INTERESSANTE KURZGESCHICHTEN - Georg Papke - E-Book

INTERESSANTE KURZGESCHICHTEN E-Book

Georg Papke

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Beschreibung

Interessante Kurzgeschichten für den, der nicht gerne lange liest.

Das E-Book INTERESSANTE KURZGESCHICHTEN wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
interessant,kurz,lehrreich,begeisternd,aus dem Leben

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Seitenzahl: 249

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Als Bauernsohn in Hinterpommern geboren, 1945 vertrieben, nach Schreinerberuf Architektur studiert, bin ich viel gereist, habe viel gesehen und erlebt.

Nun, mit über 90 Jahren fällt es mir schwer selbst überall dabei zu sein.

Aber das Schreiben und Lesen funktioniert noch. Auch verfolge ich aufmerksam das Tagesgeschehen auf der Welt.

Dabei sind mir viele Dinge begegnet und aufgefallen, die wissenswert sind.

Ich hoffe, dass in dieser kleinen Auswahl für Jeden - der gerne liest - etwas dabei ist.

Gliederung:

1.00 LUSTIGES

1.01 Die Fitnesstrainerin

1.02 Bekanntschaft

1.03 Am Baggersee

1.04 Es sollte nicht sein

1.05 Die Zugfahrt

1.06 Das neue Smartphone

1.07 Reifenpanne

1.08 Abendspaziergang

1.09 Opa erzählt

1.10 Verwechselung

1.11 Die Nachbarin

1.12 Der Kurschatten

2.00 ERNSTES

2.01 Einquartierung

2.02 Militär. Ausbildung

2.03 Klimawendel

2.04 Achtsamkeit

2.05 Querdenken

2.06 Loslassen

2.07 Fasten

2.08 Zwei Seiten des Lebens

2.09 Alterskriminalität

2.10 Glücklich sein

2.11 Rettungsgasse

2.12 Berufswechsel

2.13 Kreisverkehr

2.14 Mir warmer Hand geben

2.15 Aufbrechen

2.16 Früher an später denken

2.17 Freiheit in der DDR

2.18 Hoffnung

2.19 Ist der Mensch sozial?

2.20 Kinder und Elternhaus

2.21 Face News

2.22 Aus dem Takt

2.23 Freiwilligendienste

2.24 Die Fahrschule

2.25 Der Tod

2.26 Organspende

2.27 Gewalt gegen Frauen

2.28 Strandgut

2.29 Ehrenamt

2.30 Xenophobie

2.31 Unser Gleichgewicht

2.32 Unser Bildungssystem

2.33 Netanjahus Zynismus

2.34 Gesinnungswandel

2.35 Narzissmus

3.00 WISSENSWERTES

3.01 Sprachroboter

3.02 Ein Fußabdruck

3.03 Treppen

3.04 Freizeitverhalten

3.05 Rätselhaftes Bauchgefühl

3.06 Schneegestöber

3.07 Die Eiche

3.08 Rentensysteme

3.09 Palmblattbibliotheken

3.10 Schwarm-Intelligenz

3.11 Blühende Wüsten

3.12 Frauenfußball

3.13 Knigge für Touristen

3.14 Einkaufssucht

3.15 Das Interview

3.16 Der Welterschöpfungstag

3.17 Unser Nervensystem

3.18 Lebenszufriedenheit

3.19 Weltschmerz

3.20 Freitag der Dreizehnten

3.21 Warum?

3.22 Einsamkeit

3.23 Apitherapie

3.24 Aufeinander zu gehen

3.25 Traumberuf

3.26 Muss es immer neu sein?

3.27 Arbeitszeitmodelle

3.28 Die REHA

3.29 Ein REHA-Traum

3.30 Chat GPT

3.31 DNA-Probe

3.32 Medikamentenmissbrauch

3.33 Jugendmedienschutz

3.34 Ossi - Wessi

3.35 E-Auto-Mythos

3.36 Cyberkriminalität

3.37 Radfahren im Alter

3.38 Bewegung im Alter

3.39 Hausarzt-Prinzip

3.40 Weltlage

3.41 Fairer Welthandel

3.42 KI als cleveres Multitool

1.00 LUSTIGES

1.01 Die Fitnesstrainerin

Eigentlich hasste ich Fitnessstudios. Als mir ein Arzt aber eine Therapie verschrieben hatte, die nur in einem Fitnessstudio durchgeführt werden konnte, musste ich notgedrungen doch dort hin. Ich ließ alles über mich ergehen, obwohl es auf mich keinen besonderen Eindruck machte. Die Leute, die dort auftauchten hatte meiner Meinung nach alle einen an der Waffel. Sie nahmen Anabolika und strebten nur nach hohen Ergebnissen und dicken Muskeln. Sie achteten nicht auf ihren Körper und auf ihr Wohlergehen. Sir verhielten sich wie Hamster in einem Rad.

