2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €
Natürlich war niemand begeistert, als ich auftauchte und mich durch die umherstehenden Männer drängte. Nur dem Toten war's egal. Der betrachtete ohne Hingabe das kleine Stückchen hartgetrockneten Lehmboden vor seiner Nasenspitze und hatte alles weltliche weit hinter sich gelassen. Hier auf dem Land, wo keiner dem anderen ein Leid antat, glaubte man an das Gute und hielt vor allen Dingen den Mund, wie ich schnell merkte. Es war nur ein kleiner ländlicher Unfall mit Todesfolge, wie man mich glauben machen wollte. Tragisch? Ja, aber das Leben geht weiter, wenn man nicht weiter nachfragt. Nicht weiter schlimm, Schwamm drüber. So hätten die lieben Landleute sich das wohl gewünscht. Dumm war die Tat, dummdreist und verschlagen die Täter.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2023
Schweine
1
Die Männer in den grünen Overalls traten erst zur Seite, als ich sagte:
>>Dürfte ich mal?<<
Schweiß lief ihnen über die Gesichter und hatte Flecken auf ihren Overalls gebildet. Ich schob mich zwischen den Männern hindurch und traf auf die Kollegen aus dem Streifenwagen, der in der Hofeinfahrt stand. Sie hatten die Hände in den Taschen und begutachteten den vor ihnen am Boden liegenden Mann. Der Mann sah nicht mehr besonders gesund aus, was man auch nicht erwarten konnte. Auch er trug einen grünen Arbeitsanzug, allerdings vergleichsweise sauber und zweiteilig. Unter der offenstehenden Arbeitsjacke trug er nur ein Unterhemd, soweit man das in seiner verdrehten Position am Boden erkennen konnte. Ein ausgedehnter Blutfleck hatte sich im Schritt seiner Arbeitshose gebildet. Sein rundes, rötliches Gesicht war verzerrt, doch die Anspannung verlor sich langsam und es würde bald einen gleichgültigen Ausdruck angenommen haben. Rote Äderchen auf seiner Nase und auf seinen Wangen hatten ein feines Netz gebildet. Seine wässrig blauen Augen blickten auf einen unendlich weit entfernten Punkt auf dem Boden dicht vor seiner Nase. Einer der uniformierten Kollegen kam auf mich zu und baute sich vor mir auf.
>>Bleiben sie bitte zurück!<<
Forderte er mich auf. Ich hielt ihm meinen Dienstausweis hin und fragte leicht befremdet:
>>Was ist denn hier los? Was machen die ganzen Leute hier?<<
Die Männer in den Overalls sahen uns interessiert an. Der Kollege studierte sorgfältig den Ausweis, bevor er antwortete. Halb fragend, halb feststellend sagte er:
>>Aha..., Kommissar Frey aus Duisburg?!<<
Scheinbar war hier niemand wirklich glücklich, über meine Anwesenheit. Ich nickte kurz.
>>Ganz richtig, wir haben das hier übernommen.<<
Ich blickte auf die umherstehenden Männer und sagte:
>>Und sorgen sie bitte dafür, dass hier niemand mehr herumläuft, dann sind vielleicht sogar noch einige brauchbare Spuren zu retten.<<
Er setzte meinen Vorschlag unaufgeregt um und schickte die umherstehenden Männer. Ihre Füße erzeugten bei jedem Schritt quietschten Geräusche in den Gummistiefeln als sie sich zögerlich entfernten. Ich bat die Kollegen:
>>Klärt mich mal auf! Was haben wir hier?<<
>>Das ist Walter Konniks, ihm gehört das Ganze hier.<<
Ich nickte und ließ meinen Blick über das Gelände schweifen.
>>Und was ist das “Ganze“ hier?<<
Sie sahen mich an, als ob ich das wissen müsste.
>>Das hier ist Konniks Schweinemast. Einer der größten Betriebe hier in der Gegend - über 6000 Tiere.<<
Erklärten sie, wobei mich beinahe strafende Blick trafen. Möglicherweise erfasste ich die Bedeutung dieser Information einfach nicht.
>>Ok.<<
Unbeeindruckt sah ich auf den am Boden liegenden Mann herab.
>>Und das hier ist?<<
Sie warfen sich zweifelhafte Blicke zu. die alle Zweifel in sich trug. Zweifel an meiner Zuständigkeit und Kompetenz schätzte ich. Die Kompetenzfrage, war schwer zu beantworten, das würde sich noch zeigen. Die Zuständigkeitsfrage war allerdings eindeutig geklärt, nachdem Dr. Althoff mich früher am Morgen angerufen hatte. Er war sofort auf den Kern seines Anliegens gekommen.
>>Dr. Althoff hier. Sie sind schon wach, Herr Frey - das ist gut.<<
>>Dr. Althoff?<<
Hatte ich, noch nicht ganz wach, gefragt.
>>Das ist richtig Herr Frey. Fahren sie bitte gleich ins Hauptpräsidium Wesel. Wir wurden gebeten dort einen Fall zu übernehmen. Genaueres werden sie von den Kollegen vor Ort erfahren.<<
Ich hatte nicht viel verstanden, doch soviel war klar, Wesel gehörte nicht zum Duisburger Wirkungsbereich.
>>Wesel?<<
Etwas hatte in seiner Stimme gelegen, das ich nicht einordnen konnte, als er bestätigte:
>>Richtig Herr Frey. Es ist schon alles geklärt. Man erwartet sie dort.<<
Ich war mir mit Daumen und Zeigefinger über die Augen gefahren und hatte mir leicht ins Nasenbein gekniffen.
>>Um was geht es denn überhaupt, Dr. Althoff?<<
Er unbehaglich geantwortet, oder besser, nicht geantwortet:
>Das erfahren sie dort und es eilt.<<
Nach kurzem Schweigen hatte er sich doch zu einer Art erklärung durchgerungen.
>>Das kommt aus Düsseldorf - wir übernehmen das - betrachten sie das als Amtshilfe.<<
Weiter Informationen hatte Dr. Althoff für unnötig gehalten. Mein Versuch, das Unglück - doch noch abzuwenden, hatte keinen Erfolg gehabt.
>>Aber was habe wir damit zu tun? Kann Kleve da nicht einspringen? Ich meine, die wissen auf dem Land doch viel besser Bescheid, als ich. Die sollten da unter sich bleiben. Schafe und Ziegen - damit kenne ich mich doch wirklich nicht aus.<<
Verstimmt hatte er mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich noch immer keine Dienstwaffe trug:
>>Sie hätten das schon längst klären können, das wissen sie...<<
Er hatte eine kurze Pause gemacht, um die Wirkung seiner Worte zu steigern, während ich leise in mich hinein geflucht hatte. Sicher, nach der Sache im Winter wurde mir allzu leichtfertiger Umgang mit der Waffe vorgeworfen. Unausweichlich, war eine Untersuchung gefolgt, die noch andauerte. Woran ich nicht ganz unschuldig war. Dem Gespräch mit dem Polizeipsychologen war ich bisher erfolgreich ausgewichen. Das war es, was Dr. Althoff nun gegen mich vorbrachte.
>>Solange das nicht geklärt ist, wird es für sie nur Fälle geben, in denen sie nicht in Gefahr laufen, erschossen zu werde, oder zur Waffe greifen zu müssen. Das werden sie doch sicher verstehen. Es liegt ganz bei ihnen und wie sie richtig festgestellt haben:
>>Mit Schafen und Ziegen sollte es ja wohl keine größeren Probleme geben!? Da bin ich mir sicher.<<
Ich hatte nicht gefragt, wie er sich da so sicher sein könne, sondern war pragmatisch geblieben.
>>Verraten sie mir auch, was ich da machen soll?<<
Das hatte er vermutlich als rhetorische Frage aufgefasst.
>>Wie gesagt, fahren sie nach Wesel, man erwartet sie schon, die Kollegen werden sie dann mit den Details vertraut machen.<<
Nach dem Gespräch hatte ich das Laken zur Seite geworfen und mich auf die Bettkante gesetzt. Schließlich, nach einer Weile war ich aufgestanden, hatte mich unter die Dusche gestellt und das Wasser angedreht. Anrufen dieser Art misstraute ich seit der Sache mit dem Flüchtlingskind im Winter grundsätzlich. Dr. Althoff wusste, wen er anrufen würde, wenn es unangenehm werden könnte. Ich drehte das Wasser kälter. Es kühlte seit Wochen nicht mehr ab. Das Thermometer bewegte sich kaum noch die dreißig Grad Marke. Man sprach von einer Hitzewelle. Genügend abgekühlt, hatte ich mich abgetrocknet, frische Sachen angezogen, ein Toastbrot mit Kaffee herunter gespült und hatte mich auf den Weg gemacht. In Wesel hatte man mich nicht unbedingt mit überschwänglicher Freude empfangen, sondern mich kurzerhand dahin geschickt hatten, wo ich jetzt war. Der uniformierte Kollege sah mich forschend an. Ich wiederholte meine Frage:
>>Also, sie kennen den Mann?<<
Seine Zweifel an meiner Zuständigkeit schienen noch nicht ganz ausgeräumt zu sein, denn er beäugte mich noch immer argwöhnisch.
>>Natürlich, jeder kennt Walter Konniks hier in der Gegend. Die Beschäftigten hier haben ihn heute früh so aufgefunden.<<
Ich ließ meinen Blick über das Betriebsgelände schweifen.
>>Nach Arbeitsunfall sieht das ja nicht gerade aus.<<
Ich sah wieder die Kollegen an.
>>Der Arzt war schon da?<<
>>Ja, die Beschäftigten haben zuerst den Notarzt gerufen, der ist aber schon wieder weg. Wir selber haben hier noch nichts unternommen - Anweisung von oben.<<
Ich sah ihn an.
>>Und das heißt was?<<
Er sah mich an:
>>Das heißt, wir haben auf sie gewartet.<<
>Ok.<
Ich sah mich wieder um und sagte dann, leicht genervt:
>>Na dann ruft doch bitte mal die Spurensicherung und den zuständigen Polizeiarzt, damit wir hier fertig werden und die Leiche hier weg kann. In der Hitze wird uns der Herr Konniks sonst noch schlecht.<<
Die Beschäftigten des Betriebes, das waren die Männer in den grünen Overalls, hatten sich zu dem weißen Steinbau begeben. Sie standen beisammen vor dem Gebäude und diskutierten verhalten das Geschehen. Ich ging zu ihnen.
