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Ein Landkrimi ab 18 Jahre! Winniefred Heroldsbacher, geborene Gansbauer, ist 94 Jahre alt. Sie ist pflegebedürftig und fristet ihre letzten Tage in einem Pflegeheim. Nun war es so weit. Gevatter Tod stand an ihrem Bett. Sei es drum! Sie wartete noch auf einen letzten Besucher. Den ehemaligen Kollegen ihres Mannes, Peter Danziger. Damals Kriminaloberassistent. Zwischen ihnen ist noch eine alte Rechnung offen. Mord stand zur Debatte.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Friedel Höllbein
Jägergulasch!
So viel Trottel um einen herum, da kannst
ja nur deppert werden! Oder zum Mörder!
© 2021 Friedel Höllbein
Verlag und Druck:
tredition GmbH,
Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-23035-4
Hardcover:
978-3-347-23036-1
e-Book:
978-3-347-23037-8
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Diese Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen / Tieren sind rein zufällig, aber unvermeidlich!
Das Coverbild stammt von https://pixabay.com/de/photos/waldnebel-natur-b%C3%A4ume-mystischer-931706/
Free-Photos / Kaffee
Gruß
Friedel Höllbein
Jägergulasch!
So viel Trottel um einen herum, da kannst ja nur deppert werden! Oder zum Mörder!
Winniefred Heroldsbacher, geborene Gansbauer, ist 94 Jahre alt. Sie ist pflegebedürftig und fristet ihre letzten Tage in dem Pflegeheim „Zum Gedenken der trauernden Schwestern Marias“, in der Nähe der nächstgrößeren Gemeinde Großfahrenheim. Die Verwandten und Bekannten gaben sich in den letzten Tagen fast stündlich die Türklinke in die Hand. Es war so weit. Gevatter Tod stand an ihrem Bett.
Winniefred war nicht böse darum. Schwach, auf Hilfe angewiesen, in den letzten Zügen; ihr Körper gab auf. Die Organe versagten immer mehr den Dienst, aber der Geist war hellwach. Diese Frau war bis zuletzt ein selbstständiger, selbstbestimmter Mensch gewesen und die teils genervten, meist überarbeiteten Pfleger/innen gingen ihr gewaltig am Arsch vorbei. Die gewissenhaften Pfleger/innen, die ihre Heimbewohner ernst nahmen und gut mit ihnen umgingen, konnte sie an einer Hand abzählen.
Ihr körperlicher Zustand quälte sie furchtbar. Wie hieß das alte Sprichwort noch einmal? Der Geist war willig, aber das Fleisch war schwach! Sei es drum! Sie wartete noch auf einen bestimmten Besucher. Den ehemaligen Kollegen ihres zweiten Mannes, Peter Danziger, zuletzt erster Polizeihauptkommissar, mit einundachtzig Jahren seit Längerem im Ruhestand. Zwischen ihnen war noch eine alte Rechnung offen. Und er bekam von ihr die Einladung zu einem letzten vertraulichen Gespräch mit der Post zugestellt. Möge er sie erhalten haben!
Peter Danzigers Statistik für erfolgreiche Polizeiarbeit war hervorragend, aber ein für IHN persönliches, ungelöstes Tötungsdelikt, wurmte ihn bis heute, weit nach seinem Ruhestand. Winniefred besaß den Schlüssel zur Lösung. Das wusste er! Er konnte sie aber in all den Jahren nicht dazu bewegen auszupacken, geschweige denn, ihr den Mord an zwei Menschen nachweisen.
Dann kam noch der erschwerende Umstand hinzu, dass Winniefred mit seinem inzwischen verstorbenen, ehemaligen Kollegen und Mentor Manfred Heroldsbacher verheiratet war. Peter beobachtete Winniefred all die Jahre mit Argusaugen und ließ nichts unversucht, um an die Wahrheit zu kommen.
Zu Lebzeiten wusste Manfred natürlich von Peters Verdacht, der ihn teils mit einschloss. Zwischen den beiden Kollegen gab es deshalb ständig Streit. Sogar Handgreiflichkeiten. Das war das Ende vom Lied ihrer Partnerschaft. Manfred ließ sich um des lieben Frieden Willens in den Innendienst versetzen, aber Peter vermochte keine Ruhe zu geben. Deshalb zog er mit Winniefred zusammen nach Großfahrenheim und brach den Kontakt zu seiner alten Abteilung im Innendienst ab. Bis auf den zur ehemaligen Nachbar-Abteilung, der Pathologie. Der Chef der „Gruft“, der Gruber Michl, war sein bester Freund über all die Jahre hinweg. Die erneute Versetzung brachte in Bezug auf den ehemaligen Kollegen leider nur trügerischen Frieden.
Manfred liebte seine Winniefred von ganzem Herzen. Sie war seine große Liebe! Und das Leben mit ihr ließ er sich von Nichts und Niemanden vermiesen! Peter bekam trotz seiner Hartnäckigkeit keine Chance, ihm seine über alles geliebte Frau zu nehmen, geschweige denn, sie beide einer möglichen Straftat zu überführen.
Es war später Nachmittag, noch 2 Stunden bis zum Abendessen. Winniefred hasste ihre Tagesabläufe. Ab 6: 00 Uhr morgens kam jemand zum Waschen und Wickeln, 25 min. im Durchschnitt. Einmal die Woche gab es mit viel Glück eine Dusche.
Frühstück und Medikamente wurden ihr eingegeben, so schnell sie schlucken konnte. Danach vegetierte sie ungefähr bis 10: 00 Uhr im Bett vor sich hin, bekam meistens eine Zwischenmahlzeit und eine frische Windel.