Ich hatte bisher immer genug Möglichkeiten gehabt, um mich fit zu halten. Dazu hatte ganz besonders meine Tochter beigetragen, mit der ich viele Sportarten kennen lernte und auch betrieb. Doch nun war sie ausgeflogen und meine Frau war zu keiner sportlichen Tätigkeit zu bewegen.

Da lief ich eines Tages einem ehemaligen Studienkollegen über den Weg. Uns hatte in früheren Zeiten das Volleyball spielen zusammen gebracht. Wir saßen bei einem Glas Bier und ließen alte Zeiten Revue passieren. Automatisch kamen war natürlich auf den Sport zu sprechen. Und er fragte, was für einen Sport ich denn jetzt treiben würde. Erschreckt stellte ich selbst fest, dass ich darauf gar keine Antwort geben konnte. Und da meinte er, dass ich unbedingt mit ihm in ein nahes Studio gehen müsste, damit ich nicht versaure.

Tatsächlich ließ ich mich überreden, mit ihm zum Schnuppern in die nächste Stunde zu gehen. Wenigstens hatte ich noch Sportkleidung und Schuhe, mit dem ich dort auftreten konnte.

Zwar merkte ich schon beim ersten Mal, dass meine Ausrüstung nicht mehr ganz modern war, aber es ging gerade noch. Im Gegenteil, manche meinten, dass ich sicher schon sehr lange Sport treiben würde. Aber meine Sachen seien doch noch ganz gut gehalten. Ich hatte sie ja auch recht geschont, antwortete ich dann darauf!

Es stellte sich aber schnell heraus, dass ich wohl mit ziemlicher Sicherheit der Älteste in diesem Kreis war. Um nicht negativ aufzufallen, bemühte ich mich immer gut mitzuhalten. Offensichtlich merkte niemand, dass ich diese Kleider wirklich lange nicht mehr angehabt hatte. Allerdings hatte unsere nette Trainerin, sie hieß Anette, ein gutes Auge. Sie war übrigens eine ganz besondere Schönheit. Braun gebrannt und gut durchtrainiert. Sie machte jede Übung mühelos erst mal vor. Klar war auch, dass sie besonders von den Männern verehrt und umgarnt wurde, woraus sie sich aber anscheinend gar nichts machte. Im Gegenteil, sie ließ sie regelrecht gegen eine Wand laufen, egal ob sie es mit Einladungen, Verabredungen oder mit kleinen Geschenken versuchten. Manche blieben sogar extra lange in der Halle, um mit ihr alleine zu sein. Aber es half alles nicht, alle wurden abgewiesen. Übrigens war das warme Wasser in den Duschen abgestellt, um Energie zu sparen. Und dadurch schafften es nicht mal die Mutigsten, kalt zu duschen.

Einmal war ich der letzte in der Halle, weil ich mir mein rechtes Knie bandagieren musste, es schmerzte mal wieder. Da stand Anette plötzlich vor mir und sah nach mir. Sie fragte, ob ich ein Problem hätte, was ich aber herunter spielte. Es sei nur mein Knie, das nicht mehr so richtig mitmachen wolle. Darauf setzte sie sich zu mir auf die Bank und wir unterhielten uns. Ich war total überrascht, wie sie auf einem mal ganz anders sein konnte. Jedenfalls fragte sie mich am Ende, ob ich warm duschen wolle, denn die Personaldusche funktionierte noch ganz normal. Ohne meine Antwort abzuwarten griff sie meine Sachen, um mir zu helfen umzuziehen.

Sie legte meine Sachen ab und begann sich auszuziehen. Dazu meinte sie, dass wir gemeinsam duschen könnten, denn es war genug Platz zwischen den Duschen.

Ich war total überrascht! Ich fasste mich ganz schnell wieder und zog mich auch aus. Schließlich war ich ja Jahre langes FKK-Leben mit der Familie am Strand und auf dem Campingplatz gewohnt. Etwa zugleich gingen wir in die geräumige Dusche. Als ich sie so vor mir gehen sah, musste ich feststellen, dass sie eine wunderbare Figur hatte. Und dazu ihr langer, fast schwarzer Pferdeschwanz, den sie sich im Gehen oben zu einem Knoten band. In der Dusche legte sie das Handtuch ab und stellte die Temperatur ein. Rücken an Rücken stellten wir uns nun unter die warme Dusche. Das war sehr angenehm und es kam mir vor, wie eine Ewigkeit. Dabei fragte sie bereits nach ein paar Momenten, ob ich ihr den Rücken waschen könnte, der hätte es verdient. Ich tat, was sie von mir gefordert hatte. Danach wusch auch sie mir meinen Rücken unaufgefordert. Doch was danach kam überraschte mich total!!!

