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Ein Nachtclub voller Geheimnisse
Schon als sie das "Insomnia" das erste Mal betrat, spürte die junge Vampirin Emilia, dass dieser Ort ein Geheimnis birgt. Irgendetwas scheint sie magisch anzuziehen, doch sie weiß nicht was.
Als sie eines Nachts unverhofft auf den charismatischen Club-Besitzer Seth trifft, ahnt sie noch nicht, dass diese Begegnung ihr Leben von Grund auf verändern wird. Denn in der Schattenwelt lauern Geheimnisse und Gefahren, die sie sich nicht vorstellen konnte.
Eine prickelnde Novelle aus der Schattenwelt. Dieses Spin-Off kann unabhängig von den anderen Romanen gelesen werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (SETH)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (SETH)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (SETH)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (SETH)
Kapitel (EMILIA)
Kapitel (EMILIA)
Danksagung & Nachwort
Literary Passion
Shadowheart
Dark Delights
Kiss in the Rain
Lynx Love
Touch of Utopia
Vanessa Carduie ist ein Mitglied der
„Schicksalsweber“
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Text Copyright © 2024 Vanessa Carduie
Dieses Buch unterliegt dem deutschen Urheberrecht. Das Vervielfältigen oder Veröffentlichen dieses Buches oder Teilen davon, ohne Zustimmung der Autorin, ist untersagt.
Cover & Buchsatz (Taschenbuch): Phantasmal-Image.de
Korrektorat: Sandra Grüter
Lektorat: Jeanette Lagall - lektorat-lagall.de
2. Auflage (30.5.2023)
Vanessa Carduie
c/o WirFinden.Es
Naß und Hellie GbR
Kirchgasse 19
65817 Eppstein
***
Für alle Träumer
***
Gelangweilt rühre ich mit dem Strohhalm in meinem farbenfrohen Drink herum. Die Musik, die aus den Boxen dröhnt, ist eigentlich viel zu laut für meine empfindlichen Ohren.
Trotzdem zieht es mich immer wieder in diesen Club.
Insomnia.
Warum, weiß ich nicht. Die Musik ist okay, aber nicht besser oder schlechter als anderswo. Das Publikum ist gemischt: hauptsächlich junge Menschen, die sich mehr oder minder elegant zu den Beats bewegen oder in den abgedunkelten Nischen ihrem Paarungsdrang frönen. Ein paar Gestalten aus der Schattenwelt sind hier ebenfalls anzutreffen. Zum Glück geben sich die meisten Pärchen mit Flirten und Fummeln zufrieden. Das Letzte, was ich hören will, wenn ich allein an der Bar sitze, ist das Gestöhne irgendwelcher Fremden.
„Hey, was ist denn los, Emilia?“
Verwirrt blicke ich zu Marie, der Bardame. „Nichts. Ich hänge nur meinen Gedanken nach.“
Kopfschüttelnd legt sie das Geschirrtuch weg und lehnt sich zu mir. „Komm schon. Irgendetwas scheint dich zu bedrücken. Sonst wirfst du wenigstens mal einen Blick in die Menge, um einen passenden Snack zu finden. Heute ignorierst du sogar die offensichtlichen Angebote.“
Ich zucke mit den Schultern und streiche mir eine meiner braunen Locken aus dem Gesicht. „Hab keinen Hunger.“
Maries rötliche Augenbrauen wandern in die Höhe. „Dir ist schon klar, dass Diäten bei euch nicht vorgesehen sind?“
„Ich bin auch nicht auf Diät, aber momentan lacht mich einfach nichts an“, versichere ich. Natürlich weiß ich, dass sie recht hat. Einmal pro Nacht sollte ich auf jeden Fall trinken. Nur habe ich darauf im Moment eben so wenig Lust wie auf den alkoholfreien Cocktail vor mir.
„Weihnachtsblues?“
„Pff. Du weißt, dass ich dieses alberne Fest nicht feiere.“
„Klar. Weil dir das Fest so dermaßen gegen den Strich geht, hast du dich thematisch passend in Schale geworfen“, tut sie meinen Einwand ab.
„Zufall. Rot steht mir halt“, rechtfertige ich mich.