Um 11: 00 Uhr wurde sie mit einem Kran auf die Toilette gesetzt. Je nach Erfolg beim Stuhl absetzen, gab es noch ein Abführmittel, entweder grob in den Enddarm oder mit Zwang als Zusatz in einer kleinen „Mahlzeit“. Nach dem Toilettengang wurde sie meistens in ihren unbequemen Rollstuhl gestopft und an den Esstisch gefahren, um mit den anderen Mumien und sabbernden Gestalten um 12: 00 Uhr abgefüttert zu werden. Danach ging es wieder ab ins Bett oder Winniefred blieb in schmerzender Schiefhaltung weiter im Rollstuhl sitzen, bis zum Kaffee um 15: 00 Uhr.
Essen und Trinken wurde reingeschoben, ob man wollte oder nicht. Alles zum Wohle der bilanzierten Dokumentation. Qualitätsmanagement vom Feinsten. Und wieder ins Bett zum Wickeln. Danach war man: aus den Augen, aus dem Sinn.
18: 00 Uhr: Raus aus dem Bett für ein kaltes Abendessen, meistens Brotzeit, dazu die Abend-Medikamente, die in Winniefred reingestopft wurden. Nach dem Abfüttern schob man sie im Eilflug aufs Zimmer: Nachtwäsche an, die Zahnprothesen kamen aus dem Mund, ab ins Glas. 19: 00 Uhr: zum Schlafen verdammt.
Nachts wurde sie mind. dreimal aus dem Schlaf gerissen, gewickelt und gelagert. Mit viel Glück gab es bei netten Pfleger/innen sogar etwas zu trinken. Wenigstens durfte Winniefred einen Fernseher in ihrem Zimmer haben. Sie bat immer darum das er eingeschaltet wurde. Die Fernbedienung für ihr Bett konnte sie auch noch einigermaßen drücken. Und den Alarmknopf, wenn sie ihn denn bekam. Ausgeliefert bis zum bitteren Erbrechen.
Sie dachte in ihren einsamen Stunden oft an ihren über alles geliebten Manfred, den ihr der Tod vor 10 Jahren aus den Händen gerissen hatte. Ein schwerer Schlaganfall vor dem Fernseher, pünktlich zur Tagesschau, raffte ihn dahin. Wenigstens war ihm das gleiche Schicksal wie ihr erspart geblieben: ein hilfloser alter Mensch in einer gewinnorientierten Massenunterbringung zu sein. In dieser Einrichtung freute man sich über hohe, geldbringende Pflegestufen. Nicht über rüstige Senioren. Das sicherte Arbeitsplätze. Und immer den neuesten, von einem Autowerk gesponserten Firmenwagen, in fünfstelliger Höhe, für die Einrichtungsleitung.
Es klopfte an ihrer Tür. Daniel, einer der liebsten, hübschesten und vorsichtigsten Pfleger, fragte höflich, ob alles in Ordnung sei. Winniefred hob die Augenbrauen an. Ob Sie sich vorstellen könne, Besuch zu bekommen? Ein Herr Peter Danziger wäre auf ihre Einladung hin, heute extra hierhergekommen. Winniefred hämmerte der Puls in den Ohren. Sie räusperte sich und bat mit trockenem Mund, ihren Besuch hereinzuführen. Da war er: Peter Danziger! Und er sah genauso verbissen aus wie eh und je! Daniel schob Winniefred in eine halbsitzende Position, stopfte vorsichtig Polster um sie herum, damit sie nicht wieder in die waagrechte rutschte. Er zog ihr Nachthemd glatt, deckte sie noch ordentlich zu und schob für Peter einen Stuhl an ihr Bett. Winniefred und Peter musterten sich. Pfleger Daniel fuhr Winniefred noch einen höhenverstellbaren Beistelltisch über die Beine, mit einer Schnabeltasse Tee darauf. Er lächelte einmal freundlich in die Runde, verließ das Zimmer. Drückende Stille erfüllte den kleinen Raum. Peter und Winniefred starrten sich nun unverhohlen an: der pensionierte Polizist sein Gegenüber sehr hart und feindselig, während Winniefred ihn triumphierend anlächelte. Mochten die Spiele beginnen!
Es ist der 24. Mai 1960. Winniefreds 13. Hochzeitstag. Sie verfluchte den Tag, an dem sie gezwungen worden war, den Sohn des „Dorfkönigsehepaares“, den Xaver Scheitelbaum zu ehelichen. Einer, der sich einen blutrünstigen, empathielosen Jäger schimpfen durfte. Ein fetter Mann, der bis zu seinem vorgetäuschtem „Nervenzusammenbruch“, die Familie auf seinem anteilig geerbten Hof versorgt und noch zusätzlich mit seiner Arbeit als feister Metzger ernährte. Drei gesunde Kinder hatte die Ehe hervorgebracht.
Die Scheitelbaums lebten in einem ehemaligen Großbauernhof mit Jagd, Scheitelbaumhof genannt, am Rande der kleinen Gemeinde Mürgelberg. Großgrundbesitzer waren sie, mit von Xavers Vater vererbtem Wald und Äckern. Von einem Nießbrauchrecht und Mitnutzungsrecht der Schwiegermutter, für eine große Wohnung im Haupthaus auf Lebenszeit und der erarbeiteten Lebensmittel einmal abgesehen.
