Island Sommer Liebe - Ava Lennart - E-Book

Island Sommer Liebe E-Book

Ava Lennart

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Beschreibung

Lass dich nach Island entführen! Das Land der brodelnden Emotionen! Die erfrischende Isländerin Fanney betreibt mit ihrem Freund Jon ein Bed & Breakfast und züchtet Pferde im magischen Land der Feen und Trolle. Als sich der Schriftsteller Christian auf der Suche nach Inspiration auf dem Pferdehof einmietet, realisiert Fanney bald, dass er sie zu seiner Muse erkoren hat. Seine Texte rühren ihr Innerstes an und wecken geheime Sehnsüchte. Ein Spiel zwischen Verlangen und Hingabe vor der Kulisse der Naturgewalten Islands beginnt. Bis dramatische Ereignisse auf dem Hof offenbaren, dass Christian ein falsches Spiel spielt.

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Seitenzahl: 367

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ISLAND ♡ SOMMER ♡ LIEBE

AVA LENNART

Copyright © 2017 by Zoch/Kapfhamer, Ava Lennart GbR

Liesl-Karlstadt-Str. 19

82152 Planegg

[email protected]

www.avalennart.com

www.facebook.com/AvaLennart

Coverdesign: Marie-Katharina Wölk, Wolkenart,

unter Verwendung von Bildern von ©NejroN Photo - Bigstockphoto.com, ©ekomasova - Bigstockphoto.com, ©Olja Reven - Bigstockphoto.com, © Leonid Tit - Bigstockphoto.com, ©phokin - Bigstockphoto.com

Lektorat und Korrektorat: Lena Navart

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Fürs Omi

„Suche das Glück nicht mit dem Fernrohr“

Isländisches Sprichwort

INHALT

ANKUNFT

SCHNAPSIDEE

ELIN

ELFENPRINZESSIN

Das Tor nach Atlisdal

BLICKE

SCHWINGUNGEN

STRIPPED

Das Tor nach Atlisdal

SPIEL MIT DEM FEUER

DER FUND

Das Tor nach Atlisdal

AUSRITT

REFLEX

ERTAPPT

GOLDEN CIRCLE

Das Tor nach Atlisdal

GEYSIR

ASTA

GRÜNES LICHT

DREI WÜNSCHE

TAGTRÄUME

SPÄTER

RAUSCH

IM HEU

GEFAHR

ERNÜCHTERUNG

GEFANGEN

Das Tor nach Atlisdal

ALLES AUS

ALLES AUF ANFANG

Das Tor nach Atlisdal

SECHS JAHRE SPÄTER

Am Ziel

Jesse

Shane

Ausritt

Danksagung

Über die Autorin

ANKUNFT

FANNEY

„Magst du strohwischen?“

Ich blicke in Elins geweitete Augen. „Was, ich?“

Lächelnd halte ich ihr ein Bündel Stroh hin. Das Mädchen nimmt es mir ab. Ihre Hände zittern, als es damit zaghaft den feuchten Körper des Fohlens abtupft.

„Du kannst richtig reiben. Das bringt den Kreislauf in Schwung.“ Elins Bewegungen werden selbstbewusster und ich kümmere mich derweil um Saga, die erschöpft auf der Seite liegt und vor sich hin schnauft.

„Das hast du toll gemacht.“ Beruhigend klopfe ich Sagas Hals. Der Stall ist erfüllt von dem süßlich-herben Duft nach Fruchtwasser und der Körper der Stute ist schweißüberdeckt. Erleichterung durchströmt mich. Kurzzeitig hatte ich die Befürchtung, Dr. Hagansson rufen zu müssen. Aber dann hat diese starke Stute es ganz allein hinbekommen. Meine Saga! Ich war bei ihrer eigenen Geburt dabei. Einer dieser innigen Momente, die ich mit meiner Mutter geteilt habe, als sie noch lebte. Und nun ist Saga selbst Mutter.

Ich liebe dieses Pferd und streiche mit unendlicher Zärtlichkeit über die erregten Nüstern. Endlich hebt die Stute ihren Kopf und nimmt ihr Fohlen wahr. Ich gebe Elin ein Zeichen, dass die Mutter jetzt bereit ist. Elin zieht sich zurück, lässt den Stohwisch auf den Boden der Box fallen, auf dem Reste der Geburt liegen.

Ich beobachte Elin. Die Fohlengeburt hat sie emotional mitgenommen. Ihre Augen kleben an der Stute, die ihr Neugeborenes abschleckt. Auch ich bin ergriffen, aber das junge Mädchen ist vor Ehrfurcht wie erstarrt. Ich seufze und kann sie verstehen. In diesem Moment grüble ich selbst über Mutterliebe nach. Wie wird es erst für Elin sein, deren Mutter vergangenen Sommer von heute auf Morgen verschwunden ist? Es muss die Siebzehnjährige sehr getroffen haben und ich kann mir vorstellen, dass das Zusammenleben mit ihrem verbitterten Vater Dagur alles andere als einfach ist. Ansonsten würde sie nicht den Großteil ihrer Zeit auf unserem Hof verbringen. Instinktiv habe ich ihr Obhut gegeben. Zu meinem Vorteil, wie ich gestehen muss. Elin hat sich als unentbehrliche Hilfe erwiesen. Sie ist universell einsetzbar, sei es als Stallgehilfin oder als Zimmermädchen in unserem Bed & Breakfast.

Behutsam lege ich den Arm um die bebenden Schultern des zierlichen Mädchens und ziehe sie sacht an mich, während wir zuschauen, wie das Fohlen Kraft schöpft und sich unter Sagas Hilfe auf die wackligen Beine stemmt. Elin klatscht vor Freude in die Hände, als es gelingt, und ich selbst wische mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

Smilla, unsere Islandhündin, schlägt draußen auf dem Hof an und ich weiß, dass die Pflicht ruft. Das wird Jon sein.

„Komm, Elin. Wir werden hier nicht mehr gebraucht.“ Als ich mich erhebe, spüre ich erst, wie verkrampft ich die letzte Stunde gesessen habe. Die Beine protestieren, als ich sie zu strecken versuche. Die Geburt hat meine Jeans in Mitleidenschaft gezogen. So genau mag ich gar nicht darüber nachdenken, woher die feuchten Flecken auf der Vorderseite der Hose stammen. Nicht gerade ein repräsentatives Outfit für den neuen Gast. Ich fluche verhalten. Dann zucke ich die Achseln. Was soll´s?

Elin und ich waschen uns gründlich die Hände am Waschbecken im Stall. Das muss reichen. Mit einem letzten Blick auf Saga und ihr Kleines treten wir nach draußen. Gierig sauge ich die klare Morgenluft ein. Es war mitten in der Nacht als mich Elin geweckt hat, weil Saga erste Anzeichen der bevorstehenden Geburt gezeigt hat.

Das stetige Gluckern des Bachs im Rücken unserer Farm und der Ausblick auf das Meer, dessen Wellen über den schwarzen Lavastrand lecken, löst einen tiefen Frieden in mir aus. Vor allem, wenn es sich um einen wolkenlosen Tag handelt wie heute. Gähnend fahre ich mir über das Kopftuch, mit dem ich mein Haar gebändigt habe, während wir den Hof überqueren. Gott, wenn ich nicht so schnell wie möglich einen Kaffee bekomme, sterbe ich.