Marie verdreht die Augen. „Erzähl‘ mir keine Märchen. Du trägst so gut wie nie Rot, obwohl es dir steht.“ Sie deutet auf mein Gesicht. „Sicherlich hast du dich auch nur für dich selbst geschminkt und frisiert.“
Bevor ich empört widersprechen kann, redet sie weiter. „Du hast dich herausgeputzt, Emmy, ob du es zugeben willst oder nicht.“ Sie zwinkert mir zu. „Hast du vielleicht ein heißes Date?“
Ich schnaube. „Nicht, dass ich wüsste. Außerdem mache ich mich durchaus für mich selbst hübsch.“
Lachend wendet sich die junge Werwölfin dem Gast neben mir zu, um dessen Bestellung aufzunehmen. Gelangweilt nehme ich einen Schluck von meinem Drink und lasse den Blick über die zappelnde Menge wandern. Eigentlich ist das Insomnia ein Super-GAU für Nase und Ohren, aber unter den vielen Menschen findet sich immer ein geeigneter Spender.
Missmutig denke ich über Maries Worte nach. Ich weiß selbst nicht, warum ich mich so aufgedonnert habe und hierhergekommen bin. Es kommt mir vor, als würde ich etwas suchen. Ich habe nur keine Ahnung, was.
Obwohl ich keinen richtigen Hunger verspüre, gleite ich elegant von meinem Barhocker und streiche den eng anliegenden Rock meines Kleides glatt. Ich begebe mich hüftenschwingend zu den Toiletten. Meist reicht das aus, um ein paar Männer auf Flirtkurs anzulocken. Tatsächlich springen gleich mehrere Exemplare auf und machen sich an die Verfolgung.
Normalerweise würde ihr Eifer mich amüsieren, schließlich haben sie keine Ahnung, dass ich es nicht auf ihre Potenz, sondern ihren Lebenssaft abgesehen habe. Doch heute will ich es einfach nur schnell hinter mich bringen. Ich verlangsame meine Schritte und tue so, als würde ich die Flyerauslage studieren, die sich gegenüber von den Toiletten befindet.
Unauffällig checke ich die Männer mit meinen vampirischen Sinnen ab. Das Aussehen interessiert mich nicht. Für mich zählt vielmehr, dass sie gesund sind und keine Drogen intus haben. Der Blondschopf erscheint mir am geeignetsten. Ich hebe den Blick und sehe ihn direkt an. Mit einem schüchternen Lächeln locke ich mein Opfer zu mir. Der junge Mensch bekommt vor Aufregung schwitzige Hände, wie mir meine sensiblen Sinne verraten. Trotzdem nähert er sich mir. Betont lässig vergräbt er sie in den Hosentaschen und stellt sich neben mich.
„Hi, kann ich dir weiterhelfen?“
Ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln, das sein Herz stolpern lässt. „Gern. Du bist genau die Person, die ich gesucht habe.“
Enttäuscht ziehen die anderen Interessenten Leine. Unauffällig lotse ich meinen Spender in den Schatten. Das Praktische an Clubs wie diesem ist wirklich, dass die Beleuchtung eher spärlich ist. So fällt es gar nicht auf, dass ich die Hand des Mannes ergreife und ihn in eine dunkle Ecke dränge, um mir einen Snack zu genehmigen.
„Wow! Du gehst ganz schön ran“, keucht er, als er mit dem Rücken an der Wand landet.“
„Ich möchte eben keine Zeit verschwenden“, antworte ich, bevor ich den Menschen in meinen Bann schlage.
Ich vergrabe meine Finger in seinen Haaren und entblöße seinen Hals, dann beiße ich blitzschnell zu. Leises Stöhnen ist von meinem Opfer zu hören, aber das kümmert mich nicht. Seine leichte Erregung würzt das Blut, doch ich vermeide zu intensiven Körperkontakt. Mit großen Schlucken nehme ich mir, was ich brauche, und überprüfe dabei ständig, dass ich dem Spender nicht schade.
Plötzlich spüre ich ein seltsames Prickeln. Meine Nackenhaare stellen sich auf.
Irgendjemand beobachtet mich.
Schnell versiegle ich die Wunde am Hals meines Opfers und tue so, als würde ich ihn küssen.
„Du kannst dir dieses Schauspiel sparen, Vamp“, kommentiert der Beobachter amüsiert.