Eigentlich war nur Xaver reich, denn er befand, es war sowieso alles sein Eigentum. Seine Frau und Kinder waren schon immer eine schlechte Kosten-Nutzen-Rechnung. Er ließ kein gutes Haar an ihnen allen, quälte und nervte, wo er nur konnte. Komischerweise kamen die Kinder gut damit zu Recht. Sie gingen dem Vater aus dem Weg und gut war's. Der Herr im Haus lebte gerne in Saus und Braus, wo die anderen Familienmitglieder dabeiblieben, war ihm schlichtweg egal. Winniefred glich die von Xaver herbeigeführten Umstände so gut wie möglich aus.
Sein Verhalten, seine bloße Existenz war schon lange nicht mehr ertragbar! Sie kam immer öfter ins Grübeln was das Zusammenleben mit ihm betraf. Genug war genug! Zu viele Schmerzgrenzen waren überschritten worden!
Die „gute“ alte Zeit:
Es war der 24. Juni 1946. Winniefred verdingte sich als Stallmagd auf dem Eberhartinger-Hof am anderen Ende von Mürgelberg. Viecher füttern, Kühe melken, Stall ausmisten, beim Schlachten mit zupacken. Heute war wieder ein Schlachttag. Es wurden gleich zwei „besondere“ Sauen geschlachtet. Der Bauer fütterte geheimes Spezialfutter, das dem Fleisch einen unnachahmlichen Geschmack verlieh. Nach dem Zerteilen wies sie der Bauer Eberhartinger an, den einen Saukopf extra zu legen. Der war zu einem guten Preis an Scheitelbaums verkauft worden. Für die Sulz nur das Beste Fleisch, für seine allerbesten Kunden! Die zerlegten Sauen waren schneller verkauft worden, als das die Fliegen ihre Witterung hätten aufnehmen können. Die Dörfler standen schon während des Schlachtens Schlange bei dem Schmankerlfleisch. Der Bauer war zufrieden, zog seine wasserdichte Schürze aus, nahm die gut gefüllte Kasse an sich und wies seine Frau und seine Magd an, die restliche Sauerei aufzuräumen. Es war schon 10: 30 Uhr. Dem Eberhartinger-Bauern seine Frau war zum vierten Male hochschwanger. Ihr war von dem Blut- und Fleischgeruch übel und die Müdigkeit steckte ihr bleiern in den Knochen. Sie hielt sich den prallen Bauch, sah Winniefred kurz bittend an. Die zwinkerte ihr lächelnd zu. Die müde Bäuerin steckte ihr schnell etwas in die Kittelschürze, schlich sich sofort aus dem gefliesten Schlachtraum hinaus. Die beiden hatten eine Vereinbarung. Winniefred verschaffte Elsa Zeit zum Ausruhen und Elsa steckte ihr dafür ein bisserl Taschengeld extra zu. Die fleißige Winniefred war gerade dabei den Schlachtraum im Keller mit dem Gartenschlauch auszuspritzen. Sie stand mit dem Rücken zur Tür. „Grüß Gott!“, ertönte es da lautstark hinter ihr. „Ich komm wegen dem Saukoblblblblff …pfui Deibel! Aufhören! Jessas! Stopp!“ Winniefred drehte sich vor lauter Schreck schnell mit dem voll aufgedrehten Schlauch zu der lauten Stimme herum und schoss dem verdutzten Xaver Scheitelbaum mit dem eiskalten Wasserstrahl direkt ins Gesicht! Winniefred versuchte in heller Panik den Wasserstrahl abzudrehen, zielte aber immer noch auf den inzwischen halb ertränkten Xaver, der mit den Händen vorm Gesicht, von dem Druck des Wasserstrahls an die geflieste Wand gepresst wurde.
„Ent …Ent… Entschuldigung! Oh Gott! Es tut mir leid! Winniefred war endlich wieder Herrin der Lage, drehte das Wasser ab, warf den Schlauch zur Seite und stürmte auf den hustenden und prustenden Xaver zu. Sie drückte seinen Oberkörper nach vorne und hämmerte mit der flachen Hand auf die Stelle zwischen seinen beiden Schulterblättern ein. „Au… Hust …Aua… Aufhören! Bitte! Nicht mehr! Willst du mich umbringen?!“ Xaver rutschte völlig K.O. auf den Hosenboden und versuchte einfach nur noch nach Luft zu ringen. „Ja, was zum Deifi ist denn hier los?!“ polterte die Stimme vom Eberhartinger-Bauern in das Gekeuche vom erledigten Scheitelbaum. Der Bauer hatte für Ärger ein sehr feines Gehör und das Geschrei vom Scheitelbaum war ohne Probleme bis in seine Stube vorgedrungen.
„Einen Blattschuss darf ich vermelden, das ist los! Ich hab wohl das Weiberl hier erschreckt und die hat mich dann mit dem voll aufgedrehtem Wasserschlauch fast tot gespritzt!“ würgte der Xaver, von heiserem Husten unterbrochen, heraus. „Der Eberhartinger bekam eine dunkelrote Farbe im Gesicht und ballte die Fäuste. Seine gefürchtete Zornesader pochte bereits auf der Stirn! Winniefred wusste dass es jetzt gefährlich wurde! Der Bauer bekam einen seiner gefürchteten Wutanfälle!
