Jede Liebe fordert Opfer - Patricia Vandenberg - E-Book

Jede Liebe fordert Opfer E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Na, da ist ja unser kleiner Patient.« Lächelnd kam Dr. Felicitas Norden auf den Jungen im Rollstuhl zu. Sie begrüßte die Mutter, bevor sie in die Knie ging. Augenhöhe war wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Im wahrsten Sinne des Wortes. »Dann wollen wir mal sehen, wie wir dir helfen können.« »Ob Sie Michi überhaupt helfen können.« Nathalie Huppertz klang so müde, wie sie aussah. Das verwaschene Grau des Wintermantels machte es nicht besser. Es kostete Fee alle Mühe, um das Lächeln auf ihrem Gesicht festzuhalten. »Um das herauszufinden, gehen wir drei Hübschen erst einmal ins Behandlungszimmer und schauen uns dein Bein an.« »Aber ich bin schon so oft untersucht worden«, jammerte der Siebenjährige. Sein Widerstand war zwecklos. »Ich habe alle Unterlagen dabei.« Nathalie reichte Fee den dicken Umschlag. Aus dem Vorgespräch am Telefon wusste Felicitas Norden, mit welchem Feind sie es zu tun hatte. »Ein paar Untersuchungen müssen trotzdem sein.« Das Bedauern stand ihr ins Gesicht geschrieben.

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Chefarzt Dr. Norden – 1150 –Jede Liebe fordert Opfer

... und belohnt es hundertfach

Patricia Vandenberg

»Na, da ist ja unser kleiner Patient.« Lächelnd kam Dr. Felicitas Norden auf den Jungen im Rollstuhl zu. Sie begrüßte die Mutter, bevor sie in die Knie ging. Augenhöhe war wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Im wahrsten Sinne des Wortes. »Dann wollen wir mal sehen, wie wir dir helfen können.«

»Ob Sie Michi überhaupt helfen können.« Nathalie Huppertz klang so müde, wie sie aussah. Das verwaschene Grau des Wintermantels machte es nicht besser.

Es kostete Fee alle Mühe, um das Lächeln auf ihrem Gesicht festzuhalten.

»Um das herauszufinden, gehen wir drei Hübschen erst einmal ins Behandlungszimmer und schauen uns dein Bein an.«

»Aber ich bin schon so oft untersucht worden«, jammerte der Siebenjährige. Sein Widerstand war zwecklos.

»Ich habe alle Unterlagen dabei.« Nathalie reichte Fee den dicken Umschlag.

Aus dem Vorgespräch am Telefon wusste Felicitas Norden, mit welchem Feind sie es zu tun hatte.

»Ein paar Untersuchungen müssen trotzdem sein.« Das Bedauern stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ändern konnte sie es trotzdem nicht. Sie musste sich selbst ein Bild über den Zustand des Kindes machen. »Aber keine Angst. Es tut nicht weh.«

Michi sah hinauf zu seiner Mutter. Nathalie nickte, wenn auch zögernd.

»Ein einziges Mal noch, mein Schatz. Dann fahren wir zu Dr. Mühe und lassen die Alternativtherapie machen. Das habe ich dir doch versprochen.«

Fee wurde hellhörig. Sie erhob sich und gab Schwester Rosi ein Zeichen, Michi schon einmal ins Behandlungszimmer zu bringen. Sie wartete, bis die beiden plaudernd um die Ecke verschwunden waren. Erst dann wandte sie sich an Nathalie Huppertz.

»Eine Alternativtherapie? Bei Krebs? Haben Sie sich das gut überlegt?« Seite an Seite wanderten die beiden Frauen über den Klinikflur.

»Ich bin mit Michi von Arzt zu Arzt gelaufen. Jeder wollte sein Bein amputieren. Dr. Mühe war der Einzige, der mir eine andere Lösung angeboten hat.« Nathalie biss sich auf die Unterlippe. »Ehrlich gesagt habe ich die Zugtickets ins Allgäu schon gekauft. Aber meine Freundin hat mich überredet, doch noch Ihre Meinung einzuholen. Sie war mit der Behandlung ihrer Tochter sehr zufrieden.«

»Das freut mich.« Fees Lächeln war dünn geworden. Sie selbst hatte hohe Ansprüche an sich und ihr ärztliches Können. Die besonderen Umstände, die Mutter und Sohn zu ihr führten, trieben den Druck in die Höhe. Sie musste wissen, wie schwer ihr Stand war. »Was sagt denn Ihr Mann dazu?«

»Ich bin alleinerziehend.« Nathalie starrte auf die Schuhspitzen. Früher waren sie glatt und glänzend gewesen. Aber das war lange her. Wenigstens hatten sie noch kein Loch. »Wegen Michis Krankheit habe ich meine Arbeit verloren. Wir kommen gerade so über die Runden.«

»Aber die Behandlung im Allgäu kostet doch bestimmt viel Geld?«

Mit jeder Frage sank Nathalie ein Stück mehr in sich zusammen.