>>Guten Morgen, Kommissar Frey. Jemand von ihnen hat den Herrn Konniks heute morgen gefunden!?<<
Ihre Blicke richteten sich auf einen Mann um die dreißig. Er trat hervor.
>>Das war ich.<<
Ich nickte.
>>Gut. Erzählen sie mal!<<
>>Was soll ich sagen?<<
>>Vielleicht, wie es dazu kam, dass sie den Herrn Konniks gefunden haben!? Das wäre schon mal super für den Anfang.<<
Er nickte.
>>Ich kam aus Anlage eins.<<
Er deutete auf den ersten von vier länglichen Bauten weiter hinten auf dem Gelände.
>>Mir ist der Chef erst gar nicht aufgefallen wie er da lag. Nur weil ich noch einmal zurück in die Anlage gegangen bin, ist er mir überhaupt aufgefallen.<<
>>Das war wann?<<
Er zuckte mit den Schultern.
>>Muss so gegen sieben Uhr gewesen sein.<<
Ich nickte. Dann hatte sich dieser kleine ländliche Unfall ja schnell herumgesprochen. Düsseldorf musste früh informiert worden sein. Ich fluchte in mich hinein.
>>Ok, geben sie bitte ihre Namen und Adressen dem Kollege der gleich zu ihnen kommen wird - also bitte nicht weggehen.<<
Nur die Einfahrt des Hofes war gepflastert, im rechten Teil des Areals standen die vier sich gleichenden Gebäuden, deren Wände im unteren Teil gemauerten waren, im obere dagegen aus Profilblech bestand. Das Blech und die Dächer - ebenfalls aus Blech - waren grün gestrichen. Jedes Gebäude war sechzig bis achtzig Meter lang. Die schmale Lichtklappen unterhalb der Dachkante waren zur Hälfte offen. Auf dem nackten Blech des Daches flimmerte die Hitze, sodass man befürchten konnte, das sich die Farbe ablösen würde. Ich ging zum erste Gebäude. Erst aus der Nähe sah man wie groß sie tatsächlich waren. Wenigstens sieben bis acht Meter hoch. Ich schaute zurück. Die Leute beobachteten mich. Von der Gebäude Längsachse ausgehend lag die Leiche in gerader Linie zu dem das Gelände eingrenzenden Zaun. Rechter Hand, nahe der Zufahrt, war der winzige Steinbau, das Mauerwerk aus rohem, unverputzten weißen Stein wirkte etwas unfertig. Ich zuckte mit den Schultern - es war halt ein Funktionsbau. Ich lenkte meinen Blick wieder auf die länglichen Gebäude. Der Konniks musste von da gekommen sein. Ich lief also zielstrebig auf das Gebäude zu und landete vor einer Metalltür aus verzinktem Blech, die mit einem Riegel verschlossen war. Ich zog an dem Riegel. Er bewegte sich nicht. Grund dafür war ein glänzendes Vorhängeschloss. Hinter mir ertönte laut eine aufgeregte Stimme. Ich fummelte derweil am Bügel des Schlosses herum. Er war nicht im Schloss eingeschnappt. Noch bevor ich den Bügel aus dem Riegel gefummelt hatte, erreichte mich die zeternde Stimme samt dem dazugehörigen Körper. Ich zog ruckartig an dem Schloss. Eine Hand griff an mir vorbei und drückte den Bügel ins Schloss. Verdutzt sah ich über meine Schulter.
>>Da können sie nicht rein.<<
Hörte ich eine dreiste Stimme hinter mir. Ich drehte mich um, immer noch unsicher, ob ich tatsächlich gemeint war. Der Mann der mir gegenüber stand ließ daran aber keinen Zweifel aufkommen. Groß, sehr blond, doof, baute er sich vor mir auf. Ich sah in sein schmales, weiches Gesicht. Seine blitzsaubere, beige Latzhose unterschied ihn von den anderen Beschäftigten. Sein aufdringliches Aftershave hatte sich mit Schweiß zu einem unvorteilhaften Gemenge vereint. Er roch muffig und verschwitzt wie nach körperlicher Arbeit.
>>Und warum sollte ich das nicht können?<<
Er war etwas außer Atem.
>>Das geht nicht, das vertragen die Tiere nicht. Die Aufregung schadet den Tieren.<<
Ich beschäftigte mich wieder mit dem Schloss.
>>Und wenn ich da aber rein müsste?<<
Er machte einen Schritt vor.
>>Das geht nicht.<<
>>Und sie sind wer?<<
Nicht dass ich mich aufregte, aber der Typ ging mir schon nach wenigen Worten auf den Keks.
>>Lankers, ich bin hier der Betriebsleiter.<<
Ich nickte.
>>Schön, und ich bin hier für die Ermittlungen zuständig - Also bitte....!<<
Nur weil ich bei der Polizei war, hieß das ja noch nicht gleich, dass man mich verarschen konnte. Er schien das aber fest zu glauben und stellt sich entschlossen vor die Tür.
>>In die Ställe kann ich sie nicht lassen.<<
Ich fragte mich, ob ihm die gute Landluft aufs Gehirn geschlagen war.
>>Das müssen sie aber, und wenn sie die Tür jetzt nicht freiwillig freigeben, dann können sie mich gleich mit ins Präsidium begleiten.<<
Er sagte aufgebracht:
>>Sie dürfen nicht in die Ställe reinlaufen. Damit würden sie unsere gesamten Tierbestände gefährden. Sollten sie oder einer ihre Leute in die Ställe eindringen, könnte das einen erheblichen Schaden verursachen.<<
Ich hatte keine Ahnung, ob da was dran war. Ich nickte und nahm die Hand von dem Riegel - vorerst.
>>Gehen sie bitte wieder zu den anderen und lassen uns unsere Arbeit machen. Meine Kollegen werden dann noch ihre Anschrift notieren und ihnen ein paar Fragen stellen.<<
Er entfernte sich misstrauisch. Kopfschüttelnd sah ich ihm nach.
>Was weiß ich denn schon über den Scheiß hier?<<
Ich entfernte mich von dem Ställen und suchte nach Schatten. Die Sonne brannte mir im Nacken. Nahe der Zufahrt war eine Art Metallkäfig. Das Ding war über zwei Meter hoch und hatte einen Durchmesser von ungefähr zwei Metern. Obendrauf saß ein flaches Holzdach, auf dem man Teerpappe festgenagelt hatte. Das Dach warf einen, in der noch tief stehenden Morgensonne, länglichen Schatten. Ich lehnte mich gegen die Gitterstäbe der Errichtung und versuchte mich möglichst wenig zu bewegen. Ich war durstig und fühlte mich ausgetrocknet. Kein Lüftchen regte sich. Die Zeit wollte nicht verstreichen. Irgendwann trudelten der bestellte Polizeiarzt, die Spurensicherung und etwas später ein grauer Transporter auf das Gelände - der Leichenwagen. An Bord war, neben den Bestattern, noch eine leger gekleidete Person. Ich sah mir die entstehenden Aktivitäten von meinem schattigen Plätzchen aus an. Die leger gekleidete Person sprach mit den Kollegen die zuerst vor Ort gewesen waren, dabei fiel hin und wieder ein Blicken in meine Richtung. Daraufhin ging die leger gekleidete Person zum verstorbenen Walter Konniks und machte sich an ihm zu schaffen: Er leuchtet in die Pupillen des verstorbenen, fühlte den Puls und winkte ab - nichts mehr zu machen, der Mann war tot. Weitere Fahrzeuge trudelten ein. Die Männer der Spurensicherung stellten Markierungskärtchen an markanten Stellen auf und machten Fotos. Dann war der Arzt wieder dran und begutachtete sorgfältig die Verletzungen des Verstorbenen. Er knöpfte dessen Hose auf und legte die Verletzungen frei..., hinter mir hörte ich ein leises Scharren. Zuerst beachtete ich es nicht bewusst. Dann hörte ich ein keuchendes Husten. Zögerlich löste ich den Blick von der Szene vor mir, stieß mich von den Gitterstäben ab und drehte mich langsam um. Der Zwinger war leer, bis auf eine Hundehütte auf nacktem Beton. Das Geräusch musste aus der Hütte gekommen sein. Ich beugte mich etwas vor, um in die Hütte sehen zu können. Vor der Hütte stand ein einsamer, leerer Napf in dem noch vertrocknete Futterreste klebten. Ich erblasste.
>>Das darf doch jetzt nicht wahr sein...<<
Ich schnalzte mehrmals mit der Zunge und lockte:
>>Komm doch mal raus!<<
Sehen konnte ich in der dunklen Hütte nichts, aber das kratzende Geräusch war wieder zu hören. Ich ging um den Zwinger herum und suchte den Zugang. Es war eine, mit einem Bügelschloss verriegelte Gittertür. Ich zog am Bügel des Schlosses, es war eingeschnappt.
>>Mist!<<
Fluchte ich leise und sah mich nach den Angestellten um, die noch immer vor dem Steinbau, bei ihren Autos standen und sich unterhielten. Ich pfiff um auf mich aufmerksam zu machen und winkte der Gruppe zu. Sie sahen sich gegenseitig fragend an bevor sich jemand aus der Gruppe löste auf den Weg zu mir machte. Es war der Blonde, der mich an den Ställen aufgehalten hatte. Als er mich erreicht hatte fragte ich mit mäßig unterdrückter Wut:
>>Wer hat denn den Schlüssel für den Scheiß hier?<<
Er zuckte mit den Schultern und sah mich unberührt an.
>>Der Herr Konniks. Warum?<<
Ich ersparte mir die Antwort. Die Männer der Spurensicherung berieten sich mit dem Polizeiarzt. Ich ging hin und zeigte meinen Dienstausweis vor.
>>Kommissar Frey - schon was in den Taschen des Toten gefunden?<<
Sie musterten mich ausdruckslos. Einer meinte:
>>Wir haben schon gehört, das ihr aus Duisburg hier zuständig seid.<<
Ich nickte:
>>Sieht so aus..., war denn was in den Taschen?<<
Er deutete mit dem Kinn auf ein Stück Plastikfolie, auf der sie Tascheninhalt ausgebreitet hatten.
