Jerry Cotton 3104 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3104 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

In Biloxi wurde der FBI-Agent Ben Harper ermordet aufgefunden und die Art der Tötung deutete auf die Mafia hin, doch Harper hatte schon lange nichts mehr mit Mafia-Ermittlungen zu tun gehabt. Bei unseren Nachforschungen stießen Phil und ich auf "il serpente", einen Mafia-Killer, der vor über 15 Jahren verurteilt worden war und jetzt in Vermont lebte. Als wir nachfragten, war "die Schlange" in Vermont verschwunden und wahrscheinlich in Mississippi wieder aufgetaucht, um etwas zu Ende zu bringen, von dem nur er wusste...

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Dead Link

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Aaron Amat

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4125-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dead Link

Es war nicht die erste Leiche im Leben des Mannes. Er hatte schon einige gesehen. Aber nie hatte ihr Anblick mehr in ihm ausgelöst als Gleichgültigkeit. Diesmal war es anders.

Der Typ auf dem Stuhl war nackt und gefesselt. Brandspuren bedeckten seinen untersetzten, leicht verfetteten Körper. Die Leuchtschrift, deren Licht von draußen in den Bar-Raum pulsierte, ließ das aufgedunsene, bläuliche Gesicht mit den hervorgequollenen Augen noch gespenstischer erscheinen.

Rund um die Iris bildeten rote Punkte ein wirres Muster. Im Mund steckte ein blutiger abgetrennter Daumen.

Das ist sein Humor, dachte der Mann. Und eine böse Ahnung befiel ihn.

Il Serpente war zurückgekommen, die Schlange. Das hier war nur der Anfang – der Beginn einer größeren Tragödie.

Als Phil und ich ins Vorzimmer von Mr High kamen und den verlassenen Schreibtisch seiner Sekretärin sahen, fragte Phil erstaunt: »Wo ist eigentlich Dorothy?«, In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zu Mr Highs Büro und sie kam mit raschem Schritt auf uns zu. Dass sie heute gegen ihre Gewohnheit ganz in Schwarz gekleidet war, passte perfekt zu ihrem ernsten, gefassten Gesichtsausdruck.

»Jerry, Phil, bitte gehen Sie gleich durch, Sie werden schon erwartet.«

Wir stellten unsere Kaffeebecher ab und betraten das Zimmer des Chefs, der uns mit einer Geste bedeutete, Platz zu nehmen.

»Jerry, Phil, guten Morgen. Sie können sich ja denken, dass es einen sehr ernsten Anlass gibt, wenn ich Sie so früh zu mir bitte.«

»Allerdings, Sir«, sagte ich nur. Phil schwieg. Es war klar, dass Mr High gleich zur Sache kommen würde.

»Vor drei Tagen erhielt ich einen Anruf vom Leiter des Field Office in Jackson, Mississippi. Peter Brandon ist ein nüchterner, umsichtiger Mann, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Er war nervös. Einer seiner Agents hatte ihm berichtet, er habe Cesare Costa über die Straße spazieren sehen in Biloxi. Klingelt da was bei Ihnen?«

Und ob ich mich erinnerte! Der Italiener war ein Mafia-Schwergewicht gewesen, bevor ein Undercover-Agent des FBI ihn der Justiz auslieferte. Er hatte 15 Jahre in Haft verbracht. Ein Deal mit dem FBI, den Phil und ich aushandelten, hatte dafür gesorgt, dass er freikam. Zuvor hatte er uns die Namen einiger mittelprächtiger Mitglieder der Costafamilie genannt, die uns daraufhin ins Netz gingen.

»Der müsste doch im Zeugenschutzprogramm stecken, unter den Fittichen der US-Marshals«, meinte Phil.

Mr High nickte zustimmend. »Sie können sich also vorstellen, wie beunruhigt ich war. Wenn an der Sache was dran ist, läuft einer der berüchtigtsten Mafiabosse der Südstaaten jetzt unbeaufsichtigt herum. Was könnte sein Motiv sein? Etwa alte Rechnungen zu begleichen? Oder will er wieder ins Geschäft kommen, den Platz an der Spitze der Costa-Familie einnehmen? Möglich wäre beides. Sicher aber läuft er selbst Gefahr, zur Zielscheibe rachsüchtiger Mobster zu werden.«

»Die Costa-Familie ist demnach noch aktiv in Mississippi?«, fragte Phil.

