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Kriminalhauptkommissar Markus Fischer hat die Nase voll: geschieden, ausgebrannt und einfach durch mit dem Job. Doch dann meint es das Schicksal gut mit ihm - und beschert ihm auf Gran Canaria einen millionenschweren Lottogewinn! Fischer kündigt und will fortan in einer idyllischen Bungalowanlage dem süßen Nichtstun frönen.
Doch die Entspannung findet ein jähes Ende, als eines Morgens ein Toter mit einem mysteriösen Metallstück in der Brust im Pool treibt. Während die Polizei den Fall schnell zu den Akten legen will, zweifeln Fischer und seine neuen Freunde an der einfachen Erklärung - und nehmen die Ermittlungen selbst in die Hand. Ihre Nachforschungen führen sie zu zwielichtigen Geschäften und dunklen Inselgeheimnissen ...
Die Abenteuer des Gran-Canaria-Mordclubs sind perfekt für Krimifans, die humorvolle Unterhaltung und spannende Ermittlungen in Urlaubsatmosphäre lieben.
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Seitenzahl: 294
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
CAPÍTULO 1 – Der Dicke und das Schicksal
CAPÍTULO 2 – Wenn man vom Teufel spricht
CAPÍTULO 3 – Mrs. Marlowe und Mrs. Spade
CAPÍTULO 4 – Die schnellste Bürokraft von Maspalomas
CAPÍTULO 5 – Zwischen Nostalgie und Verfall
CAPÍTULO 6 – Pfötchens Zorn
CAPÍTULO 7 – Glücksmomente
CAPÍTULO 8 – Zwei Gettofäuste für ein Halleluja
CAPÍTULO 9 – Jeden Tag eine gute Tat
CAPÍTULO 10 – Weil Paella die Abenteuerlust beflügelt
CAPÍTULO 11 – Raubtierfütterung
CAPÍTULO 12 – Chinesische Beruhigungspillen
CAPÍTULO 13 – Umgekehrte Psychologie
CAPÍTULO 14 – Plata, plata
CAPÍTULO 15 – Klingeln gegen den Ärger
CAPÍTULO 16 – Drei Felsen für eine Festung
CAPÍTULO 17 – Wenn am Namen der Familie Blut klebt
¡Buen provecho! – Guten Appetit
Fischeintopf
Kartoffeln mit Salzkruste und Mojo
Paella mit Hähnchen und Meeresfrüchten
Über den Autor
Im nächsten Band
Impressum
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Kriminalhauptkommissar Markus Fischer hat die Nase voll: geschieden, ausgebrannt und einfach durch mit dem Job. Doch dann meint es das Schicksal gut mit ihm – und beschert ihm auf Gran Canaria einen millionenschweren Lottogewinn! Fischer kündigt und will fortan in einer idyllischen Bungalowanlage dem süßen Nichtstun frönen.
Doch die Entspannung findet ein jähes Ende, als eines Morgens ein Toter mit einem mysteriösen Metallstück in der Brust im Pool treibt. Während die Polizei den Fall schnell zu den Akten legen will, zweifeln Fischer und seine neuen Freunde an der einfachen Erklärung – und nehmen die Ermittlungen selbst in die Hand. Ihre Nachforschungen führen sie zu zwielichtigen Geschäften und dunklen Inselgeheimnissen …
DANIEL VERANO
InspectorPescadoresund derTote im Pool
Der Gran-Canaria-Mordclub ermittelt
Urlaubskrimi
»Prost!« Andreas streckte sein Glas in die Höhe. »Auf deine Bar! Und auf einen tollen Abend!«
Marianne musterte ihn mit hochgezogener Braue. »Ist es nicht an dem Gastgeber, den Trinkspruch auszubringen?«, fragte sie und nickte in meine Richtung.
Ich lächelte. »Schon gut, unter uns können wir es mit den Konventionen ein bisschen lockerer halten. Hauptsache, ihr seid da.« Ich hob mein Glas. »Auf einen gelungenen Vertragsabschluss!«
Wir stießen an. Während Petra, Marianne und ich den Champagner in kleinen Schlucken genossen, leerte unser Bademeister, wie wir Andreas nannten, sein Glas in einem Zug.
»Ahhhhh …« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und grinste wie ein Honigkuchenpferd. So in etwa stellte ich mir sein Lächeln vor, wenn er mit der Rettungsboje unterm Arm den Strand im Nachbarort San Agustín ablief, seinem Arbeitsplatz.
»Markus, lässt du bitte die Luft aus meinem Glas?«
Ich schenkte ihm wie gewünscht nach. »Nicht, dass du uns nachher ausfällst. Zu dritt können wir zwar spielen, aber es macht einfach mehr Spaß zu viert.«
»Ach was! So habt ihr wenigstens eine Chance gegen mich.«
Petra verschränkte die Arme. »Dein Sieg neulich ist dir wohl zu Kopf gestiegen. Das war ein Ausrutscher. Die Meisterdetektivin bin und bleibe ich!«
»Bei Cluedo schlage ich dich auch noch, wenn ich einen im Tee habe.«
»Hört, hört. Der Leichtsinn der Jugend.« Petra zwinkerte mir zu. »Ihr zwei Jungspunde mit euren Mitte fünfzig.«
»Nicht jeder kann sich so entspannt zurücklehnen wie du als Rentnerin«, sagte Andreas.
Ich drehte mich zu Marianne. »Apropos Rente: Wann ist es bei dir eigentlich so weit?«
»In drei Jahren«, erwiderte sie, griff nach der Champagnerflasche und studierte das Etikett. »Dom Pérignon Vintage 2003 Limited Edition. Wo hast du den denn her?«
»Auf eBay ersteigert. Der edle Tropfen hat zweihundertachtzig Euro pro Flasche gekostet.«
Kurzes Schweigen.