Auf Smilla ist Verlass. Ich sehe den Jeep von Jon die lange Stichstraße zu unserem Hof näherkommen und bin auf unseren neuen Gast gespannt. Ich habe zwar über Email mit ihm korrespondiert, aber es ist jedes Mal schön, die Menschen persönlich kennenzulernen. Schnell dirigiere ich Elin in das Haupthaus und postiere mich hinter der kleinen Theke, die unserem Bed & Breakfast als Rezeption dient. Durch das Fenster behalten wir das Geschehen im Blick.

Smilla flippt vor Aufregung völlig aus, als der Wagen mit einem selbstbewussten Schwung auf den Vorplatz fährt. Ich grinse, weil ich vermute, dass Jon das jetzt brauchte. Beim Aussteigen zwinkert er mir zu. Das heißt, er wird annehmen, dass ich ihn beobachte, kann mich jedoch im Inneren durch die Scheibe von außen nicht ausmachen. Die vertraute Wärme, als mir bewusst wird, wie gut Jon und ich auch ohne Worte kommunizieren, durchflutet mich. Ich weiß genau, was er mir mitteilen will: der Gast hat ihn die fast drei Stunden vom Flughafen bei Reykjavik hierher mit irgendetwas genervt. Ich soll mich auf etwas gefasst machen.

Ich rechne Jon hoch an, dass er sich mir zuliebe zusammengerissen und ein Pokerface aufgesetzt hat, nehme mir aber vor, mein eigenes Urteil über den Gast zu bilden.

Elin stupst mich an, als auf der anderen Seite des Jeeps der hochgewachsene blonde Mann aus dem Wagen steigt.

„Weißt du, was der hier will, Fanney? Er hat ziemlich viel Gepäck dabei. Bleibt der länger?“ Elin hat recht. Jon ist mittlerweile damit beschäftigt, mehrere Koffer auf dem Hof abzustellen. Ich beobachte den Mann, der Jon bei jedem Handgriff im Blick hält. Er ist genauso groß wie Jon, was nicht klein ist. Im Gegensatz zu meinem besten Freund, der ausgewaschene Jeans und einen der typischen Strickpullis anhat, steckt der Gast in einer anthrazitfarbenen Flanellhose und einem Hemd. Darüber hat er eine dicke Steppjacke geworfen und trägt sogar einen Schal. Ich schmunzle. Fast alle Ausländer laufen im isländischen Sommer herum, als wäre es eine Eiszeit. Dieser scheint keine Ausnahme zu sein. Hey, es ist Juni! Dann besinne ich mich auf Elins Frage.

„Ja, soweit ich das verstanden habe, will er ein Buch schreiben und hat für vier Wochen gebucht, mit einer Option auf Verlängerung.“

„Wow, ein Schriftsteller. Ist er berühmt?“ Ich zucke mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Ich habe seinen Namen gegoogelt, aber keine Veröffentlichung von ihm gefunden. Allzu berühmt kann er nicht sein. Ich nehme an, er schreibt einen Reiseführer über Island. Den gefühlt Tausendsten. Aber wenn er unser Bed & Breakfast empfiehlt, kann das ja nicht schaden.“ Elin nickt automatisch.

„Er sieht gut aus. Wie Chris Hemsworth. Aber der ist ein berühmter amerikanischer Schauspieler. Kein Schriftsteller“, murmelt sie.

Ich hebe verwundert den Kopf und folge Elins Blick. Der Mann steht im Profil zu uns. Hm, zugegeben, er hat ein klassisches Profil mit einer hohen Stirn, geraden Nase und einem eckigen Kiefer. Er kämpft mit dem stetigen isländischen Wind, denn seine Hand streicht mehr als einmal durch das mittellange Haar, als er mit Jon spricht. Jon antwortet ihm und deutet auf die Wasserfälle, die sich weiter im Inland eindrucksvoll über die Klippen ergießen. Jon wedelt mit der Hand und erzählt wohl von dem Vulkan, an dessen Hängen unser Dorf liegt. Dann folgt der Blick des Gastes Jons Finger, der auf die steinernen Zinnen von Reynisdrangur vor der Küste zeigt. Eine Felsformation, die sich in der Morgensonne majestätisch aus der Gischt erhebt. Sein Gesicht erhellt sich und er streicht sich gedankenversunken über das Kinn, während er Jons Worten lauscht. Ohne Lippenlesen zu können, weiß ich, was Jon ihm erzählt. Die Legende der Trolle, die vor der Küste versteinert wurden, als sie einen Dreimaster an Land ziehen wollten und vom Sonnenaufgang überrascht wurden, kennt in Island jedes Kind.

„Vielleicht ist er doch Chris Hemsworth?“ Elin verrenkt sich fast den Hals, damit sie den Fremden besser sieht. Ich schmunzle, öffne das Computerprogramm für den Check-in und gebe mein Passwort ein. Rasch überfliege ich die Daten, die ich bereits aus seiner Email entnommen habe.

„Nun ja, zumindest heißt er so ähnlich. In der Anmeldung steht Christian Helm, 35 Jahre, aus Frankfurt am Main.“

„Ehrlich? Vielleicht ist das sein Deckname, damit er den Paparazzi entkommt. Das kann kein Zufall sein, Fanney. Chris und Helm-sworth. Das klingt superähnlich.“ Ich lache auf.

„Elin, wenn Chris Hemsworth sich nicht gerade als Deutscher verkleidet, um inkognito zu bleiben, glaub ich eher nicht, dass das dein amerikanischer Superstar ist.“ Elin schiebt trotzig die Lippe vor.

„Ist auch egal, der Typ ist heiß.“

Ich mustere den Fremden. Sieht er gut aus? Nur eine naive Siebzehnjährige kann sich durch die schicken Klamotten blenden lassen. Er ist definitiv nicht mein Typ. Zu glatt, zu schön. Zu sehr europäischer Städter. Allein die Wildlederschuhe! Ich weiß nicht, was er von unserer Unterkunft erwartet hat, aber es war klar, dass hier nicht unbedingt mit asphaltierten Wegen zu rechnen ist. Da sind mir die bodenständigen Rucksacktouristen, die sich zuweilen in unsere Unterkunft verirren, lieber. Oder Typen wie Jon, die lässig sind und in deren Gesicht nichts zueinander passen zu scheint, sodass man immerzu hinschauen möchte.

Ungeachtet meiner Gedanken, setze ich ein freundliches Lächeln auf, als Jon die Haustür aufreißt, den Gast auf den Fersen. Wie immer schlägt mein Herz schneller, wenn ich mit Jon in einem Raum bin. Ich schwärme für ihn, seit ich denken kann. Doch er gibt mir mit keiner Geste zu verstehen, dass er jemals mehr in mir sehen wird als eine gute Freundin oder schlimmer: kleine Schwester. Sein Beschützerinstinkt, was mich angeht, ist wirklich nervtötend.