>>Das ist alles.<<
Ich sah hin.
>>Kein Schlüsselbund dabei?<<
Der Kriminaltechniker sah auch noch einmal hin und sagte trocken:
>>Wenn keins da liegt, ist auch keins da.<<
Ich sah den Meister des logischen Verstandes humorlos an.
>>Sie haben nicht zufällig einen Bolzenschneider zur Hand?<<
Er fragte verwundert:
>>Doch..., haben wir, warum?<<
Ich antwortete so, dass er mich verstand:
>>Na weil ich einen brauche.<<
Er rief einem Kollegen zu, der in der Nähe ihres Transporters stand:
>>Bring mal den Bolzenschneider mit..., für den Kommissar.<<
Ich ging dem Mann entgegen und nahm ihm das Werkzeug ab. Das Schloss der Käfigtür gab ohne großen Widerstand nach. Ich stieß das quietschende Gitter auf, beugte mich zur Hütte herunter. Ein leises Winseln war zu hören, sehen konnte ich aber immer noch nichts. Ich kniete mich vor die Hütte und sagte in freundlichem Ton:
>>Komm doch mal raus, damit ich dich sehen kann.<<
Ich hörte ein Scharren. Vorsichtig, mit Mühe und gesenktem Kopf tauchte ein zerzauster Hund auf. Nur noch aus Haut und Knochen bestehend. Mit matten Augen sah er mich ängstlich an. Ich sagte:
>>Komm doch mal her! Du brauchst doch keine Angst zu haben.<<
Der Hund blieb mit gesenktem Kopf wo er war. Ich richtete mich auf und dachte wieder:
>Was ist das denn für ein Scheiß hier?<
Ich sah mich um. Die Angestellten beobachteten mich interessiert. Ich rief zu ihnen rüber:
>>Kann mal jemand Wasser für den Hund hier bringen!<<
Der Blonde, der mich an den Ställen aufgehalten hatte, machte ein Gesicht, als wenn sagen wollte, was will der denn schon wieder. Dann sprach er mit einem der anderen Angestellten, der, nach kurzem Zögern, hinter dem Steinbau verschwand und nach kurzer Zeit mit einem Eimer wieder auftauchte. In leichter Schieflage kam er auf mich zu. Bei jedem seiner Schritte schwappte Wasser aus dem Eimer.
>>Wohin damit?<<
Ich nahm ihm den Eimer ab und sagte:
>>Danke, reicht schon.<<
Ich ging in den Käfig und füllte den trockenen Napf mit dem kühlen Wasser auf.<<
Gierig schleckte der Hund das Wasser auf, bis der Napf leer war. Ich machte den Napf noch einmal voll. Der Hund trank wieder durstig. Ich sah ihm dabei zu, als ein silberner Geländewagen der gehobenen Preisklasse durch das Tor gefahren kam und vor dem Steinbau hielt. Der Mann, der das Wasser gebracht hatte meinte:
>>Die Chefin.<<
Er setzte sich in Bewegung. Eine Frau stieg aus dem Wagen, sah in meine Richtung, sprach mit dem Blonden, sah wieder zu mir herüber, sah zu dem toten Mann und dann zu dem Arzt. Der grüßte sie kurz mit einem Kopfnicken, wie eine gute Bekannte. Als sie bemerkte, dass sie beobachtete wurde, eilte sie zum Verstorbenen Walter Konniks. Der Arzt setzte sich gleichzeitig in Bewegung, fing die Frau auf halber Strecke ab und redete auf sie ein. Sie hielt eine Hand vor ihren Mund, als wolle sie einen Schrei unterdrücken. Der Arzt redete wieder auf sie ein. Als die Frau ihre Fassung wieder erlangt hatte ging ich zu den beiden hin. Der Hund lief mir staksig, etwas Abstand haltend, nach. Die Frau und der Arzt sahen mich an. Ich stellte mich der Frau vor:
>>Kommissar Frey - ich leite die Ermittlungen.<<
Das lies ich kurz wirken. Dann fuhr ich fort:
>>Frau Konniks? Die Gattin des...äh, Verstorbenen?<<
Sie nickte schwach, allerdings ohne allzu große Erschütterung in ihrem harten Gesicht, das unerschütterlich von synthetisch schwarzen Haaren kontrastreich umrahmten wurde. Sie fragte um Fassung ringend:
>>Was ist mit meinem Mann passiert?<<
Darauf hatte ich natürlich keine Antwort.
>>Das können wir noch nicht sagen.<<
Mehr und mehr fragte ich mich wer den Gedanken hatte, dass unser Präsidium die Ermittlungen übernehmen sollte und nicht die ansässigen Kollegen. Noch diesem Gedanken nachhängend, gesellte sich der Blonde zu uns. Ich beachtete ihn nicht.
>>Ähm, Frau Konniks, wann haben sie von dem...äh, tragischen Vorfall erfahren?<<
Sie sah mich irritiert an antwortet aber:
>>Von unseren Angestellten. Sie sagten es wäre etwas passiert.<<
>>Etwas passiert?<<
>>Ja.<<
>>Sie haben also erst jetzt vom Tod ihres Mannes erfahren?<<
Sie machte ein glucksendes Geräusch, das wohl Trauer und Schmerz zum Ausdruck bringen sollte.
>>Ich habe eben erst von dem Unfall erfahren, der meinem Mann passiert ist.<<
Ich nickte verständnisvoll.
>>Gut danke, das reicht erst mal. Alles Übrige können wir auch später klären.<<
Der Hund hatte sich die ganze Zeit über hinter mir versteckt. Als die Konniks ihn bemerkte, fragte sie plötzlich verärgert in Richtung der Angestellten:
>>Wer hat den denn rausgelassen?<<
Mir gefiel nicht was sie sagte und wie sie es sagte. Ich fragte kühl:
>>Sind sie für den Zustand des Hundes verantwortlich?<<
Sie wurde vorsichtig.
>>Der Hund gehörte meinem Mann, er hatte ihn als Wachhund für den Betrieb angeschafft.<<
Erklärte sie. Ich war wütend.
>>Und wer ist für seinen Zustand verantwortlich?<<
Sie unternahm einen ausweichenden Erklärungsversuch:
>>Mein Mann wollte den Hund schon längst wieder weggeben haben.<<
Sie warf einen abschätzig Blick auf den Hund und erklärte:
>>Er taugte aber nicht als Wachhund.<<
Offenbar glaubte sie damit auf Verständnis zu treffen.
>>Verstehe.<<
Sagte ich.
>>Und ihr Mann hatte bis jetzt sicherlich nur noch nicht die Zeit gefunden, um sich darum zu kümmern?<<
Fragte ich böse. Sie zeigte keine Reaktion auf den Unterton, als ob sie mich nicht verstanden hätte und sagte zustimmend:
>>Ja, er hat in letzter Zeit viel gearbeitet.<<
Ich verstand solche Leute nicht, auch wenn einem immer wieder begegneten. Ich sagte entschlossen:
>>Ich nehme den Hund jetzt mit, seine Papiere - falls sie welche haben - hole ich später. Wir werden uns ohnehin unterhalten müssen.<<
Ihre Gesicht wurden eine Spur härter, als es naturgegeben schon war.
>>Sie nehmen den Hund nicht mit. Was glauben sie eigentlich, wer sie sind?<<
Ich sagte:
>>Suchen sie seine Papiere raus! Der Hund kommt jetzt mit.<<
Sie wollte aufbrausen, doch der Blonde hielt sie zurück. Sie sah mich mit empörtem Ärger an. Ich drehte mich um und ließ sie, den Arzt und den Blonden stehen. Der Hund humpelte mir hinterher. Als wir am Auto waren, setzte ich den Hund auf die Rückbank und schwang mich hinter das Lenkrad. Ich drehte mich zu ihm um, er zitterte. Ich sagte beruhigend:
>>Du brauchst keine Angst zu haben, aber du brauchst einen Namen.<<
Aus dem Auto heraus beobachtet ich noch eine Weile das weiter Geschehen auf dem Hof. Die Spurensicherung hatte den Leichnam wohl freigegeben, denn die Fahrer des Leichenwagens hoben den, in einem Kunststoffsack verpackten Leichnam, in einen Transportbehälter. Der Arzt stand noch bei der Frau. Die Angestellten standen für sich. Ich drehte den Zündschlüssel.
>Was für ein Mist.<
Nichts, was hier passierte, gefiel mir auch nur im Entferntesten. Der Hund lag jetzt ruhig, aber angespannt auf der Rückbank und folgte meinen Bewegungen genau. Ich sagte:
>>Du brauchst jetzt nur noch einen Namen.<<
Ich überlegt kurz.
>>Jetzt hab’ ich’s, du heißt Bingo. Ok?<<
Den Namen schien er zu akzeptieren, was schon mal gut war, denn von allem anderen hatte ich keine Ahnung. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dem Hund machen sollte und genauso wenig Ahnung was ein Hund so brauchte. Auf dem Rückweg hielt ich an einem Geschäft für Haustierbedarf und kaufte einen Beutel Hundefutter - Insektenprotein, Reis und anderen Sachen schienen mir passend. Zurück am Auto, war Bingo auf der Rückbank eingeschlafen. Das Shirt klebte mir wieder am Rücken, als ich den Alfa in der Tiefgarage des Präsidiums abstellte. Ich holte Bingo aus dem Auto und klemmte mir das Hundefutter unter den Arm. Bingo folgte mir vorsichtig in den Aufzug. Unser Büro war verlassen, als ich die Glastür aufstieß. Bingo blieb dicht bei mir und folgte mir in das Büro. Auf der Suche nach einem Napf, fiel mein Blick auf die Fensterbank und heftete sich auf Michaelas Topfpflanze. Zielstrebig entfernte ich den darunter befindlichen Untertopf und füllte ihn mit Wasser. Unser Büro besaß als einzigen Komfort ein Waschbecken samt Wasseranschluss, dass in der Schrankwand untergebracht war. Ich stellte den gefüllten Untertopf auf den Boden neben unseren Schreibtischen, dann riss ich den Futterbeutel auf und schüttete Bingo etwas davon neben auf den Boden. Bingo roch prüfend an Futter, bevor er die Futterbröckchen verschlang. Ich gab ihm mehr davon. Nachdem ich eine Weile zugesehen hatte, bewegte ich mich vorsichtig auf die Bürotür zu und schlich mich aus dem Büro. Leise zog ich die Tür hinter mir ins Schloss. Als das Schloss zuschnappte tauchte Bingos Schatten hinter dem milchigem Glas der Tür auf. Von meiner Seite der Tür aus beruhigte ich ihn:
>>Bin gleich wieder da.<<
Ich musste mit Dr. Althoff reden. Seine Sekretärin meldete mich an. Dr. Althoff saß hinter seinem Schreibtisch und bearbeitete energisch ein Stück Papier. Er deutete auf den gepolsterten Stuhl auf meiner Seite des Schreibtisches.