Andreas pfiff durch die Zähne.
»Bei El Gordo müsste man gewinnen.« Petra seufzte.
»Ihr bekommt ja dieses Jahr wieder eine neue Chance«, tröstete ich sie.
Den Spaniern war ihre Weihnachtslotterie mindestens so heilig wie die Semana Santa, die Karwoche. Die würde immer stattfinden, da konnte nicht mal Armageddon dazwischenkommen.
»Wie viel schütten die noch mal aus?«, fragte Marianne. »Ich hab da eine absurde Zahl gelesen.«
»Knapp zweieinhalb Milliarden Euro. Es ist die größte Lotterie der Welt.«
Petra schüttelte den Kopf. »Man könnte meinen, der spanische Staat wüsste nicht wohin mit seinem Steuergeld. Mir fallen da deutlich bessere Verwendungszwecke ein.«
»Tatsächlich spült die Lotterie mehr Geld in die Kasse, als sie kostet.«
»Gewinn hin oder her, der Name ist trotzdem daneben«, sagte Marianne. »Der Dicke?«
»Charmant ist definitiv anders. Aber so heißt der Hauptpreis nun mal.«
Andreas hielt mir zwinkernd sein Champagnerglas vors Gesicht. Während ich ihm noch einmal nachschenkte, fuhr er sich mit der freien Hand durch seinen Lockenschopf. Ich versuchte, mir meinen Neid nicht anmerken zu lassen, denn im Gegensatz zu mir hatte er noch reichlich Haare.
»Möchte noch jemand von euch?«, fragte ich die beiden Frauen.
Petra winkte ab. »Danke, später.«
»Ich bleibe beim Legero«, sagte Marianne. Neben ihr stand eine Flasche alkoholfreier Champagner. »Sonst komme ich morgen früh nicht aus dem Bett. Es steht wieder Laufen auf dem Programm.«
»Der nächste Marathon ist doch erst im Februar«, wandte Andreas ein. »Komm schon. Du kannst ja zusätzlich zu deinen anderen Listen eine für alkoholische Getränke schreiben.« Wir drei lachten, während unsere Listenschreiberin keine Miene verzog. »Da trägst du dann statt der gelaufenen Kilometer ein, wie viele Gläser du getrunken hast.«
»Sehr witzig«, brummte Marianne.
»Papperlapapp, hier wird niemand zum Alkoholkonsum gezwungen«, sagte Petra.
Für eine Weile kehrte Stille in meinem Bungalow ein. Die anderen hingen ihren Gedanken nach. Ich schaute durch das geöffnete Fenster auf den dunklen Atlantik hinaus, auf dem das Mondlicht wie eine Horde wilder Kobolde in wirren Mustern tanzte. Angenehm kühle Abendluft drang herein.
Ein ereignisreicher Tag neigte sich dem Ende zu. Die Verhandlungen über den Kaufvertrag für die Tapas-Bar im Nachbarort Bahía Feliz hatten sich lange hingezogen. Vorgestern war dann endlich der Durchbruch gelungen, und heute hatte ich den Vertrag unterschrieben.
In diesem Augenblick fragte ich mich nicht zum ersten Mal, ob ich irgendwann unwissentlich an einer Wunderlampe gerieben hatte. Oder war mir im Italien-Urlaub aus Versehen eine Münze in den Trevi-Brunnen in Rom gefallen? Anders konnte ich mir mein Glück nicht erklären.
Vor einem halben Jahr hatte ich noch als Hauptkommissar bei der Mordkommission in Frankfurt am Main Dienst getan. Die Stadt war Spitzenreiter in Deutschland in puncto Wolkenkratzer und Kriminalität. Spitze war meine Ehe mit Tanja da schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gewesen. Wir hatten zu lange versucht, eine funktionierende Beziehung vorzutäuschen, ohne Erfolg. Nun war ich mit fünfundfünfzig geschieden, kein Polizist mehr und lebte auf Gran Canaria, das mit das angenehmste Klima der Welt hatte.
»Eins würde ich gerne wissen, Markus.« Andreas sah mich fragend an. »Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du den Dicken geknackt hast?«
Ich schmunzelte. »Das wollen viele. Ich hab aufgehört, zu zählen, wie oft ich darauf angesprochen wurde.« Ich hatte diese Frage mindestens so oft gehört wie die, ob ich im Dienst schon mal auf jemanden geschossen hätte.
Meine drei Inselfreunde wussten nichts von meiner Ermittlerkarriere, und das sollte auch so bleiben. Ich hatte zu oft erlebt, dass Menschen mich mit meinem Beruf verknüpften. Auf Partys fragten mir die Leute Löcher in den Bauch: Wie viele Tote ich schon gesehen hätte (zu viele), ob ich ohne Wutanfälle Tatort gucken könnte (meistens nicht) und wie Kommissare mit der emotionalen Belastung fertig würden (die Wahrheit behielt ich für mich). Das hatte ich lange genug mitgemacht, ich wollte es nicht mehr. Deswegen hatte ich mir am Tag meines Ausscheidens aus dem Dienst geschworen, dass ich ab sofort nur noch »Markus« sein würde.
»Also?«, hakte Marianne nach. »Was hast du nun gedacht?«
»Dass es der drittschönste Moment meines Lebens war.«
»Und die anderen beiden?«
»Der schönste war Emmas Geburt. Danach kommt lange nichts, dann die Scheidung.«
Die drei nickten synchron.
»War deine Ex auch so ein Drachen wie meine?«, fragte Andreas.