Jon stellt das erste Gepäckstück ab. Bevor er wieder nach draußen verschwindet, stoppt er und blickt mich über seine Schulter an:

„Alles gut gelaufen?“ Ich nicke und strahle über das ganze Gesicht.

„Eine kleine Stute. Elin darf den Namen aussuchen.“ Der Gedanke ist mir soeben spontan gekommen und ich höre erfreut Elins Luftholen. Vor Freude hebt sie die Hand an den Mund. Ich sehe an ihren Augen, dass sie bereits nach passenden Namen für das Pferd, ihr Pferd, sucht. Der Gast hat sich interessiert im Raum umgeschaut und aufmerksam die große Islandkarte studiert, die fast eine Wand einnimmt. Jetzt wendet er sich mir zu.

„Willkommen auf dem Atlishof, Herr Helm. Ich bin Fanney Atlisdottir. Ich hoffe, ich darf Christian sagen. In Island duzt man sich. Hattest du eine gute Reise?“, sage ich den Begrüßungsspruch auf Englisch. Ich spreche zwar noch andere Sprachen, aber das hat sich in Island eingebürgert. Wenn mehrere Leute in einem Raum sind, darunter Nicht-Isländer, sprechen alle Englisch miteinander.

Vor unterdrücktem Grinsen beiße ich mir auf die Lippen, als sein Blick irritiert an meiner fleckigen Jeans klebenbleibt. Er runzelt nachdenklich die Stirn, während er gedankenverloren nickt. Mir fallen seine ungewöhnlichen Augen auf. Hellgrün, mit langen Wimpern. Die dunkelblonden, längeren Haare kontrastieren mit seinem gebräunten Teint und diese Kombination verleiht ihm einen kosmopolitischen Touch.

„Warst du schon einmal in Vík í Mýrdal?“ Er räuspert sich.

„Nein, das ist mein erster Aufenthalt in Island.“

Ich habe nichts Anderes erwartet. Während er den Anmeldebogen ausfüllt, habe ich Gelegenheit, ihn weiter zu betrachten. Er hat schöne Hände und mir gefällt seine Schrift, die einen selbstbewussten Schwung aufweist. Ganz der Schriftsteller! Zum Lesen hat er eine anthrazitfarbene Nerdbrille aufgesetzt, die zu ihm passt. Seine gesamte Erscheinung atmet urbanen Wohlstand. Vielleicht ist er doch nicht so erfolglos als Schreiberling. Oder, er schreibt nur als Hobby? So wie er Jons Erläuterungen gelauscht hat, war die Vermutung mit dem Reiseführer wahrscheinlich gar nicht so abwegig. Nennt man Verfasser von Reiseführern eigentlich Schriftsteller?

„Kommst du wirklich aus Deutschland? Du bist kein Amerikaner?“, fragt Elin.

Christian hebt leicht irritiert den Blick: „Ja, ich lebe in Frankfurt am Main. Und nein, ich bin kein Amerikaner.“

„Oh“, haucht Elin „dann musst du den Atlishof unbedingt in deinem Buch erwähnen!“ Überrascht schaue ich zu Elin. Nicht nur, dass sie meine Gedanken zu lesen scheint, sie bekommt Fremden gegenüber sonst nie den Mund auf. Dieser Deutsche gefällt ihr offensichtlich sehr. Sie hat ein Leuchten in den Augen, das ich so noch nie bei ihr gesehen habe. Ich verdrehe innerlich die Augen. Das kann ja heiter werden. Mahnend schaue ich sie an.

„Lass unseren Gast doch erst einmal ankommen, Elin.“ Christian legt den Kopf schief und lacht. Ein sattes, dunkles Lachen, das ansteckt und das ich ihm nicht zugetraut hätte. Automatisch entfährt mir ebenfalls ein Glucksen.

„Okay. Elin, richtig?“, er wendet sich Elin zu und er tut dies auf eine Weise, die dem Gegenüber das Gefühl ungeteilter Aufmerksamkeit gibt. Elin nickt, sichtlich entzückt, dass er sich ihren Namen gemerkt hat.

„Ich werde einen Weg finden, den Atlishof in mein Buch einzubauen. Das zumindest kann ich dir versprechen.“ Ich runzle die Stirn. Wie soll ich das denn verstehen? Einen Weg finden? Was ist kompliziert daran, unser Bed & Breakfast in einem Reiseführer zu erwähnen? Ich seufze. Der Kaffeemangel trübt offensichtlich meinen Verstand. Je eher ich die Anmeldung über die Bühne habe, desto schneller kann ich in die Küche und meinen Entzug stillen. Eine heiße Dusche und frische Klamotten wären auch nicht schlecht.

„Gut, Christian, ich nehme an, du möchtest erst einmal ankommen und dich einrichten.“ Ich klimpere mit dem Schlüssel für Zimmer vier. „Komm, wir gehen nach oben. Jon hat dein Gepäck schon ins Zimmer gebracht.“

Als ich an Christian vorbeigehe, nehme ich seinen Duft wahr. Sofort denke ich an die moosbewachsenen Steine, über die ich im Sommer als Kind balanciert bin, wenn unsere Familie am Ufer des Skóga gepicknickt hat. Ich sehe die gelben Flechten auf den Felsen vor Augen und meine, die Wärme des Steins unter meinen nackten Füßen zu spüren, während das perlende Lachen meiner Mutter zu mir herüberweht. Alles ist warm und hell.

Merkwürdig, diese Sommerpicknicks hatte ich vergessen. Warum lässt ausgerechnet der Duft dieses fremden Mannes die Erinnerung wieder aufleben?

SCHNAPSIDEE

CHRISTIAN

Ich folge Fanney die hölzerne Treppe hinauf, die in den zweiten Stock führt. Ihr glattes, hellblondes Haar, das sich unter dem Kopftuch den Rücken hinunter ergießt, wippt bei jedem Schritt. Mein Blick wird unweigerlich auf ihr recht üppiges Hinterteil gelenkt. Nicht schlecht!

Oh Mann. Was denke ich denn hier? Das muss die Luftveränderung sein. Ich senke den Blick.

Die ansonsten zierliche Frau riecht nach Pferdestall. Innerlich seufze ich. Vielleicht hätte ich mich besser in das Hotel in Vík einquartieren sollen. Ein hässlicher beigefarbener Klotz, der mir sicherlich Anonymität gewährt hätte. Aber die Fotos im Internet von diesem Bed & Breakfast, dem Atlishof, hatten mir den Eindruck von echtem Islandflair vermittelt: ein rotes Haupthaus mit mehreren spitzgiebeligen Nebengebäuden, auf deren Dächern das Gras wächst. Auf den Fotos weidete eine Herde Islandponys auf den Hängen rund um das Haus. Es sollte mich also nicht wundern, dass sie nach Stall riecht. Ich räuspere mich. Gott, was gäbe ich für einen Kaffee. Oder Schlaf.

