Je dichter das Gras - Ulf Dittmann - E-Book

Je dichter das Gras E-Book

Ulf Dittmann

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Beschreibung

Ulf Dittmann folgt in seinem Roman: Je dichter das Gras den Spuren der Goten und lässt anhand verschiedener historisch belegter Eckdaten das Leben und Streben einer Epoche wieder auferstehen. Römer und Goten, zwei unterschiedliche Völker, die in einer gemeinsamen Zeit leben. Die Goten, im arianischen Glauben erzogen und die katholischen Römer waren nie Freunde, dennoch gehörten die Goten im vierten Jahrhundert zum Kreise der Verbündeten Roms. Dabei hatte die Sicherheit der beiden Stämme oberste Priorität, denn weder die von den Römern und Hunnen eingekreisten Goten, noch die dem Kampfgeist und der Stärke der Goten unterlegenen Römer können es sich leisten, den Partner dieses Zweckbündnisses ohne triftigen Grund zu verärgern. Und so kommt es, dass sich die Wege des tapferen baltischen Kriegsherrn Alarich, Nachkomme des ältesten Geschlechts der Goten, und des römischen Offiziers und Günstling des Kaisers, Stilicho, kreuzen. Beide sind den eifersüchtigen und hinterhältigen Blicken ihrer Neider ausgeliefert und stets in Gefahr, hinterrücks verraten und ermordet zu werden. Beide wollen die uneingeschränkte Macht, die Frau, die sie begehren und das Beste für ihr Volk, doch dafür müssen sie den Intrigen und Fallen ihrer Widersacher entgehen und den Unterschied zwischen Freund und Feind zweifelsfrei erkennen. Doch nur einer der beiden wird der Sieg über den anderen und seine Widersacher gelingen. Im Zeichen der vielen Sagen und Geschichten der Goten und ihrer ruhmreichen Schlachten wird hier das Leben des Ersten Westgotenkönigs Alarich skizziert. Dabei werden geschichtliche Belege mit den fiktiven Gedanken und Empfindungen der handelnden Personen zusammengefügt und in einem lebendigen und farbenprächtigen historischen Roman verwandelt.

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Seitenzahl: 342

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Je dichter das Gras

TitelseiteVorwortDer Tod des KaisersSarusStilichoTheodosius der GroßeDer KönigByzanzCarthagoEudoxia, die FränkinRufinus EndeDer teuflische GildoDie PestGildos EndeDer BundVölkerwanderungenDie ProphezeiungStilichos TodPrinzessin Galla PlacidiaDer Überfall des SarusDie drei Tage der römischen ApokalypseDer SturmAlarichs TodDas Grab im BusentoImpressum© 2021 Ulf Dittmann

Je dichter das Gras

Historischer Dokuman über das Leben des Westgotenkönig Alarich (370 - 410) zur Zeit der Spaltung des römischen Reiches

von Ulf Dittmann

Vorwort

Dies ist eine historische Berichterstattung in Romanform, für die ich die Bezeichnung Dokuman gewählt habe.

Ich habe versucht mich dort, wo es Dokumentationen über diese Zeit gibt, an die Überlieferungen zu halten. Dort, wo es keine Überlieferungen gab, habe ich versucht im Sinne des gesamten Bildes der damaligen Zeit die Lücken zu füllen.

Dies ist auch rückblickend immer noch ein dunkles Zeitalter. Um die Geschehnisse und um die Umstände jener Zeit wiederzugeben werden hier auch Vorgänge geschildert, die als grausam bezeichnet werden können.

Dennoch denke ich, jene Zeit sollte nicht so einfach vergessen werden und wenn es nur deshalb ist um zu erkennen, dass auch bis heute nach nunmehr nach ca. 1600 Jahren die Eitelkeiten und Eifersüchteleien, der Neid und die Gier nach Macht und Anerkennung sich keinesfalls geändert hat. Nur die Methoden sind teilweise subtiler geworden.

Es scheint sich nie zu ändern, denken wir.

Und die Dummheit des Menschen und seine Unfähigkeut diesen Fesseln der eigenen Emotionen nicht entrinnen zu können, ist die Konstante aller Zeiten.

Aber es gibt sie, es gab sie und wird sie auch immer geben, die Persönlichkeiten, die sich dann letztlich doch befreien können und die anderen ein Vorbild sein könnten, wenn eben diese es denn auch begreifen und verstehen würden.

Der Tod des Kaisers

Dies war ein dunkles Zeitalter, das Schrecklichste seit Menschengedenken!

Es schien, als habe sich das Böse zehntausendfach verkörpert und aufgemacht, um die Vernichtung über die Menschheit zu bringen.

Die entfesselten Dämonen brachen aus der Gegend um die Mäotische See hervor und rasten wie eine alles vernichtende Flutwelle über die zarten Pflanzen beginnender Kulturen hinweg.

Nachdem der Beutezug die vereinten Hunnischen Völker aus Zentralasien nach China geführt hatte, aber das Reich der Mitte ihnen den Weg zu seinen Schätzen verwehrt hatte, wandten sich die Hunnen den weiten Steppen des heutigen Russlands zu.

Zunächst ließ es sich in diesem Land gut für die Kriegernomaden leben, denn das Klima war damals mild und das Land gut geeignet zur Besiedlung. Dann jedoch, zwischen den Jahren 374 und 375, herrschte ein strenger Winter, der bis tief ins Jahr hinein dauerte. Ein großer Teil des Viehs erfror, die Versorgung wurde knapp und aus dem Osten drängten weitere Hunnische Völker in das neue Land der Verheißung.

So war der Aufbruch in den Westen für viele die einzige Möglichkeit, dem Verhungern zu entrinnen.

Die Alanen waren die Ersten, die von der hunnischen Woge hinweggespült wurden. In ihrer Lebensweise waren sie den Hunnen ähnlich. Auch sie waren Nomaden, die mit und von ihrem Vieh lebten.

Auch die Alanen waren mehr Krieger als Viehzüchter. Der höchste Anmerkung für einen Krieger brachte es, einem getöteten Feind die Haut abzuziehen um diese dann dem eigenem Pferd als Brustschmuck umzuhängen. 

Als Kriegsgott verehrten die Alanen ein blankes Schwert, welches in der Mitte des Lagers einfach in den Boden gestoßen wurde.

Doch auch dieses kriegsgewohnte Volk wurden von den Hunnen in atemberaubender Schnelligkeit unterworfen und gezwungen, sich ihnen anzuschließen.

Nachdem der Hunnensturm über das Volk der Alanen hinweggefegt war und diese mitgerissen hatte, traf er unvermindert und mit nun fast doppelter Wucht auf das riesige Reich des Greutungenkönigs Ermanarich, welches sich vom Strom des Don bis zu den Karpaten und im Norden bis zu den Flüßen Kama und Oka erstreckte. Dieser gefürchtete König, der dem berühmten gotischen Geschlecht der Amaler angehörte, beherrschte mit seinen gepanzerten Lanzenreitern den Raum vom heutigem Baltikum bis zum Kaspischem Meer. Obwohl der Hunneneinfall ihn gänzlich unerwartet traf, gelang es ihm lange Widerstand mit seinem Volk zu leisten.

Aber gegen die ihnen gänzlich ungewohnte Kriegsführung des blitzschnellen Zustoßens, des sich dann sofortigen Rückziehens und des ständigen Pfeilregens der Reiter auf ihren wendigen Pferden hatten die gotischen Lanzenreiter, die nur mit Speer und Schwertern kämpften, keine Chance.