Sie nahm plötzlich ihre tolle Perücke vom Kopf und duschte sich den Schaum ab. Tatsächlich war sie völlig kahl auf dem Kopf, auch fehlten Ihre Augenbrauen und ihr Schamhaar, was ich vorher nur flüchtig betrachtet, als rasiert angesehen hatte.

Ganz verlegen sahen wir uns nun beide an, ohne uns zu regen oder etwas zu sagen. Dann nahm ich sie in den Arm und drückte sie ganz lange an meinen Körper. Erst dann fragte ich sie, ob ich etwas für sie tun könne. Sie löste sich ein wenig von mir und sah mich an. Ja, sagte sie, denn sie sei die ganze Zeit am Überlegen, wie sie der Sportgruppe ihre wirkliche Lage verständlich machen könnte. Sie würde diesen Zustand jedenfalls nicht mehr lange ertragen können.

Nun war der Knoten endlich geplatzt. Nachdem wir ausgiebig geduscht hatten gingen wir in die Umkleide, um uns abzutrocknen und anzuziehen. Dabei konnten wir uns dann ganz entspannt unterhalten. Sie erzählte mir nun ihre ganze Leidensgeschichte und schilderte mir ihren momentanen Zustand.

Leider musste ihre beste Freundin, mit der sie zusammen wohnte, vor ein paar Wochen überraschend aus beruflichen Gründen nach Hamburg ziehen. Sie kam zwar ab und zu an Wochenenden vorbei aber eben nur, wenn es ihr Job erlaubte. Somit war sie nun sozusagen ganz auf sich alleine gestellt. Nun fragte sie mich unumwunden, ob ich sie ein wenig durch die schwierige Zeit begleiten könnte und wollte. Zeit hatte ich und hilfsbereit war ich schon immer gewesen, also sagte ich spontan zu.

Bevor wir jeder in seine Richtung nach Hause fuhren tauschten wir selbstverständlich unsere Telefonnummern aus. Ich bat sie sich unbedingt zu melden, wenn sie irgendwie Hilfe brauchen würde. Das versprach sie mir. So verabschiedeten wir uns mit einer langen Umarmung und fuhren nach Hause.

Noch lange lag ich an diesem Abend wach und überdachte das Erlebte. Es hatte mich ganz schön beeindruckt! Mehrmals überlegte ich anzurufen, verkniff es mir aber doch, denn es war inzwischen doch schon recht spät. Aber morgen würde ich mich bei ihr melden, denn es war Wochenende und somit arbeitsfrei.

So gegen 11 Uhr griff ich zum Telefon und rief die neue Nummer zum ersten mal an. Sehr schnell wurde abgenommen und Anette fragte sofort, wie es mir ginge. Aha, sie hatte meine Nummer bereits in ihrem Gedächtnis abgespeichert. Da war sie sogar mir einen Schritt voraus. Ich sagte, dass ich gut geschlafen hätte und es mir gut ginge. Aber wie geht es Dir heute, wollte ich nun wissen. Sie versuchte meiner Frage auszuweichen. Also fragte ich nochmals, wie sie denn geschlafen habe. Als sie merkte, dass sie mich nicht abwimmeln konnte rückte sie dann so langsam mit der Sprache heraus. Es ginge ihr heute nicht so gut. Anscheinend läge es am Wetter, denn es hatte in der Nacht begonnen zu regnen. Ich ließ die Ausrede gelten, denn ich kannte sie ja noch nicht gut genug. Dann wechselte ich das Thema. Ich sei gerade dabei zum Einkaufen zu fahren. Ob sie etwas brauchen würde. Ja, meinte sie, sie müsste tatsächlich noch eine Kleinigkeit einkaufen, war aber bisher noch zu träge dazu gewesen. Sie bräuchte frisches dunkles Brot, 6 Eier und zwei Tüten haltbare Milch, aber nur 1,5 % Fett. Ist klar sagte ich, ich bringe Dir mit, was u brauchst. Und damit legte ich auf. Doch in dem Moment fiel mir ein, dass ich ja gar nicht wusste, wo sie wohne. Also rief ich nochmals an. Sie lachte aus vollem Hals. Stimmt, meine Adresse müsstest Du natürlich schon haben, wenn Du das Eingekaufte bei mir abliefern möchtest.