»Sagen wir mal so: Am Nikolaustag wurde unsere Scheidung rechtskräftig. Nur ein paar Tage später, und ich hätte den Dicken mit ihr teilen müssen.«
Petra grinste. »Eine gerichtlich verordnete Radikaldiät, sozusagen.«
»Ja, und wisst ihr was? Tanja ist Ernährungsberaterin. Das kannst du dir nicht ausdenken.«
Wieder lachten wir, Ironie des Schicksals. Sogar Mariannes Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Schmunzeln.
»Versteht mich nicht falsch, Leute, ich gönne Tanja jedes Glück, sie ist schließlich die Mutter meiner Tochter. Aber dank dieses Immobilienschnösels, den sie jetzt hat, schwimmt sie im Geld. Meins braucht sie nicht auch noch.«
»Recht hast du«, sagte Andreas. »Zum Glück habe ich früher als Schwimmmeister in unserem Freibad weniger verdient als Birgit. Sonst hätte ich ihr damals außer den Kindern wahrscheinlich auch noch mein Konto überlassen dürfen.«
Petra hob ihr Glas und zeigte auf die Flasche. Während ich ihr nachgoss, fragte sie: »Wann genau willst du die Bar eröffnen?«
»Schwer zu sagen. Ist ja noch viel Arbeit.«
»Hast du schon ein Renovierungskonzept?«, fragte Marianne.
»Noch nicht. Aber ich baue auf eure Hilfe.«
Andreas verzog das Gesicht und kratzte sich am Kopf. Petra starrte Löcher in die Luft, Marianne hüstelte in die Faust.
»Hey! Ihr habt mich dazu ermutigt, die Bar zu kaufen. Ihr könnt mich jetzt nicht hängen lassen!«
Andreas boxte mir sanft gegen die Schulter. »War doch nur ein Spaß!«
»Natürlich helfen wir dir«, sagte Petra, und Marianne versprach, Listen für Bestellungen und Einkäufe zu schreiben.
»So, ihr Lieben, jetzt habt ihr euch lange genug gedrückt.« Petra stand auf und sah sich um. »Markus, wo finde ich das Spiel?«
»Warte, ich hol es.« Ich stellte mich neben sie und flüsterte: »Du willst dem Bademeister unbedingt eine Lektion erteilen, was?«
Sie machte ein schelmisches Gesicht und nickte mir verschwörerisch zu.
»Ich sitze hier, nur zur Erinnerung.« Andreas winkte uns theatralisch zu. »Ich kann alles hören.«
»Solltest du ja auch«, sagte Marianne.
Ich ging zur Kommode und zog das Cluedo-Spiel aus der Schublade.
Mein Bauchgefühl verriet mir, dass es nicht bei einer Champagnerflasche bleiben würde.
*
Mein Schädel steckte in einem Schraubstock.
Zumindest fühlte es sich so an, als ich zu mir kam. Oder hatte sich ein kleiner Zirkusaffe in meinem Kopf eingenistet, der nun von innen gegen meine Stirn trommelte?
Zuerst die Augen öffnen, dachte ich, Kontakt zur Welt aufnehmen, ein Schritt nach dem anderen. Doch irgendwer musste über Nacht Gewichte an meine Lider gehängt haben. Mit einem leisen Stöhnen schaffte ich es, sie einen Spalt zu öffnen.
Das Tageslicht brannte. So müssen sich Vampire fühlen, dachte ich. Instinktiv hob ich die Hand, schob sie zwischen mich und die Welt und schloss die Augen wieder.
Beim zweiten Versuch hielt ich sie immerhin ein paar Sekunden lang offen. Doch dann erneut das Stechen, ich musste sie wieder zukneifen. Aller guten Dinge sind drei, hieß es doch. Für mich traf »Vier gewinnt« zu, denn erst im vierten Anlauf konnte ich die Augen dauerhaft offen halten.
Mein Blick wanderte durch den Raum. Warum lag ich auf dem Sofa im Wohnzimmer und nicht im Bett? Offenbar war mir der Weg dorthin zu weit gewesen. Wer mich wohl so fürsorglich zugedeckt hatte? »Leg dich einfach hin«, hörte ich Petras Stimme in meinem Kopf. Also hatte sie wahrscheinlich diese Aufgabe übernommen.
Plötzlich tauchten Bilder vor meinem inneren Auge auf: wie ich ins Bad getorkelt war, wie Andreas und ich Arm in Arm zu seinen Lieblingsliedern, Bello e impossibile und Felicità, gegrölt und geschunkelt hatten, wie Petra sich vor Lachen über die vorgetäuschten Italienischkenntnisse den Bauch hielt. Marianne hatte alles mit ihrem Handy dokumentiert. Die Bilder würden sicher bald in unserer WhatsApp-Gruppe Bungalow-Bande auftauchen.
Ich schaute zu dem Esstisch hinüber. Zwischen zerknüllten Flips-Tüten und einer leeren Packung Salzstangen standen drei ebenso leere Flaschen Dom Pérignon. Bei ihrem Anblick legte das hämmernde Äffchen eine Schippe drauf, als hätte es frischen Zucker bekommen. Eine vierte Flasche lag auf dem Teppich, daneben ein umgeworfenes Cluedo-Spielbrett, verstreute Figuren, Spielgeld, Würfel …
»Puhhhh!« Ich ächzte und richtete mich langsam auf. Was für ein Abend! Niemand konnte uns vorwerfen, den Kauf der Tapas-Bar nicht angemessen gefeiert zu haben. So viel hatte ich ewig nicht mehr getrunken.
Das Wohnzimmer glich einem Schlachtfeld. Ein bisschen wie in dem Film Hangover, den ich mit meiner Tochter Emma im Kino gesehen hatte. Nur ohne Mike Tyson. Und hoffentlich auch ohne Tiger im Bad.
Ich würde um eine Tablette nicht herumkommen, das war klar. Je früher, desto besser. Also watschelte ich ins Schlafzimmer, warf mir zwei Ibu 400er aus dem Nachttisch ein und schlurfte zurück. Mein Handy schnarrte.