»Ja, und nach Auskunft von Special Agent in Charge Peter Brandon ist die Lage zurzeit besonders bedrohlich, weil die Italiener sich mit der Dixie-Mafia angelegt haben.«

Phill pfiff leise durch die Zähne. »Die sind von der ganz üblen Sorte. Da haben sich die Richtigen gefunden.«

Die Dixie-Mafia hatte sich in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Südstaaten formiert. Ihre Mitglieder waren ein wüster Haufen aus Kriminellen unterschiedlicher Herkunft. Ihre Finger steckten in allem, was Gewinn abwarf: Drogenhandel, Geldwäsche, Glücksspiel und Auftragsmord. Ihr Stammsitz war Biloxi, wo auch die Costa-Familie residierte.

»Ein Gangsterkrieg droht«, fuhr Mr High fort, »und ein alter Pate erscheint plötzlich wieder auf der Bildfläche. Wenn der Ärger macht und wir ihn nicht zu fassen kriegen, werden die Medien über uns herfallen, sobald sie Wind davon bekommen. Es ist also höchste Eile geboten.«

»Warum haben Sie uns nicht früher informiert, Sir? Sind die Kollegen in Mississippi schon an der Costa-Sache dran?«, wollte ich wissen.

»Zwei Agents vom Field Office in Jackson, Marc Lennox und Terry Stone, seit gestern. Vorher war noch unklar, ob die Geschichte überhaupt stimmte. Sie wissen ja, wie stur die US-Marshals sein können, wenn man etwas über den Aufenthalt ihrer Schutzbefohlenen erfahren will. Gestern nun habe ich mit erheblichem Nachdruck in Erfahrung gebracht, dass Costa in Vermont untergetaucht war, wo er in der Verwaltung eines Sägewerks unter dem Namen Alberto Bossi arbeitete. Von dort ist er tatsächlich sang- und klanglos verschwunden.«

Mr High verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch und atmete kurz durch.

»Cesare Costa wurde sofort zur Fahndung ausgeschrieben. Allerdings hätte ich Sie nicht so früh zu mir bestellt, wenn es dafür nicht noch einen anderen Grund gäbe.«

Einen Augenblick lang herrschte Stille im Zimmer. Ich hatte schon die ganze Zeit den Eindruck, dass den Chef etwas beschäftigte, was noch nicht ausgesprochen war. Ich wollte ihn nicht drängen und schwieg einfach, bis er weitersprach.

»Heute Morgen gegen sechs Uhr betrat ein gewisser De Lillo die gleichnamige Bar in der Howard Avenue in Biloxi, um aufzuräumen und sauber zu machen. Er fand einen nackten, an einen Stuhl gefesselten Toten, dessen Körper Spuren von Misshandlungen aufwies. Er verständigte umgehend das Police Departement. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Toten um einen FBI-Agent aus Jackson handelte, der Ihnen bestens bekannt sein dürfte.«

Phil und ich wechselten einen schnellen Blick. Fast gleichzeitig kam uns die Erleuchtung.

»Ben Harper?«, fragte ich vorsichtig und hoffte, dass es nicht so war.

Mr High nickte. »Und damit ist Ihnen natürlich auch klar, wie brenzlig die Situation ist, mit der wir es jetzt zu tun haben.«

»Und ob, Sir. Schließlich war es Ben Harper, der als Undercover-Agent dafür sorgte, dass der Mafiaboss der Italiener vor Gericht und hinter Gitter kam.«

»Es wäre schon ein seltsamer Zufall«, schaltete Phil sich ein, »wenn Harper ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da Costa sich in Vermont verdrückt und in Biloxi auftaucht, getötet wird.«

»Zumal«, ergänzte Mr High, »die Tat die Handschrift der Mafia aufweist. Ben Harper wurde der linke Daumen abgetrennt. Er befand sich im Mund des Toten. Wir müssen also die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich Cesare Costa der Kontrolle des Staates entzogen und auf einen Rachefeldzug begeben hat.«

»Wie wurde Harper getötet?«, wollte ich wissen.