Trotz allem blieb sie stehen und beobachtete, wie dem Bauer sein Kamm schwoll. Jetzt sah er selber wie ein Schwein aus. Das „Eber“ in Eberhartinger war gut beheimatet. Der Bauer holte aus und wollte Winniefred die Tracht Prügel ihres Lebens verpassen! Aber die duckte sich unter der Watschenhand durch, nahm fix die Beine in die Hand und rannte, was das Zeug hielt. Hauptsache runter vom Hof! Sie hörte noch einen lauten Schrei und Geschepper von den blechernen Schlachtwannen: Der Eberhartinger war garantiert auf den nassen, glitschigen Fliesen gestürzt! Genau in den Wannenturm! „Au weh!“, dachte sie sich, das war's dann mit der Arbeit auf dem Hof! Und was ihre Eltern, vor allem der „neue“ Vater, ihr heute noch mitgeben würde, konnte sie sich lebhaft ausmalen. Heute gab es garantiert noch Prügel! Aber das Gesicht vom Scheitelbaum und vom Eberhartinger-Bauern würde sie so schnell nicht vergessen! Und die Arbeit bei ihm war eh ein unterbezahltes Trauerspiel, dazu noch die ständigen Grabschereien. Ein paar hundert Meter vom Eberhartinger Hof ging ihr die Puste aus und sie bekam Seitenstechen. Langsam trottete sie den Rest des Weges zu ihrem unseligen Elternhaus vor sich hin. Der Eberhartinger hatte garantiert schon jemanden losgeschickt, um ihren beiden Alten Bescheid zu stoßen, da war nun keine Eile mehr geboten. Ärger stand unheilschwanger in der Luft. Wildes Hupen riss sie aus ihren düsteren Grübeleien. Sie ging doch schon ganz am Straßenrand, was wollte der Idiot? Ein Auto bremste dicht hinter ihr.
Nicht zu fassen! Der nasse Scheitelbaum saß am Steuer! Winniefred machte sich erneut bereit zum Los spurten, setzte sich langsam rückwärts in Bewegung. Man konnte bei den Mannsbildern nie wissen. Xaver stieg aus dem Auto aus: „Winniefred Gansbauer, bitte bleib doch einmal stehen! Ich tu Dir nix! Versprochen!“ Winniefred schaute den nassen Xaver misstrauisch an. “Darf ich Dich heimfahren?“ fragte er freundlich. „Wie komm ich zu der Ehre, Herr Scheitelbaum? Nachdem ich Sie ja fast ertränkt habe?“ Xaver druckste herum: „Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil Du wegen mir Deine Arbeit verloren hast…lässt dir der Eberhartinger ausrichten. Und Du bist mir schon länger aufgefallen. Du hast mich nur nie bemerkt.“ Winniefred lachte: „Beim Bauern Eberhartinger zu arbeiten, war jeden Tag ein Spießrutenlauf. Der hat doch nie seine Hände bei sich behalten wollen. Nicht schade drum! Und stimmt: hohe Herrschaften bemerke ich grundsätzlich nicht.“ „Ah geh!“, greinte Xaver. „Eine hohe Herrschaft ist was anderes! Meine Mutter hat dem Eberhartinger halt schon immer a bisserl besser bezahlt, das ist alles! Die kennen sich schon seit sie klein waren! Jetzt komm halt mit, ich helf Dir auch bei deine zwei Alten!“ Winniefred seufzte resigniert und ging auf die Beifahrertür zu, stutzte und warf einen zweiten angewiderten Blick hinein. „Also, Herr Scheitelbaum, wenn Du meinst ich setze mich zu dem Saukopf dazu, dann hast Du Dich aber gewaltig geschnitten!“ „Himmel, Entschuldigung!
Den hab ich ganz vergessen!“ Xaver eilte zu der Beifahrertür, rempelte Winniefred grob an und drückte sich hektisch an ihr vorbei, nahm den Saukopf vom Sitz und verbannte ihn in den Kofferraum. Er kam zurück ums Auto gerannt und riss die Tür für Winniefred auf, half ihr mit hochrotem Kopf beim Einsteigen. Winniefred lachte. Irgendwie war der Xaver schon ein fescher Bursch, aber auch ein bisserl ein Tollpatsch. Er wollte ihr bei den Eltern helfen, da war sie jetzt aber gespannt! Das Ende der Fahrt würde interessant werden.
Xaver brachte Winniefred wie versprochen über den holperigen Schotterweg zum Federnhof, kurz vor Mürgelberg, wo die Gansbauerin mit ihrem neuen Mann verschiedene Geflügel züchtete. Winniefreds richtiger Vater war im Krieg gefallen. Der neue Stiefvater war sein älterer Bruder, der wegen einer Verwundung am Bein zurückkehrte. Nicht mehr für den Dienst an der Waffe von Nutzen. Ein Säufer noch dazu. Er hatte rein überhaupt nichts für die angeheiratete Tochter übrig, außer Prügel, zu jeder für ihn passenden Gelegenheit. Die Mutter verdiente noch zusätzlich mit Näharbeiten Geld und brauchte den neuen Mann für die schweren Arbeiten zum Erhalt der Geflügelzucht auf dem Hof und sah deshalb schon bei der Hochzeit, dann bei Winniefred mit beiden Augen weg. Selbst als der Franz sie hackedicht fast totgeschlagen hatte, unternahm ihre Mutter nichts. Winniefred musste noch extra ihr Geld verdingen und alles abgeben, damit das Geflügel mit ausreichend Futter und der Stiefvater mit einer Menge Schnaps für seine gute Laune über die Runden kam. Probleme wurden grundsätzlich totgeschwiegen. Es waren harte Zeiten für alle.