Letztendlich konnte auch Ermanarich der alles mit sich reißenden hunnischen Woge nicht widerstehen. Als er in der Entscheidungsschlacht erkannte, dass sich das Kriegsglück von ihm und seinen Greutungen wandte, opferte er sein Leben der gotischen Gottheit Gaut, um durch diesen Opfergang seinem Volk das Schicksal der Sklaverei ersparen zu können.

„Nehmt mich für mein Volk“ rief er und stürzte sich in das Schwert.

Aber die alten Götter waren nicht zu erweichen und verlangten einen noch höheren Blutzoll.

Nur einem kleinen Teil seines Volkes gelang die Flucht unter Ermanarichs Nachfolger Withimer, der größte Teil der Greutungen wurde von Balamber, dem König der Hunnen ebenfalls gezwungen, sich ihnen anzuschließen.

So wurde die Woge immer gewaltiger, die sich nun unaufhaltsam anschickte, gegen die beiden römischen Reiche und ihre Verbündeten anzubranden.

Fünf Jahre vor jener Zeit, als Ermanarich sich in sein Schwert stürzte, gebar in einer runden Holzhütte eines terwingischen Gehöftes auf der Donauinsel Peuke umweit des heutigen Rumänien die Frau des Dorfrichters Alaviv unter stärksten Schmerzen einen Knaben. Das Kind trat mit solcher Kraft in die Welt, dass die Mutter die Geburt nicht überlebte.

Es ließ ihr nicht die Zeit, sich an seinem gesunden, kleinem Körper und an seinem ersten Schrei zu erfreuen. Behutsam nahm der hünenhafte Richter den Kleinen empor, drückte ihn sanft an seinen feuchten Pelzumhang und flüsterte ihm ins Ohr: "Nun wird Dein Volk Dir die Mutter sein. Wenn Deine Zeit gekommen ist, wirst Du dann dem Volk als Vater und Herrscher dienen."

Um die zwei sich heftig prügelnden Knaben inmitten der Wagenburg, unmittelbar in der Nähe des terwingischen Goldschatzes, kümmerte sich niemand.

Denn die beiden hatten sich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt für ihren Streit ausgesucht.

Während Alarich und Sarus, die beiden sechsjährigen Knaben, mit Schlägen Tritten versuchten zu ermitteln, wer zukünftig der Erste des Stammes sein sollte, schickte sich der Stamm an, einen letzten verzweifelten Kampf ums Überleben gegen die Truppen des oströmischen Kaisers Valens zu führen.

Fritigern und Alaviv, die beiden terwingischen Herzöge, hatten nochmals einen Priester als Gesandten ins Lager des Kaisers Valens gesandt.

Noch einmal hatten die beiden Heerführer darum gebeten, da sie mit ihrem Volk durch die räuberischen Hunnen aus ihren heimatlichen Sitzen vertrieben wurden, als Verbündete des Reiches in Thrakien angesiedelt zu werden. Sie versprachen dafür Frieden und die Abstellung von Rekruten für das römische Heer!

Nach den Vorfällen der letzten Zeit kam diese Friedensbitte einem verzweifelten, ja demütigen Kniefall des einstmals stolzen terwingischen Volkes gleich. Doch der römische Kaiser Valens lehnte sogar dieses Ansinnen in eigener Hochmut und in gänzlicher Verkennung der Situation ab.

„Wir werden euch vernichten, sage ihnen dies!“ waren Valens einzige Worte an den Unterhändler.

Während die Terwingen nun keine Wahl mehr hatten und nur noch auf das rechtzeitige Eintreffen der ostgotischen Reiter hofften, zu denen sie einen Boten mit der Bitte um Hilfe gesandt hatten, hoffte wiederum der oströmische Kaiser Valens, dass es seinem Neffen Gratian, dem Kaiser des römischen Westreiches, nicht gelingen würde, rechtzeitig vor Schlachtbeginn einzutreffen. Denn dann würde er den Ruhm des Sieges mit seinem Neffen teilen müssen, der ohnehin schon zu hoch in de Gunst des Volkes stand.

Das Zelt der terwingischen Führer stand auf einer kleinen Anhöhe vor der Wagenburg, in der Frauen und Kinder zurückgeblieben waren. Schweigend vernahmen die Goten die Ablehnung ihrer Bitte an den Kaiser durch den Priester. Als dieser mit der Schilderung geendet hatte, schlug Fritigern krachend beide Fäuste auf den Holztisch.

"Wir haben uns genug demütigten lassen! Wenn uns dieser halbblinde Kaiserkrüppel nicht geben will, was ihm nicht wehtut, dann wird er die Schwerter, geführt durch die Kraft der Verzweiflung, kennen lernen."

„....müssen!“ fügte, Alaviv, der Fritigern um Haupteslänge überragte, hinzu und fuhr düster fort: "Es ist besser so! Wir beide sind aus dem Geschlecht der Balten und unseren Söhnen steht es nicht an, als Sklaven den Hunnen oder den Römern zu dienen. Besser ist es im Kampf und in Freiheit zu sterben."

Alaviv zog einen Ring von der rechten Hand und betrachtete ihn im Kerzenlicht. Neidvoll blickte auch Fritigern auf den Ring in der Hand des Bruders. Alaviv schaute seinen Bruder fest an. Er wusste nur zu gut um den Neid des anderen. Er wusste aber auch, dass Fritigern nicht für sich den Ring forderte, sondern für seinen Sohn Sarus. Aber Alaviv war der Ältere der Beiden und wenn auch der Sohn des Bruders ein wenig älter als sein eigener Sprössling war, so stand nur Alarich, seinem Sohn, dieser Ring zu und damit das Zeichen des Führers der Balten.

"Ich werde Alarich diesen Ring vor der Schlacht anstecken! Und, mein Bruder" Alaviv lächelte ironisch bei diesen Worten und wiederholte sie: "Mein Bruder, sollte ich für unser Volk diese Schlacht nicht überleben, hüte Dich davor, den Ring dem rechtmäßigen Besitzer zu entwenden! Die Strafe der alten Götter wird dich treffen!“

Da der Priester sich nun vernehmlich räusperte, fügte er schnell hinzu „ und die der neuen Götter auch!“

Er zeigte mahnend auf den Priester:“ Er ist der Zeuge dieses Vermächtnisses!“

Stumm nickte der Priester und bekräftigte seine Kenntnis des Gespräches durch das Schlagen des Kreuzes mit der rechten Hand. Ihm schien der Hass in den Blicken der Brüder als unheilvolles Zeichen für die bevorstehende Schlacht und so versuchte er, die Gedanken der beiden in eine andere Richtung zu lenken.

"Ob unsere greutungischen Brüder wohl rechtzeitig eintreffen?" fragte er bangend in das lastende Schweigen.

"Ob die Greutungen kommen oder nicht, morgen kämpfen wir. Wir können nur hoffen, dass sie rechtzeitig eintreffen. Sonst wird der morgige Abend keine Terwinger mehr kennen und auch der Untergang der Greutungen wird dann wohl besiegelt sein." Entschlossen zog Alaviv sein Schwert, um die Schärfe der Klinge zu prüfen.

Den Kampf hatte Sarus gewonnen.

