Japanische Geistergeschichten - Lafcadio Hearn - E-Book

Japanische Geistergeschichten E-Book

Lafcadio Hearn

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Beschreibung

Illustrierte Fassung Anfang des 20. Jahrhunderts notierte der Japankenner und Autor Lafcadio Hearn (1850 - 1904) mehrere japanische Gruselgeschichten, die uns die fernöstliche Vorstellung von Geistern nahebringen, die in vielen Dingen der westlichen ähnelt, aber in anderen auch wieder konträr verläuft. Die deutsche Fassung (1925) stammt vom bekannten Übersetzer und Autor ("Der Golem") Gustav Meyrink. In der Edo-Zeit (1603 - 1868) gab es ein beliebtes Gesellschaftsspiel namens "Hundert Geschichten", bei denen die Gäste sich gegenseitig Gruselgeschichten erzählten. Nach jeder Geschichte wurde eine Lampe gelöscht, bis die ganze Gesellschaft im Dunkeln saß. Die Geschichten hatten meist einen philosophischen Hintergrund und behandelten Themen wie Schicksal, Ehre, unerfüllte Liebe und Verantwortungsgefühl. Der vorliegende Band ist geschmückt mit 18 Horrorzeichnungen der bekanntesten Japanischen Meister. 1. Auflage Null Papier Verlag

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Lafcadio Hearn

Japanische Geistergeschichten

Illustriert

Lafcadio Hearn

Japanische Geistergeschichten

Illustriert

Übersetzung: Gustav Meyrink

Original: „In Ghostly Japan“ und „Kottō“

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-588-7

Umfang: 110 Normseiten bzw. 139 Buchseiten

www.null-papier.de/295

 

Buch

Anfang des 20. Jahrhunderts notierte der Japankenner und Autor Lafcadio Hearn (1850 - 1904) mehrere japanische Gruselgeschichten, die uns die fernöstliche Vorstellung von Geistern nahebringen, die in vielen Dingen der westlichen ähnelt, aber in anderen auch wieder konträr verläuft. Die deutsche Fassung (1925) stammt vom bekannten Übersetzer und Autor („Der Golem“) Gustav Meyrink.

In der Edo-Zeit (1603 - 1868) gab es ein beliebtes Gesellschaftsspiel namens „Hundert Geschichten“, bei denen die Gäste sich gegenseitig Gruselgeschichten erzählten. Nach jeder Geschichte wurde eine Lampe gelöscht, bis die ganze Gesellschaft im Dunkeln saß. Die Geschichten hatten meist einen philosophischen Hintergrund und behandelten Themen wie Schicksal, Ehre, unerfüllte Liebe und Verantwortungsgefühl.

Der vorliegende Band ist geschmückt mit 18 Horrorzeichnungen der bekanntesten Japanischen Meister.

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Bis (hoffentlich) bald,ihrJürgen Schulze, [email protected], Verleger

I. Ingwa–Banashi – Wirkung eines bösen Karmas

Des Daimyos Weib lag im Sterben; sie wusste, dass es mit ihr zu Ende ging. Seit Frühherbst des zehnten Bunsei hatte sie das Krankenbett nicht mehr verlassen.

Es war der vierte Monat im zwölften Bunsei – was dem Jahr 1829 westlicher Zeitrechnung gleichkommt – und die Kirschbäume standen in voller Blüte.

Das Weib des Daimyos dachte an die Kirschbäume in ihrem Garten und an den herrlichen Frühling draußen. Sie dachte an ihre Kinder. Sie dachte an ihres Gatten zahlreiche Nebenfrauen und vor allem an die neunzehnjährige Yukiko.

