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Grüne Wiesen, Schafe, Whiskey, bunte Cottages und freundliche, redselige Menschen mit viel Zeit. Kein Land in Europa provozierte so viele Wohlfühl-Klischees wie Irland, die grüne Insel im Atlantik. Markus Bäuchle kennt das kleine Land mit der bewegten Geschichte seit Ende der 1970er Jahre. Im Jahr 2000 siedelte er auf die Insel über. Er hat das traditionelle Irland, den rasanten Aufstieg in den Wirtschaftswunderjahren und den tiefen Fall nach dem Platzen der Immobilienblase miterlebt. Er beschreibt den Alltag und den Facettenreichtum des amerikanischsten Landes Europas auf seiner Achterbahnfahrt der Selbstfindung.
Ein informatives und spannendes Buch über eines der widersprüchlichsten und zugleich dynamischsten Länder der Gegenwart - und eine Liebeserklärung.
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Seitenzahl: 316
Markus Bäuchle
Markus Bäuchle
Ein Länderporträt
In Erinnerung an Thomas, Gerd und Bodo. Für »die 10«: Hanna, Werner, Petra, Bärbel, Carl, Heinke, Niko, Christopher, Ben und: Eliane, die mir selbst im Tunnel den Rücken freihält.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überwww.dnb.de abrufbar.
1. Auflage, Dezember 2013 (entspricht der 1. Druck-Auflage von August 2013) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected] Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Tatjana Soest/Dingle Peninsula/www.irland-reisen.at Karte: Christopher Volle, Freiburg Satz: Agentur Marina Siegemund, Berlin
Vorwort
Einleitung
Irland ist anders. Eine kleine Landeskunde
Der erste Eindruck
Das liebe Wetter: Thema Nummer eins
Exkurs: Das Wetter und die Gäste Irlands
Die Lage: Nur einen Ozean von Amerika entfernt
Der Nachbar im Osten: 800 Jahre gemeinsames Schicksal
Garinish Island oder: Der anglo-irische Konflikt im Kleinformat
Noch mehr Geschichte: Noch mehr Eroberungen und Invasionen
Die Sprache: Merkwürdiges Englisch und ein wenig Irisch
Die Politik: Ein Parlament von Lokalpolitikern
Die Kultur: Kleines Volk mit großer Prägekraft
Das Wesen der Iren: Viertelfinalsmentalität und Vierfünftelperfektionismus
Die Iren und die Welt: Sind wir nicht alle ein bisschen irisch?
Irland in den Jahren 1990 bis 2013: Ein Leben im Zeitraffer
Vom Armenhaus zum Wohlstandsland
Und dann war plötzlich alles vorbei: Der große Crash
Budget Days: Tage des Schreckens
Achterbahnfahrt in die Moderne
Die traditionelle Familie: Das Fundament bröckelt
Das neue Irland: Die multikulturelle Gesellschaft
Das neue Irland: Die Kehrseiten der Wohlstandsgesellschaft
Alkohol: Ein fester Bestandteil der irischen Kultur
Balance gesucht: Unterwegs zwischen Tradition und Moderne
Leben und Überleben in Irland
Stadt und Land: Von Dubs und Culchies
Dublin: Nabel der Welt mit Piercing
Die Inseln: Wo die wahren Helden wohnen
Arbeiten in Irland: Der positive Kulturschock
Moderner Lebensstil: Botox-Partys und Sexspielzeug
Leben und Sterben: Kein Land für Alte und Kranke?
Irlands Küche: Gesunde Ernährung und gute Laune
Einkaufen in Irland: Vom Mangel zum Markenkosmos
Verstehen und Missverstehen: Das Pint ist keine Halbe
Freizeit auf der Insel: Tresen- und Ballsport
Das Pub: Typisch irisch und ziemlich »out«
Ein ballverrücktes Volk
Irlands Landschaft: Naturerlebnis und Seelenraum
Exkurs: Moderner Luxus: Vom Reiz des irischen Landlebens
Deutsche und Irland: gutes Image und gutes Leben
Irland: Eine Frage der Erwartungen
Irland: Zwischen Mythos und Wirklichkeit
Exkurs: Meine zehn Gründe, in Irland zu leben
Moderne Mythen, Märchen und ein paar Wahrheiten
Die Sache mit den rothaarigen Iren
Der wahre Keltische Tiger: Der Esel
Die Tierliebe: Eine knappe Ressource
Ein Volk von umweltsensiblen Naturburschen?