»Die Spuren an seinem Hals lassen auf ein dünnes Stahlseil schließen.«

»Eine Art Garotte.«

»So ist es. Dennoch können wir nicht sicher sein, dass Costa der Mörder Harpers ist. Wir müssen auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Harper Opfer eines Anschlags der Dixie-Mafia wurde. Ich möchte, dass Sie beide den nächsten Flug nach Jackson nehmen. Sie haben, kurz gesagt, drei Aufgaben. Spüren Sie Cesare Costa auf. Finden Sie heraus, wer Ben Harper getötet hat. Und helfen Sie den Kollegen vom Field Office in Jackson, einen Krieg zwischen den beiden Mafia-Gangs zu verhindern. Beide operieren übrigens nicht nur in Mississippi, sondern auch in Alabama. Das macht die Sache noch schwieriger.«

Gemeinsam verließen Phil und ich das Büro des Assistant Director.

Dorothy blickte uns fragend an. »Und, ist es so, wie ich vermute?«

Ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Oh ja, Sie können sich gleich an die Arbeit machen. Wir brauchen noch heute einen Flug nach Jackson.«

»Im Bundesstaat Mississippi«, erläuterte Phil, wobei er versuchte, seinen Charme auszuspielen.

»Ich weiß«, entgegnete Dorothy nur und griff zum Telefonhörer.

***

Der altmodische Ventilator in Peter Brandons Büro kämpfte vergeblich gegen die schwüle Hitze an, die durch das geöffnete Fenster von draußen hereindrang. Der Special Agent in Charge hatte uns am Jackson-Evers International Airport abholen und gleich zu sich bringen lassen. Er war ein bulliger Farbiger mit wachsamen, harten Augen. Seine Glatze bedeckte ein feiner Schweißfilm.

»Mississippi empfängt Sie mit tropischen Temperaturen«, bemerkte er lächelnd. »Darf ich Ihnen einen Drink anbieten? Die Auswahl ist allerdings überschaubar.«

»Denke ich mir«, konterte Phil grinsend, »schließlich sind wir im Dienst. Eine Tasse Kaffee und etwas Wasser wären völlig ausreichend.«

Peter Brandon gab uns einen kurzen Überblick über die bisherigen Ereignisse, der im Wesentlichen mit Mr Highs Ausführungen übereinstimmte. Als er seinen Bericht beendet hatte, brachte eine junge, mexikanisch aussehende Frau auf einem Tablett die Getränke herein.

»Darf ich vorstellen, Agent Nancy Ramirez«, sagte Brandon, »das sind unsere Kollegen aus Washington, die Inspektoren Jerry Cotton und Phil Decker. Sie leitet die Ermittlungen gegen die hiesigen Mafia-Organisationen. Ich habe sie zu unserem Gespräch dazugebeten. Die Agents Terry Stone und Hank Lennox nehmen morgen früh in Biloxi mit Ihnen Kontakt auf. Sie sind für den Fall Harper zuständig.«

Ramirez setzte das Tablett ab und begrüßte uns mit kräftigem Händedruck. Obwohl sie eher klein und zartgliedrig war, strahlte sie eine große Vitalität aus.

Peter Brandon trat hinter seinem Schreibtisch hervor und gesellte sich zu uns anderen an den Besprechungstisch, dessen Farbe schon etwas abgeblättert war.

»Kommen wir zu den Details«, sagte er. »Ben Harper wurde vermutlich zwischen zwei und vier Uhr morgens getötet. Der Fundort der Leiche ist als Tatort auszuschließen. Es gibt keinerlei Blutspuren in der Bar, keinen Hinweis, dass hier ein Mann gefoltert und getötet wurde. Der Betreiber betrat den Raum gegen sechs Uhr.«

»Die Leiche wies Spuren von Folterung auf?«, fragte ich.