Ich erstarre. Noch nie wurde ich auf frischer Tat ertappt und ich bin schon seit einigen Jahrzehnten auf der Pirsch. Widerwillig trete ich zurück und schicke den Menschen fort. Falls der Störenfried mir feindlich gesinnt ist, will ich verhindern, dass andere verletzt werden. Mein Körper ist in Aufruhr. Wer immer mich unterbrochen hat, ist kein normaler Sterblicher. Obwohl er eine Gefahr sein könnte, geht eine merkwürdige Anziehungskraft von ihm aus. Dabei habe ich ihn noch nicht einmal gesehen.
Was zur Hölle hat das zu bedeuten?
Langsam drehe ich mich um und verschränke die Arme vor der Brust. Als ich meinen Blick hebe und den Fremden ansehe, bleibt mir die Luft weg. Lässig lehnt ein großer Mann am Türrahmen. Hinter ihm prangt das Wort ‚Privat‘ in leuchtenden Lettern auf der halbgeöffneten Tür. Ein schwarzer Anzug lässt ihn wichtig wirken, wobei die obersten Knöpfe seines weißen Hemdes geöffnet sind. Er sieht verboten gut aus, doch das ist es nicht, was mir die Sprache raubt. Seine hellblauen Augen fesseln mich. Sie scheinen im Dämmerlicht zu strahlen. Bei seinem orientalisch anmutendem Aussehen mit dem goldbraunen Hautton und den schwarzen Haaren stechen sie richtig heraus.
„Du bist also diejenige, die meine Gäste heimlich anzapft“, eröffnet er das Gespräch.
Ich schlucke.
Jetzt reiß dich gefälligst zusammen!, schelte ich mich innerlich.
„Ich nehme mir nur, was ich zum Überleben benötige, und schade niemandem“, versuche ich, mich zu rechtfertigen. Dunkle Augenbrauen wandern in die Höhe und ein Grinsen breitet sich auf seinem Mund aus. „Tatsächlich?“
Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Ich fühle mich seltsam angespannt und irgendwie aufgeregt.
Was hat dieser Mann nur an sich, dass er mich völlig aus der Fassung bringt?
Sein Lächeln verursacht ein Prickeln in meinem Bauch und vernebelt meinen Verstand.
„Ich …“, beginne ich und verliere prompt den Faden, als er seinen Posten an der Tür verlässt und auf mich zukommt.
Es hilft wirklich nicht, dass er währenddessen seinen Blick über meine Gestalt wandern lässt. Mein enganliegendes rotes Cocktailkleid lässt nicht viel Raum für Fantasien. Allerdings kam ich mir darin bisher nie so nackt vor wie in diesem Moment. Ich schlucke, um meinen trockenen Mund zu befeuchten. Trotzdem gelingt es mir nicht, irgendetwas zu sagen, dabei bin ich sonst recht schlagfertig. Seit meiner Wandlung hat es keinen Mann gegeben, der mich in irgendeiner Form einschüchtern konnte. Ich bin schließlich eine Vampirin und weiß mich zu wehren. Doch dieser sonderbare Fremde schafft es ohne Probleme, dass ich mit dem Rücken an der Wand ende und ihn mit großen Augen ansehe.
Shit! Was ist nur los mit mir?
„Du bist also Emilia“, sagt er leicht amüsiert und versetzt mir den nächsten Schock.
„Woher kennst du meinen Namen?“
„Marie redet ab und zu von dir“, verrät er mir, was mich noch mehr verwirrt.
„Warum sollte sie über mich sprechen?“, gebe ich zurück.
Der Fremde zuckt mit den Schultern. „Sie mag dich und findet es traurig, dass du immer so einsam an der Bar hockst.“
Marie, wenn ich dich in die Finger bekomme, müssen wir ein ernstes Wörtchen miteinander wechseln!
Ich versuche, diese Peinlichkeit mit Würde zu übergehen. „Ich bin gern allein. Das haben wir Wesen der Nacht an uns. Nicht jeder sehnt sich nach einem Rudel.“
Das bringt ihn zum Lachen. „Meine Worte. Wölfe sind in dieser Hinsicht ein wenig eigen.“
Verblüfft sehe ich ihn an. Mit einer Zustimmung hätte ich nicht gerechnet, aber zumindest kann ich mir nach dieser Antwort sicher sein, dass er kein Werwolf ist.