Xaver Scheitelbaum klingelte an der Tür von Winniefreds Elternhaus. Der Gansbauer Franz kam sofort mit einem Holzscheit in der Hand hinausgestürmt. Er mochte halt keine Fremden. Winniefred schluckte hart hinunter. Sie wusste, für wen die Abreibung gedacht war. Der Saukopf mit dem Eber im Namen hatte garantiert bereits mit einem Knecht den Eltern Bescheid gegeben. „Stopp!“ Xaver hob beschwichtigend die Hände: “Aber…Aber…Bitte Vorsicht Herr Gansbauer, Grüß Gott erst einmal! Lassens mich Ihnen doch bitte etwas sagen! Ihre Tochter hat wegen einem Missverständnis mit einem kaputten Gartenschlauch und mir die Arbeit beim Eberhartinger verloren und dort bereits Prügel eingesteckt. Ich biete Ihnen an, dass die Winniefred sich ab morgen bei mir auf dem Scheitelbaumhof verdingt. Und als Zeichen meines guten Willens möchte ich Ihnen den guten Saukopf vom Eberhartinger für eine hausgemachte Sulz schenken.“
Winniefred und dem Stiefvater klappten die Münder gleichzeitig herunter. „Aber dafür brauch ich ihre Tochter in einem Stück, sonst kann sie mir morgen auf dem Hof nicht zur Hand gehen. Hab ich mich klar ausgedrückt? Morgen um 04: 30 Uhr auf dem Hof. In einem Stück. Meine Mutter mag es nicht, wenn das Personal schäbig ausschaut!“
Der Gansbauer Franz nickte nur, ging mit dem Xaver zum Auto und nahm den Saukopf aus dem Kofferraum in die Arme. Winniefred lief sofort ins Haus, schnappte sich in der Küche noch einen harten Kanten Brot und einen Apfel, leerte das Extra-Taschengeld von der Eberhartinger-Bäuerin aus der Schürzentasche auf den Tisch aus und beeilte sich so schnell sie konnte, aus der Reichweite ihres Stiefvaters, vor allem des Holzprügels, zu kommen. Der zugige Heuboden wartete, ihr sicherer Platz, um sich zu verkriechen.
Wie der Xaver Scheitelbaum es bei Winniefreds Vater anschaffte, so war es auch getan. Am nächsten Morgen stand Winniefred pünktlich auf der Schwelle vom Haupthaus vom Scheitelbaumhof, klingelte und wartete auf irgendjemanden, der ihr Anweisungen erteilte und sie auf dem Hof einwies.
Xaver hatte gestern selbst noch Prügel von seinem alten Herrn einstecken müssen. Der alte Otto tobte: Den guten Saukopf einfach verschenkt! Dafür musste der Xaver beim Eberhartinger bittstellen, um noch den anderen kaufen zu dürfen. Aber gefälligst von seinem Ersparten! Außerdem was sollten sie denn mit noch einer Magd? Einer, die sich auf einem Großbauernhof mit Jagd überhaupt nicht auskannte?
Aber da hatten sie sich ganz schön getäuscht. Winniefred arbeitete mit Leib und Seele, von früh bis spät. Die Jagdhunde und die Pferde versorgte sie in- und außerhalb der Boxen mit Links. Die Fischweiher bewirtschaften, also füttern, abfischen und schlachten war ebenso kein Problem. Die Vorbereitungen für die Bienenstöcke traf sie bald selbstständig. Wild häuten, ausnehmen und zerteilen war ein Heimspiel. Die Lehre beim Eberhartinger-Bauern zahlte sich aus. Winniefred lernte alles Neue schnell und scheute keine noch so harte Arbeit. Bald boten Xavers Eltern Hermine und Otto Scheitelbaum, der jungen Frau ein Zimmer auf dem Gestüt an, damit die tüchtige Winniefred sich den weiten Weg morgens und abends nach Hause sparen konnte. Winniefreds Eltern waren damit zufrieden: ein Esser weniger und Geld für Schnaps und Brot, dass den Weg trotzdem zu ihrem Geflügelhof fand.
Winniefred war die glücklichste Frau auf der Welt! Ein eigenes Zimmer mit Waschmöglichkeit! Keine Prügel mehr! Und sogar jeden Tag ein warmes Essen! Die Köchin steckte ihr sogar öfter im Vorbeigehen einen weichen Kanten Brot zu, weil sie so dürr war. Was wollte man mehr? Winniefred entdeckte eine lose Bodendiele unter ihrem Kleiderschrank. Ein Versteck! Dort hatte das mitgebrachte Gotteslob und der Rosenkranz Platz! Und von nun an auch Geld. Alles in ihr hatte es satt, dass hart verdiente Geld für Stiefvaters Schnaps abgeben zu müssen. Sie täuschte den Eltern vor nun weniger zu verdienen, weil sie das Zimmer und mindestens eine Mahlzeit am Tag bei den Scheitelbaums gestellt bekam. Ein neues Kleid mit Schürze musste her und ein paar Haarschleifen! Darauf wollte sie sparen!