Mein Einkauf war schnell erledigt. Im vorbei gehen nahm ich noch einen bunten Blumenstrauß vom Laden auf der Ecke mit. Da es nun aber bereits Mittagszeit war fuhr ich zuerst nach Hause, um etwas zu essen. Ich hatte gestern doppelt gekocht, so dass heute noch eine gute Portion nur auf zu wärmen war. Es gab mein Lieblingsessen, Frikadellen, Gemüse und Salzkartoffeln. Nur die Kartoffeln hätte ich heute frisch kochen sollen, die schmecken aufgewärmt einfach nicht.

Nach dem Mittag suchte ich dann die angegebene Adresse auf und klingelte. Sie begrüßte mich genau so freundlich mit Küsschen auf die Wange, wie sie mich gestern verabschiedet hatte. Sie war auch inzwischen genau so gut drauf. Hatte sich besonders hübsch angezogen, stellte ich fest. Und natürlich hatte sie die Perücke von gestern auch wieder exakt auf, so dass ein Fremder gar nichts vermuten konnte. Sie verstaute das Eingekaufte und lud mich ein zum Kaffee. Der Tisch war im Esszimmer bereits gedeckt. Auch frischen Kuchen hatte sie auf dem Tisch denn sie sagte, dass sie sehr gerne backen würde.

Nun saßen wir gemütlich schon beim zweiten Kaffee als sie meinte, dass sie mir nun doch etwas mehr ihres Schicksals erzählen müsste. Ich empfand das als eine besondere Ehre, denn ich hatte das Gefühl, dass sie momentan zu niemand ein vertrauteres Verhältnis hatte.

Es war vor einem Jahr, sie war gerade von einer langen Auslandsreise durch Indien zurück. Da bekam sie Schmerzen im linken Bauchbereich. Schnell diagnostizierte der Arzt, dass es die Nieren sein könnten und gab mir Medikamente. Aber die Schmerzen gingen nicht weg, im Gegenteil, sie wurden von Tag zu Tag größer. Bei genauer Untersuchung wurde dann festgestellt, dass ich Krebs habe. Eine sofortige OP sei angebracht, damit keine Metastasen entstehen könnten. Es blieb mir nichts anderes übrig, als dem zuzustimmen, um Schlimmeres zu vermeiden, meinte sie. Der Arzt beruhigte sie und meinte, dass ihre rechte Niere so kraftvoll sei, dass sie wahrscheinlich mit einer gut zurecht kommen würde. So landete sie fast vom Flieger auf dem OP-Tisch! Schon ein komisches Gefühl. Vorher frei und völlig unabhängig und nun plötzlich ein Kranker zu sein!

Sie ließ alles Notwendige über sich ergehen. Ihr größtes Problem war aber, dass sie hier ganz alleine war. Ihre Eltern waren schon vor ein paar Jahren beide gestorben. Und ihre einzige Schwester war weit weg, zur Zeit beruflich in Südamerika. Und ihre Freundin musste nach Hamburg umziehen. Aber da musste sie nun durch.

Ihr Zustand war alles andere als prächtig. Denn nach einer notwendigen Bestrahlung war sie anscheinend wieder krebsfrei, aber ohne Haare, eben absolut unansehnlich. Wenigstens bekam sie von der Kasse eine Perücke spendiert, zu der sie noch etwas drauf legte und so diese neuen Haare bekam. Wenigsten konnte sie sich nun wieder selbst einigermaßen leiden. Das war schon mal ganz wichtig für ihr Selbstwertgefühl. Auch in ihre gelernte Arbeit fand sie wieder zurück. Aber mit einer Perücke ist das Leben plötzlich doch ganz anders. Mehrmals machte sie den Versuch sich zu outen, aber das ging jedes Mal richtig schief. Sie hatte wohl immer auf die falschen Menschen gesetzt.

Jetzt verstand ich ihre Lage so einigermaßen. Und ich antwortete am Ende, dass sie nun mich auserkoren hätte. Unumwunden gab sie zu, dass ich ihr am Vertrauenswürdigsten von allen vor kam und deshalb sie einfach den Versuch gemacht hätte.

Ich stand auf, ging zu ihr auf die Couch und nahm sie erneut ganz lange in den Arm. Dann sagte ich zu ihr, dass ich versprechen würde in jeder Situation ihr zur Seite zu stehen. Egal, was passieren sollte. Das beruhigte sie sichtlich. Denn bisher war sie ja nicht sicher, wie ich reagieren würde, nachdem ich die volle Wahrheit erfahren würde.

Wir besprachen nun, welche Verpflichtungen sie habe und wobei ich sie unbedingt unterstützen müsste. Ja, nächste Woche Mittwoch stände wieder eine gründliche Untersuchung an. Ob ich sie da ins Krankenhaus begleiten könnte. Ich versprach ihr, sie hin zu fahren und bei ihr zu bleiben. Danach war sie wieder fast die Alte, freundlich und gut gelaunt. Das beruhigte mich.