>>Setzen sie sich bitte Herr Frey. Einen Moment noch.<<
Misstrauisch setzte ich mich. Der Klang seiner Worte machte mich stutzig. Ich wartete bis er mit dem Papier fertig war, war ich an der Reihe. Er sah auf und nickte verstehend mit dem Kopf.
>>Keine schöne Situation, die wir da haben.<<
Ich war ganz seiner Meinung.
>>Warum sind wir dann an der Sache dran?<<
Er lehnte sich zurück und sah mich ausdruckslos an. Nach einer Weile antwortete er kopfschüttelnd:
>>Das kann ich ihnen sagen.<<
Sein Gesicht wurde ausdruckslos, als er antwortete:
>>Weil das Weseler Präsidium im Moment leider etwas unterbesetzt ist.<<
Ich sah ihn belustigt an.
>>Den Eindruck hatte ich aber nicht.<<
>>Wie sie meinen, aber wir haben die Ermittlungen übernommen und ich will das so schnell wie möglich erledigt haben.<<
>>Und das kommt von Düsseldorf?<<
Hakte ich beharrlich nach.
>>Und was könnte die Düsseldorfer denn an der Sache interessieren?<<
Dr. Althoff lehnte sich zurück und sah mich kurz nachdenklich an. Dann griff er nach dem Papier, das er kurz zuvor bearbeitet hatte, senkte seinen Blick darauf und fragte, während er vorgeblich das Schriftstück studierte:
>>Haben sie sich schon mal gefragt, wer die Düsseldorfer so schnell informiert hat?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Soweit war ich noch nicht. Ich bin bei der Frage, wie die Zusammenarbeit mit Wesel praktisch funktionieren soll, hängen geblieben. Die Weseler waren nicht gerade begeistert über unsere Einmischung.<<
Er nickte.
>>Kann sein, Herr Frey, das ist aber nunmal nicht zu ändern. Bringen sie die Ermittlungen schnell und sauber zu Ende..., halten sie die Augen auf und rechnen sie nicht mit Unterstützung aus Wesel, und darüber zu spekulieren, welches Interesse Düsseldorf an dem Fall hat, ist müßig...<<
Dr. Althoff sah mich eindringlich an.
>>Aber die Sache war jemandem so wichtig, dass er dafür gesorgt hat, dass die Ermittlungen an uns gegangen sind.<<
>>Was zum Teufel ist denn daran so wichtig, dass man sich da einmischt. Und warum ist das überhaupt über Düsseldorf gegangen? Das ist doch eher eine Provinzangelegenheit.<<
Seine Gesichtszüge verloren an Spannung. Er zuckte mit den Schultern.
>>Finden sie es heraus. Jedenfalls war dieser Jemand noch vor uns informiert..., und auch vor den Weselern.<<
Ich sah aus dem großen Fenstern seines Büros. Sein Büro war angenehm kühl. Mein Blick wanderte wieder zurück, zu Dr. Althoff.
>>Das Opfer, ein Herr Konniks, ist heute früh schwer verletzt, vielleicht schon tot, auf dem Gelände seines Mastbetriebs von seinen Beschäftigten gefunden worden, die haben auch anfänglich einen Notarzt gerufen und die Ehefrau des Toten informiert. Erst dann hat man die Weseler Kollegen hinzugezogen. Bei meinem Eintreffen waren nur zwei Streifenwagen vor Ort.<<
Dr. Althoff nickte.
>>Ein gewisser Lankers hat die Kollegen gerufen, soweit ich informiert bin - ist da wohl sowas wie ein Vorarbeiter.<<
Ich verzog das Gesicht.
>>Betriebsleiter - den habe ich schon kennengelernt, die Ehefrau und er wollten mir irgendeinen Quatsch von einem Unfall erzählen.<<
Dr. Althoff rückte seine Bürosessel zurecht und sagte:
>>Bis wir wissen, was dahinter steckt, halten sie sich bitte etwas zurück, bleiben sie dezent.<<
Ich sagte:
>>Ich denke für dezent ist jetzt schon etwas zu spät.<<
Ein Schatten legte sich über Dr. Althoffs Gesicht, aber er fragte nicht weiter nach. Ich erhob mich von dem Bürostuhl und fragte eher mich selber, als Dr. Althoff:
>>Ich frage mich wirklich, was wir besser können als die Weseler?<<
Ich war noch nicht an der Bürotür, als Dr. Althoffs Stimme aus dem Hintergrund kam.
>>Vielleicht sollten sie sich eher fragen, was wir nicht besser können, als die Weseler.<<
Ich drückte die Türklinke herunter, öffnete die Tür, drehte mich noch einmal um und fragte:
>>Soll ich sie auf dem Laufenden halten, oder besser nicht?<<
>>Ich weiß nicht, ob ich das wirklich möchte, aber andererseits kann sie da ja nicht, völlig unkontrolliert da rummachen lassen.<<
Schön, dass Dr. Althoff mich noch lieb hatte. Ich schloss die Tür hinter mir und nickte der Sekretärin zu, als ich das Vorzimmer durchquerte. Ich nahm den Aufzug runter in unsere Etage. Mirco und Michaela waren noch nicht im Büro. Bingo kam mir vorsichtig entgegen. Ich strich ihm über den Kopf und sagte:
>>Na, Bingo.<<
Ich ließ mich in meinen Drehstuhl fallen und dachte nach. Als das zu keinem Ergebnis führte, verließ ich noch einmal das Büro und fuhr mit dem Aufzug zur Wache runter und besorgte dort eine dieser Wolldecken, wie sie immer für Notfälle bereitgehalten werden. Dann fuhr ich wieder nach oben.
>>Schau mal Bingo, das ist doch besser als der harte Boden.<<
Ich faltete Decke legte sie neben meinen Schreibtisch. Vorsichtig, den unbekannten Untergrund prüfend, trat Bingo auf den grauen, weichen Wollstoff. Etwas staksig ließ er sich darauf nieder. Ich gab ihm noch etwas Futter. Knackend brachen die trockenen Futterstückchen zwischen seinen Zähnen. Ich ließ mich wieder in meinen Drehstuhl fallen und sah im zu. Trotz seines zotteligen und schmutzverkrusteten Felles sah man, wie abgemagert er war. Die Knochen stachen ihm beinahe durch die Haut. An einige Stellen war er wundgescheuert. Als er satt war legte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Ich zog mir das Telefon ran und ließ mich im Präsidium Wesel mit der Spurensicherung verbinden. Ich bat die Kollegen mir die kriminaltechnischen Berichte zu schicken, sobald sie Ergebnisse hätten. Danach lehnte ich mich wieder wieder zurück in den Drehstuhl und wartete. Die schwüle Hitze war unerträglich. Ich bewegte mich nicht. Nachdem ich einige Zeit so gesessen hatte, ging die Bürotür auf und Michaela kam zurück - von wo auch immer. Sie stellte ihre Tasche neben ihren Schreibtisch und nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Sprudelkasten, den das Präsidium, aufgrund der Hitze spendiert hatte.
>>Na Isy, auch schon da.<<
Ich schüttelte den Kopf.
>>Schon da ist gut, ich hab’ schon den ganzen Morgen gearbeitet.<<
Sie sah mich ungläubig an.
>>Was gab es denn so dringendes?<<
>>Üble Sache - ein toter Schweinebauer auf dem Land. Kreis Wesel.<<
Sie warf mir einen fragenden Blick zu. Ich nickte.
>>Genau das habe ich auch gedacht, als mich Dr. Althoff heute morgen dahin geschickt hat. Und es ist bestimmt kein Zufall, dass wir den Fall zugeschustert bekommen haben.<<
>>Warum?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Wenn ich das wüsste.<<
>>Wer sollte daran Interesse haben?<<
>>Kann ich dir auch nicht sagen, das wird sich schon zeigen wenn wir Mist bauen, irgendjemand wird sich dann schon melden.<<
>>Und wir sollen den Fall übernehmen? Bist du sicher?<<
Ich nickte.
>>Denke ich schon. Aber das wird die Staatsanwaltschaft mit Dr. Althoff noch entscheiden.<<
>>Was sagt denn der Chef dazu?<<
>>Dr. Althoff weiß auch nicht mehr, oder will nicht mehr sagen.<<
Ich zeichnete mit beiden Händen Anführungszeichen in die Luft und sagte bedeutsam:
>>“Politik“.<<
Michaela setzte sich und rückte mit dem Stuhl näher an den Schreibtisch. Ich fragte:
>>Und was war bei dir?<<
Sie sagte müde:
>>Nichts besonderes - Drogentoter in einer Wohnung.<<
Ich sagte mitfühlend:
>>Auch nicht viel besser, als mein Schweinebauer.<<
Sie schraubte die Flasche auf, nahm einen Schluck und meinte, während sie den Verschluss wieder auf die Flasche drehte:
>>Ist schon wieder richtig heiß draußen.<<
Plötzlich sah sie sich suchend um.
>>Was riecht hier denn so komisch?<<
Ich zuckte mit den Schulter.
>>Keine Ahnung. Was meinst du?<<
Sie schaute zu den offenen Fenstern.
>>Muss von draußen kommen.<<
Ich sagte nichts. Sie machte Anstalten die Fenster zu schließen. Ich sagte schnell:
>>Lass die Fenster lieber auf - ist schon heiß genug hier drin.<<
Sie setzte sich wieder in hin. Bingo knurrte zufrieden unter dem Schreibtisch. Michaela wurde stutzig und warf mir einen fragenden Blick zu. Dann verschwand sie unter der Tischkante aus meinem Gesichtsfeld. Verdutzt tauchte sie wieder auf.