»Wir haben die Möglichkeit, an einer Studie teilzunehmen«, sagte sie so leise, dass Felicitas sie kaum verstand. »Ich habe nur noch ein paar Tage Zeit, um mich zu entscheiden.«

Die beiden Frauen waren vor dem Behandlungszimmer angekommen.

»Ich werde sehen, was ich für Ihren Sohn tun kann.« Felicitas Norden versuchte, so viel Zuversicht wie möglich auszustrahlen. Leicht fiel ihr das nicht. Aber wenigstens konnte sie schon wieder lächeln, als sie zu Michi an die Liege trat.

*

»Oh Gott, ist der schnuckelig.« Sigrid Blume ließ den Griff des Kinderwagens los und verrenkte sich fast den Hals, als sie Dr. Matthias Weigand nachsah.

Nach seiner Mittagspause eilte der Leiter der Notaufnahme zurück an seine Wirkungsstätte.

»Mama, pass doch auf!« In letzter Sekunde verhinderte Elsa, dass der Kinderwagen mit ihrer wenige Wochen alten Tochter mit einer Blumenrabatte kollidierte.

»Ist das ein Kollege von dir?«, fragte Sigrid unbeeindruckt.

Elsa verdrehte die Augen.

»Nicht so laut, Mama!«, zischte sie. »Dr. Weigand ist der Chef der Ambulanz. Aber erstens ist er verlobt und zweitens viel zu jung für dich. Immerhin bist du jetzt Großmutter.« Wie zum Beweis beugte sie sich über den Kinderwagen. Das Baby presste die Augen zusammen und nuckelte am rosafarbenen Schnuller. »Findest du nicht, dass es langsam an der Zeit ist, vernünftig zu werden?«

»Was bitteschön ist an Liebe unvernünftig?« Noch immer starrte Sigrid auf die Tür, die sich längst hinter Matthias geschlossen hatte. »Du solltest dir ein Beispiel an mir nehmen und nach einem Mann Ausschau halten. Oder willst du, dass die kleine Mathilda ohne Vater aufwächst?«

»Das ist allemal besser, als alle paar Monate einen neuen Ersatzpapa präsentiert zu bekommen«, schnappte Elsa zurück und übernahm den Kinderwagen.

Ihre Ledersohlen klapperten auf dem Asphalt. Sigrid riss sich los und nahm die Verfolgung auf.

»Soll das ein Vorwurf sein?«, rief sie ihrer Tochter nach.

Elsa dachte nicht daran, noch einmal stehenzubleiben. Unbeirrt strebte sie auf den Haupteingang der Klinik zu. Eine Frau im wattierten Morgenmantel nutzte den milden Wintertag für ein Sonnenbad auf einer Bank vor dem Gebäude. Männer und Frauen in Businesskleidung eilten durch die großen Glastüren. Offenbar führte sie ein Geschäftstermin in die Klinik. Schließlich war ein Krankenhaus nichts anderes als ein Unternehmen, spezialisiert auf Angebote rund um Medizin und Gesundheit. Niemand wusste das besser als die Verwaltungsdirektorin Elsa Blume.

»Natürlich nicht, Mamilein«, redete sie besänftigend auf ihre Mutter ein. Schließlich benötigte sie an diesem Tag noch die großmütterlichen Babysitterdienste. »Ich muss euch beide jetzt verlassen, damit ich heute Abend pünktlich aus dem Geschäft komme. Wann geht dein Zug?«

»Um halb sieben. Obwohl ich gern noch länger bleiben würde. Schon allein wegen Mathilda. Und wegen …« Wieder dieser sehnsüchtige Blick durch die Glastüren.

»Schlag dir die Ärzte hier aus dem Kopf! Das ist mein Arbeitsplatz. Ein Skandal ist das Letzte, was ich brauchen kann.«

»Schrei nicht so!«, setzte sich Sigrid zur Wehr. »Ich bin nicht schwerhörig.«

Elsa atmete heftig.