Noch lange saßen wir eng umschlungen beieinander, es wurde bereits dunkel. Ganz unvermittelt meinte sie, wenn ich zu Hause keine Verpflichtungen hätte, könnte ich auch hier bleiben. Ich nahm ihre Einladung an, war ich doch auch gespannt, wie sich unser neues Verhältnis so bewähren würde. Eigenartig war es schon. Aber es war sehr herzlich und das stimmte mich froh. Nachdem wir Abendbrot gegessen hatten, zeigte sie mir ihre Wohnung. Sie bewohnte eine 3 ein halb Zimmer-Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus. Angeblich mit recht netten Nachbarn, aber zu keinem hatte so richtigen Kontakt. Vielleicht würde sich das nun ändern, meinte sie. Worauf hoffte sie? Meinte sie, dass ich dazu beitragen könnte? Jedenfalls hatte sie ein großes Wohnzimmer und ein kleines Gästezimmer. Im Gästezimmer könnte ich mich einrichten. Wenn ich etwas bräuchte müsste ich mich nur melden, sicher hätte sie alles was mir fehlen könne. So gegen 22 Uhr gingen wir gemeinsam ins Bad, sie nahm ihre Perücke ab, wir duschten und gingen jeder in sein Bett. Sie hatte mir einen ihrer Pyjamas hingelegt, der mir fast passte. Aber nach etwa 10 Minuten, ich war gerade am Einschlafen, da klopfte es ganz leise.

Herein.

Leise kam sie an mein Bett geschlichen, setzte sich auf die Bettkante und meinte, dass sie nicht einschlafen könne. Ich hob die Bettdecke und schnell schlüpfte sie zu mir ins Bett. Wortlos schmiegte sie sich an mich und war gleich darauf eingeschlafen. Fast genau so wachten wir am Morgen erst so gegen 8 Uhr auf. Sie bedankte sich bei mir für das Asyl und sprang aus dem Bett. Ich hörte sie darauf im Bad. Sicher wollte sie sich fein machen, ohne dabei beobachtet zu werden. Das war ihr gutes Recht, denn sicher war ihre Privatsphäre in letzter Zeit öfter recht ramponiert worden. Mir schien, dass ich ganz besonders darauf achten müsste, ihr Selbstbewusstsein auf zu polieren, denn sonst geht der Mensch daran zu Grunde. Ich lobte sie bei jeder Gelegenheit. Das fiel mir nicht schwer, denn sie gab oft genug Anlass dazu. Ihr äußeres Erscheinungsbild gab schließlich jeden Tag Anlass dazu.

Erst am Montag früh fuhr ich wieder nach Hause. Prompt meinte meine Nachbarin, eine adrette, alleinstehende Mitt-40-erin, dass ich wohl am Wochenende irgendwo versumpft sein müsste. Ich grinste nur und ließ sie damit weiter spekulieren. Offensichtlich hatte sie mich wohl voll auf ihrem Radar!

Dann hatte Anette eine Bitte an mich. Lange schon meinte sie, hatte sie vor sich in der Sportgruppe zu outen. Aber bisher hatte sie immer kurz vorher wieder der Mut verlassen. Ob ich ihr jetzt dabei helfen würde, fragte sie mich ganz direkt. Es sei schon sehr lästig, sich immer nur verstecken zu müssen. Ich versprach ihr, sie dabei nach meinen Kräften zu unterstützen, egal wie die Gruppe reagieren würde. Am meisten gespannt war sie auf das Urteil der 4 Männer, die sie bisher oft recht stark umworben hatten. War das echt - es würde sich jetzt zeigen!

Die nächste Übungsstunde war vorbei, da bat sie alle noch einen Moment zu zu hören. Sie hätte noch etwas ganz Wichtiges zu sagen. Alle waren recht gespannt, was nun wohl kommen würde, ehrlich gesagt, ich auch. Da nahm Anette plötzlich ihre tolle Perücke ab und sagte, dass sie eigentlich recht krank gewesen sei, aus Scham aber nichts gesagt hätte.

Ganz lange Pause!!!

Bis einer der vier Männer meinte, dass er nun gehen müsse, er hätte noch einen wichtigen Termin. Das kam rüber wie ein Stich ins Herz. Darauf schob ich mich durch zu Anette und fasste ihre beiden Hände. Dazu sagte ich, das ich Zeit hätte und ganz für sie da sein wolle, soweit sie mein Angebot brauchen könnte. Dann nahm ich sie ganz fest in den Arm. Sie weinte bitterlich. Ganz langsam kamen dann auch die anderen Frauen und boten ihre Hilfe an.