»Buenos días«, begrüßte ich Marianne. »Sag mal, hämmert dein Kopf auch so?«
»Ja, ziemlich«, antwortete sie. »Ich wollte dich nur vorwarnen, Markus. Ich drehe dem Bademeister heute endgültig den Hals um!«
»Weil er dich so lange bequatscht hat, bis du eingeknickt bist?«
»Ich musste das Laufen ausfallen lassen.«
»Dafür war’s ein lustiger Abend.«
Marianne schwieg kurz. »Ich trinke nie wieder mit euch«, sagte sie dann stöhnend.
»Verstehe.« Ich hätte gelacht, wenn mein Kopf es zugelassen hätte. »Wie geht’s den anderen? Hast du schon mit ihnen gesprochen?«
»Andreas hat mich weggedrückt, und Petra bekommt keinen vernünftigen Satz zustande.«
»Sag mal, weißt du, warum das Cluedo-Spiel hier auf dem Boden liegt?«
»Unsere Meisterdetektivin hat es wieder mal aus Versehen umgeschmissen.«
Ich seufzte. »Da ist mir wohl der Film gerissen. Wie ist das passiert?«
»Sie hat’s auf den Alkohol geschoben. Aber na ja, mit Verlieren hat sie’s eben nicht so, das wissen wir ja.«
Das stimmte. Mit Gewinnen allerdings auch nicht. Zumindest nicht, ohne es uns anschließend unter die Nase zu reiben.
»Ich mixe mir jetzt einen Orangensaft mit Eiern«, sagte Marianne. »Das hilft gegen den Kater.«
Ich verzog das Gesicht. »Mach das. Ich bleibe beim Kaffee. Wir hören uns später.«
Ich bereitete mir einen doppelten Cortado zu und trat mit der Tasse in der Hand auf die Veranda. Zum Glück hatte das Äffchen aufgehört zu trommeln. Gerne hätte ich mein Gesicht von der Sonne wärmen lassen, doch leider brannte sie immer noch in meinen Augen. Also spannte ich den großen Schirm auf und ließ mich darunter in den Sessel sinken.
Flüchtig sah ich zum Pool der Bungalowanlage. Von hier aus war nur ein kleiner Ausschnitt zu erkennen, verborgen hinter Palmen und dichten Hecken. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser, dazwischen dümpelten bunte Schwimmnudeln träge auf der Oberfläche. Hatte der Wind sie in der Nacht von der Liege geweht, auf der sie sonst lagen? Ein weiterer Gegenstand trieb im Pool, doch ich konnte ihn nicht genau erkennen. War das eine Luftmatratze?
Ich lehnte mich in dem Sessel zurück und schloss die Augen. Der Kaffeeduft stieg in meine Nase, während der Wind sanft durch die Palmen strich und das Rauschen des Atlantiks wie ein Grundton über der Insel lag. Ich ließ meine Gedanken ziehen, als seien sie Wolken am Himmel, und nippte hin und wieder an der Tasse. Die Zeit glitt dahin.
Vermutlich würden mir ein paar Schritte guttun, dachte ich nach einer Weile. Mir unten am Meer die salzige Luft um die Ohren pusten lassen … Ich rappelte mich auf, schloss meinen Bungalow ab und ging auf dem gepflasterten Weg nach links zu der Treppe, die zum Strand führte. Im Vorbeigehen streifte mein Blick den Pool. Wieder bemerkte ich aus dem Augenwinkel die Schwimmnudeln und einen kleinen Ausschnitt des Gegenstandes, der im Wasser trieb. Was auch immer es war, es würde schon seine Richtigkeit haben.
Ich blieb kurz stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Schmunzelnd sah ich zu dem windgeschützten Pavillon neben dem Pool mit seinen bougainvillea-umrankten Stelzen hinüber.
Andreas, dieser Faulpelz. Er hatte den Tisch, an dem wir vier hin und wieder saßen, immer noch nicht abgeräumt. Auch gefegt hatte er nicht, wie die vielen gefallenen Blätter und Blüten bewiesen. Er hatte keinen Finger gerührt, obwohl er laut Plan dran gewesen wäre. Bestimmt würde er uns wieder eine Ausrede auftischen. Ich hatte seine Strategie allerdings durchschaut: Er wartete so lange, bis einer von uns die Unordnung nicht mehr ertrug und sauber machte. Aber nicht mit mir, Freundchen!
Ich ging weiter, vorbei an dem hölzernen Bogen, durch den hindurch man zum hinteren Teil der Anlage gelangte. Die Verandas der Bungalows hier grenzten direkt an die Felsen und somit ans Meer. Ich nahm mir vor, wieder mal zum Sonnenaufgang hierherzukommen, denn durch seine Abgeschiedenheit strahlt dieser Ort eine ganz besondere Ruhe aus.
Unter einem dichten Palmendach und zwischen gelbem Hibiskus und rosafarbenem Oleander gelangte ich zu dem Treppenabgang. Inzwischen war es so windig geworden, dass ich die Tür am Ende mit Kraft aufziehen musste. Dahinter betrat ich den Ausschnitt vom Paradies, wie ich unseren Strand gerne nannte. Sofort stieg mir der Geruch von Salz und Algen in die Nase, das Rauschen der Wellen drang an mein Ohr, vermischt mit dem Kreischen der Möwen. Direkt unter mir waren zerklüftete Felsen, deren Vorsprünge bei Ebbe über Wasser lagen und so kleine Becken für Fußbäder bildeten. Zu meiner Linken erstreckte sich der Kiesstrand, am Ende des Weges und geschützt durch eine Reihe dicht gestaffelter Palmen. Das Eingangstor zu einer weiteren Bungalowanlage schmiegte sich an den Strand, dahinter war der Aufgang zu dem öffentlichen Parkplatz. Manchmal, wenn ich meinen philosophischen hatte, wie Emma es ausdrückte, kam es mir vor, als würde die Zeit an diesem Ort langsamer fließen. Als wäre dieses kleine Fleckchen Erde von einem Hauch Ewigkeit umhüllt. Anders als die endlosen Sandstrände weiter im Süden war unser Hausstrand rauer, abgeschiedener, unberührter.