Auf der Fahrt hierher habe ich Melanie am Handy schon genug vorgejammert, wie grässlich ihre Idee mit dem Nachtflug gewesen ist. Dieser Jon hätte mich nach einer halben Stunde wahrscheinlich am liebsten aus dem Jeep geworfen. Wie ein Kleinkind habe ich gebockt. Bereits als ich das Gate verließ, hatte mich der Mann von oben bis unten gescannt. Ich konnte ihm ansehen, wie er sein Misstrauen hinter Höflichkeit verbarg. Zugegeben, er könnte sich nicht deutlicher von mir unterscheiden. Sieht er doch aus wie ein isländischer Cowboy. Er wirkt wie ein Model aus einem Outdoor-Katalog. Kerniger Blick, pragmatische Kleidung. Und hat ein faszinierendes Gesicht. Eine große Narbe zieht sich über seine rechte Wange und die Gesichtszüge sind fast nicht greifbar. Hochinteressant. Ich speichere alles ab. Vielleicht kann ich dieses Gesicht irgendwann für eine Buchfigur verwenden.

Als ich das Handy endlich weggesteckt habe, darf ich einen phänomenalen Sonnenaufgang erleben, der die schroffe Graslandschaft in ein zauberhaftes Morgenlicht taucht. Einzig die Masten von Hochspannungsleitungen, die sich über die Landschaft ziehen, zeugen von Zivilisation. Ab und an zeigt mir Jon eine auffällige Felsformation oder weist mit der Hand auf das Meer. Und einmal auf einen Vulkan. Das also ist der berühmte Vulkan, der 2010 den europäischen Flugverkehr lahmgelegt hat. Eyjafjall... Okay. Das werde ich wohl nie aussprechen können. Nicht einmal, wenn ich es geschrieben vor mir sähe. Von dieser Sprache kann ich mir gerade mal ‚Takk’, ‚Nei’, ‚Bless’ und ‚Skál’ merken, also Danke, Nein, Tschüss und Prost.

Je mehr Zeit auf der Fahrt verstreicht, desto mehr hebt sich meine Stimmung. Die Landschaft ist atemberaubend und sehr inspirierend. Vielleicht ist die Idee mit Island gar nicht so schlecht gewesen.

Auch Jon taut langsam auf. Ich gebe meiner schriftstellerischen Neugier nach und spreche ihn auf die Narbe an. Viel erfahre ich nicht, nur, dass er bei einem Trip durch Südamerika ausgeraubt wurde und dabei Bekanntschaft mit einem Butterflymesser gemacht hat. Jon scheint mir die Neugier nicht übelzunehmen und gibt bald Geschichten von Trollen und Vulkanen zum Besten.

Da habe ich es gefühlt. Es könnte sein, dass ich hier endlich wieder die Inspiration zum Schreiben finde, die mir seit einiger Zeit abhandengekommen ist.

Fanney öffnet die Zimmertür und ich folge ihr in einen hellen Raum. Sie dreht sich zu mir um und ich kann den Stolz in ihren Augen sehen, als sie meine positive Reaktion auf das Zimmer sieht. Alles ist in einem modernen Landhausstil gehalten. Die Wände sind weiß getüncht, der hölzerne Fußboden hell lasiert. Im Kopfende des Betts prangt eine herzförmige Aussparung, soweit ich das durch den lichten Vorhang, der das Bett aus Kiefernholz einfasst, ausmachen kann. Karierte Zierkissen laden dazu ein, sich sofort auf die Matratze zu werfen und zu entspannen. Ein kleiner Sekretär, versehen mit einem modernen Designstuhl, steht an einer Wand. In der Ecke gegenüber unterstreicht ein Ohrensessel neben einem Kaffeetischchen vor einem Einbauschrank die behagliche Gemütlichkeit. Ich bin erstaunt, wie professionell alles wirkt. Fast wie in einem Fünf-Sterne-Hotel in den Schweizer Alpen. Sicherlich nicht das, was ich auf einem Pferdehof in Island, der Zimmer vermietet, erwartet habe. Ich nicke anerkennend und echte Freude huscht über Fanneys Gesicht. Wirkte sie soeben noch erschöpft und routiniert, fällt mir jetzt umso mehr auf, wie ihre hellblauen Augen aufleuchten. Ihr Gesicht ist großflächig, was durch die hohen Wangenknochen unterstrichen wird. Der Mund ist voll, die Lippen von einem natürlichen Roséton. Sie ist nicht geschminkt. Und dieses helle Haar... Ob ihr bewusst ist, wie natürlich schön sie ist? Sie ist jung. Diese Elin schätze ich auf etwa siebzehn. Fanney wirkt reifer. Sie wird Mitte zwanzig sein. Ob dieser Jon ihr Freund ist? So wie ihr Gesicht aufgeleuchtet hat, als er mit ihr gesprochen hat, nehme ich das an.

Mit raschen Schritten durchmisst Fanney den Raum und öffnet eine schmale Tür.

„Hier ist das Badezimmer. Wir haben erst kürzlich renoviert.“ Ich blicke kurz durch den kleinen Raum, der konsequent den Stil des Hauptraums fortführt. Helle Materialien und schlichte Formen ergeben die perfekte Mixtur aus rustikal und modern. Hier lässt es sich aushalten.

„Danke, Fanney. Ein wunderschönes Zimmer. Wenn ich jetzt einen Kaffee bekommen könnte, wäre ich restlos glücklich.“ Sie strahlt und wirkt erleichtert.

„Ich setzte in der Küche einen auf. Das ist die Tür neben der Islandflagge beim Eingang. Komm einfach runter, wenn du so weit bist. Ich brauche auch dringend einen.“ Damit wendet sie sich ab und lässt mich allein.

Ich lege die Steppjacke über den Schreibtischstuhl, benutze kurz das Bad und schöpfe mir herrlich eiskaltes Wasser ins Gesicht. Während ich mich abtrockne, entdecke ich einen kleinen Austritt vor dem Badezimmerfenster. Ich öffne die Tür. Würzige, kühle Luft schlägt mir entgegen, als sich mir der eindrucksvolle Blick über das Meer offenbart. Einen Moment starre ich sprachlos auf die endlose Weite. Der Hof liegt oberhalb des Ortes Vík, dessen bunte Häuserreihen sich in die Bucht schmiegen. Rechterhand thront auf einem Hügel eine hölzerne Kirche. Sie passt in ihrer skandinavischen Schlichtheit perfekt hierhin. Bei der kargen Szenerie kann ich mir lebhaft vorstellen, wie damals die Wikinger hier gelebt haben.

Ein Gefühl, das ich lange nicht mehr hatte, überkommt mich. Ein Funken der Inspiration, eine Ungeduld, Worte zu Papier zu bringen. Ich werfe das Handtuch achtlos auf den Boden und versuche mich zu entsinnen, in welchem meiner Koffer der Laptop verstaut ist. Erst beim dritten Gepäckstück werde ich fündig und ziehe die flache Schutzhülle heraus. Stirnrunzelnd betrachte ich den Sekretär, bis mir eine Eingebung kommt und ich den Schreibtisch vor das Fenster im Raum verschiebe. Zufrieden setze ich mich auf den bequemen Stuhl und klappe den Laptop auf. Das Meer liegt in seiner Pracht vor mir. Kleine dunkle Punkte sausen durch die Luft und steuern eine Felsformation in der Steilküste an. Ich tippe auf Seevögel. Möglicherweise Papageientaucher, die im Internet auf vielen Islandbildern zu sehen sind. Ich freue mich schon auf die Erkundung der Gegend. Die Trollfelsen, die Jon mir bei der Ankunft gezeigt hat, blinken in der Sonne. Wow! Ich hatte selten einen schöneren Schreibplatz.