Anette bedankte sich meinte aber, sie hätte nun schon eine starke Hilfe. Aber sie würde sich freuen, wenn wenigstens alle ihre Lage begreifen würden. Ich fügte hinzu, dass es Anette sicher gut tun würde, wenn wenigstens die Gruppe bis zum Ende beieinander bliebe.

Wie auf eine Paukenschlag lief die ganze Gruppe jetzt schnell auseinander. Als wir dann beide so alleine da standen bedankte sich Anette bei mir. Ich fragte zurück wofür. Sie meinte für meine eindeutige Geste. Das war doch ganz selbstverständlich, gab ich zurück.

Endlich rückte dann auch der Arzttermin im Krankenhaus näher. Ich fuhr sie wie verabredet hin und ging auch mit ins Wartezimmer. Als sie aufgerufen wurde, meinte sie, dass ich doch bitte mit gehen solle. Zögerlich setzte ich mich in Bewegung. Sie meinte im Gehen, dass sie mich gerne dabei hätte, vier Ohren hören nämlich meistens mehr als nur zwei. Auch der Arzt sah mich zuerst etwas eigenartig an. Aber bevor er sagen konnte, dass ich doch draußen warten solle, hatte Anette schon ganz klar gesagt, dass sie mich dabei haben möchte, auch wenn sie sich nun ausziehen müsse.

Die Untersuchung dauerte natürlich insgesamt recht lange, denn Anette musste in mehrere Abteilungen. Nach der Kernspintomografie, am Ende aber wieder zum untersuchenden Arzt zur Abschlussbesprechung zurück. Bis hierhin hatte sich doch eine rechte Spannung aufgebaut. Zum Glück aber war das Ergebnis beruhigend. Sie brauchte ab jetzt keine Chemotherapie mehr, was schon eine große Entlastung war. Ab jetzt würden dann vielleicht ihre eigenen Haare wieder wachsen. Das war für ihr Selbstwertgefühl ganz Ausschlag gebend. Mit dem guten Befund fuhren wir dann am Abend wieder nach Hause. Natürlich zu Anette. Und als Belohnung hatte sie schon am Morgen eine Flasche Sekt kalt gestellt, die wir nun tatsächlich öffneten.

Unser Verhältnis änderte sich mit der Zeit, es blieb aber sehr freundschaftlich und trotzdem recht intim. Als es ihr dann wieder richtig gut ging, machte ich mich absichtlich etwas rar. Übernachtete nur noch selten bei ihr. Als ich eines Tages mehr zufällig bei ihr klingelte, öffnete mir ein junger Mann die Türe. Aber gleich hinter ihm erschien Anette, drängte ihn zur Seite und umarmte mich. Ich fragte, ob ich stören würde. Aber sie schnitt mir das Wort ab und meinte, ich möchte doch bitte herein kommen. Beim üblichen Kaffee kam sie dann auch sofort zum Thema. Ohne Umschweife erklärte sie ihre neue Bekanntschaft und unsere uralte sehr gute Freundschaft. Als sie fertig war ergriff ich sofort das Wort. Ich sei sehr froh, dass sie jemand gefunden hätte, der zu ihr passt. Genau deshalb hatte ich mich in letzter Zeit etwas rar gemacht, um ihr mehr Freiheit zu lassen. Denn unser Altersunterschied war doch zu groß. Es wäre sehr egoistisch von mir gewesen, sie an mich zu binden.

Gut gelaunt verließ ich ihre Wohnung. Und weil es noch früher Abend war und die Sonne immer noch schien, machte ich noch einen ausgiebigen Spaziergang um den Weiher. Noch nie war mir aufgefallen, wie viele Tiere sich hier auf hielten. Überall hörte man Frösche und Kröten quaken. Das erinnerte mich an früher, wo am Seerosenteich der Nachbarn jeden Abend die Frösche um die Wette Musik machten. Manche Nachbarn hatte sich darüber immer wieder fürchterlich aufgeregt, für mich war das beruhigend und ich schlief dabei besonders schnell ein.

Gelegentlich besuchte ich die Beiden, die inzwischen verheiratet waren und sogar ihr erstes Kind erwarteten. Gerne betrachtete ich ihr Familienleben, ohne es zu stören. Und so verbindet uns noch heute eine sehr echte Freundschaft. Daran musste sich auch ihr Mann erst gewöhnen. Aber nachdem er unsere gemeinsame Geschichte ganz erfahren hatte gab es keine Probleme zwischen uns.