»Natürlich. Bitte entschuldige.« Sie zupfte am ultrakurzen Pony. »Ich hätte es ja nie für möglich gehalten. Aber die Doppelbelastung geht nicht spurlos an mir vorüber.«

»Vielleicht sollte ich doch noch ein paar Tage länger bleiben und dich unterstützen«, dachte Sigrid laut nach. »Eigentlich könnte ich auch ganz nach München ziehen.«

Wieder schoben sich die Glastüren auf. Ein Mann in Weiß trat ins Freie. Er blieb stehen, streckte das Gesicht der Sonne entgegen. Zwei Atemzüge später trat er zu den Patienten an den Rauchertisch. Auf dem Weg dorthin erwiderte er Sigrids Lächeln.

Elsa bemerkte die Blicke, die hin und her flogen. Sicher, für ihr Alter war ihre Mutter eine attraktive Erscheinung. Aber musste sie deshalb mit jedem Mann flirten, der ihr unter die Augen kam.

»Ein Umzug ist nicht nötig«, entfuhr es ihr schroffer als beabsichtigt. Beim Anblick von Sigrids Gesicht fuhr sie etwas sanfter fort: »Schließlich hast du ja auch noch ein Leben. Deine Freunde zu Hause vermissen dich bestimmt schon.«

»Gibt es etwas Wichtigeres als die Familie?« Schon konnte Sigrid wieder lächeln. »Und jetzt ab mit dir an die Arbeit! Mathilda und ich machen noch einen Ausflug in den Park. Später hänge ich das Mobile über ihrem Bett auf, das ich ihr mitgebracht habe.«

»Überlass das lieber meinem Hausmeister. Der übernimmt solche kleinen Dienste gern.«

Lachend winkte Sigrid ab.

»Wenn ich mich mein Leben lang nur auf Männer verlassen hätte, wäre ich heute verlassen.« Sie schnappte sich den Kinderwagen. Ein letztes Lächeln, ehe sie sich auf den Weg machte. Doch ihr Lächeln galt nicht ihrer Tochter.

*

Auch der Neurochirurg Dr. Milan Aydin war an diesem Mittag spät dran. Er linste um die Ecke. Wie durch ein Wunder war der Flur leer. Gute Chancen, seinen Fauxpas zu vertuschen. Eine geschickte Drehung, und er rollte im Rollstuhl auf den Aufenthaltsraum der Ärzte zu.

»Dienstbeginn der Nachmittagsschicht war vor fünfzehn Minuten.«

Die Hände auf den Greifrädern, blieb Milan stehen. Er rollte mit den Kohleaugen, während er sich langsam umdrehte.

»Ich stand im Stau.«

»An der Fußgängerampel?« Die frisch gebackene Fachärztin Dr. Sophie Petzold stand vor dem Kollegen und musterte ihn von oben herab.

Ausgerechnet dieser Grünschnabel wollte ihm den Marsch blasen? Milan verzog den Mund.

»Also schön. Es ist spät geworden gestern Abend. Während du dich vermutlich um Mann und Kind gekümmert hast, habe ich mich mit fachlichen Studien beschäftigt.«

Sophie zog eine Augenbraue hoch.

»Lass mich raten! Ging es um weibliche Anatomie?« Sie schnalzte mit der Zunge. »Keine Sorge. Dein Privatleben interessiert mich nicht. Aber wir sind heute zusammen eingeteilt. In der Notaufnahme wartet ein Fall für uns.«

»Ich komme gleich nach.«

»Das ist wirklich außerordentlich nett von dir.« Sophie Petzold drehte sich um und machte sich auf den Weg.

Die Tür zur Ambulanz öffnete sich schmatzend vor ihr. Gab den Blick frei auf das hektische Treiben. Ein Gasunfall hatte viele Opfer gefordert, die auf die umliegenden Kliniken verteilt worden waren. Allein in die Behnisch-Klinik waren acht Verletzte gebracht worden. Pflegepersonal eilte hin und her. Befehle hallten von den Wänden wider. Ärzte schoben sich an Kollegen und Behandlungsliegen vorbei. Beugten sich über Patienten. Sprachen mit Angehörigen. Der Rettungsassistent Cornelius Hahn übergab ein Klemmbrett an einen Mann, dessen Anblick Sophies Herz höher schlagen ließ. Er bemerkte den Blick in seinem Nacken und drehte sich um.