>>Was ist das denn?<<
Ich sah sie mit gemischten Gefühlen an.
>>Habe ich mitgebracht - Bingo.<<
Sie zog belustigt die Stirn in Falten.
>>Was heiß hier “Bingo”?<<
>>Der Hund heißt Bingo.<<
Sie verstand immer noch nicht.
>>Ja, aber was ist damit? Ist das deiner?<<
Da war ich mir selber noch nicht ganz sicher.
>>Kann schon sein. Oder hast du Interesse?
Sie lachte.
>>Sieht ja ganz lieb aus, aber kann es sein, dass er ein bisschen riecht?<<
Ich beugte mich unter den Schreibtisch und sog die Luft durch die Nase ein und bestätigte:
>>Kann gut sein, dass er mal eine Dusche braucht.<<
Mirco rümpfte gleich die Nase, als er das Büro betrat.
>>Was stinkt denn hier so?<<
Suchend schaute er sich im Büro um. Auch seine Blick wanderte zu den Fenstern, um sich davon zu überzeugen, dass der Geruch nicht von draußen kam. Dann entdeckte er Bingo.
>>Was ist das denn?<<
Ich sagte:
>>Bingo - habe ich heute mitgebracht.<<
>>Was heißt hier mitgebracht?<<
Ich sagte:
>>Setz dich erst mal! Wir haben einen neuen Fall. Ein Schweinemäster ist heute früh in seinem Betrieb erschlagen worden. Von da habe ich den Hund mitgebracht. Die Leute da hätten ihn glatt in seinem Käfig verrecken lassen. Mirco beugte sich erneut zu Bingo herunter und begutachtete ihn.
>>Was ist denn da alles drin?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Woher soll ich das wissen?<<
Mirco setzte sich an seinen Platz.
>>Und du hast den Hund einfach so mitgenommen?<<
>>Was heißt hier einfach so? Die Frau konnte froh sein, dass ich sie nicht wegen Tierquälerei angezeigt habe - aber der Hund gehörte ja angeblich ihrem Mann.<<
Mirco wechselte das Thema.
>>Was ist das denn für eine Sache da in Wesel?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Warten wir erst mal ab, was von der Weseler Spurensicherung und der Gerichtsmedizin kommt. Sicher ist nur, dass da irgendwas im Hintergrund läuft. <<
Mirco zog die Augenbrauen hoch.
>>Was meinst du denn damit.<<
Ich sah ihn an.
>>Irgendjemand in Düsseldorf hat ein Interesse daran, dass wir die Sache übernehmen.<<
Mirco lehnte sich zurück.
>>Wer?<<
>>Keine Ahnung.<<
>>Und warum sollen wir das übernehmen?<<
Ich sah Mirco vielsagend an.
>>Angeblich Amtshilfe.<<
Während Mirco darüber nachdachte, bewegte sich Bingo und wurde unruhig. Ich beugte zu ihm herab. In seinem Zustand konnte ihn nicht da unten liegen lassen. Ich stand auf und sagte:
>>Komm Bingo!<<
Bingo erhob sich mühsam und sah mich an. Ich sagte:
>>Ich verschwinde noch mal, wenn irgendwas wichtiges aus Wesel kommt, meldet ihr euch, ja?<<
Mirco blinzelte hinterhältig.
>>Und stell den Hund mal unter die Dusche.<<
2
Bevor ich das machte, besorgte ich in einem Drogeriemarkt noch etwas gegen Bingos Flöhe, die er leider auch beherbergte. Dann fuhr ich zu meiner Wohnung. Ich stellte den Alfa auf der Straße in den Schatten der Platanen in eine Parklücke und lockte Bingo aus dem Auto. In dem engen Aufgang hoch zu meiner Wohnung, blieb Bingo zurück. Er schaffte die Stufen nicht. Ich hob ihn hoch und trug ihn die Treppen nach oben. Oben angekommen stellte ich ihn wieder auf den Boden und lief, ihn vorsichtig lockend, voraus. Er folgte mir auf hölzernen Beinen bis zur Wohnungstür. Ich schloss die Tür auf, aber weigerte sich hineinzugehen. Trotz aller freundlichen Worte, blieb er ängstlich vor der Tür stehen. Ich ging in die Küche und suchte etwas, um ihn in die Wohnung zu locken. Als ich mit einem Stück Käse zurück kam, hatte Bingo aber schon die Pizzaschachtel auf dem Couchtisch entdeckt. Enttäuscht stellte er fest, dass sie leer war. Mit dem Käse konnte ich ihn aber ins Badezimmer locken. Ich stellte ihn unter die Dusche und eilte wieder zurück in die Küche um eine Schere zu holen. Zurück im Bad kam mir Bingo schon wieder entgegen. Ich stellte ihn zurück unter die Dusche, wofür er mich fragend ansah. Ich sagte:
>>Nicht so schnell Bingo, erst müssen wir dich mal sauber kriegen.<<
In kurzer Zeit hatte ich sein verschmutztes Fell kurz geschnitten und ihn geduscht. Auch wenn es ihm nicht gefiel, es musste sein. Als das erledigt war, hüpfte er aus der Duschwanne um sich in Sicherheit zu bringen und schüttelte sich. Wasser, Haarreste und Schmutz flogen durch die Gegend. Ich war nicht begeistert. Bingo versuchte zu entkommen. Mit einem Handtuch lief ich ihm hinterher um Schlimmeres zu verhindern. Als ich ihn eingeholt hatte, trocknete ihn schnell ab und drückte schnell eine Tube Anti-Flohmittel in seinem Fell aus. Das gefiel ihm genauso wenig, wie die Dusche, aber es musste sein. Nachdem das geschafft war, setzte ich mich erstmal auf die Couch und sah Bingo nachdenklich an.
>Was mach’ ich denn jetzt mit dir?<
Bingo humpelte zu dem Schaffell vor meinem Bett und ließ sich steifbeinig darauf nieder. Da schien er auch bleiben zu wollen. Nach kurzer Zeit schlief er ein. Vorsichtig stand ich auf, schlich mich in die Küche, ließ Wasser in eine Schale laufen und stellte sie in Bingos Nähe auf den Boden. Er blinzelte nur kurz, um gleich wieder die Augen zu schließen. Leise schlich ich mich aus der Wohnung. Wenig später war ich wieder im Präsidium. Jetzt stand die Luft im Büro, wie in einer Sauna. Michaela und Mirco schleckten Eis. Ich nahm eine Flasche Wasser aus dem Kasten, schraubte sie auf und fragte:
>>Gibt’s schon was Neues?<<
Mirco nickte mit vollem Mund. Er sprach abgehackt, weil er zwischendurch herunterlaufendes Eis von der Waffel schleckte.
>>Vorläufiger Bericht aus Wesel.<<
Ich ließ mich in meinen Drehstuhl fallen und klebte gleich an der Lehne fest. Ich nahm einen ausgiebigen Schluck aus der Wasserflasche. Das Wasser war lauwarm. Langsam bildeten Flecken vom Kragen abwärts auf meinem Shirt. Michaela fragte:
>>Was hast du denn mit dem Hund gemacht?<<
>>Der ruht sich aus..., aber was ist mit dem Bericht?<<
Michaela bediente ihren Rechner mit der linken Hand.
>>Also - so wie es aussieht wurde das Opfer, zuerst niedergeschlagen, was war aber nicht die finale Verletzung war.<<
>>Sondern?<<
Michaela leckte an ihrem Eis.
>>Durchtrennte Beinarterie - der Mann ist verblutet.<<
>>Tatwaffe? Gibt’s da schon was?<<
>>Ja alles da - ein Spaten - wurde in der Nähe des Zauns gefunden.<<
Ich sah sie abwartend an. Sie machte eine verneinende Geste mit dem Kopf und sagte:
>>Das war’s, mehr kam noch nicht von den Weselern.<<
Ich nickte lahm und löste mich aus dem Bürostuhl.
>>Ok, immerhin - ich muss das sowieso erst nochmal mit Dr. Althoff sprechen, um zu sehen, wie es überhaupt weitergehen soll.<<
Dr. Althoff saß hinter seinem ausladenden Schreibtisch in seinem kühlen Büro und telefonierte, ich setzte mich wieder auf den Polsterstuhl vor seinem Schreibtisch. Ich hörte ihn sagen:
>>Ja - ist gerade hier - ich bespreche das mit ihm.<<
Er legte auf und sah mich an.
>>Ich habe gerade mit der Staatsanwaltschaft gesprochen. Die Staatsanwaltschaft weiß jetzt auch Bescheid - Staatsanwältin Medir, sie haben ja schon öfter mit ihr zu tun gehabt.<<
Meine Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ablehnen würde löste sich in Luft auf. Dr. Althoff las meine Gedanken.
>>...sie machen also weiter und sorgen bitte dieses Mal dafür, dass alles korrekt läuft. Keine Fehler.<<
Seine gefestigte Mine fiel in sich zusammen, als er ergänzte:
>>Wenigstens solange, bis wir wissen welches Interesse die Düsseldorfer an der Sache haben.<<
Er traute mir nicht. Ich gab mir keine Mühe Begeisterung vorzutäuschen.
>>Wen bekomme ich noch dazu?<<
Dr. Althoffs Gesichtszüge stabilisierten sich, als er sagte:
>>Frau Stratman und Herr Schmidt.<<
Ich nickte, stand auf und gab ihm zu Verstehen, dass alles bestens wäre.
>>Gut.<<
Er bremste mich:
>>Nicht so eilig Herr Frey!<<
Ich setzte mich wieder. Er fragte:
>>Was halten sie von der Sache?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Kann ich nicht sagen, bis jetzt war ja nicht mal klar, dass wir den Fall tatsächlich übernehmen.<<
Er sah mir in die Augen.