Ich folgte dem Weg und zog am Ende meine Flip-Flops aus. Vorsichtig balancierte ich barfuß über die glatten, von den Gezeiten gebürsteten Kieselsteine zum Saum des Wassers hinunter. Ich liebte das Geräusch, wenn die Wellen leise über sie rollten und sich wieder zurückzogen. Ich stellte mich an die Wasserlinie und ließ meine Füße bis zu den Knöcheln umspülen. Was für ein belebendes Gefühl! Mein Blick schweifte in die Ferne, auf das tiefblaue Meer hinaus, das von silbernen Schaumkronen durchzogen war.
Wieder klingelte mein Handy. Der Bademeister.
»Ich hab meine Schicht am Eselstrand verschlafen«, gestand er mit Entsetzen in der Stimme.
»Oh. Das ist ungünstig.«
»Mein Chef hat mich gerade angerufen, ich konnte gerade noch meinen Hintern retten. Er hat mir Überstunden aufgebrummt, zur Wiedergutmachung.«
Andreas hustete, dann folgte eine kurze Stille.
»Wie sieht’s nachher mit Gymnastik aus? Falls ich bis dahin wieder geradeaus gucken kann.«
Er hatte mich erst neulich zur Wassergymnastik überredet, mit den Worten, das sei der neueste Schrei für Männer in unserem Alter.
»Wir können gerne im Pool ein paar Bahnen schwimmen oder ins Meer gehen«, antwortete ich. »Aber das mit den Plastiknudeln ist nichts für mich.«
»Doch nicht, weil Petra und Marianne uns gefilmt haben? Deine Tochter fand’s lustig.«
Emma hatte auf das Video hin eine Reihe tränenlachender Emojis geschickt.
»Nein, ich komme mir dabei albern vor. Aber wo ich dich gerade dran habe: Hast du Federico in letzter Zeit mal gesehen? Irgendwas schwimmt da im Pool, es könnte seine Luftmatratze sein.«
»Schon seit zwei, drei Tagen nicht mehr. Dieser Rumtreiber.«
Damit war der Sohn von Lucía, der Eigentümerin der Anlage, treffend beschrieben. Der Neunundzwanzigjährige lebte in einem Bungalow in der unteren Reihe, dem größten in der ganzen Anlage.
»Der kann froh sein, dass seine Mutter so nachgiebig mit ihm ist«, sagte Andreas. »Der würde sich umgucken, wenn er mein Sohn wäre.«
»Er arbeitet doch dafür.«
»Das nennst du Arbeit? Drei Mal die Woche ein paar Stunden an der Rezeption sitzen? Und dabei mehr auf dem Handy daddeln als sonst was? Ganz zu schweigen von den Partys.«
Ich schmunzelte, denn ausgerechnet bei diesem Thema saß unser Bademeister nicht nur im Glashaus, sondern in einem Kristallpalast.
»Ich schaue gleich mal bei Petra vorbei«, sagte ich. »Vielleicht weiß sie, wo er steckt.«
»Alles klar. Richte ihr aus, dass ich ihr die Ohren lang ziehe, wenn sie noch mal …«, Andreas legte eine Kunstpause ein, »… aus Versehen das Spielbrett runterwirft.«
»Sag ich ihr. Ich hole dich nachher zum Schwimmen ab.«
»Lass dir ruhig Zeit, amigo. Ich schiele immer noch wie ein Chamäleon …«
Ich legte auf und ging über den Privatweg zurück in die Anlage.
Wie sich Petra wohl fühlte? Von den anderen beiden wusste ich, dass unsere Feier sie – genauso wie mich – aus der Bahn geworfen hatte. Aber vielleicht hatte das die Meisterdetektivin ja besser verkraftet als wir? Vorstellen konnte ich es mir allerdings nicht.
Ihr Bungalow lag in der oberen Reihe, nicht weit vom Staketentor am Eingang entfernt. Der Weg dahin führte am Pool vorbei. Erneut linste ich kurz aufs Wasser, die Schwimmnudeln dümpelten als bunter Farbenmix um Federicos Luftmatratze herum.
Moment mal! Waren das nicht …
Ich kniff die Augen zusammen, und da sah ich es. Füße, Beine, ein Oberkörper. Abgespreizte Arme. Ein Kopf, das Gesicht nach unten gedreht. Sich in den Wellen sanft wiegende Haare. Das war überhaupt keine Luftmatratze! Was zum …
Ich pfiff so laut, wie ich konnte. »Hey, Leute!«, schrie ich. »Kommt sofort her! Hier liegt jemand im Pool!«
Ich sprang ins Wasser, schwamm zu der Person hin und drehte sie in Rücklage. Der Mann war tot, das sah ich auf den ersten Blick. Sein Gesicht war durch das Wasser aufgedunsen. Ein Metallstück stak am unteren Ende des Brustbeins aus seinem Torso.
Die anderen kamen am Pool an. Sie stellten sich an den Beckenrand, hielten sich mit kreidebleichen Gesichtern am Geländer fest, das den Pool umschloss, und starrten aufs Wasser.
»Ruf die Polizei«, trug ich Andreas auf. »Sag Ihnen, wir haben es wahrscheinlich mit einem Mord zu tun.«
»Mein Handy liegt im Bungalow.« Er rannte los.