Doch trotz zerkratztem Gesicht und blutiger Nase und obwohl Sarus seinen Kopf immer wieder in den Schlamm drückte, schrie Alarich, wenn er genügend Luft bekam: "Ich werde unser Volk führen! Mein Vater ist der ältere Balthe! Ich bin ...........“

Der Knabe verstummte, denn plötzlich wurde er von der ihn quälenden Last auf seinem Rücken befreit. Sarus zappelte und schrie an dem Arm des Richters. Nachdenklich schaute dieser auf seinen Sohn, der sich mühsam aus dem Schlamm aufrichtete. Wie eine junge Katze schüttelte Alaviv Sarus und ließ ihn dann achtlos fallen.

„Komm“! befahl er. Alarich folgte dem Vater. Sie ließen sich auf dem steinigen Boden nieder und lehnten sich an das Rad eines der Wagen. Es herrschte Ruhe im Lager, unheilvolle Ruhe. Die Krieger ruhten vor der Wagenburg und nur die halblauten Rufe der Wache waren ab und an zu hören. Auch deshalb war es so ruhig, weil jeder die Pferde der Greutungen, die so sehnlich erwartete Hilfe, als erster hören wollte.

Es war eine warme Hochsommernacht und nur die in der Ferne flackernden Feuer der oströmischen Truppen und der Lärm aus ihrem Lager, den der Wind einige Male herübertrug, ließ erahnen, was bevorstand.

"Vater, warum gehen wir in diese Schlacht?" Fragend blickte Alarich ins Gesicht des Vaters, der in die Ferne zu den römischen Feuern blickte.

"Als wir vor den vereinten Hunnen und Alanen zurückweichen mussten, erlaubte uns der Kaiser den Übertritt über die Donau in sein Reich. Er genehmigte uns Korn und Fleisch und Land, aber seine Statthalter an der Grenze verlangten für einen mageren Hund einen der unseren als Sklaven. Als wir uns nehmen wollten, was uns der Kaiser versprach, luden uns seine Statthalter in der Grenzbefestigung zu einer Beratung ein. Arglos folgten wir der Einladung und nur knapp konnten wir dem Mordanschlag entrinnen. Wir griffen daraufhin die Wachen der Statthalter an, vernichteten sie und zogen durch das Land, um uns zu nehmen, was uns versprochen war. Die römischen Grenzen sind seitdem jedoch ungesichert und alle Völker, die dem Joch der Hunnen entgehen wollen, fliehen ungehindert ins Reich. Der Kaiser kann uns nicht alle ernähren und nun will er uns wieder über die Donau zurücktreiben. Dort aber stehen die Hunnen und dies, mein Sohn, wird, bei meinem Leben, nicht geschehen!"

Er strich dem Knaben, der ihm aufmerksam zugehört hatte, über das Haar und zog dann langsam den Ring vom Finger. Bedeutungsvoll hielt er den Ring dem Knaben vors Gesicht.

Alarich hatte den Ring des Vaters schon oft bewundert. Er glänzte immer ein wenig merkwürdig im Kerzenlicht und auch jetzt, im Glanz der Sterne, funkelte er geheimnisvoll.

"Aus der Zeit unserer Vorväter stammt dieser Ring. Der Erste unseres Geschlechtes trug ihn und vom Vater zum Sohn wird er weitervererbt. Sigur, der Seher, schuf ihn, als unser Volk noch hoch im eisigen Norden auf der Insel Thule herrschte. Die Götter unserer Vorväter stellten sich schützend vor den Besitzer des Ringes. Doch die neuen Götter scheinen mir nun stärker. Du bist in ihrem Namen getauft. Möge der Ring Dich dennoch schützen, wenn die neuen Götter sich einmal als schwach erweisen sollten. Eins aber bleibt, der Ring wird Dich immer als Balten, als Angehörigen des ältesten und ersten Geschlechtes unseres Volkes auszeichnen. Darum gib acht auf ihn, mein Sohn!“

Nach einer langen Pause, während er in die Nacht hineinlauschte, fuhr er fort: „Wir werden diese Schlacht verlieren, wenn unsere gotischen Brüder nicht bald zu uns stoßen."

Fest sah der Richter seinen Sohn an, legte ihm die Hände auf die Schulter und flüsterte beschwörend: "Benutze Deinen Dolch. Lass nicht zu, dass Deine Schwester von den Römern missbraucht wird. Solltest Du der Sklaverei nicht entgehen können, ertrage sie! Deine Zeit wird kommen. Sei stark, mein Sohn! Nun gehe zu Deiner Schwester und beschütze sie."

Zitternd sprang der Knabe auf. Unschlüssig hielt er den Ring in der Hand. Doch dann stopfte er ihn in den kleinen Lederbeutel, den er um den Hals trug, griff an den Hirschhornknauf seines Dolches und ging, um seine Schwester zu suchen. Einmal blickte er sich noch um, doch sein Vater hatte den Platz schon verlassen.

Während Alaviv seinem Sohn den Ring der Balten übergab, während die greutungischen Reiterhorden unter Alatheus und Safrax durch das nächtliche Thrakien donnerten, um ihren Brüdern noch rechtzeitig Hilfe zu bringen, währenddessen vertrieb sich der oströmische Kaiser Valens seine Zeit mit einer persischen Sklavin.

Nur äußerst bedauernd ließ er von ihr ab, aber seine Feldherrn ließen sich nicht abweisen und machten sogar Anstalten, die Wachen niederzuschlagen, um sich jetzt und sofort beim Kaiser Gehör zu verschaffen. Wütend trat der gedrungene Kaiser auf seinen leicht gekrümmten Beinen, wobei er das Rechte hinterher zog, vor den Vorhang seines Schlafabteils.

"Herr", begann Pippin, der die Bataver kommandierte unter Missachtung sämtlicher Etikette," nochmals möchten wir Euch bitten: “Wartet auf Euren Neffen Gratian, dem Cäsar des Westens“.

Bacarius, König von Hiberien, der die Bogenschützen befehligte, fügte hinzu: "Zwar haben die Späher uns berichtet, dass wir in der Überzahl sind, aber, wir bitten Euch, Herr, unterschätzt die Kampfkraft der Barbaren nicht. Sehen sie doch keinen anderen Ausweg als heldenhaft zu sterben. Mit der Unterstützung der Truppen Eures Neffen könnten wir die Goten erdrücken und unsere Verluste gering halten."

Die Respektlosigkeit seiner Heerführer und die entgangene Befriedigung raubten dem Kaiser seine Fassung.

"Memmen, Ihr alle", schrie der Kaiser mit überschlagender Stimme, „wollt Ihr mich um den Ruhm bringen, diese Wilden alleine besiegt zu haben? Ihr, Ricomeres, seid der erfahrendste Feldherr meines Neffen und macht Euch nicht in die Hose bei dem Anblick einiger halbnackter Goten. Was ist Eure Meinung? Sind wir den Goten überlegen oder nicht? Vergesst bei Eurer Antwort Eure Mission!"

Ricomeres, ein gebürtiger Franke, der Befehlshaber der Palasttruppen des weströmischen Kaisers Gratian, war von diesem nach der Schlacht gegen die Alamannen Valens entgegengeschickt worden, mit der dringenden Bitte, dieser solle sich nicht unvorsichtigerweise allein in eine Entscheidungsschlacht stürzen.

Voll Verachtung blickte Ricomeres auf den kleinen Kaiser herab, der so gegensätzlich zu Gratian war. Unbeherrscht und entgegen seiner Anweisungen, die er von Gratian erhalten hatte antwortete er: "Herr! Wenn die Zahlen Eurer Späher stimmen, dann braucht Ihr nicht zu warten. Den Ruhm meines Herrn zu steigern, dazu bedarf es nicht mehr einer Schlacht gegen die Goten, aber für Euch wäre dieser Sieg sicherlich wichtig."