>>Hatte ich das heute morgen nicht deutlich gemacht. <<
Ich stand wieder auf sagte, um ihn zu beruhigen:
>>Wir reden nochmal mit den Angestellten. Mal sehen was das bringt.<<
Dr. Althoff griff entnervt zu einem Aktenordner, womit er mir zu verstehen gab, dass das Gespräch beendet war. Als ich an der Tür war, hörte ich ihn wieder telefonieren. Auf dem Flur vor seinem Büro schlug mir wieder die schwüle Hitze entgegen. Jemand hatte die Fenster am Ende des Flures geschlossen. Der Aufzug brauchte eine Ewigkeit. Ich fühlte, wie ich zu schwitzen anfing. Ich wollte fluchen, ließ es aber lieber, um nicht noch stärker zu schwitzen. Ich betrat also ruhig und gelassen den Aufzug, drückte den Knopf zu unserer Etage und wartete, dass sich die Türen wieder schlossen. Das taten sie natürlich auch. Sanft fuhr der Aufzug an. Es ruckte wieder sanft, als der Aufzug stoppte. Ich trat verschwitzt aus der Kabine. Jemand hatte vernünftigerweise die Fenster im Flur geöffnet und ein leichter Luftstrom täuschte Abkühlung vor. Michaela und Mirco schwitzten im Büro vor sich hin. Ich ließ die Tür offen und die stehende Luft im Büro setzte sich langsam in Bewegung. Mirco fragte:
>>Und?<<
Ich zuckte mir den Schultern.
>>Sehen wir mal, was wir über den Konniks herausfinden können. Ich fahre jetzt nochmal zu dem Mastbetrieb, aber vorher unterhalte mich noch mal der Frau Konniks.<<
Michaela stellte fest:
>>Also machen wir das jetzt definitiv?<<
Ich nickte.
>>Leider, unsere Staatsanwaltschaft ist auch schon eingeschaltet.<<
Mirco sah es positiv.
>>So kommen wir wenigstens mal aus dem Kasten hier raus.<<
Damit war unser Büro gemeint. Ich schüttelte den Kopf.
>>Freu’ dich nicht zu früh, so toll ist es auf dem Land.<<
Ich wandte mich an Michaela:
>>Und versuch du mal Informationen über den Konniks-Betrieb zu bekommen - ist angeblich einer der größten Mastbetriebe da unten - oder wie auch immer man sowas nennt und du Mirco, nimmst dir das Opfer und die Angestellten vor. Einfache Routineüberprüfung - damit wir ungefähr wissen mit wem wir es zu tu haben! Namen und Adressen müssten die Weseler aufgenommen haben.<<
Ich klemmte mir das Hundefutter unter den Arm.
>>Morgen sehen wir dann weiter.<<
In der Tür drehte ich mich noch einmal um.
>>Und Mirco, sieh mal zu, ob du auch was über Frau Konniks findest - die gefällt mir nicht.<<
In der Tiefgarage war es angenehm kühl. Ich warf das Hundefutter auf den Beifahrersitz und rutschte hinter das Lenkrad. Das Wohnhaus der Konniks war ein cremefarben geklinkerter Bungalow mit einem flach zulaufenden Dach aus dunkel glänzenden Dachpfannen. Er hatte einen quadratischem Grundriss. Ich schätzte den Haus auf gut zweihundert Quadratmeter. Ich hielt vor dem Bungalow. Rechts und links der Einfahrt grünte trotz der Trockenheit saftiges Gras. Die Haustür aus dunklem Holz hatte im obere Teil braune Butzenscheiben und bestand aus zwei Türflügeln. Das dunkle, gewölbte Glas ließ kaum einen Blick in den Bungalow durch. Der ober Teil der Tür verlief in einem Rundbogen. Rechts neben dem Bungalow, war eine Garage angebaut. Sie war genauso wie der Bungalow mit cremefarbenem Klinker versehen. Das Tor der Garage war geschlossen. Kein Lebenszeichen war zu erkennen. Ich fluchte.
>>Mist.<<
Ich stieg aus dem Alfa und nahm die beiden breiten Stufe hoch zur Haustür. Der polierte Klingelknopf aus Messing erzeugte einen, in zwei Tonlagen läutenden Gong im Bungalow. Nichts regte sich im Bungalow. Ungeduldig drückte ich wieder den Gong. Ich späte durch das Butzenglas in den Bungalow, als hinter mir ein Fahrzeug in die Einfahrt fuhr. Der silberne Geländewagen der Konniks stoppte vor der Garage. Kurz darauf öffnete sich das Garagentor und der Wagen verschwand in der Garage. Ich wartete darauf, dass die Konniks aus der Garage käme, was sie aber nicht tat. Stattdessen schloss sich das automatische Garagentor wieder. Ich drückte wieder den Gong - länger. Minuten später öffnete sich dafür die Haustür. Kühle Luft strömte aus dem schattigen Innern des Bungalows. Die Konniks, konnte sich immer noch nicht für mich erwärmen und sah mich unfreundlich an. Die Trauer um ihren Mann schien sie darin nicht zu beeinträchtigen. Ich fasste mich kurz und ersparte mir und ihr höfliche Beileidsbekundungen.
>>Frau Konniks, ich hatte ja schon angekündigt, dass wir uns nochmal unterhalten müssten...<<
Ich gab ihr einen Moment Zeit, mich herein zu bitten. Sie dachte nicht im Traum daran das zu tun.
>>Könnten wir uns vielleicht im Haus unterhalten?<<
Ein dunkler Schatten legte sich über ihr Gesicht, aber sie ließ mich eintreten. Das Haus war angenehm kühl. Sie schloss die Tür hinter mir und führte mich in ein geräumiges Wohnzimmer. Durch die Glasfront an der Längsseite des Raumes sah wieder auf eine, von einer Buchenhecke eingefasste, Rasenfläche. Weiße, halb durchscheinende Vorhänge, die von der Decke bis zum Boden reichten, dunkelten den Raum etwas ab. Aus einem Springbrunnen draußen auf dem Rasen pinkelte ein Bübchen plätschernd in kristallklares Wasser. Der Strahl tanzte glitzernd im Sonnenlicht auf und ab. Frau Konniks deutete auf eine wuchtige Ledergarnitur.
>>Bitte, nehmen sie Platz.<<
Ich setzte mich auf die Kante des Sitzpolster und schob ein dunkelgrünes Rüschenkissen zur Seite. An der kürzeren Wand zu meiner Rechten, wirkte eine Vitrinenfront düster in den Raum. Der Boden war rustikal braun gefliest. Die Konniks setzte sich nicht.
>>Frau Konniks, sie können sich sicher denken, dass wir auch noch ein paar Fragen an sie haben. Das lässt sich leider nicht vermeiden und ich würde sagen, je eher wir das machen, desto besser.<<
>>Ich, wüsste nicht wie ich ihnen helfen könnte. Wie sie wissen, habe ich erst bei meiner Ankunft im Betrieb von dem schrecklichen Unglück meines Mannes erfahren.<<
Sie sah mich ausdruckslos an.
>>Sie betrachten das doch als Unfall!?<<
Ich zuckte vage mit den Schultern.
>>Kommt drauf an, was sie unter Unfall verstehen.<<
Sie überging das und setzte eine Leidensmiene auf, die an Verdauungsstörungen erinnerte.
>>Warum sollte jemand meinem Mann schaden wollen?<<
>>Das wollte ich eigentlich von ihnen wissen. Hatte ihr Mann Feinde?<<
Sie schüttelte verneinend den Kopf.
>>Nein, er war immer gut angesehen in der Gemeinde und bei unseren Angestellten.<<
>>Gab es im Betrieb Probleme - mit den Angestellten vielleicht?<<
>>Das kann ich mir nicht vorstellen - die Leute sind zufrieden. Mit dem eigentlichen Betrieb hatte er ja auch nicht mehr viel zu tun. Dafür haben wir jemanden eingestellt.<<
Ich nickte verstehend.
>>Dann war es also eher ungewöhnlich, dass ihr Mann heute morgen auf dem Gelände war?<<
Sie sagte eilig:
>>Nein, nein - das hat er öfter gemacht. Aus Gewohnheit denke ich. Als unser Betrieb noch kleiner war, mussten wir sehr viel Arbeit investieren, um über die Runden zu kommen.<<
Ich sah sie fragend an.
>>Und dann lief es besser?<<
>>Schritt für Schritt haben wir uns vergrößert.<<
Ich nickte und erhob mich von der Sofakante.
>>Gut dann fällt mir im Moment auch nicht mehr ein, was ich noch fragen könnte. Nur eins noch: Der Hund - warum war ihr Mann der Auffassung einen Hund auf dem Betriebsgelände zu brauchen?<<
Ihr Gesicht wurde wieder hart.
>>Das weiß ich nicht, das hat er nicht mit mir besprochen.<<
Ich nickte.
>>Ok, die Papiere von des Hundes haben sie sicherlich schon vorbereitet?<<
Sie wurde biestig, als sie sagte:
>>Nein, dazu bin ich noch nicht gekommen.<<
Ich machte ein überraschtes Gesicht. Wenn sie gedacht hatte, ich würde ohne die Papiere wieder verschwinden, hatte sie sich getäuscht.
>>Na dann machen sie das bitte!<<
>>Jetzt?<<
Ich nickte ihr aufmunternd zu.
>>Natürlich - ich warte.<<
Sie verschwand wütend irgendwo im Haus. Zufrieden mit mir selber ging ich zur Fensterfront und schob die Vorhänge etwas auseinander. Uninteressiert betrachtete ich den langweiligen Garten. Exakt getrimmter Rasen - makellos, kein Maulwurfshügel, keine Vögel. Der reinste Friedhof. Ich ließ den Vorhang wieder aus den Händen gleiten.
>Verdammt nochmal.<
Ich drehte mich wieder um. Erst jetzt fiel mir Kacheloberfläche des Couchtisches auf, die das Braun der Bodenfliesen aufnahm. Der Tisch stand auf einem geknüpftem Teppich. Das Ganze wurde von der Ledergarnitur eingerahmt. Eine einsame Tulpe in einer Kristallvase zierte den Tisch. Ein Esstisch mit acht gepolsterten Stühlen stand am anderen Ende des Raumes. Die Konniks kam mit ein paar losen Papieren wieder zurück.
>>Das ist alles was ich in den Unterlagen meines Mannes gefunden habe.<<
Ich nahm die Papiere und warf einen kurzen Blick darauf. Bingo war nicht angemeldet und nicht versichert. Eine Urkunde vom Tierheim und ein loser Zettel eines Tierarztes, das war alles, was sie mir in die Hand drückte. Ich sagte:
>>Gut, das wär’s dann erstmal gewesen..., äh, nur damit sie Bescheid wissen, wir werden auch noch einmal mit ihren Angestellten sprechen müssen - die sind immer im Betrieb erreichbar?<<
Sie bewegte sich auf die Haustür zu.