Der junge Xaver hielt sich auffällig oft und länger als nötig in der Nähe der neuen hübschen Magd auf. Er half ihr, wo er nur konnte. Auf einmal war nichts zu anstrengend für ihn. Seine Eltern beobachteten ihn deshalb mit Argusaugen. Sie rochen die Lunte. Er sollte eigentlich eine der gut situierten Bauerntöchter aus der näheren Umgebung heiraten, mit ordentlich Mitgift, damit das Vermögen der Familie nicht weniger würde. Daraus wurde nichts. Xaver bat schon bald seine Eltern darum Winniefred ehelichen zu dürfen, und mit der Einwilligung zum Gansbauer zu gehen, um schnellstmöglich um die Hand der Stieftochter zu bitten. Sein Vater gab schnell nach. Xaver wusste von seinen Liebeleien und wollte nicht zögern seiner Mutter und auch noch dem Pfarrer davon zu erzählen, wenn er seinen Willen nicht bekam. Ansonsten bekam der Pfarrer nur die Bitte das Aufgebot zu bestellen. Seiner Mutter war eh keine reich, also gut genug. Sie vergraulte ihm schon seit dem Eintritt ins heiratsfähige Alter alle Kandidatinnen, für die er sich interessierte. Nur weil der Vater das letzte Wort hatte, durfte er zum Federnhof gehen und noch 1946, kurz vor Winniefreds Volljährigkeit, um die Hand der jungen, schönen Frau anhalten.
Winniefred ließ den Xaver am langen Arm verhungern. Natürlich merkte sie, dass er nach ihrer Aufmerksamkeit lechzte. Aber ebenso merkte sie, um den Zorn in seiner Mutter Augen, wenn er zu lange, bei ihr verweilte und das Gespräch suchte. Umso mehr überraschte sie seine Hartnäckigkeit im Nachstellen. Er überraschte sie immer öfter, wenn sie z. B. alleine beim Ausmisten oder Einstreuen in den Pferdeboxen war. Er nahm Winniefred heißblütig in die Arme und gestand ihr jedes Mal erneut seine große Liebe. Und er wollte doch nur einen Kuss, als kleines Zeichen der Hoffnung. Irgendwann gab sie in einem schwachen Moment nach und landete mit Xaver im Heubett. Von wegen nur ein Kuss! Da war sie hin die Jungfräulichkeit! So schnell konnte sie gar nicht schauen, da waren die Röcke nach oben gerafft, der Busen blank und der schwitzende Kerl auf und in ihr. Danach war sie nirgends mehr sicher. Ständig riss er ihr das Mieder auf und befriedigte sich Tag und Nacht an ihr. Schnell war sie beim Ausmisten über den Heuballen gelegt oder im Stehen in der Räucherkammer befleckt. Nicht einmal nachts ließ er sie in Ruhe! Sie schob schon immer automatisch den Schrank vor die Tür und verriegelte die Fenster. Und konnte er sie nicht ganz haben, steckte er ihr ständig die Hände in den Ausschnitt, zwirbelte, kniff, drehte und biss sogar in ihre Brustwarzen, bis sie quietschte und befingerte sie, wo er nur konnte. Keine Körperöffnung war ihm heilig. Sie war jetzt seines, sein Spielzeug und deshalb hatte sie ihm, in seiner lang unterdrückten Gier nach ihr, gefälligst zu Willen zu sein. Er würde ihr wann und wo er nur konnte seine kraftstrotzende Männlichkeit beweisen!
Winniefred hatte verloren. Ihre Eltern stimmten trotz der von ihr angebotenen Summe der abgezweigten Ersparnisse, für ein Nein zu der Heirat mit Xaver Scheitelbaum, zu. Die Scheitelbaums wollten Geflügelgroßabnehmer werden, um zusätzliches Schlachtvieh anbieten zu können. Die Geflügelreste waren gutes Futter für die Jagdhunde. Da sagten die Gansbauers natürlich nicht nein. Es war ein gutes Geschäft!
Seit der offiziellen Verlobung und dem bestellten Aufgebot musste sie sich nun permanent vor ihrer zukünftigen Schwiegermutter in Acht nehmen. Die Missgunst in ihren Augen war noch schlimmer, als wenn sie ihren erduldeten Gatten ansah, wenn dieser von einer Zechtour mit seinen Jägerkumpanen wiederkam und nach billigem Parfum und Rauch stank. Natürlich wusste Hermine Bescheid. Ein untreuer Geselle war ihr Mann. Sie hielt nur das Geld zusammen, soweit es ihr möglich war.
Ab dem Tag der Verlobung wurde die arme Winniefred Tag und Nacht von der Alten Scheitelbaum gescholten und mit einem Haselnussstock gezüchtigt. Hermines ganzer aufgestauter Frust, die Untreue ihres Mannes und der Ungehorsam ihres Sohnes wollten sich endlich entladen. Hermine fand es nur Gerecht, dass jemand büßen sollte. Und jetzt hatte sie ihr Opfer gefunden.
Xaver fand schnell gefallen an der Haselnussgerte. Es erregte ihn, wenn seine Mutter Winniefred damit schlug. Er besorgte sich ebenfalls eine, um sie beim Ficken damit auf den Rücken, auf die Brüste oder auf den Po zu schlagen. Schon jetzt schwor Winniefred innerlich Rache zu nehmen. An Hermine und Xaver.
Die Heirat wurde schnell und unspektakulär in der kleinen, am Hof angrenzenden Kapelle im Beisein der Eltern und beider angehender Eheleut vollzogen. Einen Monat später wurde sie schwanger und hatte endlich einen Grund sich Xavers unangenehmen Liebeskünsten entziehen zu können. Doch durch die harte körperliche Arbeit, die sie weiter verrichten musste, verlor sie das Baby. Sie wurde trotz allen Flehens, zur barmherzigen Mutter Maria, erst zwei Jahre später wieder schwanger und gebar tatsächlich den ersehnten Stammhalter, den Wickerl (Ludwig). Darauf folgten im Abstand von einem Jahr noch ein Sohn, der Lorenz und nach weiteren zwei Jahren eine Tochter, die Antonia. Eine Wundbettinfektion nach der Niederkunft ihres dritten Kindes ließ Winniefred durch eine Gebärmutterentfernung unfruchtbar werden. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich Xavers Haltung zu ihr immens. Sie war jetzt keine richtige Frau mehr, weil sie ihm keine Kinder mehr schenken konnte. Er nutzte ihre Unfruchtbarkeit als Vorwand, um sich offiziell von seinen Dorf-Mätressen befriedigen zu lassen und um sein Leben neu und spannend, mit allen Annehmlichkeiten zu gestalten. Und da war das viele Mitleid, das er wegen seiner armen, kranken Frau einheimste.