»Mord?« Petra schluckte.
»Er hat sich dieses Metallstück wahrscheinlich nicht selbst in die Brust gerammt.«
Marianne wischte sich über die Stirn. »Ich glaube, mir wird schlecht.«
»Vielleicht setzt du dich besser«.
Als Kommissar hatte ich zwar schon Schlimmeres gesehen, aber der Anblick des Toten war weiß Gott nicht schön.
Andreas kam zurückgerannt. »Sie kommen gleich«, rief er.
Ich schwamm an den Rand und stieg aus dem Wasser. »Dein Handy, bitte«, sagte ich bestimmend. Automatisch hatte ich das Gefühl, wieder wie früher der leitende Ermittler zu sein. Ich war der Einzige von uns mit Erfahrung, wenn es um Mord ging, und irgendjemand musste nun mal das Kommando übernehmen. Macht der Gewohnheit.
Andreas gab mir das Handy. Ich ging in die Hocke und fing an, Fotos zu schießen.
»Darf man … Ich meine, ist das erlaubt?«, fragte er.
»Sie könnten wichtig sein, um unsere Aussagen zu bestätigen«, antwortete ich.
»Du meinst, die Polizei könnte denken, dass wir …«
»Bei Cluedo würde ich uns auf jeden Fall verdächtigen.« Petra hatte nun auch ihre Sprache wiedergefunden. »Immerhin wohnt außer uns niemand hier. Na ja, außer Federico.« Sie sah sich um. »Wo ist der eigentlich?«
Andreas zuckte mit den Schultern. »Dasselbe haben Markus und ich uns auch gefragt.«
»Man könnte meinen, du hättest das mit den Fotos schon mal gemacht«, sagte Marianne zu mir. Ich tat so, als hätte ich nichts gehört und lichtete weiter den Toten ab.
»Ach herrje«, sagte Petra da. »Was ist, wenn sich der Mörder noch irgendwo hier rumtreibt?«
Sie hatte recht, es war nicht auszuschließen, dass der Täter sich weiterhin in der Anlage aufhielt. Zwar flohen die meisten so schnell wie möglich vom Tatort, weshalb ich es für nahezu ausgeschlossen hielt, aber mit Sicherheit wussten wir es nicht.
»Ich hab den grünen Gürtel in Karate«, verkündete Marianne ernst.
»Und du kannst schnell rennen«, ergänzte Petra.
»Dafür weiß ich, wie man jemanden wiederbelebt«, erklärte Andreas.
Ich sah zu ihnen auf und sagte: »Ich schlage vor, wir halten die Füße still und warten auf die Polizei.«
Wenig später entstand in unserem Zuhause ein Tohuwabohu. Die Policía Nacional kam mit einem Rechtsmediziner im Schlepptau aus der Comisaría in Playa del Inglés angerauscht, und auch die Policía Canaria, die eigens für die Kanarischen Inseln gegründete Einheit, rückte mit an. Während einige Beamte die Anlage durchsuchten, sperrten andere sie ab und postierten eine Stellwand als Sichtschutz neben der Leiche, die inzwischen aus dem Wasser geborgen worden war.
Die Leute der Spurensicherung wirbelten um uns herum. Erst jetzt fiel mir die Blutspur auf, die sich vom Parkplatz durch das Staketentor bis zum Pool zog. Ob die Beamten noch weitere Indizien finden würden? Es fühlte sich seltsam an, als nicht ermittelnde Person an einem Tatort zu sein. Da hatte ich den Dienst quittiert und wurde die Todesfälle trotzdem nicht los.
Ein Mann in einem anthrazitfarbenen Anzug kam mit steif wirkenden Bewegungen zu uns herüber. Aus der Brusttasche seines Jacketts lugte der Zipfel eines geblümten Einstecktuchs.
»Señoras, Señores«, sagte er und nickte uns flüchtig zu. »Inspector Álvaro Díaz, Policía Nacional. A sus órdenes.« Er stellte sich also zu unseren Diensten.
Er musterte mich von oben bis unten. Währenddessen strich er mit zwei Fingern über seinen Bart, der aussah, als könne er sich nicht entscheiden, ob er noch Schnauzer oder schon Hufeisen sein wollte.
»Du tropfst wie ein Eis in der Sonne«, sagte Andreas und zeigte auf die Pfütze, die sich unter mir gebildet hatte. Ich war klitschnass.
»Sie sind also in den Pool gesprungen?«, fragte der Inspector und sah zu mir hoch. Er war nicht besonders groß gewachsen, selbst für einen Spanier nicht. Mir fiel direkt auf, dass er nicht wie ein Kanare klang. Seinen Akzent wusste ich allerdings nicht zuzuordnen.
»Sí, Señor«, erwiderte ich.
»Wie genau haben Sie die Leiche entdeckt?«
»Ich war nach dem Frühstück kurz unten am Strand. Als ich zurückkam, fiel mir etwas im Wasser auf. Ich dachte erst, es wäre nur eine Luftmatratze, aber da lag ich leider falsch.«
Díaz nickte, und die große Tolle, die vor seiner Stirn baumelte, wippte leicht. Zusammen mit den langen Koteletten hätte er ein gutes Elvis-Presley-Double abgegeben. Ein ausgefallener Look für einen Kriminalbeamten, dachte ich.
»Wie heißen Sie?«, fragte er.
»Fischer, Markus.«
»Sie sind Deutscher?«
»Sí, alemán. Wie die anderen auch.«
»Sie machen Urlaub auf der Insel?«
»Nein, ich wohne hier.« Ich zeigte auf meinen Bungalow. Von dort, wo wir standen, waren nur die Hausnummer und die Terrassentür zu sehen.