>>Natürlich, entweder da, oder in einer unserer Filialen.<<
Sie öffnete die Haustür und hielt sie mir auf. Beim Hinausgehen schlug mir gleich wieder die Hitze entgegen. Auf dem Treppenabsatz fragte ich:
>>Das sind auch Mastbetriebe?<<
Ich konnte gerade noch aufschnappen wie sie sagte:
>>Reden sie mit unserem Betriebsleiter.<<
Bevor sich die Tür vor meiner Nase schloss. Ich machte ein verdutztes Gesicht. Eine Sekunde später drückte ich meinen Daumen erneut auf den Klingelknopf. Weit hatte sie sich scheinbar noch nicht entfernt, denn die Tür öffnete sich gleich wieder. Ich nahm den Finger vom Gong.
>>Das ist der Herr...?<<
>>Lankers.<<
>>Groß, Blond?<<
Das “doof“ verkniff ich mir. Mit Stolz auf ihn und Verachtung für mich, sagte sie:
>>Ja, sprechen sie mit dem Herrn Lankers.<<
Dann ging die Haustür wieder zu. Das Pflaster der Einfahrt hatte sich in der Mittagssonne aufgeheizt. Im Wagen war es noch heißer geworden. Ich kurbelte die Fenster runter. Auf der Landstraße wurde es erträglich. Der Fahrtwind sorgte für eine warme Luftstrom im Fahrzeuginnern. Während der Fahrt musste ich mehrmals den Kopf, als ich an die Konniks dachte.
>Ein richtiges Herzchen ist das - würde mich nicht wundern, wenn sich der Konniks selber mit dem Spaten erschlagen hätte.<
Der Verlust, ihres Mannes schien sie nicht weiter zu grämen. Außerdem schien ihr Interesse an den Ermittlungen auch nicht besonders ausgeprägt zu sein. Ich zuckte mit den Schultern und dachte:
>Leute gibt’s.<
Ich fuhr zügig. Bingo war zum ersten Mal alleine in der Wohnung. Als ich die Wohnung betrat, war alles ruhig. Erleichtert freute ich mich, dass Bingo sich so gut zurecht fand. Ich rief ihn:
>>Bingo?<<
Vom der Couch aus sah er mich aufmerksam an. Es roch irgendwie streng in der Wohnung - trotz der geöffneten Fenster. Meiner Nase folgend, sah mich suchend um, bis ich in einer Ecke fand, was den Geruch verursachte. Ich hätte es wissen müssen - natürlich. Aus dem Bad holte ich Toilettenpapier, wo mich die nächste Überraschung erwartete: Das, was an Schmutz und Fell durch die Gegend geflogen war, hatte eine feste Kruste auf den Fliesen und in der Duschwanne gebildet. Ich Fluchte:
>>Mist!<<
Aber eins nach dem andern. Zuerst beseitigte ich Bingos Malheur im Wohnzimmer, dann nahm ich mir das Bad vor. Unter mühevoller Putzarbeit, entfernte ich die Schmutzkruste von den Fliesen. Bingo sah mir interessiert dabei zu. Ich sagte:
>>Siehst du Bingo, alles halb so schlimm.<<
Immerhin war das Bad jetzt sauber und Bingo hatte eine pflegeleichte Sommerfrisur. Ich füllte Wasser in seinen Napf nach und streute etwas Futter auf den Boden, das er innerhalb kürzester Zeit vertilgte. Als er damit fertig war sagte ich:
>>Und jetzt machen wir einen kleinen Spaziergang.<<
Natürlich verstand er mich nicht, aber er folgte mir zur Wohnungstür, den Flur entlang, durch das Treppenhaus und weiter auf den Hof. Als wir uns der Straße näherten und er den Alfa sah, zögerte er auf einmal und wollte wieder umkehren.
>>Komm Bingo!<<
Rief ich. Er kam nur zögerlich näher, indem er immer wieder von der geraden Linie abwich. Scheinbar befürchtete er, ich würde ihn wieder in den Konniks-Betrieb zurückbringen. Er wollte mich aber auch nicht enttäuschen. Ich schloss den Alfa auf und sagte freundlich:
>>Komm Bingo!<<
Schließlich kam er doch zum Auto und kletterte unter Mühen auf die Rückbank. Den Papieren nach, war er erst vier Jahre alt. Bei den Konniks war er noch kein Jahr gewesen. Ich fluchte leise:
>>Verdammt, was hat man nur mit dir gemacht?<<
Als er es ins Auto geschafft hatte, machte ich vorsichtig die Tür zu und rutschte schnell hinter das Lenkrad. Wir fuhren in ein nahes Waldstück, dass ich gut aus der Sache im Winter kannte. Es war ideal geeignet für einen kleinen Spaziergang mit Bingo. Der Wald war angenehm kühl. Bingo folgte mir vorsichtig, vielleicht kannte er so etwas, wie Spaziergänge nicht. Ich folgte den Waldwegen, bis ich es irgendwann geschafft hatte mich zu verlaufen. Bingo folgte mir vertrauensvoll. Die Schatten wurden länger. Das Zeitgefühl hatte ich schon verloren. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich vorbeifahrende Autos auf einer Straße. Ich folgte den Geräuschen. Erleichtert stellte ich fest, dass mir die Straße nicht unbekannt war und der Alfa nicht weit entfernt stand. Auf den letzten Metern fiel Bingo zurück und ich trug ihn die letzten Meter zum Auto. Seine geschwächte Muskulatur ließ ihn im Stich. Immerhin - wir schafften es zum Alfa. Die Abenddämmerung setzte schon ein. Meine Füße schmerzten und die Schuhe drückten. Erleichtert, schloss ich den Alfa auf, setzte Bingo auf die Rückbank und ließ mich in den Fahrersitz fallen. Ich hatte das Gefühl zu verdursten. Der kleine Spaziergang hatte Stunden gedauert. Ich war froh als ich den Wohnungsschlüssel in die Tür steckten, sie aufschließen und mich auf das Sofa fallen lassen konnte. Beinahe wenigstens. Zuerst gab ich Bingo Futter und frisches Wasser, dann wärmte ich für mich selber Reste aus dem Kühlschrank auf. Anschließend trug ich die Mahlzeit in den Wohnraum, stellte alles auf den Couchtisch und schaltete den Fernseher ein. Das Programm war langweilig. Ich schaltete den Fernseher wieder aus. Bingo schnüffelte interessiert in der Luft und kam auch zum Couchtisch. Ich schob ihm eine Kartoffelspalte hin. Es schien ihm zu schmecken. Ich aß bis ich genug hatte und stellte Bingo die Reste der Mahlzeit auf den Boden. Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Reste verschlungen und den Teller blitzblank geleckt. Ich brachte das Geschirr in die Küche, schraubte den Kaffeemaschinchen auseinander, füllte Wasser ein, setzte das Sieb ein, löffelte Kaffeepulver hinein und schraubte alles wieder zusammen. Nach ein paar Minuten auf dem Herd war der Kaffee fertig. Damit beendete ich den Tag.
3
Am nächsten Morgen machte ich zuerst kurz mit Bingo eine kurze Runde. Dann fuhr ich zum Präsidium und parkte den Alfa in der Tiefgarage. Um neun war der Tag noch nicht heiß. Michaela und Mirco waren schon im Büro. Bingo folgte mir mit eckigen Schritten, aber es wurde schon besser. Ich grüßte die beiden kurz:
>>Morgen.<<
Mirco rümpfte die Nase.
>>Ich hoffe, du hast den Hund mal gebadet.<<
>>Bingo. Der Hund heißt Bingo.<<
Bingo lief gleich zu seinem Platz unter den Schreibtischen und suchte konzentriert nach der besten Liegeposition auf der Decke. Michaela sah ihm dabei zu und meinte dann:
>>Willst du den Hund wirklich behalten?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Sicher - warum nicht?<<
>>Weiß Sylvie das schon?<<
>>Was schon?<<
>>Na, dass du jetzt einen Hund hast.<<
Ich sagte:
>>Nein, Sylvie ist sowieso gerade in einem Trainingslager - aber Bingo wird ihr gefallen.<<
>>Trainingslager? Was für ein Trainingslager?<<
Fragte Mirco neugierig. Ich sagte:
>>Habe ich das noch nicht erzählt? Sie hat im Frühjahr einen Vertrag für die nächste Cyclocrosssaison bekommen. Das ist in Belgien eine ganz große Sache soweit ich das mitbekommen habe.<<
Mirco machte große Augen.
>>Ernsthaft?<<
Ich nickte.
>>Als ich sie kennenlernte hatte sie nichts davon erwähnt - den Vertrag hat sie erst später bekommen. Aus heiterem Himmel sozusagen. Sie hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass es noch weiter geht aufgehört ernsthaft zu trainieren.<<
Michaela fragte:
>>Cyclocross? Was ist das?
Ich erklärte:
>>Das sind Fahrradrennen im Gelände.<<
Sie meinte:
>>Also du meinst mit Mountainbikes?<<
Ich schüttelte den Kopf.
>>Nein, ganz was anderes. Eher sowas wie Rennräder, nur mit breiteren Reifen. Als ich in Belgien war habe ich mir das ein paar mal mit Sylvie angesehen. Ist auch eher eine Wintersportart.<<
Mirco freute sich.
>>Da musst du aber ganz schön aufpassen, wenn ihr mal eine Radtour macht.<<
Ich nickte vielsagend.
>>Sie hat mich nach unserer ersten Radtour schon dezent gewarnt, dass ich etwas mehr auf meine Form achten solle.<<
Michaela lachte.
>>Wieso, was hat sie denn gesagt?<<
>>Nichts Besonderes, nur dass sie keine Lust hätte mit einem Hefeteig durch die Gegend zu laufen.<<
Mirco lachte schadenfroh. Michaela grinste, sagte aber nichts. Ein unangenehmer Duft zog durchs Büro. Mirco rümpfte die Nase und beugte sich unter unsere Schreibtische zu Bingo herunter.