Einen Moment war Valens unschlüssig, ob er diesen offenen Hohn bestrafen sollte, doch dann entschloss er sich, die Gunst dieses Moments zu nutzen.

"Ihr Eunuchen, so spricht ein kampferprobter Mann" schrie mit überschlagender Stimme seine Feldherren an.

"Meine Entscheidung steht. Morgen in der Dämmerung werden wir diesen Goten lehren, was es heißt, offene Aufruhr in meine Provinzen zu tragen. Jetzt hinaus mit Euch. Ich gedenke, die letzte Nacht vor der Schlacht noch zu genießen“.

Der langsame Vormarsch der byzantinischen Truppen am frühen Morgen wurde durch das schwer zugängliche Gelände erschwert und so kam es, dass Valens mit weit auseinadergerissenen Truppenteilen erst in der glühenden Mittagshitze in die Reichweite der gotischen Pfeile rückte.

Als die Goten die Byzantiner aufmarschieren sahen, schlugen sie nach uralter Sitte mit den Schwertern gegen ihre Schilde. Dieser dumpfe, dröhnende, monotone Klang stachelte ihre Kampfbereitschaft an.

Sie erkannten sofort die günstige Situation in der momentanen Schwächung der byzantinischen Schlachtordnung und Fritigern wollte dies sofort ausnutzen.

Doch Alaviv verhinderte dies. Er sich vor die erste Reihe der Goten und rief mit dröhnender Stimme, wer blindwütig ins Verderben zu rennen gedenke, der müsste erst sein Schwert überwinden. Die greutungischen Reiter waren noch immer nicht eingetroffen und Alaviv wollte unbedingt Zeit gewinnen.

Deshalb schickten die Goten nach kurzer Beratung erneut einen Abgesandten ins feindliche Lager. Gleichzeitig aber zündeten sie, den milden Wind ausnutzend der in Richtung der Byzantiner wehte, das Gestrüpp in der Ebene an und steigerten damit die sommerliche Hitze.

Der gotische Abgesandte baten um Übersendung einer hohen Geisel. Dann würde Fritigern oder Alaviv bereit sein, das römische Lager zu betreten um vielleicht doch noch zu einer unblutigen Lösung durch eine Verhandlung zu gelangen.

Der Kaiser, der zwar den Sieg für die Annerkennung durch sein Volk benötigte, der aber im Grunde seines Herzens eher feige war und dies mit steigender Tendenz, je näher die tatsächliche Schlacht heranrückte, stimmte nun erleichtert zu. Vielleicht war es aber auch die Vorahnung, die ihn nun doch zaudern ließ.

Valens brauchte nicht lange, um die geeignete Geisel zu finden. Sofort fiel seine Wahl auf Ricomeres. Der war zwar ein anerkannt guter Feldherr, aber eben nicht der seine und dieser hochmütige Mann, dessen war Valens sicher, würde zu stolz sein, um die "Bitte" des Kaisers abzulehnen. So sollte Ricomeres für seine offenen Worte bezahlen. Der stolze Franke antwortete, wie Valens es erahnt hatte: "Herr, ich danke Euch, mich in diese Gefahr begeben zu können, denn wohl nur einem Mann meiner Tapferkeit steht diese Aufgabe zu!"

Während Ricomeres nun als Geisel mit den gotischen Gesandten auf die terwingischen Linien zuging, brach plötzlich aufgrund der Unbeherrschtheit einiger Byzantinischer Truppenteile die Schlacht aus. Genau in diesem Moment traffen die langersehnten greutungischen Reiter ein.

Ricomeres sah keine Möglichkeit mehr zu Verhandlungen und kehrte zu seinen Truppen zurück.

Die Greutungen warfen sich sofort wie der Blitz auf die Römer und richtete ein wahres Blutbad an. Den Reitern des linken römischen Flügel gelang sich bis kurz vor die gotische Wagenburg durchzukämpfen. Doch als die Goten ihre Frauen und Kinder so unmittelbar bedroht sahen, steigerte sich der Mut ihrer Verzweiflung in eine wahre Raserei und die Reiter wurden wie bei dem Einsturz eines mächtigen Dammes einfach hinweggespült. Ohne den Schutz ihrer Reiterei drängten sich die römischen Soldaten so dicht zusammen, dass sie sich kaum mehr bewegen konnten. Somit fanden die Speere der Goten lohnende Ziele.

Dann ritten die Greutungen die Römischen Fußsoldaten einfach nieder und versperrten den Fliehenden den Rückzug. Dies war nicht der Ort und die Zeit um Gnade walten zu lassen.

Als die Römer erkannten, dass es nur noch die Möglichkeit gab zu siegen oder zu sterben, kämpften sie zwar dem Mute der Verzweiflung, aber ihre Lage war nun aussichtslos.

Die Leichen türmten sich, die entseelten Körper wurden niedergetrampelt, und die hochstehende Sonne legte über dieses apokalyptische Bild eine erbarmungslose Hitze, die die Luft zum Atmen nahm.

Zu Beginn der Schlacht war es Alavivs Bestreben gewesen, mit seiner Abteilung auf Valens zu stoßen. Als Valens die Niederlage erkannte, wandte er sich zu Ricomeres Truppen, die dieser immer hinter den Linien gehalten hatte. Valens wollte dort Schutz suchen, aber als Ricomeres ihn kommen sah und erkannt hatte, dass auch er der gotischen Übermacht chancenlos gegenüberstand, wandte er sich mit seiner Truppe ab um nach Adrianopel zu fliehem, dem einzigen Ort, der Schutz versprach.

Auch Valens mit seinen wenigen, ihm noch verbliebenen Reitern, besann sich auf Adrianopel, doch Alaviv hatte dies bereits erahnt und schnitt dem Kaiser hinter Ricomeres Truppe die Fluchtmöglichkeit ab.

Jetzt begann eine wilde Jagd. Nur knapp gelang es dem Kaiser, mit seinen Leibwächtern in ein Landhaus zu fliehen. Sofort schlossen die Goten den Ring um das Haus. Für den Kaiser gab es keine Fluchtmöglichkeit.

Das Haus war gut befestigt und Alaviv dachte nicht daran, es stürmen zu lassen.

Er wollte den Herrscher der oströmischen Welt nun ganz einfach wie eine Ratte im Loch aushungern und ihn so in die Schmach der gotischen Gefangenschaft zwingen.

Doch von diesem Triumph sollte den Heerführer und Richter der Terwingen ein römischer Pfeil trennen. Der römische Schütze hatte einfach auf die schemenhaften Gestalten am Lagerfeuer gezielt und so dem Gotenführer einen Pfeil durch das rechte Auge gejagt. Nur noch wenige Minuten hatte Alaviv zu leben und sein letzter Atemzug besiegelte auch das Schicksal des Kaisers.

Valens und seine Begleiter hörten den dumpfen, unheimlichen Totengesang der Goten und es schien ihnen, als sei es ihr eigener Grabgesang.

Und er sollte es werden.

Denn nachdem die Goten ihren Herzog aufgebahrt hatten, zündeten sie das Landhaus mit Reisig und Stroh an und verhinderten mit ihren Pfeilregen ein Entkommen.