Kaum ist der Computer hochgefahren, verharren die Finger über der Tastatur. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich vergebens, die Inspiration, die mich soeben angetrieben hat, in Geschichten zu übertragen. Tief Luft holend starre ich aus dem Fenster auf den Horizont des Meeres.

In meinem Hirn herrscht Leere.

Absolute Leere, die sich schal anfühlt. Ich spüre das Versagen fast körperlich.

Mist! Es klappt nicht. So sehr ich auch nach dem Gedanken greifen möchte, der gerade so präsent war. Er ist weg. Wie ein Traum, an den man sich vergeblich zu erinnern versucht. Frustriert schnaubend klappe ich den Laptop zu und fische nach meinem Handy in der Jackentasche.

„Das war eine Schnapsidee“, poste ich an Melanie. Postwendend klingelt es.

„Nun sei doch mal geduldig, Chris. Hatten wir nicht ausgemacht, dass du dich weniger selbst unter Druck setzt? Komm doch erst einmal richtig an. Hattest du wenigstens einen Kaffee?“

„Im Flieger“, brumme ich in den Hörer.

„Siehst du. Wie soll das klappen? Du hast kaum geschlafen, viele neue Eindrücke und noch nicht mal deinen üblichen Koffeinlevel.“ Seufzend fahre ich mir mit der freien Hand durchs Haar.

„Du hast vermutlich recht. Ich sollte nichts übers Knie brechen. Es war nur .... für einen kurzen Moment habe ich es gespürt. Und dann war es weg, bevor ich auch nur ein Wort aufs Papier bringen konnte.“ Ungeduldig klopfe ich mit den Fingern auf den Schreibtisch.

„Aber das ist doch wunderbar! Sieh es als gutes Zeichen. So eine Schreibblockade geht nicht von heute auf morgen weg. Nimm dir ein paar Tage frei und versuche es dann noch einmal.“ Eine Weile schweige ich ins Telefon, was Melanie, die Stille nie ertragen konnte, nicht lange durchhält.

„Zur Not bringen wir diesen Herbst ein Best-ofoder ein Lexikon heraus. So à la J.K. Rowlings Verzeichnis zu den Fabelwesen in den Harry-Potter-Büchern. Deine Gestaltwandler-Reihe bietet sich dafür hervorragend an. So etwas lieben die Leser.“ Ich schnaube verächtlich. Klar, dass Melanie, wenn sie als meine Verlegerin argumentiert, betriebswirtschaftlich denkt. Aber wäre das nicht ein öffentliches Bekenntnis, dass ich ausgebrannt bin?

Ich seufze und widerstehe dem Drang, das Telefon in die Zimmerecke zu pfeffern.

„Also Melanie. Ich werde mich ein paar Tage ausklinken. Wir sprechen uns.“ Melanie murmelt noch etwas, als ich auflege.

„Sei geduldig!“, wiederhole ich in nachäffendem Tonfall Melanies letzte Worte. Mit beiden Händen reibe ich übers Gesicht.

Kaffee, ich brauche definitiv Kaffee. Und vorher eine Dusche.

Milder gestimmt, wenn auch nicht wie neugeboren, betrete ich zwanzig Minuten später geduscht und umgezogen die Küche. Fanney hantiert am großen Herd und nickt mir lächelnd zu. Ihr Blick bleibt an meiner wattierten Weste hängen. Sie mustert mich einen Moment stirnrunzelnd von oben bis unten und beißt sich auf die Lippe. Als unterdrücke sie eine Anmerkung. Was? Gefällt ihr mein Outfit nicht? Melanie hat mir vor der Reise mehrere Sets bei einem Ausstatter für Globetrotter im Internet bestellt. Garantiert Goretex.

„Magst du nur Kaffee? Ich kann dir auch ein spätes Frühstück servieren.“

„Ja, ich esse gerne etwas. Und dazu viel Kaffee. Am liebsten schwarz und süß.“ Sie reicht mir eine volle Tasse und nickt in Richtung Küchentisch.

„Setz dich doch zu meinem Vater.“

Erst jetzt entdecke ich auf der hölzernen Eckbank einen älteren Mann, der fast mit den Landhausküchenmöbeln verschmilzt. Er trägt einen dieser Island-Strickpullis. Sein Alter ist schwer zu schätzen und er sieht aus, wie sich Klein-Fritzchen einen Seemann vorstellt: wettergegerbte Haut, grauer Bart und verschlossener Gesichtsausdruck. „Zäh“ ist das erste Adjektiv, das mir in den Sinn kommt. Ganz im Gegensatz zu dem „erfrischend“, das ich seiner Tochter zuschreibe.

„Willkommen auf dem Atlishof, Junge.“ Er ergreift herzlich meine Hand und drückt sie mit einem Nicken.

„Sehr erfreut, Herr Atlisdottir. Ich bin Christian Helm aus Deutschland.“

Fanney und ihr Vater schauen mich einen Moment irritiert an und brechen dann in schallendes Gelächter aus. Na toll! Was habe ich Lustiges gesagt?

Prustend versucht Fanney, mir etwas zu erklären, kriegt sich aber kaum ein. Der Vater erholt sich schneller. „Also, mein Junge. Hier in Island nennen wir uns alle beim Vornamen. Und Atli ist mein Vorname. Das ‚dottir’ nach einem Namen bedeutet: Tochter von ... Da ich hoffentlich auch für dich eindeutig ein Mann bin, klingt das ‚Tochter’ schon lustig. Mein Nachname ist Stefansson. Weil mein Vater Stefan hieß.“

Dann sagt er etwas zu seiner Tochter, die sich daraufhin mit einem weiteren unterdrückten Lachen abwendet und in einer Küchenschublade kramt. Mit einer großen Haushaltsschere in der Hand, kommt sie auf mich zu.

„Dreh dich bitte mal um.“ Zu verdutzt, um nachzufragen, wende ich ihr den Rücken zu. Was hat sie vor? Sie wird mir doch nicht etwa die Haare schneiden? Ist das vielleicht die isländische Strafe, wenn man das mit den Töchtern und Söhnen durcheinanderbringt? Ich höre ein Schnittgeräusch im Nacken. Sie hat etwas von meiner Kleidung abgeschnitten.

„Hier, das hätte dich doch nur gejuckt.“ Entgeistert nehme ich das Preisschild des Fleecepullis entgegen.

„Noch irgendwo eins?“ Sie scheint die Frage ernst zu meinen und blickt mich mit erhobener Schere erwartungsvoll an.