Der Inspector notierte meine Antworten in einem kleinen Buch, auf dem ein Sticker klebte: waagerechte Streifen in Gelb und Rot, die mich an die katalanische Flagge erinnerten, und in der oberen linken Ecke ein blaues Feld mit einer Burg mit fünf Türmen. Wofür dieser Sticker wohl stand?
»Sie sprechen sehr gut Spanisch«, sagte Díaz, zum größten Teil Feststellung und ein bisschen Frage.
»Ich bin vor sechs Monaten hergezogen. Aber ich habe schon in Deutschland angefangen, die Sprache zu lernen. Meine Tochter studiert Spanisch, sie unterrichtet mich manchmal per Videocall.«
Díaz hielt auch diese Info fest und anschließend die Namen meiner Freunde. Von ihnen lebte ich die kürzeste Zeit auf der Insel. Danach kam Petra, knapp zwei Jahre, und dann Andreas und Marianne, die in etwa zeitgleich schon vor fünf Jahren Deutschland den Rücken gekehrt hatten.
»Hat jemand von Ihnen den Mann erkannt?«, fragte Díaz nun in die Runde.
Wir verneinten. Allerdings fiel mir auf, dass Petra sich bei ihrer Antwort an die Nase fasste. Ein körpersprachlicher Beleg für eine Lüge, wie ich von Berufs wegen wusste.
Der Inspector sah auf seine Uhr. Er legte die Stirn in Falten und tippte sich mit dem Kugelschreiber an die Lippen.
»Es ist gleich Mittag. Frühstücken Sie immer so spät, Señor Fischer?«
»Das war eine Ausnahme«, antwortete ich.
»Wir haben gestern gefeiert«, erklärte Andreas. Er legte einen Arm um mich und informierte den Inspector über den Grund für unsere Privatparty.
»In dieser Bar bin ich früher auch ab und zu gewesen«, sagte Díaz. »Ich meine, bevor … Sie wissen schon.«
Ich nickte. Die Bar war vor Jahren von den Behörden geschlossen worden. Über die Gründe hatte man im Ort heftig spekuliert. Die Schließung hatte die Fantasie der Menschen angeregt, denn von einer gewöhnlichen Insolvenz bis hin zu nicht gezahlten Schutzgeldern war alles behauptet worden. Die gefürchtete kanarische Mafia, wer kannte sie nicht.
»Und Sie bauen sie wieder auf?«
»Ja. Allerdings gibt es noch keinen Termin für die …«
»Wir unterstützen ihn«, grätschte mir Andreas ins Wort. »Sie sind selbstverständlich zur Eröffnung eingeladen, Inspector.«
Das entlockte ihm ein erstes verhaltenes Lächeln.
»Kommen wir zurück zur Sache. Sie haben also gefeiert. Bis wie viel Uhr?«
Andreas und ich sahen uns ratlos an. Auch Marianne zuckte mit den Schultern, während Petra mit verschränkten Armen dastand und schwieg. Offenbar hatte keiner von uns auf die Uhr geschaut.
»Können Sie herausfinden, wann die Müllabfuhr in unserer Straße gewesen ist?«, fragte Petra plötzlich.
»Claro que sí, selbstverständlich. Warum?«
»Weil ich sie gehört habe, kurz nachdem ich in meinen Bungalow zurückgegangen bin.«
Ich schaute Díaz über die Schulter. Er schrieb recogida de basura, Abfallentsorgung, und setzte dahinter ein Fragezeichen. Danach begutachtete er den Verlauf des Weges durch die Anlage.
»Wo genau wohnen Sie, Señora?«
Petra zeigte zu ihrer Terrasse hinüber. Der Inspector schaute lange hin, als ob ihm irgendetwas durch den Kopf ginge. Dann wandte er sich uns wieder zu und deutete mit dem Kuli zur anderen Seite des Pools.
»Wohnt jemand in diesen Bungalows dort?«
»Federico. Er ist der Sohn der Eigentümerin der Anlage«, antwortete ich. »Sie heißt Lucía Castillo. Wir wollten sie gleich anrufen.«
»Wir haben die Señora bereits kontaktiert.« Díaz zählte die Gebäude durch. »Dort könnten noch vier weitere Parteien wohnen.«
»Die Häuser werden gerade renoviert.« Ich wies ihn auf die Baumaterialien und Werkzeuge hin, die auf einer gepflasterten Fläche lagerten, hinter Sträuchern versteckt. »Deshalb wohnen im Moment nur Federico und wir hier.«
»Wissen Sie, wo er gestern Nacht gewesen ist?«
»Ehrlich gesagt, habe ich ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
»Da kommt er ja«, rief Andreas und zeigte zum Eingang hinüber. »Gleich können Sie ihn selbst fragen.«
Tatsächlich: Inmitten einer Traube Schaulustiger stand unser Mitbewohner hinter der Absperrung und unterhielt sich gestikulierend mit zwei Polizisten.
»Hablando del Rey de Roma por la puerta asoma«, murmelte der Inspector, die spanische Version von »Wenn man vom Teufel spricht«.
Die Beamten ließen Federico passieren. Groß und schlaksig, wie er war, kroch er unter dem Absperrband hindurch, kam auf uns zu, bis er an der Stellwand vorbeischauen konnte – und blieb abrupt stehen. Sein Blick schoss zwischen der Leiche und uns hin und her.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Federico drehte sich um und rannte, wie von der Tarantel gestochen, los. Er sprang über das Band, blieb hängen und stürzte der Nase lang auf den Asphalt.
Díaz riss die Augen auf. »¡Quédese!«, brüllte er ihm hinterher. Stehen bleiben! Dann rief er seinen Kollegen zu: »Haltet ihn fest!«
Federico rappelte sich in Windeseile auf und flüchtete weiter. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten? Und warum war ich heute Morgen nicht einfach liegen geblieben und hatte mir diesen Trubel erspart? In den Augen meiner Freunde las ich, dass sie sich dasselbe fragten.
