagen, darf das Finanzamt ohne Ankündigung einen Insol[46]venzantrag stellen. Voraussetzung für die Gewährung rechtlichen Gehörs ist grundsätzlich das Vorliegen eines Verwaltungsaktes (Urteil des FG Köln vom 09.11.2004–15 K 4934/04, EFG 2005, 372–374). Die Stellung eines Insolvenzantrages durch das Finanzamt stellt aber keinen Verwaltungsakt dar (Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 21.07.2005–5 V 2060/05, nv).
Die Rechtsfrage, ob das Finanzamt im Rahmen seiner Tätigkeit eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen hat, fällt in die Zuständigkeit der Finanzgerichte (BFH vom 19.12.1989 – VII R 30/89, ZIP 1991, 458–461). Für die Überprüfung des beim Amtsgericht gestellten Antrags des Finanzamts, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Antrags ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten (Beschluss des FG Sachsen-Anhalt vom 24.09.2015 – 3 V 916/15, ZInsO 2016, 798–806). Der Schuldner kann im finanzgerichtlichen Verfahren mit der Leistungsklage die Rücknahme eines von einem Finanzamt gestellten Insolvenzantrages betreiben. Bereits vor Klageerhebung besteht für den Schuldner aber die Möglichkeit, den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 114 FGO durch das Finanzgericht zu beantragen (BFH vom 31.08.2011 – VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).
Die Abnahme der Vermögensauskunft ist keine Voraussetzung für die Stellung eines Insolvenzantrages (Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 21.07.2005 a. a. O. zur eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO a.F.). Es ist auch nicht erforderlich, dass das Finanzamt zuvor alle Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat (BFH vom 26.02.2007 – VII 98/06, BFH/NV 2007, 1270).
Bei den zur Anmeldung betroffenen Steuerforderungen kann es sich um bestandskräftige bzw. noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide handeln (u. a. BFH vom 11.12.1990 – VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Voraussetzung ist aber, dass diese Forderungen vollstreckbar sind. Ein Ermessensfehler liegt nicht vor, wenn die Finanzbehörde ein Insolvenzverfahren aufgrund noch nicht bestandskräftiger Steuerforderungen betreibt, sofern diese bereits vollstreckbar sind (Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 05.08.2005 – 3 V 2774/04, nv). Die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. v. § 254 AO liegen dann vor, wenn die Leistung fällig ist, der Schuldner zur Leistung aufgefordert wurde und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist.
Ein Ermessensfehler liegt ebenfalls nicht vor, wenn das Finanzamt einen Insolvenzantrag stellt, obwohl über einen vorliegenden Einspruch noch nicht entschieden wurde, wenn dieser nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben könnte.
Die Stellung eines Insolvenzantrages aus sachfremden Gründen ist unzulässig (BFH vom 05.07.1988 – VII B 19/88, BFH/NV 1989, 236). Versprechen Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen den gleichen Erfolg, ist nach der Entscheidung des FG Berlin vom 21.09.2004 – 7 K 7182/04 (EFG 2005, 11–13) der Antrag unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag lediglich den Zweck hat, die wirtschaftliche Existenz zu vernichten (BFH vom 01.02.2005 – VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002–1003 und BFH vom 28.02.2011 – VII B 224/10, ZInsO 2011, 763).
Setzte das Finanzamt die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides nach § 361 AO, berechtigt die damit im Zusammenhang stehende Steuerforderung nicht zur Stellung eines Insolvenzantrages (BFH vom 11.12.1990 – VII B 94/90 a. a. O.). Über vorliegende Stundungs- und Erlassanträge sollte vor Antragstellung durch das Finanzamt entschieden werden, sofern diese nicht nur zur Verfahrensverzögerung eingelegt wurden oder nach überschlägiger Prüfung keine Aussicht auf Erfolg haben.
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. bis zu seiner rechtskräftigen Abweisung zurückgenommen werden (§ 13 Abs. 2 InsO). Wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, setzt das Insolvenzgericht die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner fest (§ 26a Abs. 2 S. 1 InsO). Dies gilt nicht, soweit der Insolvenzantrag unzulässig oder unbegründet war und dem antragstellenden Gläubiger ein grobes Verschulden trifft.
Der Insolvenzantrag wird nach § 14 Abs.1 S. 2 InsO aber nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3030) soll dem Fiskus bzw. dem Sozialversicherungsträger die Möglichkeit gegeben werden, das Entstehen neuer Verbindlichkeiten zu verhindern. Bei beiden Institutionen besteht aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht die Möglichkeit, die Verbindung zum Schuldner einseitig zu beenden. Sie haben deshalb ein besonderes Interesse daran, ein insolventes Unternehmen an der weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit zu hindern und Klarheit über seine Zahlungsfähigkeit zu erlangen. Ein von der Finanzbehörde gestellter Insolvenzantrag kann daher nach § 14 Abs. 1 S. 2 InsO weiterhin trotz Tilgung der Forderungen aufrechterhalten bleiben und muss nicht zwingend für erledigt erklärt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner wieder neue Rückstände begründet oder dieser zahlungsunfähig ist.