1.02 Bekanntschaft

Als bei uns die Gartenschau statt fand, war im Ort natürlich sehr viel los. Nichts war mehr, wie früher. Auf dem Marktplatz stand zum Beispiel ein alter Eisenbahnwaggon, den man umgebaut hatte als Cafe`. Bewirtschaftet wurde es von Schülerinnen und Schülern eines örtlichen Gymnasiums. Eine lange und breite Treppe führte zum Eingang hinauf. Oben stand eine Bank, die zum verweilen einladen sollte. Leider wurde aber das Cafe` von den meisten Menschen schlichtweg übersehen, alle hasteten nur vorbei, ohne es zu beachten.

Als ich auf den Marktplatz kam hatte ich das Bedürfnis, mich nach langem Marsch durch die Stadt zu setzen. Ich ging die Stufen zum Waggon hinauf und setzte mich auf die Bank. Im nächsten Moment stand auch schon eine freundliche Schülerin vor mir um mich zu fragen, ob ich etwas wünsche. Ich war so überrascht, dass ich dankend ablehnte, ich wolle lediglich etwas ausruhen. Ich dürfe hier natürlich auch sitzen, ohne etwas zu bestellen, meinte sie und ging wieder hinein.

Nach einer Weile dachte ich mir, dass das aber sehr unhöflich vom mir gewesen war. Und außerdem wäre es doch auch ganz interessant, sich mit den Schülerinnen zu unterhalten. Immer schon suchte ich Kontakt zur jüngeren Generation, denn nur so kann man als alternder Mensch etwas am Ball bleiben. Ich stand also auf und ging hinein. Überrascht sahen mich die drei jungen Schülerinnen an, die jetzt gerade hier Dienst hatten. Ich bestellte ein Kännchen Kaffee und wollte mich setzen. Da fragte mich eine, welcher Kuchen aus ihrer Vitrine mir am besten zusagen würde, denn zu einem Kännchen gäbe es den Kuchen gratis dazu. Überrascht entschied ich mich spontan für eine Kirchschnitte, die mir außerdem am frischesten erschien. Inzwischen hatte ich schon krampfhaft überlegt, wie ich am besten ein Gespräch beginnen könne, ohne als plump aufzufallen. Als ich herein gekommen war hatte ich die drei bei ihrer Unterhaltung unterbrochen. Gerade erzählte eine, wie interessant ihr letzter Urlaub in Tunesien gewesen sei. Sie war mit ihren Eltern sogar bis in die Wüste gekommen, eine Gegend die man sich hier gar nicht vorstellen kann. Als ich das hörte musste ich unwillkürlich schmunzeln. Ich fragte, ob es erlaubt sei zu zuhören, denn das interessierte mich auch. Gleich boten sie mir einen Stuhl an und die junge Frau erzählte weiter von ihren Erlebnissen in Tunesien. Als sie fertig war fragte ich sie, ob sie auch in den Höhlentrichtern gewesen sei. Verblüfft schüttelte sie den Kopf. Ja, sagte ich, früher haben die Einheimischen in der Gegend von Matmata in Höhlen gewohnt. Dazu haben sie 8 bis 9 Meter tiefe kreisförmige oder eckige Trichter mit 12 Meter im Durchmesser ausgehoben. In die Seitenwände haben sie dann manchmal sogar in mehreren Etagen Wohnhöhlen und Gänge ausgehoben. Sogar Nischen für Tiere gab es. Diese Behausungen wurden dann von Generation zu Generation weiter gegeben, erweitert und vervollständigt, so dass am Ende oft ein ganzes Labyrinth entstanden ist. Darauf kam prompt die Frage, woher ich denn das wüsste. Ganz einfach, ich habe schon in einer solchen Höhle gewohnt. Und ich muss sagen, es war zwar sehr ungewohnt, aber ganz angenehm.

Nun wollten sie unbedingt wissen, wie alt ich denn sei. Ich versuchte diese Frage unbeantwortet zu lassen. Aber die drei Mädchen bohrten nach. Na, der Jüngste scheinen Sie auch nicht mehr zu sein, meinte die älteste. Worauf sie sich aber gleich entschuldigte, denn das sollte nicht abwertend gemeint sein. Nun schlug ich vor, dass sie doch mein Alter erraten sollten. Und schon ging es los. Eine meinte, dass ich schon fast 60 sein könnte, denn ich hatte von Rentner gesprochen. Die Zweite legte nach mit 55, denn ich würde doch noch einen sehr rüstigen Eindruck machen. Und die Jüngste schloss sich der Zweiten an, weil sie meinte mich ganz schlecht schätzen zu können. verglichen mit ihrem Opa könnte 54 oder 55 schon stimmen. Nun warteten sie gespannt auf meine Antwort. Ja, sagte ich, so bin ich in Indonesien auch meistens geschätzt worden. Das lag aber daran, dass Indonesier keine so hohe Lebenserwartung haben, wie wir Deutschen. Dabei bin ich schon über zehn Jahre Rentner! Also genau bin ich jetzt 75 Jahre alt, gestand ich ihnen zum Schluss ein. Alle drei waren danach sehr erstaunt, meinten aber, dass ich dafür aber noch sehr rüstig sei. Vielleicht läge es daran, dass ich immer sehr mobil in meinem Leben gewesen bin. In meinem Beruf war ich oft auf Baustellen unterwegs. Da gab es manchmal aus Sicherheitsgründen nicht mal eine Leiter, also kletterte ich am Gerüst hoch. Und in den letzten Jahren bin ich z.B. sehr viel gereist. Meistens Länder-Rundreisen in einer Reisegruppe. Da ist man jeden Tag von morgens bis zum Abend auf den Beinen. Und in der Freizeit hatte ich mir immer ein Fahrrad geliehen, um in die nähere Umgebung zu fahren.