Meine persönliche Irland-Story beginnt im Jahr 1979. Ich hatte die Fiedeln der Horslips und die Gitarrenriffs von Rory Gallagher gehört, zudem Fotos von irischen Landschaften gesehen. Zurück aus dem Traumreiseziel New York, war nun Kontrastprogramm angesagt: Ich fühlte mich magisch angezogen von der kleinen grünen Insel am westlichen Rand Europas. Warum genau, blieb unklar, also sah ich nach. Geld war knapp in jenen Tagen, und so reiste ich per Anhalter durch Frankreich, England und Wales nach Irland. Kaum angekommen, nur eine Anhalter-Tour vom Fährhafen von Rosselaire landeinwärts, saß ich schon mittendrin, gemütlich beim Tee mit fremden Menschen, die seltsam freundlich und anteilnehmend sprachen. Um uns herum das weite Land. Elegante Schlichtheit. Schönheit. Eine Natur- und Kulturlandschaft, an der ich mich nicht sattsehen konnte.
Es war die Zeit, als auf den engen Sträßchen Irlands nur wenige Autos verkehrten, als die Menschen auf dem Land noch mit Esel und Karren unterwegs waren, als die Dörfer einen Shop, eine Kirche und eine Polizeistation hatten und die Cottages für 15 000 Mark die Besitzer wechselten. Hier war alles anders als zu Hause in Deutschland – und doch so vertraut. Es war wie Liebe auf den ersten Blick. Andersartigkeit, die nicht wehtat.
Der ersten Irland-Reise folgten viele weitere, der träumerische Wunsch, in dieser Idylle einmal zu leben, erfüllte sich als Ergebnis einer subtilen Langzeitprogrammierung 20 Jahre später. Das Internet war angekommen und baute Brücken. Im Jahr 2000 zogen wir um an die Südwestküste Irlands, die Westküste Europas. Die kleine Insel machte sich gerade auf, eine Dauerparty des neuen Wohlstands zu feiern, bald röhrte der Celtic Tiger laut und manchmal ordinär. Der Bauboom wütete, die irische Gesellschaft modernisierte sich im Zeitraffer und mit der Brechstange. Irland kam in der europäischen Gegenwart an und wandelte sich im Rekordtempo. Es war eine Zeit wie ein Déjà-vu.
Dann kam 2008 der große Knall: wirtschaftlicher Zusammenbruch, Stillstand, Rückwärtsbewegung. Vorbei die kurzen fetten Jahre. Arbeitslosigkeit, Not und Mangel kehren zurück, die Welle der Auswanderung rollt wieder. Gleichzeitig erhöht Europa den Anpassungsdruck. Eigenheiten fallen der Gleichmacherei des globalen Wirtschaftens und der Euro-Bürokratie zum Opfer. Wohin ist dieses Land wohl unterwegs? Bei allem Anpassungs- und Veränderungsdruck: Irland ist anders geblieben. Dies gilt bis heute. Auch anders, als wir es als Urlauber gesehen hatten. Die persönliche Lovestory mit Irland hält an. Es ist wohl eine reifere, erwachsenere Form der Beziehung geworden, doch durch alle Veränderungen hindurch hat sich die Zuneigung zu Land und Leuten erhalten. Hier lässt sich gut leben.
Bevor wir uns gemeinsam auf Lesereise begeben durch dieses kleine, faszinierende Land, das gerade so groß ist wie Bayern, drei kurze Vorbemerkungen: Dieses Buch ist eine Annäherung an ein Land im Übergang, an eine Gesellschaft, die sich ihrer selbst nicht sicher ist und bisweilen Schwierigkeiten hat, sich selbst zu verstehen. Wer einfach nur Daten und Fakten zu Irland sucht, ist bei der irischen Statistikbehörde CSO, beim CIA Factbook oder bei Wikipedia gut aufgehoben oder wirft einen Blick in den Fakten-Anhang am Ende des Buches. Zudem: Dieses Buch verallgemeinert. Über »die Iren« zu schreiben, hat im Zeitalter des ultimativen Individualismus für manchen einen despektierlichen Unterton – und doch ist die Prägekraft gemeinsamer kultureller und geografischer Lebensbedingungen sowie eines gemeinsamen Genpools augenscheinlich. So benenne ich die Gemeinsamkeiten und Eigenheiten, ohne die Individualität und Einzigartigkeit einzelner Menschen in Zweifel zu ziehen. Und ja, Wesensarten wie die perfektionierte Unpünktlichkeit werden in heiligem Respekt vor all den irischen Handwerkern beschrieben, die dann doch pünktlich und zuverlässig sind.