>>Was hast du dem Hund denn zu Fressen gegeben?<<
Ich zuckte mit den Schultern und sagte unschuldig.
>>Nichts Besonderes - kann aber sein, dass er die Zwiebeln nicht so gut vertragen hat.<<
Mircos Gesichtszüge entgleisten.
>>Du gibst deinem Hund Zwiebeln zu fressen und bringst ihn dann mit ins Büro?<<
Ich sagte unschuldig:
>>Ja klar. Ich hatte ja keine Ahnung..., aber ist ja nicht so schlimm, die Fenster sind ja auf.<<
Bingo brummte zufrieden unter den Schreibtischen und wir hatten wichtigeres zu besprechen.
>>Michaela, hast du noch was über den Konniks Betrieb gefunden? Nur damit wir erstmal wissen, womit wir es überhaupt zu tun haben.<<
Sie nahm einen Schluck Sprudel, bevor sie sagte:
>>Ja, habe ich: Hat mal ganz klein angefangen, aber wohl ganz gut gewirtschaftet. In den letzten Jahren ist der Umsatz praktisch explodiert. Das sagen wenigstens die Zahlen. Jetzt liegt er wohl bei sieben, achttausend Tieren.<<
Ich spitzte die Lippen zu einem stummen Pfiff.
>>Achttausend Tiere, sowas in der Richtung hatten die Weseler Kollegen auch schon gesagt. Dafür, dass die so viele Tiere halten, habe ich aber nur wenig Personal gesehen.<<
Sie zuckte mit den Schulter.
>>Keine Ahnung, bin ja nicht vom Fach. Ich mach’ mal weiter: Zu dem Schweineimperium gehören zwei Mastbetriebe und eine Ferkelzucht. Scheint ein richtiger Vorzeigebetrieb zu sein...<<
Ich unterbrach sie:
>>Nichts Negatives, keine Problem, oder irgendwas, wo wir ansetzten können?<<
Sie schüttelte den Kopf.
>>Wie ich schon sagte: Alles picco bello.<<
>>Verdammt.<<
Fluchte ich.
>>Mirco, was ist mit den Angestellten und der Frau?<<
Mirco sah auf das Display seines Rechners.
>>Auch da ist alles unauffällig. Nach dem was die Weseler Kollegen uns geschickt haben, sind die meisten langjährige Beschäftigte. Ein Herr Lankers hat die Betriebsleitung vor fünf Jahren übernommen.<<
>>Weißt du warum?<<
>>Nein, keine Ahnung.<<
>>Was ist mit der Frau Konniks?<<
Mirco zucke mit den Schultern.
>>Hat den Konniks früh geheiratet und dann im Betrieb mitgearbeitet - Büroarbeit.<<
>>Kinder?<<
>>Keine.<<
Mirco erwähnte:
>>Das einzige - was man vielleicht erwähnen könnte - ist der Altersunterschied zwischen dem Konniks und seiner Frau: Sie ist - oder war - wesentlich jünger, als der Dahingeschiedene.<<
Ich ließ mich kraftlos in die Lehne meines Drehstuhls fallen. Sofort klebte mein Shirt am Rücken. Ich setzte mich wieder gerade hin.
>>Verflucht, das kühlt aber auch gar nicht mehr ab.<<
Ich ging zum Fenster. Bingo verfolgte mich mit den Augen.
>>Ok, eine Beziehungstat können wir wohl ausschließen - oder?<<
Michaela nickte.
>>So wie es aussieht war die Konniks an dem Morgen ja auch gar nicht vor Ort.<<
Ich sagte:
>>Bleiben also erst mal die Angestellten an die wir uns halten können. Checken wir also mal, wer, wann im Betrieb war. Und Mirco, haben wir von den Weselern schon irgendwas zum Tatwerkzeug bekommen? DNA-Spuren, genauer Fundort und so weiter?<<
Mirco und Michaela sahen sich an. Mirco sagte zu Michaela:
>>Mach du erst!<<
>>Gut. So wie es aussieht wird um sechs Uhr dreißig angefangen. Der Lankers teilt die Leute dann zur Arbeit ein - das heißt, er teilt sie zu den verschiedenen Betrieben...<<
Ich unterbrach sie:
>>Haben wir den genauen Todeszeitpunkt vom Konniks?<<
Mirco sagte:
>>Zwischen fünf und sechs Uhr - ungefähr. Eher sechs Uhr<<
Michaela fuhr fort:
>>Also wie gesagt, ein Teil der Belegschaft fährt dann zu den beiden anderen Betrieben - also der Schweinemast oder der Ferkelzucht.<<
Ich fragte:
>>Auch gestern morgen?<<
Sie nickte bestätigend.
>>Ja, die sind aber wieder zum Hauptbetrieb zurückgekommen, als sie erfahren haben, was passiert ist.<<
Sie hielt mir ein Papier hin.
>>Arbeitsplan, Namen und Adressen der Beschäftigten.<<
Ich nahm das Blatt.
>>Tatsächlich so wenig Angestellte?<<
Mirco erklärte:
>>Alles automatisiert.<<
Ich ging wieder zu meinem Platz und sah nach Bingo, er lag entspannt auf seiner Decke.
>>Für achttausend Tiere, keine zehn Leute.<<
Ich ließ mich wieder in den Drehstuhl fallen.
>>Na ja, das macht es für uns leichter.<<
Das war das gute daran. Mirco zog zweifelnd die Augenbrauen hoch.
>>Glaubst du?<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Immerhin ein überschaubarer Täterkreis, ich denke mit der Sache sind wir schnell fertig. Wie schwierig kann das schon werden?<<
Michaela grinste kopfschüttelnd.
>>Unterschätz’ die Leute vom Land nicht - die sind ganz schön gerissen.<<
Ich verkniff mir einen Kommentar, jeder der in die Enge getrieben wurde, neigte schließlich dazu und zu mehr.
>>Wenn du meinst. Wie auch immer, halten wir erst mal fest, was wir haben.<<
Ich griff zu Stift und Papier und kritzelte die wenigen Fakten darauf.
>>Also, Opfer Konniks, Todeszeitpunkt zwischen fünf und sechs Uhr.
Ich sah Mirco an, der damit nicht ganz einverstanden war und präzisierte:
>>Also gut - mit dem Todeszeitpunkt, warten wir noch auf das genaue Ergebnis. Ich würde sagen, wir schauen trotzdem erst mal, wen von den Angestellten wir sicher aussortieren können.<<
Dagegen gab es keine Einwände. Michaela und Mirco schienen den Ansatz für ganz brauchbar zu halten, jedenfalls sagten sie nichts anderes.
>>Ok, fangen wir also mit den Beschäftigten an.<<
Ich sah mir an, was dazu aus Wesel gekommen war.
>>Wir haben hier einen Christoph Giesing und einen Peter Hofrath. Die beiden waren dem Hauptbetrieb - dem Tatort - zugeteilt. Der Herr Giesing hat das Opfer, den Konniks, gefunden. Das war gegen sechs Uhr fünfzig, nach dem er die Ställe kontrolliert hatte. Das gleich gilt für Peter Hofrath, der auch in der Nähe war und die Futteranlagen in den beiden anderen Ställen kontrolliert hat. Außerdem haben wir noch den Betriebsleiter Lankers, der schon früher - gegen sechs Uhr - im Betrieb war.<<
Verwundert drehte ich das Papier um.
>>Mehr haben wir nicht bekommen?<<
Mirco schüttelte den Kopf.
>>Das ist alles, was die uns rübergeschickt haben. Die übrigen Angestellten haben ausgesagt, gleich nachdem sie den Betrieben zugeteilt worden waren, in die jeweiligen anderen Betrieb gefahren zu sein.<<
Ich lehnte mich zurück und schüttelte genervt den Kopf.
>>Das müssen wir alles nochmal checken.<<
Ich sah mir die Personenliste an.
>>Ok, wir machen das so: Du die ersten Drei auf der Liste Michaela, Mirco die nächsten Drei und ich die beiden vom Hauptbetrieb, den Giesing, den Hofrath und den Betriebsleiter..., den Lankers. Einverstanden?<<
Mit dem Lankers wollte ich mich ohnehin noch unterhalten. Mirco nickte und meinte:
>>Kein Problem, aber sagt mal was haltet ihr überhaupt von der Sache?<<
Er betrachtete die Tatortbilder.
>>Ist schon außergewöhnlich brutal, wenn man sich die Verletzung so ansieht.<<
Michaela nickte bestätigend.
>>Würde ich auch so sehen, dahinter steckt was persönliches.<<
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Alles Spekulation. Wir haben noch zu wenige, um nicht zu sagen nichts. Ich sehe nur eine Überschneidung: Betriebsleiter Lankers war von den Angestellten als Erster und Einziger um den Tatzeitpunkt auf dem Betriebsgelände. Außer dem Konniks natürlich. Der käme also als Verdächtiger in Frage. Aber wie auch immer, er hätte nichts vom Tod seines Chefs. Im Gegenteil, das müsste schließlich mit Auswirkungen auf sein Beschäftigungsverhältnis rechnen. Genau wie die anderen auch.<<
Ich sah Michaela und Mirco abwechselnd an. Mirco sah das ähnlich.
>>Sehe ich auch so und die anderen sind sofort nach der Dienstbesprechung zu ihren Arbeitsplätzen gefahren. Die waren außerdem auch nicht lange genug im Betrieb um den Konniks erschlagen haben zu können.<<
Er ließ die Hände auf den Tisch fallen.
>>Die können wir damit also erst einmal beiseite lassen.<<
Michaela gab zu Bedenken:
>>Wenn wir den Aussagen glauben schenken.<<
Ich zuckte mit den Schultern und warf einen kurzen Blick auf die Uhr.
>>Was weiß ich? Überprüfen wir also erst einmal die Aussagen der Angestellten. Michaela du fährst zur Ferkelzucht und du Mirco zu der anderen Schweinemast. Sprecht mit den Leuten da und schaut euch das Ganze einfach mal an wie die Abläufe da sind, ob sich da einer ungesehen verdrückt haben könnte und so weiter. Ich fahre nochmal zum Hauptbetrieb und rede mit dem Lankers und den beiden anderen.<<
Bingo sah mich fragend an, als ich mich aus dem Drehstuhl zog. Ich sagte aufmunternd:
>>Komm Bingo!<<