So verbrannte der mächtigste Mann der damaligen Welt, der Kaiser Ostroms, Valens, in den Flammen und mit ihm die römische Hoffnung, den Stamm der Goten aus dem Reich zu verjagen oder gar ganz zu vernichten.

Sarus

Dort, wo vor kurzem noch in einem pannonisches Dorf Lebenslust und Heiterkeit geherrscht hatte, brausten jetzt die Flammen. Krachend stürzte Gebälk ein, zischend bahnte das Feuer sich seinen Weg. Eben noch spielten Kinder, lachten die Frauen beim Wasserholen und palaverten die Männer. Jetzt hatte der Tod Einzug gehalten.

Das metallene Klirren zweier heftig aufeinanderschlagender Schwerter durchbrach das Getöse der Flammen und das Krachen des brechenden Gebälks. Gotische Krieger hatten einen Kreis gebildet. Stumm, mit gezückten Schwertern blickten sie auf die zwei Kämpfer in der Mitte des Kreises. Es ging um Leben oder Tod. Sollte einer der beiden versuchen, den Kreis zu verlassen, so würde er wegen seiner Feigheit von den anderen sofort niedergehauen. Ein junges Mädchen lag mit zerrissenen Kleidern in der Mitte des Kreises. Der Schein der Flammen zuckte über ihren Körper. Mit angstvoll geweiteten Augen starrte sie auf die beiden Krieger.

Wie der Blitz war die gotische Horde in ihr Dorf gefahren. Es gab keine Zeit zur Gegenwehr, zumal die meisten waffenfähigen Männer mit der römischen Armee an der Grenze zum persischen Reich abgezogen waren.

Sie hatte mit ansehen müssen, wie die Goten die Bewohner einfach nieder ritten. Einer der beiden jungen Krieger, die dort kämpften, hatte ihren Vater, der sich mit einer Sense zu wehren versuchte, mit einem gewaltigen Schlag des Schwertes enthauptet. Sie hatte mit ansehen müssen, wie ihre Mutter vergewaltigt wurde und dann mit den anderen Frauen in die brennende Scheune getrieben wurde. Dann hatte der Krieger, der den schwarzen Helm trug, sie entdeckt. Er zwang sie auf den Boden, zerriss ihre Kleider. Doch bevor er sich auf sie stürzen konnte, wurde er plötzlich zurückgehalten. Der Mörder ihres Vaters hatte die Hütte betreten und in der ihr unverständlichen Sprache Befehle erteilt. Der Krieger mit dem schwarzen Helm ließ von ihr ab. Nach kurzem Wortgefecht hatten beide die Schwerter gezogen.

So fand Ildibad, der Taifale, Waffenmeister der Terwingen, die beiden Gotischen Anführer. Die Entschlossenheit der Beiden, den zu lange währenden Streit zwischen ihnen nun endgültig zu beenden, konnte er sofort in ihren Augen lesen. Ildibads Volk, das Volk der Taifalen, war in früheren Zeiten mit den Goten geritten. Als sich die Wege der beiden Völker wieder trennten, war der Krieger jedoch bei den Goten geblieben, denn ihn verband eine Blutsbrüderschaft mit Alaviv, Alarichs Vater. Als einer der besten Kämpfer wurde er der Lehrer der beiden ersten Söhne des Volkes. Alarich hatte er wie seinen eigenen Sohn in das Herz geschlossen, aber trotzdem Sarus nicht vernachlässigt. Die beiden waren gelehrige Schüler und schon jetzt, trotz ihrer Jugend, hatten sie seine Fähigkeit fast erreicht. Natürlich blieb Ildibad in den gemeinsamen Jahren Sarus Neid auf Alarichs Stellung durch dessen Geburt nicht verborgen. Nur zu gerne hatte Alarich den Sohn seines Onkels immer wieder auf seine Abstammung hingewiesen. Sarus Hass wurde jedoch unerträglich und drohte ihn schier zu zersprengen, als der Rat der Alten beschloss , Chlotilde Alarich als dem zukünftigen Ersten der Balten zur Frau zu geben. Dieser Weisung fügte sich zwar das Mädchen, aber Ildibad wusste, dass sie sich mehr zu Sarus hingezogen fühlte. Nach diesem Feldzug würde Alarich sie zur Frau nehmen.

Nachdem der neue Kaiser des Ostens, Theodosius, den die Nachwelt den Großen nennen sollte, den Goten Sitze in Thrakien und Mösien zugeteilt hatte, war eine lange Zeit des Friedens und der Ruhe über die Goten gekommen.

Eine ruhige Zeit, wie viele der Älteren meinten. Eine zu friedliche Zeit, wie die meisten jungen gotischen Krieger meinten.

Der Handel, der Ackerbau und die Viehzucht, das war nicht nach dem Geschmack der gotischen Jugend. Sie wollten ihre Kraft und ihre Waffen ausprobieren und endlich gab der Rat der Alten ihrem Drängen nach.

Gut fünftausend Krieger, die waffenfähige gotische Jugend, wählte ihre Besten, Alarich und Sarus, zu ihren Anführern und brachen, mordend und plündern in Pannonien ein.

Von den Älteren hatte sich nur Ildibad ihnen angeschlossen. Denn es waren seine Schützlinge, die den Befehl führten und er ahnte, dass es bald zur offenen Auseinanderersetzung zwischen den beiden kommen musste.

"Das geht Dich nichts an, Ildibad!" hatte Sarus gezischt, als der versuchte, die beiden in der Hütte zu trennen.

"Dieser Hund will mir die Beute nicht gönnen", er deutete auf das Mädchen, das mit angstvoll geweiteten Augen auf dem Lehmboden lag.

"Nachdem er mir Chlotilde genommen hat, will er mir nun auch noch meinen Anteil an der Beute nehmen in seiner unersättlichen Gier!"

„Sarus, Du kranker Trieb des balthischen Stammes! Nur mir kann dieses Mädchen gehören, denn ich erschlug ihren Vater und Du nahmst schon die Mutter." sprach Alarich mit kalter Stimme. "Aber wenn Du ein Mann sein willst, dann hole Dir doch, was Du für Dich beanspruchst".

Drohend richtete er die Spitze des Schwertes auf Sarus Oberkörper. Mit einem schnellen Schlag seines Schwertes hatte Sarus die auf ihn gerichtete Klinge zur Seite geschlagen.

"Höre, Du Sohn einer hunnischen Hure, nie wird Dich Chlotilde lieben, nie Dir eine gute Frau sein, denn sie liebt nur mich“.

Verächtlich lachte Alarich auf: "Sie wird mein Weib sein, Sarus. Ich werde das Lager mit ihr teilen. Es steht nur mir zu, mit der Schönsten der Terwingen Nachkommen zu zeugen."

Verzweifelt und gedemütigt schrie Sarus auf: "Alarich, mögen die Ratten in Deinem Blut baden", und holte zu einem mächtigen Schlag aus. Aber Ildibad ergriff seinen Schwertarm und der gewaltigen Kraft des Taifalen konnte sich Sarus trotz seiner Jugend nicht widersetzen.

"Es ist genug, Sarus" sagte er drohend "zu tief ist der Hass zwischen Euch. Die Worte verlangen nach Sühne. Ihr werdet im Kreis kämpfen, auf Leben oder Tod!"