»Mein geliebtes Weib«, sagte der Daimyo, »du hast viel, viel gelitten in diesen drei langen Jahren. Wir haben alles getan, was in unseren Kräften stand, haben bei dir gewacht Tag und Nacht, haben für dich gebetet und oft und oft gefastet um deinetwillen. Aber trotz unserer Liebe und Sorgfalt und der Bemühungen unserer besten Ärzte will es jetzt scheinen, als ob es mit deinem Leben zu Ende ginge. Wahrscheinlich ist unser Leid größer als das deinige, dass du die Stätte verlassen wirst, von der der Buddha sagte: ›Die Welt, sie ist ein brennendes Haus.‹

Ich werde anordnen, gleichgültig, was es auch kosten möge, dass die Priester alle religiösen Riten vollziehen sollen, die dir von Nutzen sein können für dein nächstes Dasein auf Erden; wir alle werden ohne Unterlass für dich beten, dass du nicht mögest wandern müssen in den lichtlosen Abgrund des Totenreiches, sondern sogleich nach dem Hinscheiden ins Paradies gelangst und die Buddhaschaft erringst.«

Der Daimyo hatte voll Liebe zu seinem Weib gesprochen und sie dabei zärtlich gestreichelt.

Die Augen geschlossen, antwortete sie ihm mit einer Stimme, so fein und leise wie das Schwirren zarter Insektenflügel:

»Ich danke dir, danke dir aus vollem Herzen für deine lieben Worte … Ja, es ist wahr, was du sagtest: Ich bin krank gewesen drei lange Jahre, und ihr habt mich gepflegt mit Sorgfalt und treuester Hingabe. Warum sollte ich jetzt straucheln auf dem einzigen wahren Pfad, jetzt im Angesicht des Todes? … Vielleicht ist es nicht recht, in dieser Stunde an irdische Dinge zu denken, aber … ich habe eine Bitte auf dem Herzen. Nur eine einzige! … Ruf mir Yukiko; du weißt, ich liebe sie wie eine Schwester. Ich will mit ihr über Dinge sprechen, die den Haushalt betreffen.«

Yukiko kam auf den Befehl des Daimyos herbei und kniete auf seinen Wink neben dem Bett nieder.

Die Sterbende schlug die Augen auf, blickte Yukiko an und sagte:

»Du bist hier, Yukiko? … Ich bin so froh, dass ich dich noch einmal sehen kann, Yukiko! … Komm näher zu mir, damit du mich hören kannst, ich bin nicht imstande, laut zu sprechen … Yukiko! Ich muss sterben. Ich hoffe, du wirst in allen Dingen unserem lieben Gatten treu ergeben sein … denn ich will, dass du meine Stelle einnimmst, wenn ich nicht mehr bin … Ich hoffe, er wird dich immer lieben, hundertmal mehr noch, als er mich geliebt hat – und dass er dich bald, bald in einen höheren Rang erheben wird – und dich zu seiner wirklichen Gattin machen. Und ich bitte dich, umgib ihn mit deiner ganzen Liebe; lass es nicht geschehen, dass eine andere dir sein Herz stiehlt… Das ist es, was ich dir sagen wollte, meine geliebte Yukiko … Hast du alle meine Worte verstanden?«

»O du meine liebe Herrin«, wehrte Yukiko ab, »ich bitte dich, sprich nicht so seltsam zu mir! Du weißt wie ich: ich bin arm und stehe tief im Range. Wie könnte es sein, dass ich jemals meine Augen zu ihm erheben dürfte in der Hoffnung, seine Gattin zu werden!«

»Nein, nein!«, widersprach die Sterbende; »es ist jetzt keine Zeit, Worte äußerlicher Höflichkeit zu tauschen, wir müssen zueinander wahrhaftig sein. Du wirst nach meinem Tod sicherlich meine Stelle einnehmen. Und ich versichere dir: ich wünsche, dass du sein Weib wirst. Ja, das wünsche ich, Yukiko. Wünsche es fast heißer noch, als die Buddhaschaft zu erringen … Ach, Yukiko, beinahe hätte ich vergessen: ich habe noch eine Bitte! Du weißt, im Garten steht ein Yae-Zakura, ein Kirschbaum mit doppelten gefüllten Blüten, den sie hergebracht haben vom Berg Yoshino in Yamato im vergangenen Jahr. – Er steht jetzt in voller Blüte. – So gerne möchte ich noch einmal seine Pracht sehen. – In einer kleinen Weile werde ich nicht mehr sein; ich muss ihn noch einmal sehen, ehe ich sterbe. – Ich möchte, dass du mich in den Garten trägst … jetzt, jetzt, Yukiko, … damit ihn meine Augen sehen … Ja, auf deinen Schultern, Yukiko, … nimm mich auf deine Schultern …«

Immer klarer und lauter war die Stimme der Sterbenden geworden, als habe die Sehnsucht ihr neue Kräfte gegeben; dann brach sie plötzlich in heftiges Weinen aus.