Er eröffnete mit seinem Vater zusammen auf dem Hof noch eine Delikatessenmetzgerei mit ausschließlich feinsten Wildfleischprodukten. Dass Geschäft ging gut, weit über die Dorfgrenze hinaus. Das Ansehen im Dorf stieg weiter und Xaver jagte und erlegte das Wild zusammen mit seinem Spezl, dem Gustl, im Blutrausch, schon fast am laufenden Band.
Das Winniefred fast an der eitrigen Infektion, dem hohen Fieber mit anschließender Notoperation krepiert war, interessierte ihn nicht. Auch sonst niemanden. Es waren sehr einsame Jahre für Winniefred. Geschunden, verachtet, ausgebeutet, ein Hauch ihrer selbst. Nur zum Putzen, waschen und in der Küche arbeiten, für Xavers Botendienste und zum Kindergroßziehen noch nutze. Und um das Bild nach außen in der Gemeinde zu wahren. Xaver vermittelte beim Pfarrer und im Dorf den Eindruck, dass er, der vorbildlich, treusorgende Ehemann war. Jemand der sich nach der langen Krankheit seiner Gattin immer noch rührend um sie kümmerte. Obwohl, sie so gut wie keine schweren Arbeiten mehr verrichten durfte. So ein Unglück für Xaver und seine Familie, weil auf dem Hof doch so viel Arbeit zu schaffen ist! Ein scheußliches Leben war das!
Einen halben Trost gab es für Winniefred: Der dominante Schwiegervater verstarb urplötzlich im jungen Alter von 69 Jahren und ihre böse Schwiegermutter verzog sich daraufhin freiwillig in einen luxuriösen Altenteil, einen großen Bauernhof mit sehr viel Weidegrund im überüberübernächsten Dorf, nach Groß Feldsteinberg. Der Nachruf in der Zeitung, für den jung verstorbenen Otto Scheitelbaum, war sogar eine Seite groß! Xavers jüngerer Bruder Herbert ging freiwillig mit nach Groß Feldsteinberg. Lieber war er seiner Mutter zu Diensten als bei Xaver auf dem Hof. Im Wald und in der Metzgerei brauchte er dann auch nicht mehr weiter hart zu schuften.
Der Xaver machte eh keinen Hehl daraus, dass der faule Säckel Herbert, das Muttersöhnchen vom Dienst, gefälligst freiwillig und möglichst bald auf seinen Erbteil verzichten sollte! Was hatte der Herbert denn schon geleistet? Nichts! Er schnaufte einem nur die Luft weg und fraß sich bei Muttern durch.
Der Xaver war ein Monster.
Wenn man eine Beschreibung für zügellose Raffgier bei einem fiesen Mann in einem Deutschen Literaturwerk suchte, konnte ein Bild von dem Raffzahn Xaver Scheitelbaum mit der dazugehörigen Lebensbeschreibung als Beispiel und Erklärung dienlich sein.
Die Jahre zogen sich dahin, Teile des Gestüts hatte Xaver von seinem großen Erbteil bereits an seine ebenso erwachsenen, geschäftstüchtigen Kinder übereignet. Natürlich um den Fiskus die schwere Arbeit zu ersparen, zu viel Steuern von ihm einzutreiben. Wenn seine Mutter, die Hermine, einmal verschied, dann kam das Thema Bruder Herbert und die Auszahlung des Erbteils wieder auf den Tisch. Der Geier von Bruder lauerte doch schon lange auf das hart erknauserte Vermögen! Aber nicht mit ihm!
Der erstgeborene Sohn, der Ludwig, bewirtschaftete gewinnbringend die Fischteiche und Heufelder.
Der zweite Sohn, der Lorenz, führte erfolgreich die ausgezeichnete Jagdhundzucht. Die Hunde waren im ganzen Land begehrt und bekannt.
Die Tochter Antonia führte schon in jungen Jahren erfolgreich die Pferdewirtschaft. Pferde lagen ihr im Blut.
Und Xaver blieb viel Zeit für die Jagd, mit all seinen Kumpanen, der regelmäßige Besuch beim Jagdhornverbund, der Spaß im Schützenverein und im Wirtshaus und die Arbeit als Aufseher in der hauseigenen Metzgerei mit den berühmten Wildspezialitäten. Jawohl, er war eine der angesehensten Persönlichkeiten im Dorf. Er war sogar ein enger Spezl vom Bürgermeister. Nirgends, bei keinem wichtigen Anlass durfte er fehlen! Und Winniefred „durfte“ jedes Mal den feinen Herrn als geschmücktes Beiwerk begleiten: Artig wie ein gut erzogenes Hündchen. Mach Sitz, bleib auf dem Platz und halt dein Maul.
Und Winniefred blieb nichts, außer dem Haushalt und den Anweisungen des Hausherrn zu folgen. Freundinnen waren auch verboten. Nicht dass die ihr Flausen in den Kopf setzten.