Die Krieger der Goten bildeten einen großen Kreis, aus dem es nur für einen der beiden ein Entrinnen gab. Der Waffenmeister Ildibad und Athaulf, der Alarichs Schwester zur Frau nehmen sollte, waren die Richter. Vor Kampfbeginn hatte Alarich den Ring der Balten, den er an der rechten Hand trug, geküsst. Aber die Kraft der Alten schien nicht auf ihn zu fließen. Mit wuchtigen Schwerthieben ließ ihn Sarus nur Zeit zur Verteidigung und einmal wäre er beinahe über das Mädchen gefallen, das man in die Mitte des Kreises gezerrt hatte.

Würde der Krieger mit dem schwarzen Helm gewinnen, war ihr Schicksal klar. Würde der andere Krieger den Kampf gewinnen........ ! Nun, sie wusste nicht, was dann passieren würde. Die Verschleppung in die Sklaverei schien ihr auf jeden Fall sicher.

Stumm blickten die gotischen Krieger auf ihre kämpfenden Anführer.

Ein Aufschrei! Alarichs Schwert hatte Sarus am Oberarm gestreift und Blut spritzte auf den fast nackten Leib des regungslos auf dem Boden liegenden Mädchens. Es schien, als ob Sarus die Kraft verlassen würde.

Mit schnellen, kraftvollen Schlägen trieb ihn Alarich an die auf die Kämpfer gerichteten Schwertspitzen der den Kreis bildenden Krieger zu. Mit aller Macht und Geschicklichkeit versuchte Sarus, den Spitzen zu entgehen. Mit einem Sprung zur Seite wollte er sich retten. Doch Alarich, der dies vorhersah, trat Sarus das vordere Bein weg und er stürzte. Durch den Aufprall des Sturzes verlor Sarus Schwert und Helm. Mit beiden Händen hatte Alarich sein Schwert ergriffen und stand über dem Wehrlosen. Aber er stieß ihm das Schwert nicht in den Körper. Er blickte Sarus in die Augen und sah seine Kindheit.

"Geh, Sarus! Werden sich unsere Wege nochmals kreuzen, werde ich Dich töten!"

Ildibad trat in den Kreis. "Der Sohn des Fritigern, Sarus, wird hiermit aus dem Verband der Terwingen ausgeschlossen. Sollte er sich ihnen dennoch nähern, so ist er des Todes", verkündete er. Auf das Mädchen deutend sprach er: "Dies ist Alarichs Beute."

Alarich, der die Zweifel ob dieser noblen Geste auf den Gesichtern einiger Goten sah, fuhr fort: "Wer mit Sarus gehen will, der soll es tun. Ich benötige nur Krieger, denen ich vertrauen kann."

Er ging auf das Mädchen zu, das ihn ängstlich anblickte. Er bot ihr die Hand. Dann wandte er sich an den Waffenmeister: "Ildibad, gib ihr eine warme Decke und ein Pferd. Sie wird mit uns ziehen und mein Lager teilen."

Stilicho

Unruhig ging der römische Offizier vor seinem Zelt auf und ab. Es regnete leicht und die Tropfen wuschen die Luft rein. Flavius Stilicho, der Magister Militum des Orientes, liebte diese klare Luft, die so im Gegensatz zum stickigen Mief des Hofes in Konstantinopel stand. Er versuchte, die Gedanken an den Hof zu verdrängen. Doch sie kehrten wieder und wurden unerträglich stärker. Die Gedanken an Serena, seine Frau, die Nichte des Kaisers, die Theodosius nach dem Tode seines Bruders adoptiert hatte. In der Vergangenheit hatte er sie geliebt. Wegen Ihrer Schönheit und nicht zuletzt auch ihrer hohen Stellung wegen. Jetzt war sie ihm nur noch nützlich um seine Position am Hofe zu festigen. Denn seit er Eudoxia gesehen hatte, die Tochter des Franken Bauto, einem der kaiserlichen Heerführer, war er in nicht mehr zu zügelnder Leidenschaft entbrannt. Ihr Bild hatte sich in sein Herz gebrannt, ihn schier um den Verstand gebracht und eine körperliche Begierde in ihn geweckt, wie er es noch nie gespürt hatte. Eudoxia mit ihrer großen, schlanken Figur, dem langen blonden Haar, das weich in lockigen Wellen auf ihre Schultern fiel und ihren klaren, grünen Augen, die ihn zuerst gefesselt hatten.

Aber er hatte auch bemerkt, dass die Augen nichts zärtliches ausdrückten, sondern eher die Kälte eines steinharten Smaragdes.

Noch hatte er es nicht gewagt, sich ihr zu nähern. Wie konnte er auch?! Würde dies entdeckt.... ! Nun, Rufinus würde nicht zögern ihn zu demaskieren. Seine Stellung am Hofe wäre in Gefahr.

Rufinus, Rufinus, immer wieder der verhasste Prätorianerpräfekt, der sich so fromm gab und der so geschickt intrigieren konnte. Nie hatte dieser Gallier es verwunden, dass er, Stilicho, Serena zur Frau erhalten hatte und damit zur rechten Hand des Kaisers wurde. Mit wissendem Blick hatte der Gallier Stilichos erste Begegnung mit Eudoxia gesehen und die Hitze der aufwallenden Leidenschaft fast körperlich selber gespürt. Nicht lange hatte es dann gedauert und Serena wusste von Stilichos Zuneigung. Doch so konnte Rufinus nicht zum ersehnten Ziel, dem Sturz des Oberbefehlshabers gelangen. Denn Serena, die kleine, schwarzhaarige, anmutige Adoptivtochter des großen Kaisers hielt fest zu ihm...wenn auch mehr aus Gründen der Staatsräson als aus eigenem liebenden Antrieb.

Schon bald nach der Hochzeit hatte sie gespürt, dass Stilichos Liebe erkaltet war, aber um jeden Preis wollte sie den Schein wahren. Wenn Rufinus mit seinen intriganten Einflüsterungen etwas erreicht hatte, dann war es Eudoxia, die nun in Gefahr war, nicht Stilicho, der Halbvandale.

Eudoxia! Es musste ihm gelingen, sich ihr unauffällig zu nähern. Doch so stark auch seine Leidenschaft entbrannt war, er wusste genau, welch gefährliches Spiel daraus erwachsen konnte. Jeden Fehler musste er vermeiden. So hatte er zunächst gerne das Kommando gegen die Goten angenommen, um in der gefahrlosen Entfernung zum Hofe einen Plan zu erarbeiten.

Jedoch...noch nie hatte er in seiner militärischen Karriere gegen die Goten kämpfen müssen. Er hatte sich den Feldzug leichter, und vor allem als schneller beendet vorgestellt.

Allein die Tatsache, dass Theodosius selbst gegen die Aufständischen gezogen war, die nun über ein Jahrzehnt Frieden gehalten hatten, und der Kaiser dabei nur knapp dem Tode und der gänzlichen Vernichtung des Heeres entgangen war, hätte ihn warnen sollen. Promotus, der erste Feldherr des Kaisers, war den Goten dann erneut mit einer Armee der besoldeten Isaurier aus dem Bergland des Kaukasus gefolgt, aber er hatte seine Bemühungen mit dem Leben bezahlen müssen. Dieser Umstand war es, dem Stilicho nun seine erste Stellung zu verdanken hatte und natürlich den Einflüsterungen der Serena ins kaiserliche Ohr ihres Adotivvaters. Denn auch Rufinus hatte zur Wahl des Oberbefehlshabers der kaiserlichen Armee gestanden.