„Nicht, dass ich wüsste“, murmle ich und versenke die Nase im Kaffee. Na sauber, jetzt habe ich mich als extremer Island-Ignorant und gleich noch als Fake-Globetrotter geoutet. Meine Antwort auf Fanneys nächste Frage wird diesen Eindruck nicht gerade widerrufen.

„Hast du schon Ausflüge geplant? Jon kann dich überall hinfahren.“ Ich zögere.

„Ich habe erst einmal beschlossen, hier in der Gegend zu bleiben. Das ist besser für mein Buchprojekt.“ Über den Rand der Tasse kann ich die Verwirrung in ihrem Gesicht sehen. Ich erinnere mich an den Spruch des Mädchens bei meiner Ankunft. Auch Fanney wird davon ausgehen, dass ich einen Reiseführer verfasse. Warum sonst war Elin so erpicht darauf, dass ich den Atlishof erwähne? Aber ich sehe keinen Anlass, ihren Irrtum zu korrigieren. Sobald hier jemand herausfindet, wer ich bin, wäre es vermutlich mit der Ruhe vorbei. Ich habe schon Fanpost aus Island erhalten. So schaue ich Fanney nur herausfordernd an. Sie erwidert meinen Blick und mir fallen erneut ihre ungewöhnlich hellen Augen auf. Sie mustert mich forschend. Als durchschaue diese Frau mich ganz und gar und könne in die Tiefen meiner Seele blicken. Eine wohlige Gänsehaut überzieht meinen Nacken. Erst als Atli sich räuspert und nach mehr Kaffee fragt, unterbrechen wir den Blickkontakt.

Fanney füllt die Tasse und wendet sich dann wieder dem Herd zu.

„Wir sind zwar offiziell ein Bed & Breakfast. Du kannst aber gerne bei uns abendessen. Ich koche täglich und es macht mir nichts aus, für dich mitzukochen. Ansonsten hat das Hotel im Ort bis zwanzig Uhr warme Küche.“ Sie wirft einen Blick über die Schulter.

„Bis acht?“, frage ich. Wow! Hier im Dorf ist ja richtig was los. Fanney muss mir die spöttischen Gedanken wohl angesehen haben, denn sie kraust die Nase. Sie wendet sich mir zu und macht mit dem Pfannenwender eine bekräftigende Geste in der Luft.

„Wir haben auch eine Bar.“

Ich hebe belustigt die Augenbrauen.

„Komm doch mal vorbei. Freitagabends ist Live-Musik.“

Ich habe zwar keine Lust, Zeit in einer Dorfkneipe voller isländischer Männer in Strickpullis zu verbringen, doch etwas hält mich davon ab, Fanney vor den Kopf zu stoßen und so nicke ich nur. Zufrieden wendet sie sich wieder dem Herd zu und stellt wenig später einen Teller und mehrere Schälchen auf den Tisch. Jetzt erst merke ich, wie hungrig ich bin. Ich greife nach einer Scheibe Brot und inspiziere den Inhalt der Schälchen.

„Darf ich fragen, was das ist?“ Ich zeige auf Würfelchen in Soße. Im Vorfeld hatte ich mich über die isländische Küche informiert und mit Schaudern von Hammelhoden, fermentiertem Hai und gekochten Schafsköpfen gelesen. Am ersten Tag und vor allem zum Frühstück, bin ich nicht bereit für solche ‚Delikatessen’.

„Das ist Síld. Hering. Das Weiße ist mit Dill und dieses Gelbliche dort mit Honigsenf.“ Aha. Besser als Hoden, aber Hering zum Frühstück ist nicht mein Ding. Sogar das absolute Gegenteil. Ich bin nicht der Fisch-Typ. Skeptisch beäuge ich ein weiteres Schälchen, in dem sich eine dunkelrote Masse befindet.

„Dann ist das hier wohl Hering mit Roter Bete?“ Sie lacht hell auf, wirft dabei den Kopf in den Nacken und entblößt ihren zarten Hals. Ihr hellblondes Haar reicht ihr fast bis zur Hüfte. Der ganze Körper schüttelt sich. Eine Träne aus dem Augenwinkel wischend schüttelt sie den Kopf.

Super. Irgendwie komme ich mir so langsam wie eine Witzfigur vor, die die Alleinunterhaltung der Dame des Hauses bestreitet.

„Nein, kein Hering. Das ist Erdbeermarmelade. Selbstgesammelt und selbstgekocht.“

Jetzt kann auch ich mir ein Lachen nicht mehr verkneifen.

ELIN

FANNEY

Während ich Saga und ihr Junges auf die Weide führe, beobachte ich Christian, wie er in einem der nagelneuen Goretex-Outfits in Richtung Meer joggt. Er hat Humor, denke ich, als ich mich daran erinnere, wie er am Morgen vor ein paar Tagen in mein Lachen eingefallen ist. Seitdem hat sich der Deutsche rargemacht. Sein Tag scheint einem streng durchstrukturierten Ablauf zu folgen, was für Urlauber ungewöhnlich ist. Nach dem Frühstück zieht sich Christian Helm ins Zimmer zurück. Am frühen Nachmittag geht er joggen oder erkundet die unmittelbare Umgebung von Vík. Jon hat ihn zu der großen Höhle, den Skógafällen und sogar dem Flugzeugwrack, das seit dem Absturz von 1973 auf dem Lavafeld liegt, geführt. Also zeigt er doch Interesse an den Sehenswürdigkeiten. Vielleicht schreibt er einen Reiseführer über die Region um Vík í Mýrdal?

Meist putze ich in Christians Abwesenheit Zimmer vier, das außergewöhnlich ordentlich ist. Für einen Mann. Kein Vergleich zu Jons Bude über dem Stall, die ich mich weigere zu betreten, wenn er nicht für mindestens eine halbe Stunde gelüftet hat. Und das, obwohl ich seinen Geruch sonst sehr männlich und angenehm finde.

Nach den Ausflügen verzieht sich Christian bis zum Abendessen wieder in sein Zimmer. Nach acht Uhr sehe ich ihn nicht mehr. Und das, wo er am ersten Morgen das fehlende Nachtleben von Vík verspottet hatte. In der Bar hat er sich jedenfalls noch nicht blicken lassen.

Jon scheint diesem Deutschen misstrauisch gegenüberzustehen. Mich wurmt, dass er sich schon wieder so aufführt wie mein großer Bruder. Wie es seine Art ist, sagt er nichts. Jon würde niemals über andere lästern. Aber ich kenne ihn zu gut. Ein leichtes Zusammenkneifen der Nasenwurzel, ein kurzes Zucken im Mundwinkel, wenn er von dem Schriftsteller spricht, verraten ihn. Ich frage mich, warum das so ist. Ich finde den Deutschen ganz okay. Also, wenn ich mit ihm zu tun habe. Er taut langsam auf und wir haben interessante Gespräche bei den Mahlzeiten. Aber er wirkt nicht glücklich. Etwas scheint ihn zu bedrücken. In Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlt, liegt sogar etwas Trostloses in seinem Blick. Obwohl es mich nichts angeht, ich kenne ihn ja kaum und er ist nur ein Gast, habe ich das Bedürfnis, ihn aufzuheitern.