Regungslos blieb Yukiko auf den Knien, unschlüssig, ob sie gehorchen solle, bis der Daimyo durch Neigen des Kopfes seine Einwilligung gab.

»Es ist ihr letzter Wunsch hier auf Erden«, sagte er. »Sie hat immer die Kirschblüten über alles geliebt, und ich weiß, sie sehnte sich danach, den Yamatobaum noch blühen zu sehen. Erfülle ihre Bitte, liebe Yukiko.«

Wie eine Amme ein Kind auf den Rücken nimmt, dass es sich an ihr halte, so bot jetzt Yukiko der Sterbenden ihre Schultern und sagte:

»Herrin, ich bin bereit; bitte, sag mir, wie ich dir am besten helfen kann.«

»Ja. So. So ist’s gut«, flüsterte die Sterbende und richtete sich mit fast übermenschlicher Anstrengung auf, um sich an Yukikos Schultern anzuklammern.

Dann, als sie aufrecht stand, ließ sie rasch ihre Hände über Yukikos Achseln hinweggleiten in das Busenkleid hinein, fasste die beiden Brüste des Mädchens und brach in ein scheußliches, grauenhaftes Lachen aus.

»Jetzt ist mein Wunsch erfüllt!«, kreischte sie. »Mein Wunsch nach den doppelten Kirschblüten, wenn sie auch nicht auf dem Baum im Garten wachsen! ––– Ich hätte nicht sterben können, wär’ mir dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. – Jetzt hab’ ich alles. – Oh, welche Wonne!«

Bei diesen Worten fiel sie schwer gegen das zusammenbrechende Mädchen und war tot.

Sofort sprang alles zu, die Leiche von Yukikos Schultern zu lösen und sie auf das Bett zu legen, aber, seltsam, so leicht es scheinen sollte – es war unmöglich: Die erstarrten Hände hatten sich auf unerklärliche Weise in die Brüste des Mädchens festgekrallt – waren wie verwachsen mit dem frischen, lebenden Fleisch.

Yukiko verlor das Bewusstsein vor Schmerz und Entsetzen.

Man holte Ärzte.

Sie konnten den Vorgang nicht erklären.

Es gab kein Mittel, die Hände der Toten von dem Körper ihres Opfers zu lösen; zog man fest an ihnen, so trat Blut aus den Brüsten. Doch nicht, weil die Finger verkrampft gewesen wären! Nein, die Handflächen waren auf unbegreifliche Weise mit dem Fleisch der Brüste verbunden und verwachsen.

Damaliger Zeit lebte in Yedo ein Fremder – ein holländischer Chirurg. Man ließ ihn holen, und nach langer, genauer Untersuchung sagte er, der Fall sei nicht zu erklären und die einzige Rettung für Yukiko bestünde darin, unverzüglich die Hände der Leiche abzuschneiden. Der Daimyo willigte ein, und die Hände wurden amputiert. Bald darauf wurden sie schwarz und trockneten ein – wie die Hände eines Menschen, der lange im Grabe gelegen hat.

Doch damit sollten die Schrecken nicht zu Ende sein …

Wenn auch blutlos und mumienhaft, waren die Hände dennoch nicht tot.

Zu gewissen Zeiten begannen sie sich zu regen – heimlich, verstohlen, wie große graue Spinnen.

Und nachts darauf, immer wenn die Stunde des »Ochsen« kam, die zweite Stunde nach Mitternacht, in der nach alter japanischer Überlieferung die Gespenster der Toten freigegeben sind – da krampften sich die Finger zusammen, quetschten die Brüste und folterten Yukiko. Erst um 4 Uhr morgens, um die Stunde des Tigers, ließ die Pein nach.