Stilicho war gewillt, den Zug gegen die Goten so schnell wie möglich zu beenden. Siegreich zu beenden! Doch dazu musste er die Goten erst einmal dazu bringen, sich seiner Armee zu stellen. Leider war es jedoch so, dass Stilicho den jungen gotischen Plünderern stets hinterher zog. Durch die zwei siegreichen Schlachten hatte die Goten allerdings auch erhebliche Verluste erlitten, was sie aber letztlich nur noch beweglicher und unberechenbarer machte.

Derart in Gedanken versunken, ging der große, kräftige Feldherr vor seinem Zelt auf und ab. Plötzlich hielt er inne. Hufgetrampel vieler Pferde war zu hören. Ein Überfall? Er griff zum Kurzschwert. Es blieb jedoch im Lager blieb ruhig und er hörte keine Alarmrufe der Wachen. Stilicho schickte einen seiner Leibwächter zum Lagerausgang, um den Vorgang zu erkunden. Er selbst betrat sein Zelt und ließ sich Essen und Wein bringen.

Der Zeltvorhang wurde beiseite geschlagen. Hinter der Wache folgte ein kräftiger, muskulöser gotischer Krieger, der keine Rüstung, aber einen pechschwarzen Helm auf dem Kopf trug. Nur andeutungsweise entrichtete der Krieger einen Gruß. Stilicho erhob sich und bot dem Fremden mit einer knappen Handbewegung an, mit ihm zu speisen.

Der Gote schüttelte den Kopf. "Zu knapp ist die Zeit, Römer! Wir müssen sofort aufbrechen, um Alarichs Lager rechtzeitig zu erreichen!"

Stilicho sah den Hass in den Augen des Kriegers: "Wie ist Dein Name, Gote, und was ist Dein Preis?"

"Man nennt mich Sarus, den Balten, Römer. Mein Preis ist Alarichs Kopf!" und nach einer kleinen Pause: "Lass mich mit meinen Kriegern in Deine Dienste treten!"

"Ich bin Stilicho, der Oberbefehlshaber der oströmischen Armee und mein Wort gilt. Dein Verrat wiegt schwer, Sarus. Jeder Gote wird es sich zur Ehre anrechnen, Deinen Kopf zu zertreten. Darum gehe sofort nach Konstantinopel und unterstelle Dich dem jüngeren Sohn des Kaisers, Honorius. Den Kopf des Alarich werde ich Dir schicken! Nun aber zeige mir die Stelle des gotischen Lagers."

Er wies auf die Karte, die auf einem Tisch lag. Sarus beugte sich ohne zu zögern darüber.

Alarich hatte eine kräftezehrende Nacht mit dem pannonischem Mädchen verbracht. Dass er ihr Leben verschonte, hatte sie ihm gedankt.

Dass er ihren Vater erschlagen hatte, vergaß sie bald. In diesen Zeiten konnte sie froh sein, ihren Vater bis zu diesem Alter behalten zu haben.

Sie fand Gefallen an seinem kräftigen Körper, an seinem jugendlichen Ungestüm und den heißen Worten, die er ihr in der ihr unverständlichen Sprache zuflüsterte.

In der Morgendämmerung gab Alarich das Zeichen zum Aufbruch. Sie hatten reiche Beute gemacht, zwei kaiserliche Armeen geschlagen und er hatte bewiesen, ein guter Heerführer und mutiger Kämpfer zu sein. So stand einer triumphalen Rückkehr zu den heimatlichen Sitzen nichts mehr im Wege.

Alarich half seiner Gespielin aufs Pferd, als Athaulf im scharfen Galopp heranpreschte. "Die Römer", keuchte er. "Sie haben uns umstellt!"

"Sarus, der Bastard einer Hexe", murmelte Alarich "das war sein Werk!" Dann sprang auf seinen Rappen und galoppierte Ildibad entgegen.

"Wie viele Soldaten?"

"Genug Herr", antwortete grimmig der alte Waffenmeister. "Es wird reichlich Arbeit geben. Denn sie haben uns gänzlich eingeschlossen", rief der Taifale und zu Alarich gewandt: "Du siehst, Großzügigkeit zahlt sich wohl nur bei jungen Frauen aus."

Ärgerlich gebot Alarich seinem Waffenmeister zu schweigen.

"Solange unser Vorrat reicht, werden wir uns nicht bewegen. Warten wir ab, was die Römer zu tun gedenken." Zustimmend nickte der Taifale und ritt an den Rand des Lagers, um selbst die Wache zu übernehmen.

Nach zwei Tagen, als die Mittagssonne den höchsten Stand erreicht hatte, versuchten die Goten einen Durchbruch. Athaulf führte mit hundert Mann einen Scheinangriff gegen das Lager des Oberbefehlshabers, das durch sein Zelt gut sichtbar war. Mit der Hauptmacht der Goten versuchte Alarich auf der gegenüberliegenden Seite einen Durchbruch, jedoch waren die römischen Reihen so gut aufgestellt, dass die Goten schlimme Verluste erlitten und das Unterfangen gründlich misslang. Viele gute Männer waren dabei ums Leben gekommen und das Stöhnen und Schreien der Verwundeten wurde unerträglich Zu allem Überfluss hatten die Byzntiner nun auch noch den Bach abgegraben, der durch das gotische Lager floss.

Die Goten erkannten, dass der Feind diesmal eine andere, eine bessere Taktik benützte und dass der Ihnen gegenüberstehende Feldherr ein anderes Kaliber hatte als die bisherigen Befehlshaber.

Alarich ließ sich eine leichte Wunde am Bein verbinden, als es Tumult im Lager gab. Er richtete sich auf, denn von seinem Platz aus konnte er den größten Teil des Lagers überblicken. Was er sah, erstaunte ihn zutiefst. Ildibad führte einen römischen Offizier zu ihm. Dieser Offizier, der größer und kräftiger war als sonst bei den Römern üblich, folgte Ildibad entschlossenen Schrittes und erhobenen Hauptes. Mutig blickte er den gotischen Kriegern ins Gesicht, die eine Gasse bildeten und dem Römer Schmährufe zuriefen.

"Wen bringst Du mir, Ildibad? Warum lebt dieser römische Hund noch? Hat Dich die Kraft und der Mut verlassen?"

"Der Mut dieses Mannes ist es, Alarich, der zu würdigen ist. Aus freien Stücken kam er zu uns, und ich sicherte ihm freies Geleit. Es ist Flavius Stilicho, Herr, der Oberbefehlshaber der oströmischen Truppen. Zeige Dich seines Mutes würdig."

"Was gibt es Römer?" Alarichs Stimme klang ein wenig unsicher.

Stilicho betrachtete den Goten. Er hatte ihn kämpfen sehen und viele gute Römer hatte dieser Mann erschlagen. Er wusste von dem verräterischen Sarus, welche Stellung sein Gegenüber bei seinem Volk innehatte. Es schien ihm besser, diesen Mann, den er jetzt als den zukünftigen ersten Mann der Goten ansah, zu seinem Verbündeten zu machen. Momentan schien es ihm sicherer, die kriegerischen Goten hinter sich zu haben als die Prätorianer-Garde des Rufinus. Und, so glaubte er, seine Abstammung väterlicherseits, denn sein Vater war ein Vandale, könne ihm dabei helfen

Sein Versprechen an Sarus? Nun, war Sarus mit seinen Kämpfern erst in Konstantinopel, hatte er ihn ohnehin fest in der Hand.