Weil ich gemerkt habe, es interessiert ihn, kratze ich in meiner Erinnerung isländische Sagas zusammen und erzähle sie ihm. Es hat etwas sehr Gemütliches, Ursprüngliches, wenn wir, zusammen mit Atli, Jon und oft auch Elin, bei den Mahlzeiten sitzen und jeder eine isländische Geschichte vorträgt.

Saga und ihr Fohlen freuen sich an dem herrlichen Wetter und tollen herum. Ich halte das Gesicht in die Junisonne und atme tief durch. Wie immer erfüllen mich die Klänge meiner Heimat mit Zufriedenheit. Das stetige Meeresrauschen, der leichte Wind, das Wiehern der Pferde, das rhythmische Schlagen der Drums, das aus Jons Zimmer zu mir herüberweht. Er probt für den Auftritt am Freitag und automatisch summe ich den Song mit, als ich ihn erkenne. Ich freue mich auf die Probe heute Abend.

Plötzlich nehme ich ein Geräusch wahr, das mich sofort in Alarmbereitschaft versetzt. Ist das ein Schluchzen? Nach einem kurzen Blick auf die Pferde folge ich dem besorgniserregenden Wimmern. Hinter der großen Birke, etwa zwanzig Meter vom Stall entfernt, treffe ich auf Elin. Das Mädchen hat die Stirn auf ihre angewinkelten Beine gelegt und umschlingt diese mit beiden Armen, während sie sich dem Weinkrampf hingibt, der mich hergelockt hat. Sofort knie ich mich neben sie. Was hat sie? Ich hoffe nicht, dass es sich um Liebeskummer wegen unseres deutschen Gastes handelt. Behutsam berühre ich ihr Haar.

„Elin“, flüstere ich. Sie zuckt ertappt zusammen. Ihr Weinen wird stärker. Eine Weile sitzen wir nur da und ich streichle sie. Mit beruhigender Stimme fange ich an zu erzählen, was mir gerade in den Sinn kommt.

„Weißt du, das ist auch mein Lieblingsplatz hier unter dem Baum. Wenn ich als Kind traurig war, bin ich oft hierhin gekommen. Den Baum haben meine Eltern gepflanzt, als ich zur Welt kam. Und trotz des Meerwinds hat er sich prächtig entwickelt, oder? Ich glaube, das ist sogar der einzige Baum in Vík. Ach nein, die Eberesche bei der Kirche ist älter als diese Birke hier.“ Elins Schluchzen wird leiser. Ich seufze. „Das letzte Mal habe ich hier gesessen, als meine Mutter gestorben ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Baum heilende Kräfte hat. Spürst du es, Elin?“

Als sie den Kopf hebt, entfährt mir ein entsetzter Laut. Ihre Wange ist geschwollen und es zeichnet sich eindeutig der Abdruck einer Hand ab. Ich hätte mich zusammenreißen sollen, denn Elin wirft sich in meine Arme und weint hemmungsloser als zuvor.

„Was ist passiert? Wer hat dich geohrfeigt?“

Elin antwortet eine lange Weile nicht. Ich spüre, wie sie sich in meinen Armen langsam beruhigt. Als ihr nur noch vereinzelte Schluchzer entfahren, sagt sie: „Dagur.“ Ich ziehe scharf die Luft ein. Ihr Vater hat sie bestraft? Die süße, friedfertige Elin! Wie konnte er nur? Während ich mich zusammenreißen muss, nicht sofort zu Dagurs Haus zu laufen, um ihm die Polizei oder Jon oder mich selbst auf den Hals zu hetzen, erzählt Elin mit monotoner Stimme: „Er hat behauptet, ich wäre eine Hure.“ Ich tätschle beschwichtigend ihren Arm.

„Wie kommt er darauf?“, frage ich.

„Weil ich Samstagnacht nicht daheim war.“ Nach kurzem Nachdenken fällt es mir ein. Samstag hat Elin die Nacht in Sagas Box verbracht, damit sie mir Bescheid geben kann, wenn die Geburt beginnt. Ich war so müde vom Freitags-Gig in der Bar, dass ich dankbar Elins Angebot angenommen hatte und früh zu Bett ging. Ich bin davon ausgegangen, dass ihr Vater Bescheid wüsste. Jetzt ärgert mich meine Gedankenlosigkeit.

„Hast du es ihm denn nicht gesagt?“ Elin zuckt mit den Achseln.

„Er bekommt normalerweise sowieso nicht mit, ob ich da bin oder nicht. Seit Mama wegging ... ist er meistens betrunken.“ Ich seufze. Das letzte Mal, als ich Dagur erlebt habe, es muss vor ungefähr zwei Monaten gewesen sein, war er sturzbesoffen und musste aus der Bar entfernt werden, bevor er eine Schlägerei angezettelt hat. Seitdem hat er dort Hausverbot. Seinen Job hatte er bereits kurz nach dem Fortgang von Elins Mutter verloren. Er muss sozial total isoliert leben. Kein Wunder, dass Elin immer mehr Zeit auf unserem Hof verbringt. Jetzt mache ich mir Vorwürfe. Ich hätte früher erkennen müssen, dass Dagur kurz vor dem Ausrasten steht. Aber Elin hat mit keinem Wort erwähnt, wie schlimm es bei ihr Zuhause zugeht.

Zuhause? Ein Zuhause sollte ein Ort der Geborgenheit sein.

Ich verstärke meine Umarmung.

„Du wohnst ab heute bei uns. Wir haben genug Platz.“ Elin hebt den Kopf und reißt die Augen auf.

„Ehrlich?“ Ich nicke. Ihre Gesichtszüge entgleisen.

„Das wird er niemals dulden. Er braucht mich doch für den Haushalt, die Wäsche und um seinen Dreck wegzumachen.“ Ich schnaube abfällig.

„Pah, dann muss er dich schon holen kommen. Und an mir kommt er nicht vorbei. Und an Jon und Atli.“

Wie erleichtert bin ich, als Elin sich entspannt.

„Und an Christian“, wispert sie und ein Hauch ihres üblichen Lächelns zeigt sich in ihren Augen. Ich seufze und streiche ihr über den Arm.

„Du bist echt verknallt in den Typen, oder?

„Ich weiß nicht. Er ist einfach soo süß.“

„Na ja, süß ist nicht alles.“

„Ja, aber er ist auch so aufmerksam und klug und kann so gut erzählen. Und er ist der netteste Typ, den ich je getroffen habe. Findest du nicht?“ Ich grinse Elin an, froh, sie ablenken zu können.

„Neee, der ist so was von nicht mein Typ.“

„Aha, wie ist denn dein Typ?“ Ich stoße die Luft aus. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Elin schaut mich so erwartungsvoll an, dass mir nichts Anderes als die Wahrheit übrigbleibt. Na sagen wir mal: die halbe Wahrheit.

„Ich steh` eher auf Musikertypen.“

„Ah, Musiker. So wie Jon?“, fragt Elin mit einem interessierten Schniefen nach. Verdammt!

„Nein, wie Andri. Das ist ein Gitarrist, mit dem ich mal zusammen war und der mir gezeigt hat, dass Männer dir viel erzählen, wenn der Tag lang ist.“ Elin kneift nachdenklich die Augen zusammen.