Schließlich: Dieses Buch wurde auf dem Land erlebt und geschrieben. Abseits der Metropolen, auf dem Dorf, an der Peripherie. Irland ist Peripherie; Dublin, die einzige Großstadt der Republik, ist nicht Irland – auch wenn zwei von fünf Iren (und wenn ich in einem solchen Zusammenhang von Iren schreibe, dann meine ich selbstverständlich die Irinnen mit) in der Hauptstadt oder in deren Einzugsbereich leben. »Mein Irland« findet, wer will, in der wenig bevölkerten, weiten irischen Landschaft an der Atlantikküste. Und natürlich ist mit Irland die Republik Irland gemeint, The South, wie es hier heißt, oder Eire, wie Irland offiziell genannt wird. Man kann auch sagen, es geht hier um die Insel namens Irland minus das noch immer zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland. Doch nun viel Spaß beim Lesen.
Irland ist … weite grüne Wiesen, Schafe, Whiskey, bunte Cottages, immer freundliche Menschen. Irland ist der Ort, wo rothaarige, freundliche Insulaner den ganzen Tag im Pub sitzen, irische Folk-music hören und spielen und immer Zeit für ein Schwätzchen haben. Irland ist Irish Stew, Guinness, Ruinen, Feen und Leprechauns, Irland liegt irgendwo ganz links und ganz weit oben, dort im Norden, wo es immer regnet. Kein Land in Europa hat ein so kurioses Image wie Irland, ein Image, das genauso prägnant wie falsch ist, genauso verführerisch wie irreführend. Kein Volk in Europa hat sich einen solch schmeichelhaften Ruf erworben wie die Iren: die netten Menschen von der Insel, die sympathischen Verlierer, neuerdings die Musterpatienten. In Wirklichkeit ist Irland ein wenig so – und doch ganz anders. Images sind meistens falsch, unscharf, ungenau – und doch haben sie zumeist einen wahren Kern. Wir wollen in diesem Buch der Wirklichkeit hinter dem Image nachspüren.
Das moderne Irland ist ein widersprüchliches, ein schillerndes und sich selbst suchendes Land. Alte, gesetzte Kulturen wie die der Japaner oder der Bayern haben ihren Frieden mit den inneren Widersprüchen längst gemacht und harmonisieren diese in bestem Marketing-Sprech: Laptop und Lederhosen. Wo Vergangenheit auf Zukunft trifft. Von einem solch abgeklärten Selbstverständnis ist Irland weit entfernt. Nach einem 50 Jahre währenden nationalen Ritt auf der Achterbahn, nach 15 fetten Wohlstandsjahren und einem alptraumhaften Absturz seit 2008 in ungeahnte und doch vertraute Tiefen, nach schnellen Modernisierungsschüben im Zeitraffer und nach kollektiven Anpassungsversuchen an die Welt um die Insel herum präsentiert sich Irland heute als ein Land der Ungleichzeitigkeiten. Wir erleben das moderne Irland mit seinen Glitzerfassaden, seinem Wohlstand und seinem amerikanisierten Lebensstil, wir erleben im anderen Extrem das traditionelle, alte Irland in treuer Fixierung auf Kirche und Tradition, wir erleben dazwischen Menschen, die beides in sich tragen und nicht selten hin- und hergerissen sind zwischen den vielen Vorzügen und Nachteilen des einen wie des anderen Lebens.
So ist Irland im Jahr 2013 ein spannendes Land, das in seinen Widersprüchen schillert wie der Regenbogen; ein Land auf der Suche nach den Goldtöpfen an den Enden dieses Regenbogens, ein Land, das gerade schmerzhaft gelernt hat, dass diese Goldtöpfe sich in die Büchse der Pandora verwandeln, wenn man sie nur unvorsichtig genug öffnet. Nur 160 Jahre nach der Zeit der bittersten Armut, keine 100 Jahre nach den blutigen Kämpfen der Unabhängigkeit und der Identitätsfindung, nur 50 Jahre seit dem Anschluss an die Moderne befindet sich das Land auf einer Achterbahnfahrt zwischen Existenzminimum und fragilem Wohlstand.