"Du hast Deinen Versuch, unsere Linien zu durchbrechen, schwer bezahlen müssen, Gote. Aber auch wir sind nicht frei von Verlusten. Nicht zuletzt dank Deiner und Deines Waffenmeisters Kampfkunst." fügte Stilicho schmeichelnd hinzu.

"Ich bin ein Freund der Goten, Alarich. Aber einen erneuten Versuch werdet Ihr mit Eurer aller Vernichtung bezahlen müssen. Zu groß ist unsere Überzahl und zu gut unsere Stellungen. Sollten wir Dich vernichten, Alarich, wer wird dann Sarus Verrat rächen?" fragte Stilicho listig.

Er sah die Erregung Alarichs und wusste, dass er nun schon fast gewonnen hatte.

"Was verlangst Du, Vandale?"

„Nichts, Gotenfürst, nichts, außer dass Du Frieden hältst, in Deine Heimat zurückziehst und meinem Ruf folgst, wenn ich Dich und Deine Krieger benötige“.

Fragend sah der Römer Alarich an.

Dass ein Durchbruch nur mit äußerst hohen Verlusten erkauft werden konnte, war Alarich klar. Durch den Verrat des Sarus war die gotische Lage fast aussichtslos. War es denn eine Schande, aus dieser unverschuldeten Situation das Beste zu machen und das Angebot des Vandalen anzunehmen? Hatte er nicht ohnehin in die Heimat aufbrechen wollen? Als Verbündeter dieses Mannes würde es genug Arbeit in der Zukunft für die gotischen Schwerter geben. Ein Mann, der so mutig ein feindliches Lager betrat, allein und ohne Waffen, der war seiner Annerkennung wert. Alarich blickte zu seinem Lehrmeister, der zustimmend nickte. Der Heerführer der Goten ging auf Stilicho, den Oberbefehlshaber der oströmischen Armee zu und bot ihm die Hand. "Es sei so, Vandale!"

Lächelnd ergriff Stilicho die ihm dargebotene Hand. Nun gab es keine Macht mehr, die ihn hätte hindern können, sein Spiel zu spielen.

Ohne seinen Feldherrn zu unterbrechen, hörte Kaiser Theodosius Stilichos Bericht. Aufrecht stand der Schwertführer des Reiches vor dem kaiserlichen Thron und schilderte in knappen Worten die Verhandlung mit dem Gotenfürsten.

Nur wenigen Auserlesenen war es gestattet, aufrecht vor dem Kaiser eine Rede halten zu dürfen. Die kaiserliche Familie gehörte dazu, die obersten Heerführer des Reiches und der Prätorianerpräfekt mit seinen obersten Zivilbeamten. Auch die Bischöfe des Reiches waren von der Prozedur des Kniefalles befreit. Selbstverständlich nur die Bischöfe des von Theodosius durch das Edikt von 380 als einzig wahren Glauben proklamierten Katholizismus, den alle Würdenträger anderen Glaubens waren entweder verbannt oder weilten nicht mehr unter den Lebenden.

Zu Theodosius linker Seite saß Galla, seine zweite Frau, die Schwester des vor kurzem gestorbenen Regenten des Westens, Valentinian des II. Zu Füßen dieser schönen Frau, die ihr pechschwarzes Haar hochgesteckt hatte und deren sanfte Augen durch den Sprecher hindurch zu blicken schienen, spielte ihre Tochter, die nun fünfjährige Galla Placida, die zwar die Schönheit der Mutter geerbt hatte , nicht aber deren berechnende Sanftmut.

Zur Rechten des großen Kaisers, der aus altem spanischen Senatorenadel stammte, saß Serena, Stilichos Frau.

Theodosius hatte die Tochter seines verstorbenen Bruders zu sich genommen und sie ganz wie seine eigene Tochter behandelt. Diese kleine, zarte Person, die einen so großen Einfluss auf Theodosius besaß und von der das Hofgerücht besagte, dass sie dem Kaiser bis zu seiner zweiten, eher politischen Vermählung mehr als nur eine Nichte war, hatte keine Augen für den Sprecher. Dies war um so erstaunlicher, als dieser schließlich ihr Mann war. Ein Mann, um den Serena gekämpft hatte, den sie allen anderen Bewerbern vorgezogen hatte, obwohl er ein Halbvandale war. Denn dies bedeutete für viele am Hofe schon, dass er ein ganzer Barbar war.

Sie hatte diese stattliche, muskulöse Erscheinung, wie es keine Zweite am Hof von Konstantinopel gab, protegiert und innerhalb zweier Jahre hatte sie es geschafft, nicht ohne ihre Reize spielen zu lassen, ihren Mann zum Schwertführer des Ostens zu machen.

Jetzt jedoch, während Stilicho seinen Bericht dem Hof vortrug, ruhten ihre dunklen, meist sanft blickenden Augen mit eisiger, tödlicher Kälte auf Eudoxia.

Die Tochter des Franken Bauto stand, da sie nicht zur kaiserlichen Familie gehörte, in jenem Halbkreis der hohen Persönlichkeiten dem Thron gegenüber, vor dem Stilicho berichtete.

Nach dem Tode ihres Vaters hatte Promotus sie in sein Haus aufgenommen. Mit seinen Söhnen und mit den Söhnen des Kaisers war Eudoxia aufgewachsen.

Als Theodosius durch Alarichs Goten eingeschlossen war und er und seine Armee dem Tode geweiht schienen, war es der Mut Bautos, Eudoxias Vater, der das Blatt noch einmal wenden konnte, in dem er in dieser ausweglosen Situation im Mute der Verzweiflung statt einen Ausbruch zu wagen, frontal gegen die Goten vorging und so den Durchbruch und die Rettung schaffte.

Rufinus, der Prätorianerpräfekt, hatte jedoch nach dieser Niederlage darauf gedrängt, Bauto ,der sein Intimfeind war, eine kleine Armee zu geben und trotz ihrer geringen Zahl die Goten zu verfolgen. Der Heermeister Bauto und seine Armee hatten diesen Wahsinn mit dem Untergang bezahlt.

Eudoxia, die jetzt achtzehn Jahre alt war, betörte mit ihrer Schönheit den kaiserlichen Hof. Mit ihrer schlanken, hohen Gestalt und ihrem langen, blonden Haar, das in weichen Wellen auf ihre Schultern fiel, zog sie begehrlichen Blicke auf sich. Um das Grün ihrer Augen zu unterstreichen, trug sie ein gleichfarbenes Seidenkleid, das ihre jugendlichen Formen betonte. Mit Goldstaub hatte sie ihr langes, blondes Haar überpudert und glitzernd brach sich der Schein der Kerzen in den kleinen Kristallen. Trotz ihrer Jugend hatte sie einen harten Gesichtsausdruck und ihre Augen funkelten kalt. So kalt wie der Smaragd, der ihr schmales Diadem zierte.

Nicht nur Serenas Augen waren auf die Fränkin gerichtet. Auch Arkadius, der älteste Sohn des Kaisers aus dessen erster Ehe schien den Problemen des Reiches keine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Lüstern betrachtete er immer wieder die Gleichaltrige, und erregt hatte er den Kopf vorgeschoben, als wenn er seine Beute fest im Visier hatte.

Weder die Gelüste des älteren Bruders noch der Bericht des Stilicho dagegen schienen Honorius, den jüngeren Sohn des Kaisers aus erster Ehe, zu interessieren. Überhaupt schien der achtjährige Knabe für nichts und niemanden Interesse und Zuneigung zu verspüren, außer zu seiner jüngeren Stiefschwester Galla Placidia.