Nur, was ist er dann?
„Mit wem habe ich eigentlich die Ehre?“, frage ich endlich.
Er streckt die Hand aus. „Seth. Mir gehört das Insomnia.“
„Oh.“
Kurz starre ich auf die angebotene Hand, bevor ich sie ergreife.
Ein Fehler, wie mir einen Wimpernschlag später bewusst wird. Hitze schießt durch meinen Körper und ballt sich in meinem Unterleib zusammen. Erschrocken lasse ich seine Finger los und presse mich gegen die Wand, um Abstand zu gewinnen.
„Was zur Hölle hast du mit mir angestellt?“, keuche ich, als mir klar wird, dass ich mehr als nur ein bisschen erregt bin.
„Das wollte ich eigentlich von dir wissen“, gibt er zurück. Er wirkt ebenfalls überrascht und seine Augen schimmern silbern.
„Hey! Ist alles in Ordnung?“, mischt sich eine fremde Männerstimme ein.
Seth wendet sich dem Störenfried zu, der angesichts Seths durchdringenden Blickes seinen Heldenmut sofort vergisst.
„Verzieh dich.“
Der junge Mann stolpert zurück. „Sorry, ich bin schon weg.“
Ich nutze die Ablenkung und mache mich aus dem Staub. Ich muss dringend hier raus. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Seth einen Schritt auf mich zu macht, doch ich kann ihm gerade noch entwischen. Aufgewühlt rase ich aus dem Club. Gerade ist mir egal, dass ich mich viel zu schnell für einen Menschen bewege. Auch Maries Rufen ignoriere ich.
Nur ein Gedanke beherrscht meinen Geist: Ich muss hier weg. Sofort!
Wie ein gehetztes Tier renne ich durch die Stadt. Alles in mir ist in Aufruhr. Diese Begegnung war einfach unheimlich und viel zu intensiv für meinen Geschmack.
Warum nur reagiere ich so extrem auf ihn? Was hat er mit mir angestellt und was zur Hölle ist er?!
Erschöpft komme ich schließlich an dem Haus an, in dem meine Wohnung liegt. Erst als ich vor der Tür stehe, fällt mir auf, dass ich in meiner kopflosen Flucht Jacke und Handtasche im Insomnia vergessen habe.
„Verdammte Scheiße!“ Frustriert schlage ich mit der flachen Hand gegen die Backsteinwand. „Das kann doch nicht wahr sein …“
Ich lasse mich auf die Treppenstufen vor der Haustür sinken und vergrabe den Kopf in den Händen. Mit sinkendem Adrenalinpegel bemerke ich auch, wie kalt es geworden ist. Der Stein der Stufen ist eisig und als Krönung setzt plötzlich widerlicher Schneeregen ein.
Na klasse. Womit habe ich das nur verdient?
Ich bin froh, dass ich nicht krank werden kann, doch diese Kälte ist verdammt unangenehm. Als Vampirin sind mir die Temperaturen prinzipiell egal. Ich schwitze oder friere nur noch selten. Mein Körper gleicht das wunderbar von alleine aus und hält sein Optimum. Dafür benötigen wir allerdings das Blut unserer Spender. Um das kostbare Blut nicht unnötig nur für so etwas zu verbrauchen, ziehen Vampire genauso Winterkleidung an wie Menschen.
Wenn ich zu lange hier draußen sitze, friere ich noch fest.
Das ist keine schöne Vorstellung. In den Club zurückzugehen, um meine Sachen zu holen, fällt kategorisch aus. Von der Blamage mal abgesehen, bin ich mir nicht sicher, ob ich eine weitere Begegnung mit Seth überstehen würde. Also bleibe ich, wo ich bin, und hoffe, dass mich eine Erleuchtung ereilt.
Die Straßen sind so spät in der Nacht leer. Kaum ein Mensch ist unterwegs und nur wenige Autos fahren herum. Die bunten Lichter in den Fenstern der anderen Häuser scheinen mich verhöhnen zu wollen. Bevor ich vor einigen Jahrzehnten gewandelt wurde, mochte ich Weihnachten. Es war ein harmonisches Familienfest, das ich immer sehr genossen habe. Jetzt – ohne Familie – sehe ich keinen Grund, es zu feiern. Ich könnte den Abend mit ein paar Freunden verbringen oder auf eine der vielen Partys gehen, aber es ist einfach nicht dasselbe. Von daher ignoriere ich das Fest, so gut es geht.