Yukiko hat sich das Haar abgeschnitten und ist eine buddhistische Nonne geworden. – Ihr Ordensname war Dassetsu.

Sie hat ein Ihai – das ist eine Totentafel – die das Kaimyo ihrer verstorbenen Herrin aufwies: »Myo-ko-In-Den-Chizan-Ryo-Fu-Daishi« selbst angefertigt und trug es bei sich bei allen ihren Wanderungen. Vor ihm bat sie jeden Tag die Tote demütig um Verzeihung und hielt die buddhistischen Riten ab, auf dass der eifersüchtige Geist Ruhe finden möge.

Aber das böse Karma, das die wahre Ursache alles dieses Leidens war, beanspruchte lange Zeit, bis es sich erschöpfte.

Jede Nacht um die Stunde des »Ochsen« quälten die Hände Yukiko länger als siebzehn Jahre hindurch – so berichten die Leute, denen Yukiko ihre Geschichte zuletzt eines Abends im Haus des No-guchi Dengo-Zayemon im Dorf Tanaka, im Distrikte Kawachi, in der Provinz Shimotsuke, erzählte, wo sie einmal übernachtete. Das war im dritten Jahr Kokwa (1846).

Seitdem hat man von Yukiko nichts mehr gehört.

II. Der Tengu

In den Tagen des Kaisers Go-Reizei lebte ein frommer Priester im Tempel zu Saito auf dem Berg, den sie Hiyei-Zan nennen, in der Nähe von Kyoto.

Eines Sommermorgens kehrte dieser Priester nach einem kurzen Aufenthalt in der Stadt zum Tempel zurück und schlug den Weg über Kita-no-Ojy ein, da sah er, dass ein paar Knaben sich damit vergnügten, eine Gabelweihe, die sie mit Schlingen gefangen hatten, zu misshandeln, indem sie sie mit Ruten schlugen.

»Oh, das arme Geschöpf!«, rief, von Mitleid ergriffen, der Priester; »warum quält ihr denn den unglücklichen Vogel so, Kinder?«

»Wir wollen ihn töten, weil wir seine Federn haben möchten«, antwortete einer der Knaben.

Mit warmen Worten der Barmherzigkeit überredete der Priester die Kinder, ihm die Gabelweihe im Tausch gegen einen Fächer, den er bei sich trug, zu überlassen, und gab dem Vogel seine Freiheit wieder.

Das Tier war nur leicht verletzt und konnte ohne Mühe davonfliegen.

Glücklich, eine Tat im Sinn der buddhistischen Lehre vom Mitleid mit allen lebenden Geschöpfen vollbracht zu haben, setzte der Priester seinen Weg fort.

Er war noch nicht weit gegangen, da sah er einen fremdartig gekleideten Mönch aus einem Bambusgehölz eiligen Schrittes auf sich zukommen. Der Mönch grüßte ihn ehrerbietig und sagte:

»Herr, durch Ihr mitleidiges Verfahren haben Sie mir das Leben gerettet; mein heißester Wunsch ist, Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen!«

Erstaunt entgegnete der Priester:

»Wahrhaftig, ich kann mich nicht entsinnen, Sie jemals früher gesehen zu haben. Möchten Sie die Güte haben, mir mitzuteilen, wer Sie sind?«

»Es ist freilich kein Wunder, dass Sie mich in dieser Gestalt nicht wiedererkennen«, antwortete der Mönch. »Ich bin die Gabelweihe, die jene Knaben in der Nähe von Kita-no-Ojy gequält haben. Und was könnte es Wertvolleres geben als das Leben! Daher möchte ich mich Ihnen auf irgendeine Weise erkenntlich zeigen. Wenn es etwas gibt, das Sie gerne besäßen, wüssten oder zu sehen wünschen – kurz, irgendetwas, was ich für Sie tun könnte, so bitte, sagen Sie es mir; ich habe das Glück, die ›Sechs übernatürlichen Kräfte‹ der Magie, wenn auch in unvollkommenem Maße, zu beherrschen, und bin daher in der Lage, Ihnen fast jeden Wunsch, den Sie äußern, erfüllen zu können.«