„Was hat er getan?“, fragt sie und ich registriere zufrieden, dass mein Ablenkungsmanöver geholfen hat. Seufzend zucke ich mit den Schultern.

„Fragt sich, wer was getan hat. Ich habe lange gebraucht, mich auf ihn einzulassen, obwohl ich total auf ihn stand. Als ich endlich so weit war, hat er wohl nicht mehr an unsere Liebe geglaubt. Vielleicht war ihm aber auch seine Karriere wichtiger. Er hat um die Zeit einen Plattenvertrag bekommen.“

„Wow. Ist er ein berühmter Musiker? Kenne ich was von ihm?“ Ich wuschle Elins Haar. Sie ist so süß und unschuldig.

„Nein, das ist nicht dein Musikgeschmack. Er macht eher Indie-Zeugs. Nichts aus den Charts.“ Elin legt neugierig den Kopf schief.

„Und dann? Hatte er ein Groupie?“

„Groupie? Kann sein. Auf jeden Fall eine Managerin. Er hat mich von heute auf morgen verlassen. Das Schlimmste war, dass er vorher kein Wort gesagt hat und einfach weg war. Dabei hat er kurz vorher noch gesagt, er liebt mich.“ Nachdenklich schaue ich auf den Kirchturm. „Irgendwie war es okay so. Ich war nicht ganz bei der Sache“, murmele ich vor mich hin.

„Ach, lass mich raten: Du hast für Jon geschwärmt? Warum seid ihr zwei eigentlich kein Paar? Ihr wärt echt süß zusammen.“

Ich verdrehe die Augen. Das wird mir nun zu bunt.

„Jon ist mein bester Freund. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Ich erhebe mich, klopfe die Jeans ab und halte Elin die Hand hin.

„Komm, Elin. Lass uns deine Wange kühlen und dann zeige ich dir etwas, was dich ablenken wird.“ Sie ergreift die Finger und lässt sich von mir hochziehen. Als sie steht, lächelt sie mich an.

„Christian würde sicherlich keine Herzen brechen. Dafür ist er einfach zu toll. Mir wird etwas einfallen, dass er auf mich steht.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Viel Erfolg, dabei, Elin!“, lasse ich ihr die Illusion.

Als wir an der Pferdekoppel ankommen, schnaubt Saga und schnüffelt auf der Suche nach Leckerbissen an meiner Jackentasche. Elin sinkt auf die Knie und vergräbt einen Moment die Stirn am Hals des jungen Tiers. Ich schmunzele, weiß ich doch, wie gut das tut.

„Hier, du Vielfraß!“ Ich halte Saga eine Karotte hin und kraule ihr über die weiße Blesse.

„Lilia“, sagte Elin plötzlich. Erst begreife ich nicht, bis mir aufgeht, das könnte der Name für das Fohlen sein. Einen Moment lang bin ich sprachlos. In meinem Inneren wütet ein Sturm seit Jahren unterdrückter Gefühle. Ich wende mich ab, um mich zu sammeln.

„Ein schöner Name, Elin“, sage ich mit zittriger Stimme.

„Ja, mir ist aufgefallen, dass die Blesse wie eine Lilie ausschaut, findest du nicht auch, Fanney?“ Sie erhebt sich.

„Ja, das stimmt. Der Name ist perfekt. Du kannst es nicht wissen, aber damit machst du mir eine große Freude, Elin. Lilien waren die Lieblingsblumen meiner Mutter. Die Geburt von Saga haben meine Mutter und ich zusammen erlebt. Kurz darauf ist sie gestorben. Du hättest keinen besseren Namen wählen können.“

„Oh Fanney, das wusste ich ja nicht. Es tut mir leid, wenn ich dich traurig gemacht habe. Das wollte ich nicht!“ Elin fällt mir um den Hals und drückt mich fest. Einen Moment lang genieße ich ihre Zuwendung. Elin ist einfach toll und ich wünsche mir so sehr, dass sie ihr Glück findet.

„Ist schon okay, Elin. Das Leben geht weiter, wie du siehst.“ Mit einem Kopfnicken deute ich auf das Fohlen, das, den Kopf gegen Sagas Flanke gepresst, gierig Milch saugt.

Jetzt hat das Fohlen also einen Namen. Lilia.

Ein sehr schöner Name.

ELFENPRINZESSIN

CHRISTIAN

„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Es tut gut, den Frust ungefiltert gegen das raue Meer zu brüllen. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen und so lasse ich mich gehen. Ich nehme eine Handvoll schwarzen Lavasands und werfe ihn meiner Tirade hinterher. Leider mit dem Effekt, dass mir der Wind die Hälfte davon in die Augen bläst. Heute Morgen war ich drauf und dran, alles zusammenzupacken. Auf den Laptop starren kann ich schließlich auch in Frankfurt. Ich hatte mir erhofft, dass mich Island, das Land, in dem es sogar eine Elfenbeauftragte gab, zu Geschichten inspiriert. Aber ich werde schier wahnsinnig. Mein Hirn ist blank. Nein, das stimmt nicht, es summt. Leider nicht vor Geschichten, sondern vor Panik und Verzweiflung. Diese schrecklichen Nächte, die keine richtigen Nächte sind. Immerzu ist es hell und ich komme nicht zur Ruhe. Der Schlafmangel ist eine zusätzliche Herausforderung zu der nervigen Trägheit meiner Fantasie.

Als ich den Hof erreiche, habe ich mich ein wenig beruhigt. Seufzend werfe ich die Steppjacke, die ich heute erstmals offen über dem Laufshirt getragen habe, weil es an die fünfzehn Grad war, auf das Bett. Der Himmel zieht sich gerade zu, obwohl vorhin alles nach einem makellosen Tag aussah. Das Wetter hier wechselt innerhalb von Minuten. Nach einer kurzen Dusche schalte ich die kleine Leselampe an.

„Jammern hilft nicht. Versuch es!“, rede ich mir selbst gut zu und klappe den Laptop auf. Anstatt zu schreiben, surfe ich zum x-ten Mal sinnlos im Internet. Währenddessen kommen mir immer wieder die Worte meines Bruders Thomas in den Sinn.

„Geh´ doch nach Island, Mann. Ich glaube, du musst einfach mal raus aus Frankfurt. Du wirst sehen, das gibt deiner Kreativität einen Kick und die Schreibblockade ist weg. Und wenn du mich fragst, könnte ein wenig Abstand von der Beziehung zu Melanie nicht schaden. Ihr seid ein unschlagbares Team. Aber ihr klebt privat und beruflich zu dicht aneinander.“

Ich reibe seufzend meine vom Starren auf den Bildschirm müden Augen. Abstand. Genau das fühle ich hier an diesem Ort, fern von allem, was ich kenne. So viel Abstand, dass ich mir vorkomme, wie in einem anderen Leben. Fühlt sich so Einsamkeit an? Ich drehe noch durch. Rasch wähle ich Thomas´ Nummer. Er kann mich immer aufheitern. Aber ich erreiche ihn nicht.