Als sich ein Fahrzeug nähert, denke ich mir nichts dabei. Als es jedoch direkt vor meinem Eingang anhält, hebe ich den Blick. Eine schwarze Limousine steht am Straßenrand und dieses komische Prickeln kehrt zurück.
O nein!
Nur einen Augenblick später wird die Tür geöffnet und meine persönliche Heimsuchung entsteigt dem Auto. Im Gegensatz zu mir war Seth so schlau, sich einen Wintermantel anzuziehen. Mein erster Impuls ist es aufzuspringen und davonzulaufen. Doch ich habe mich schon einmal lächerlich gemacht und wüsste auch gar nicht, wohin ich fliehen sollte.
„Nicht weglaufen. Ich wollte dir nur deine Sachen bringen und mich entschuldigen“, meint Seth und überrascht mich damit. Er fischt irgendetwas aus dem Fahrzeuginneren und wirft die Tür zu. Langsam kommt er zu mir und reicht
mir meinen Mantel. „Ist dir denn gar nicht kalt?“
„Doch“, antworte ich. Mittlerweile fühle ich mich wie ein Eiszapfen.
Eisvampir am Stiel – der neue heiße Scheiß.
Vorsichtig stehe ich mit steifen Gliedern auf und ziehe meinen Mantel über, der im Vergleich zur Umgebung kuschelig warm ist. Seth selbst strahlt eine anziehende Hitze aus. Von ihm halte ich mich jedoch lieber fern. Der letzte Körperkontakt war zu intensiv.
„Warum bist du weggerannt?“, fragt er.
„Es war einfach zu viel. Deine ganze Art und diese komischen Gefühle haben mir Angst gemacht.“
Seth blickt mich ernst an. Seine Augen haben ihr silbernes Leuchten verloren, trotzdem sind sie unheimlich und faszinierend zugleich. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken oder bedrohen. Für mich war das vorhin ebenfalls eine Überraschung.“ Er überreicht mir meine Handtasche. „Hier. Du solltest endlich ins Warme, auch wenn Vampiren die Kälte nicht so viel ausmacht wie Menschen.“ Erleichtert krame ich in der Tasche nach dem Schlüsselbund. Auf den ersten Blick ist alles dort, wo es sein sollte.
„Danke!“
Seth zuckt nur mit den Schultern. „Kein Problem. Gute Nacht, Emilia.“ Damit wendet er sich zum Gehen.
Erstaunt sehe ich ihm nach. Ich hatte nicht erwartet, dass er mich einfach so stehen lässt. Ich bekämpfe den irrsinnigen Drang, ihn zurückzurufen.
„Gute Nacht, Seth“, flüstere ich stattdessen.
Anscheinend hat er gute Ohren, denn er dreht sich zu mir um und schenkt mir ein Lächeln. „Du weißt ja, wo du mich findest.“ Dann steigt er in sein Auto und fährt davon. Nachdenklich schaue ich ihm hinterher.
Der nächste kalte Windstoß reißt mich aus meiner Starre. Fröstelnd wende ich mich um und schließe die Haustür auf. Schon im Hausflur ist es deutlich wärmer, was mir zeigt, dass ich tatsächlich unterkühlt bin.
So ein Mist! Ich sollte mich schnellstmöglich aufwärmen, sonst brauche ich noch einen weiteren Spender.
Das dürfte um diese Uhrzeit eine echte Herausforderung werden. Zügig gehe ich in meine Wohnung und reiße mir das nasskalte Kleid förmlich vom Leib. Ich lasse alles im Flur fallen und begebe mich ins Bad.
Der Blick in den Spiegel versetzt mir einen Schock. Meine dunklen Haare hängen glatt und lustlos an mir herunter und die Wimperntusche war offensichtlich nicht wasserfest. Zusammen mit meinem blassen Gesicht und den bläulichen Lippen sehe ich wie eine Wasserleiche aus.
Shit. Kein Wunder, dass Seth sich so schnell aus dem Staub gemacht hat.