»Sophie!« Matthias’ Augen streichelten ihr Gesicht. Für mehr Zärtlichkeit war keine Zeit. »Dein Patient ist in der Drei.«

Wenn möglich, liebte Sophie ihren Verlobten für diese Professionalität noch mehr. Sie wandte sich ab und trat kurz darauf durch die Tür mit der schwarzen Drei darauf.

Der Patient lag auf der Liege. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen. Der Pfleger Henri reichte ihr das Aufnahmeformular.

»Der Patient hat starke Flankenschmerzen und erhöhte Temperatur«, teilte er der Kollegin mit.

Sophies Augen fixierten das Klemmbrett. Doch sie sah es nicht. Sie dachte nach.

»Liegt eine Makrohämaturie vor?«

»Sie meinen Blut im Urin?«

Ein strafender Blick traf den Pfleger.

»Als Makrohämaturie bezeichnet man das mit dem Auge erkennbare Vorhandensein von Blut im Urin. Im Gegensatz dazu kennzeichnet die Mikrohämaturie, dass sie nur durch weitergehende diagnostische Maßnahmen diagnostizierbar ist.«

Henri biss sich auf die Unterlippe.

»Natürlich.«

»Nennen Sie mir die diagnostischen Maßnahmen!«

Ein Stöhnen befreite den unglücklichen Pfleger von dem Verhör. Sophie zögerte nur kurz. Mit einem »Also schön!« trat sie an die Liege. Und stutzte.

»Benedikt?« Ihr Blick verirrte sich auf den Fragebogen. Tatsächlich, da stand es! Benedikt Frentzen. »Das ist ja eine Überraschung. Wie … wie …«

Der Mann schnellte von der Liege hoch. Sophie schrie auf und presste die Hand auf die Nase. Tränen rannen über ihr Gesicht. Durch ihre Finger tropfte Blut auf den Boden.

Henri bestaunte die Szenerie mit großen Augen.

»Glotzen Sie nicht so!« Sophies Stimme klang dumpf.

Ein knirschendes Geräusch hinter ihr. Dr. Aydin rollte herein. Er brauchte nur einen Wimpernschlag, um die Situation zu erfassen.

»Hör sofort auf zu lachen!«, schnaubte Sophie auf dem Weg aus dem Zimmer. »Kümmere dich lieber um den Patienten.«

*

»Das Sarkom ist deutlich zu erkennen.« Fee Norden stand neben ihrem Mann am Computer. Die Umrisse eines Oberschenkelknochens leuchteten gespenstisch vor dem dunklen Hintergrund.

»Allerdings ist es noch nicht so weit fortgeschritten wie befürchtet. Ich sehe durchaus noch andere Möglichkeiten als eine Amputation.«

Felicitas hatte ihrem Mann von dem Fall und dem schweren Schicksal der Mutter berichtet.

»Was schlägst du vor?«

»Ich würde mit einer mehrwöchigen intensiven Chemotherapie beginnen. Ziel ist es, den Tumor zu verkleinern. Auf diese Weise kann die nachfolgende Operation schonender und sicherer verlaufen.«

»Im Prinzip bin ich mit deinem Vorschlag einverstanden«, erwiderte sie zögernd.

Daniel kannte seine Frau gut genug, um zu ahnen, dass etwas nicht stimmte.

»Aber?«

»Nach den Erfahrungen mit zahlreichen Kollegen zieht Frau Huppertz die Teilnahme an einer Studie in Erwägung. Es geht um eine Alternativtherapie. Sie hat nur noch wenige Tage Zeit, um sich zu entscheiden.« Sie seufzte tief. »Wir haben also keine Zeit.«

Daniel Norden lehnte sich zurück. Sein Blick ruhte auf dem Bildschirm. Doch sein bewegtes Mienenspiel verriet, dass er angestrengt nachdachte.

»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, erwiderte er schließlich. »Hast du schon einmal von der sogenannten ILP gehört? Der isolierten Extremitätenperfusion?«

Fee nickte.

»Dabei wird die betroffene Extremität mit Hilfe von Kathetern vom Blutkreislauf abgekoppelt und durch die Herz-Lungen-Maschine mit Blut versorgt. Das in dem kleinen Kreislauf zirkulierende Blut kann oxygeniert, erwärmt und mit einem hochdosierten Chemotherapeutikum versetzt werden.«