Als der Priester diese Rede vernahm, wusste er sofort, dass er mit einem »Tengu« zu tun hatte, und erwiderte freimütig:

»Mein Freund, ich habe seit Langem auf die Dinge dieser Welt verzichtet; weder Ruhm noch Vergnügen hat irgendwelche Anziehungskraft für mich. – Nur mein ferneres Schicksal, insoweit es meine zukünftige Wiederverkörperung betrifft, liegt mir am Herzen; doch das ist eine Angelegenheit, in der mir niemand helfen kann. Deshalb ist es überflüssig, darüber auch nur ein Wort zu verlieren. – Nun wüsste ich ein Ding, das mir wünschenswert erscheint: Ich habe mich mein ganzes Leben lang gegrämt, dass es mir nicht vergönnt war, in Indien auf Erden zu wallen, als Buddha, der Herr, unter den Menschen weilte, und dass ich nicht mit unter der großen Versammlung war, als er auf dem heiligen Berg Gridhara Kuta predigte. — Ach, mein Freund, wäre es doch möglich, über Zeit und Raum zu stehen wie die Bodhisattvas, um einen Blick tun zu können auf jene wunderbare Versammlung! Wie glücklich wäre ich!«

»Nun, diesen frommen Wunsch«, rief der Tengu, »kann ich Ihnen leicht erfüllen. Ich erinnere mich genau der Versammlung auf dem Geierberg und kann bewirken, dass alles vor Ihren Augen neu ersteht, was sich damals begeben hat, und zwar mit sämtlichen Einzelheiten. Es ist unsere größte Freude, solche heilige Dinge wieder aufleben lassen zu dürfen. Kommen Sie, folgen Sie mir hier auf diesem Weg.«

Der Priester ließ sich bereitwillig zu einem Platz führen, der, von Pinien umsäumt, am Abhang eines Hügels lag.

»Sie müssen nun«, sagte der Tengu, »hier eine Weile warten und dabei die Augen geschlossen halten. Öffnen Sie sie erst, wenn Sie die Stimme des Buddha hören, wie er das große Gesetz vorträgt. Dann können Sie um sich blicken. Wenn Sie aber die Erscheinung des Buddha schauen, dann dürfen Sie sich unter keinen Umständen von Gefühlen überwältigen lassen; Sie dürfen sich weder verbeugen, noch dürfen Sie beten oder sich zu Ausrufen hinreißen lassen, wie: ›So ist es, o Herr‹ oder: ›O du Gesegneter‹. – Sie dürfen überhaupt kein Wort sprechen. Sobald Sie auch nur das geringste Zeichen der Ehrfurcht von sich geben, trifft mich ein Missgeschick.«

Voll Freude versprach der Priester alles, und der Tengu entfernte sich eilig, um, wie es den Anschein hatte, seine Vorbereitungen zu treffen.

Der Tag verblasste, die Dämmerung senkte sich hernieder, die Nacht kam, und geduldig wartete der Priester, die Augen geschlossen, unter einem Baum. Endlich ertönte eine Stimme über ihm eine wundervolle Stimme, tief und klar wie das Dröhnen einer Glocke – die Stimme des Buddhas Sakyamuni – und verkündete die Lehre vom Weg der Vollendung.

Der Priester schlug die Augen auf und sah ringsum Strahlenglanz; alle Dinge waren verändert: die Stelle, auf der er stand, in den Geierberg verwandelt, der in Indien Gridhwa Kuta heißt, und die Gegenwart war zurückversetzt in die Zeit des Sûtras der Lotos des Guten Gesetzes. – Die Pinien waren verschwunden, und statt ihrer standen seltsam aussehende Bäume umher, aus den »Sieben kostbaren Stoffen« gebildet, mit Blättern und Früchten aus Edelsteinen; der Boden war bedeckt mit vom Himmel gefallenen Mandarava- und Manjuschakablumen und die Nacht erfüllt mit Wohlgeruch, dem Glanz und der Süßigkeit der großen Stimme.