Auf der anderen Seite bin ich froh, dass ich mich nicht mit seiner aufwühlenden Gegenwart auseinandersetzen muss. Ich drehe den Wasserhahn meiner Badewanne auf und gebe etwas Lavendelbadezusatz hinein. Das Zeug hilft mir eigentlich immer, mich zu entspannen, und das habe ich gerade wirklich nötig.
Langsam lasse ich mich in das heiße Wasser sinken. Ein unangenehmes Zwicken auf meiner Haut zeigt deutlich, wie kalt mein Körper tatsächlich ist. Ich rubble mit den Händen über meine Arme und Beine, bevor ich mich zurücklehne und die Wärme genieße.
Etwa eine halbe Stunde später steige ich aus der Wanne und schlüpfe in einen kuscheligen Schlafanzug. Ich überprüfe, dass alle Fenster mit den speziellen Sonnenrollos verschlossen sind, bevor ich mich ins Bett zurückziehe. Der nächste Tag lässt nicht mehr lange auf sich warten und die Ereignisse der Nacht haben mich erschöpft.
Ich habe immer noch keine Ahnung, weshalb mich die Begegnung mit Seth so aus der Bahn geworfen hat. Nie in meinem Leben – weder als Mensch noch als Vampir – habe ich so extrem auf einen Mann reagiert. Mich wurmt, dass ich nicht weiß, zu welcher Gruppe übernatürlicher Wesen er gehört. Vampire und Werwölfe sind ausgeschlossen und für einen Magiebegabten hatte er zu wenig Menschliches an sich. Tatsächlich vermute ich, dass seine Anwesenheit im Insomnia der Grund ist, warum es mich ständig dorthin gezogen hat.
Nur warum? Und was hat das zu bedeuten?
Wenn ich seinen Worten glauben darf, war er selbst über die Intensität unserer Begegnung überrascht.
Nur war er kein solcher Hasenfuß wie ich und ist nicht abgehauen …
Meine Lider werden schwer und fallen bald darauf zu.
Das Letzte, was ich vor mir sehe, als ich in den Schlaf drifte, sind Seths leuchtende Augen.
***
„Emilia.“
Ich ziehe die Stirn kraus und drehe mich murrend auf die andere Seite. Ein dunkles Lachen erklingt.
„Emilia, wach auf. Ich weiß genau, dass du mich hören kannst“, flüstert eine tiefe Stimme, die mir vage bekannt vorkommt.
Genervt will ich mir die Decke über den Kopf ziehen, doch sie ist verschwunden. Mit geschlossenen Lidern taste ich danach und stelle rasch fest, dass etwas anders ist. Als meine Hand auf warme Haut trifft, ist es vorbei mit dem Schlaf. Ich zucke zurück und reiße die Augen auf. Sonnenlicht blendet mich, was Panik in mir auslöst. Vampir plus Sonne ergibt ein Häufchen Asche.
„Keine Angst, das ist nur eine Illusion.“
Da auf meiner Haut noch keine Brandblasen zu sehen sind und der Schmerz fehlt, scheint das wirklich keine echte Sonne zu sein. Verwirrt mustere ich meine Umgebung. Gerade noch lag ich in meinem Bett und jetzt finde ich mich plötzlich in einem geheimnisvollen Garten wieder. Süßer Blumenduft liegt in der Luft und ich kann sogar Vögel zwitschern hören. Ich drehe den Kopf und bemerke, dass ich in einem orientalisch anmutenden Bett mit Baldachin liege, dessen Seiten mit farbigen Stoffen bespannt sind.
Noch etwas fällt mir auf: Ich bin nicht allein.
„Seth!“
Genannter deutet eine leichte Verbeugung an. „Zu deinen Diensten.“
„Wo bin ich?“, frage ich und versuche, nicht auf seinen halbnackten Körper zu starren. Als ich an mir herunterschaue, muss ich feststellen, dass auch mein kuscheliger Pyjama verschwunden ist.
„In der Traumwelt.“
Misstrauisch sehe ich ihn an. „Wohl eher in deinem Traum, wenn ich den Hauch von Nichts einkalkuliere, den ich trage.“
Dieser unmögliche Kerl grinst. Dann schnippt er mit den Fingern. An Stelle des knappen Bauchtänzerinnenkostüms trage ich nun ein langes, schwarzes Kleid, das alle wichtigen Stellen bedeckt.