Marianne sprintete aus dem Stand los, wurde jedoch von den Beamten am Staketentor aufgehalten. Während wir uns über ihre Blitzreaktion die Augen rieben, stand sie, die Hände in die Hüften gestemmt, am Eingang zur Bungalowanlage und beobachtete die Flucht von Federico.
Wenig später kam sie kopfschüttelnd zu uns zurück.
»Was ist passiert?«, fragte Petra.
»Er ist auf dem Parkplatz noch mal hingefallen. Aber er hat sich schnell wieder aufgerappelt und ist weitergelaufen. Die Polizisten waren ihm dicht auf den Fersen.«
»Ja, wir haben sie brüllen hören«, sagte ich. »Wohin ist er geflüchtet? Richtung Playa del Pirata?«
»Nein, die Straße hoch zur Kreuzung. Für einen Moment habe ich sogar gedacht, er könnte ihnen entkommen. Aber dann …« Marianne kratzte sich am Kopf. »Hat er im falschen Moment über die Schulter geguckt, ist frontal gegen eine Autotür gerannt, und das war’s. Er sitzt mit Handfesseln im Streifenwagen.«
»Wäre er ab und zu mal mit dir laufen gegangen«, sagte Andreas. Sein bedauernder Unterton legte nahe, dass er sich für Federico eine erfolgreiche Flucht gewünscht hätte.
Marianne rieb sich mit dem Daumen über das Kinn. »Er ist stiften gegangen, als er die Leiche gesehen hat. Hoffentlich hat er nichts damit zu tun.«
Petra schluckte und wischte sich übers Gesicht. »Die arme Lucía«, murmelte sie.
Wir sahen zu, wie Díaz, der ebenfalls zum Eingang gesprintet war, schnaufend seinen Rücken durchstreckte, Jackett und Hemd richtete, und dann zu uns zurückkam.
»Was passiert jetzt mit ihm?«, fragte Andreas.
»Er wird zur Vernehmung in die Comisaría gebracht.«
Ich reichte dem Inspector das Büchlein, das er fallen gelassen hatte. Er nahm es mit einer angedeuteten Verbeugung entgegen.
»Was können Sie mir über diesen Kerl erzählen?«
Schweigen. Andreas kratzte sich am Kopf, Petra sah zu Boden, und Marianne verschränkte die Arme. Keiner traute sich, etwas über Federico zu berichten. Es sah nicht gut aus für unseren Mitbewohner.
»Sie wollen doch nicht behaupten, dass keiner von Ihnen etwas über ihn weiß? Ich muss Sie hoffentlich nicht erinnern, dass das eine kriminalpolizeiliche Ermittlung ist?«
Wieder Stille.
»Markus hat Fotos gemacht«, sagte Andreas. »Die können Ihnen vielleicht helfen.«
Díaz beäugte mich mit kritischem Blick. »Erstaunlich, dass Sie in einem solchen Moment daran gedacht haben, Fotos zu schießen.« Hinter den Fragezeichen auf seiner Stirn schien es zu arbeiten. Ich befürchtete, dass der Groschen bald fallen würde.
»Sie können mein Handy mitnehmen«, sagte Andreas, was den Inspector von mir ablenkte. »Da sind die Bilder drauf. Lassen Sie mich nur vorher die SIM-Karte rausnehmen. Ich muss für meinen Arbeitgeber erreichbar bleiben.«
Díaz nahm das Gerät dankend entgegen und steckte es in eine Plastiktüte.
Wenig später saßen Andreas, Marianne, Petra und ich am Tisch auf meiner Terrasse. Wir hatten zugesehen, wie die Spurensicherung sämtliche Bungalows durchsucht hatte, und danach war der von Federico verriegelt sowie der Pool abgesperrt worden.
»Und wo machen wir jetzt unsere Wassergymnastik?«, fragte Andreas.
Marianne runzelte die Stirn. »Wie wäre es mit dem winzigen Salzwasserpool direkt vor eurer Nase?«
»Das sieht bestimmt zum Schreien aus.« Petra gluckste. »Ihr zwei mit den Schwimmnudeln im Meer!«
»Damit ihr uns wieder filmen könnt? Das hättet ihr wohl gerne.« Andreas verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich mit gespreizten Beinen zurück. »Was sagst du dazu, Markus?«
»Mich beschäftigen ehrlicherweise andere Fragen. Wer da tot in unserem Pool lag, zum Beispiel.«
Damit zog ich der überraschend gelösten Stimmung den Stecker. Meine Freunde sahen mich an, als wäre ihnen die Tragweite der Ereignisse erst jetzt bewusst geworden. Der Schock, vermutete ich.
Plötzlich kam mir Petras Reaktion in den Sinn, als sie sich an die Nase gefasst hatte. Dem Inspector war sie entgangen, mir jedoch nicht.
»Du weißt, wer der Tote ist, oder?«, fragte ich.
Die anderen beiden schossen zu ihr herum.
»Wie, was? Ich verstehe nicht«, sagte Andreas. »Stimmt das?«
Petra sah betreten zu Boden. Eine Zeit lang nestelte sie mit den Händen. Bis sie anfing, zaghaft zu nicken.
»Warum hast du nichts gesagt?«, fragte Marianne.
»Ich bin mir nicht sicher, ob er es ist. Aber ich glaube, ich kenne ihn aus dem Fernsehen. Ist er euch nicht bekannt vorgekommen?«
Wir schüttelten unisono den Kopf.
»Woher auch?«, fragte Marianne. »Eigentlich bist du die Einzige von uns, die Fernsehen guckt.«