Wer durch eine typische irische Stadt geht, nehmen wir Tralee, Hauptstadt der Grafschaft Kerry, sieht die Widersprüche auf einen Blick: hier vor der Stadt die Wohnpaläste der neuen Reichen und die Hotels für alle, die es sich leisten können, die Mega-Shopping-Mall, die an Wochenenden den gesamten regionalen Verkehr in sich aufsaugt, dort die alten, ärmlichen Straßen im Zentrum, die geduckten Häuser, die Zwei-Euro-Shops. Neue und alte Armut, Hyperkonsum und Wohlstand, Tradition und Moderne existieren hier Tür an Tür – und mittendrin das alte Football-Stadion, mächtig und doch morbide, wie aus einer anderen Zeit.
Als Heilritual gegen die Identitätskrise beschwört man gerne die heilige Irishness, das einende irische Wesen, die »Irischkeit«. Es gipfelt in der Bekundung von Nationalstolz, was in unseren Ohren erst befremdlich klingt, wenn wir versuchsweise »irisch« durch »deutsch« ersetzen: »Proud to be Irish« – stolz, ein Ire zu sein. Wer also sind diese Iren, wie leben sie und wie lebt es sich in ihrem Land?
Wir nähern uns dem Inselland und seinen Menschen in sechs Schritten, zunächst ganz behutsam mit den ersten Eindrücken nach der Landung und mit einer etwas anderen Landeskunde. Kapitel zwei beschreibt die zwei Jahrzehnte bis heute, die Irland dramatisch verändert haben: die Ära des Keltischen Tigers und des wirtschaftlichen Absturzes, die Jahre auf der Achterbahn. Das dritte Kapitel widmet sich dem Leben auf dem Lande, in der Hauptstadt Dublin und auf den Inseln. Wir werfen einen Blick in die Arbeitswelt und auf den modernen Lebensstil, schauen im Krankenhaus vorbei und gehen einkaufen. Danach, im Kapitel vier, ist Freizeit angesagt: vom Tresen- zum Ballsport, vom Pferderennen zu den Meisterschaften im Wettpflügen; und natürlich gehen wir zum Abschalten hinaus in Irlands einzigartige Naturlandschaft. Über das Sonderverhältnis zwischen den Deutschen und Irland gibt das vorletzte Kapitel Auskunft, bevor wir zum Schluss ein paar gängige Vorurteile über Irland auseinandernehmen und uns auf die definitive Suche nach den Feen und Leprechauns machen. Wer sich brennend für die Frage interessiert, wo man die »Kleinen Leute« findet, muss hinten anfangen. Alle anderen Leserinnen und Leser blättern einfach um.
Es dauert keine zwei Stunden von Deutschland in eine andere Welt. Wer mit dem Flugzeug über Irland einschwebt und den weitläufigen, mit Steinmauern parzellierten Felderteppich unter sich näherkommen sieht, versteht noch vor der Landung, warum Irland auch die »Grüne Insel« genannt wird. Grün herrscht als Farbe vor, Grün ist die Nationalfarbe, das grüne Kleeblatt das Nationalsymbol. Iren tragen im Alltag zwar selten grün, doch am Nationalfeiertag am 17. März oder zu besonderen Anlässen wie einer Fußball-WM oder einer Rugby-Meisterschaft lassen sie die grüne Kluft zusammen mit grün gefärbten Haaren und Wangen umso heller strahlen. Grün ist die Farbe der Landschaft, und auch wenn die Iren sich während des großen Baubooms in den frühen Jahren des neuen Jahrtausends alle Mühe gegeben haben, die Insel zu betonieren und mit Häusern zuzustellen: Es ist ihnen nicht gelungen. Sieht man einmal vom Ballungsraum Dublin und den großen Städten Cork, Limerick oder Galway ab, so bleibt Grün die dominierende Farbe.
Die atlantischen Regengebiete, die mit schöner Regelmäßigkeit das Wetter auf der drittgrößten Insel Europas bestimmen, halten die Vegetation in Schuss, und einer im Wachstum stagnierenden Bevölkerung, der das nötige Kleingeld zum Bauen ausgegangen ist, gelingt es seit geraumer Zeit nicht mehr, das vitale Grün zugunsten von Betongrau zurückzudrängen. , 40 verschiedene Grüntöne sollen die Gesamtkomposition Irland ausmachen. Die hat der legendäre amerikanische Countrystar Johnny Cash einmal gezählt und seine Erkenntnisse zu einem gleichnamigen Song verarbeitet. Der Klassiker gilt noch heute als gewinnbringende Steilvorlage für Irlands Tourismuswerber: Die Grüne Insel lockt seitdem mit 40 verschiedenen Grünschattierungen.
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