„Besser?“
„Ja, aber ich will immer noch wissen, warum ich hier bin.“
„Du träumst.“
Ich verdrehe die Augen. Dieser Ort ist schön, keine Frage, doch ich muss wissen, was das alles zu bedeuten hat.
„Was machst du in meinem Traum?“
Seth grinst und dann bekommen seine Iriden wieder diesen silbernen Glanz. „Du hast mich gerufen, Emilia.
Auch wenn du wahrscheinlich keine Ahnung hattest.“
Ich ziehe die Stirn kraus. „Gerufen? Ich hab niemanden gerufen. Das letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich in meinem Bett eingeschlafen bin.“
Er beugt sich zu mir, was meine Gefühle in Aufruhr versetzt. Sein würziger Geruch hat eine Zimtnote, die mir viel zu gut gefällt.
„Oh doch. Du schreist förmlich nach mir, zumindest dein Körper.“
„Ich höre nichts“, gebe ich zurück.
Das bringt Seth zum Lachen. „Du bist tatsächlich ein sehr widerspenstiges Exemplar. Glaub‘ mir, ich hab‘ Besseres zu tun, als mich mit dir in der Traumwelt zu streiten. So ein Club führt sich nicht von alleine. Ich habe nicht den
Luxus wie du, den ganzen Tag verschlafen zu können.“
Beleidigt rutsche ich von ihm weg und verschränke die Arme. „Warum bist du dann hier, wenn du so unabkömmlich bist? Ich habe nicht darum gebeten, hierher entführt zu werden.“
Sanft streicht er über meine Schulter, was sofort dieses merkwürdige Prickeln zurückbringt. „Wie ich eben schon gesagt habe: Du hast mich gerufen. Ich dachte, du möchtest einen zweiten Anlauf zum Kennenlernen wagen. Ein bisschen Zeit bis zum nächsten Termin habe ich.“
„Da hast du falsch gedacht. Ich wollte einfach nur meine Ruhe und etwas Schlaf“, schnauze ich, weil mich seine Nähe viel zu sehr irritiert.
„Kein Grund zickig zu werden“, meint er und zieht sich zurück. „Du kannst mir auch höflich sagen, dass ich abhauen soll.“
Ich drehe mich aufgebracht zu ihm. „Wenn dein Ego nicht so riesig wäre, hättest du selbst auf diesen Gedanken kommen können. Schließlich bin ich vor dir weggerannt,
als wir uns das letzte Mal begegnet sind.“
Sobald die Worte ausgesprochen sind, bereue ich sie. Eigentlich bin ich nicht so gemein zu anderen Leuten. Mein Körper verzehrt sich tatsächlich nach diesem Unbekannten, doch ich will es einfach nicht zugeben.
Seth bekommt einen verschlossenen Gesichtsausdruck. „Ich bin nicht derjenige, der seine Gefühle verleugnet. Unser letztes Gespräch war zudem vielversprechend. Wahrscheinlich habe ich mich in dir getäuscht.“
Wie von der Tarantel gestochen, springe ich auf.
„Wage es ja nicht, mich als Lügnerin zu bezeichnen!“, zische ich und gehe drohend auf ihn zu.
„Getroffene Hunde bellen“, erwidert er nur und will sich abwenden.
„Ich zeige dir gleich, was ich für dich empfinde.“
Bevor ich ihn packen und schütteln kann, schnippt er mit den Fingern. Ich schreie erschrocken, als ich plötzlich im Wasser lande. Die Umgebung hat sich wieder verändert. Nun befinden wir uns im Becken eines kleinen tropischen Wasserfalls, der vom Vollmond beschienen wird. Seth sitzt auf einem Felsbrocken und lässt lässig die Beine in den See hängen. Wütend stehe ich auf. Ich bin komplett durchnässt und meine Haare kleben mir im Gesicht.
„Du arroganter Mistkerl! Was sollte das?“, will ich wissen und streiche unwirsch die nassen Strähnen zurück.
Gerade hätte ich nicht übel Lust, ihn anzuspringen und ihm das amüsierte Grinsen aus der Visage zu wischen.