Erstaunt sahen mich die drei nun an und wollten wissen, wo ich den noch überall gewesen sei.

Da musste ich erneut schmunzeln. Ja, sagte ich, schon mit meiner Familie war ich viel unterwegs. Zum Beispiel mit dem Wohnwagen durch ganz Marokko, durch Polen oder auch durch ganz Ungarn. Und als Rentner habe ich viele Rundreisen durch verschiedene Länder, wie Ägypten, Griechenland, Indonesien, Thailand oder Indien gemacht. Aber am interessantesten waren die Fahrradreisen mit meiner Tochter durch Israel, wo ich danach noch 3 Mal für jeweils 5 Wochen auf einem Kibbuz ehrenamtlich gearbeitet habe. Da staunten die drei. Das sei ja interessant, das würde sie auch gerne machen, sagte die jüngste darauf. Am Ende verwies ich auf das Generationenhaus, in dem ich regelmäßig darüber Vorträge halte. Damit war dieses Kapitel geklärt.

Nun fragte mich die Serviererin, ob ich von hier stamme oder nur einen Besuch auf der Gartenschau machen würde. Ich überlegte kurz und antwortete dann wieder mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht, dass eigentlich beides bei mir zutreffen würde. Eigentlich würde ich zur Zeit ca. 150 km von hier weg wohnen. Aber ich sei gerade im Begriff Lahrer zu werden. Darauf die prompte Frage, wie denn das zu verstehen sei. Na ja, sagte ich, ich habe durch das Internet hier jemand kennen gelernt.

Dann endlich aber versuchte ich, das Gespräch zu wenden. Denn eigentlich war ich ja hier hinein gegangen, um von den Mädchen etwas zu erfahren. Ich wollte zuerst wissen, in welcher Klasse sie seien. Sie wären alle in der letzten Klasse vor dem Abi. Ob sie denn schon eine Vorstellung hätten, welchen Beruf sie denn danach wählen würden, war meine nächste Frage. Da wurde es wesentlich differenzierter. Eine meinte, dass sie auf jeden Fall Medizin studieren wolle. Ihr Vater hätte eine Hausarztpraxis. Und die würde sie dann übernehmen. Die nächste würde gerne IT-Spezialistin werden wollen, weil sie gut in Mathe sei. Die Jüngste war noch ganz unentschlossen. Sie würde auf jeden Fall zuerst ein soziales Jahr machen wollen. Dabei würde sie sich für Naturschutz, Klimaschutz und gesunde Ernährung interessieren. Möglichst würde sie gerne in fremde Länder gehen wollen, um andere Kulturen kennen zu lernen.

Ich fand alle drei Ansichten sehr gut. Besonders weil sie sich wenigstens schon im Vorfeld mit dem Thema beschäftigt hatten, was bei manchen Jugendlichen noch bedeutende Anschübe bedürfe. Der Jüngeren gab ich dann noch einige Tipps, wie sie am besten zu interessanten Auslandsaufenthalte käme.

Nach einer Stunde Diskussion meinte ich, dass ich sie nun lange genug belästigt hätte. Im Gegenteil meinte darauf alle drei, dass es auch für sie eine interessante Diskussion gewesen sei. Wenn es mir nichts ausmachen würde könnte ich gerne genau in einer Woche wieder herkommen, denn da hätten sie wieder hier Dienst.

Den Vorschlag nahm ich gerne an, denn mir fiel ein, dass ich noch einige Fragen zu meinem neuen Smartphone hatte. Als ich das äußerte meinte alle drei, dass sie mir sehr gerne behilflich sein würden. Es wäre alleine schon anerkennenswert, wenn man sich in meinem Alter überhaupt noch an solche neue Technik heran wage.