Tag ein Tag aus, Jahr um Jahr, ertrug Winniefred Xavers nerviges Gebrüll, weil sie doch nie etwas Anständiges zuwege brachte, egal was man ihr auftrug! Jeden verdammten Tag war, das furchtbare Platzhirschverhalten des lieblosen Gatten stillschweigend zu ertragen! Er war nach wie vor ein rücksichtsloses, respektloses Schwein!
Irgendwann, völlig aus heiterem Himmel heraus, nahm sich der Xaver tatsächlich der leerstehenden Wohnung unter ihrer gemeinsamen an und zu eigen. Mit der Begründung, dass er mit der von Gott verfluchten, der Schande des gesamten Hofes, nicht mehr ein gemeinsames Bett teilen wollte. Nicht, dass sie doch noch auf ihn abfärbte. Eigentlich schwelgte er immer noch in den Erinnerungen an seinen dominanten Vater und einen besseren Vorwand, um sich der Winniefred zu entledigen, und endgültig in seines Vaters mächtige Fußstapfen zu treten, gab es nicht. Seine Mutter hinterließ die Wohnung nach ihrem Auszug genauso, wie sie mit dem Vater jahrzehntelang darinnen gelebt hatte. Alle alten muffigen Möbel standen noch an Ort und Stelle, sogar die Kleidung des Vaters hing noch tadellos gebügelt im Schrank. Ein Segen für Xaver.
Trotz der räumlichen Trennung belästigte, belauerte und bespitzelte er Winniefred Tag und Nacht, in- und außerhalb der ehemalig gemeinsamen Wohnung, zu jeder ihm passenden Zeit! Z. B. mitten in der Nacht mit unermüdlich lautem Pantoffelgeschlurfe im Hausflur und im Treppenhaus. Ständige Kontrolle musste seiner Meinung nach sein! Die Alte durfte schon merken, dass er daheim war! Nicht dass das faule Weibsbild alles verlottern ließ, nicht richtig lüftete, zu lange schlief, etc.
Als Bonus gab es Tag ein Tag aus die zum Teil vorhersehbaren, furchtbaren Zornesausbrüche ihres psychopathischen Mannes. Schlimm war auch die ewige Geldknausrigkeit ihr gegenüber, damit sie nicht die kleinste Freiheit oder Freude genießen konnte! Z. B. war das Geld für den Einkauf beim Bäcker genauestens abgezählt, denn wenn sie sich noch was extra kaufte, dann würde die Altweiberfigur von ihr garantiert dick. Auf seine Kosten fettfressen! Niemals! Mehr als nur Dankbar müsste sie ihm dafür sein, dass er auf sie achtete und nicht dauernd nerven und sein gutes Geld verprassen wollen! Dafür konnte der Herr Scheitelbaum aber die dicksten Spendierhosen bei seinen Jägerkumpanen anhaben…und überall anders auch eine Menge Trinkgeld springen lassen. Ja, er war ein Mann von Welt!
Aber auch jeden Tag so besoffen, das er nicht merkte, wie Winniefred sich immer ein bisschen Bargeld aus seiner Geldbörse herausnahm. Die Sachen, die sie sich davon leistete, wie z. B. Bücher oder ein kleines Duftwasser…, versteckte sie sorgfältig.
Himmel! Sie war doch erst 43 Jahre alt! Seit Kindheitstagen zwar an nichts anderes als an Kummer gewöhnt, aber den von Xaver verursachten Zustand, nicht nur jetzt, sondern bis ans Ende ihrer Tage ertragen müssen? Bis das der Tod sie beide schied? Da zweifelte Winniefred immer mehr daran, dass es einen Gott gab. Zu viel war zu viel! Es hieß in einem ihrer Bücher das sogar die Sklaven auf den Baumwollplantagen hatten singen dürfen. Sie aber nicht! In der Gegenwart des feinen Herren war alles, was ihre Wenigkeit betraf, grundsätzlich falsch. Wenn er ihr das Atmen hätte verbieten können, würde er es anordnen. Seit Jahren durfte von ihr nur die gleiche Frisur getragen werden: Die langen Haare geflochten zu einem Dutt hochgesteckt, wie bei seiner Mutter. Nur immer dieselben Dirndlfarben, die er als angenehm für seine Augen empfand, auch wie bei seiner Mutter. Sogar ihr Bad- und Toilettengang musste wegen ihrer, für ihn unerträglichen Ausdünstungen, nach seinem Tagesablauf ausgerichtet werden. Winniefred hatte nur noch dafür zu sorgen, die aufgetragenen Einkäufe zu erledigen und dass das Mittags- und Abendessen pünktlich für den Herrn auf dem Tisch stand. Es war schon ein Wunder, wenn er überhaupt etwas zu Hause und nicht im Wirtshaus aß! Angeblich bekam er immer Durchfall von dem Fraß, den sie zubereitete. Nein, „pantschte“, war der Ausdruck, den er verwendete. Alles Mögliche hatte er ihr Stück für Stück entzogen, um sie wie einen Hofhund an der kurzen Kette halten zu können. Er bestimmte jeden Tag mehr, was sie beide aßen und was von ihr eingekauft werden durfte. Xaver brauchte die totale Kontrolle über alles und jeden, sonst sorgte sein Jähzorn und sein unvorhersehbares Verhalten für Gefahr im Verzug! Der König hat Laune, rettet eure Köpfe!
Winniefreds Leben war auf der einen Seite so trostlos und öde, auf der anderen furchtbar angespannt, voller Angst und Zorn! Sie wandte sich in Gedanken endgültig von Gott ab. Ihre Gedanken kreisten darum, dass