Brandon nickte. »Es sieht so aus, als stammten sie von Verbrennungen, die ihm sein Mörder mit einer Zigarette zugefügt haben könnte.«

»Der Kerl ist entweder ein Sadist«, meinte Phil, »oder er wollte aus Harper etwas herauskitzeln, was der nicht freiwillig preisgab.«

»Oder«, schlug ich vor, »er tötete aus Rachsucht. Was für den Fall, dass es sich um Cesare Costa handelt, ziemlich wahrscheinlich ist.«

»Glaubst du nicht«, warf Phil skeptisch ein, »dass Costas Rachegelüste nach fünfzehn Jahren hinter Gittern ziemlich abgekühlt sein müssten?«

»Nicht unbedingt, Phil. Erinnere dich, was für ein Typ er war, jähzornig, unbeherrscht und hinterhältig. Er war auch unter seinesgleichen extrem unbeliebt. Selbst Komplizen und Freunde mussten auf der Hut sein. Sie nannten ihn il Serpente, die Schlange.«

»Du hast recht«, stimmte Phil mir zu, »der Typ ist völlig unberechenbar und ziemlich durchgedreht.«

»Und ein Mythos.« Nancy Ramirez strich sich die langen, dunklen Locken aus der Stirn. »Obwohl er eine halbe Ewigkeit aus der Szene verschwunden ist, reden alle noch von ihm. Gerade jetzt, wo es Costa-Clan und Dixie-Mafia aufeinander abgesehen haben, fällt sein Name immer wieder. Es ist absurd, aber Salvador Morales spricht mit einer Art von Respekt über ihn, während Gigi Tonnato sich eher abfällig äußert.«

»Verzeihen Sie, aber ich komme nicht ganz mit«, sagte Phil, »wer sind die beiden?«

Die Agentin blickte leicht schuldbewusst drein. »Aber ja, natürlich, Sie sind ja gerade erst angereist, tut mir leid, ich habe das einen Augenblick vergessen.«

»Macht ja nichts«, tröstete Phil sie mit einem Lächeln, »klären Sie uns bei der Gelegenheit doch mal auf, worum es bei dieser Gangsterfehde geht und wer die Hauptdarsteller sind.«

»Kurz gesagt haben wir es mit zwei Mafia-Organisationen zu tun, die früher einmal Partner waren. Auf der einen Seite der Costa-Clan, ein Ableger der Cosa Nostra. Die Anfänge der Dixie-Mafia reichen bis in die 60er-Jahre zurück und ihr Zentrum ist bis heute Biloxi, wo auch traditionsgemäß ihr oberster Boss sitzt. Die ersten Mitglieder wurden in Gefängnissen rekrutiert, Typen der übelsten Sorte, die vor nichts zurückschreckten, eine Auslese der besonderen Art.

Dabei war man sehr freizügig, was die Herkunft betraf. Anders als bei den Italienern spielten Familie und ethnische Zugehörigkeit keine Rolle. So ist es bis heute. An der Spitze der Organisation steht jetzt der Mexikaner Salvador Morales. Er hat seinen Vater abgelöst, Olivero Morales, was manchen schon stinkt. Sie wollen keine Erbfolge an der Spitze.«

»Ich habe immer wieder gehört, dass man im Zusammenhang mit der Organisation auch von der Southern Mafia spricht«, warf Phil ein.

»Ja«, bestätigte die Agentin, »ihre Aktivitäten entfalten sich vor allem in den südlichen Staaten. Weshalb sie auch extrem empfindlich sind, wenn andere Gangs ihnen das Revier streitig machen.«

»Sie sagten doch, dass sie einmal Partner des Costa-Clans waren?«,

»Solange die Italiener sich an die Abmachungen hielten. Genau das ist aber nicht mehr der Fall in jüngster Zeit. Sagt Ihnen der Name Giggi Tonnato was?«

»Klar«, bestätigte ich. Tonnato war einmal eine Art Generalsekretär der Mobster gewesen. »Er trat die Nachfolge an der Spitze der Italo-Gang an, nachdem Cesare Costa aus dem Verkehr gezogen wurde. Seitdem machte der Clan nicht mehr so viel von sich reden.«

»Tonnato galt immer als sehr zurückhaltend«, stimmte Ramirez zu, »bloß nicht auffallen, war seine Devise. Mit zunehmendem Alter wurde er aber immer gieriger. Man sagt ihm nach, dass er auf die ganz große Nummer aus sei, er würde seine Karriere gerne mit gesellschaftlichem Aufstieg krönen. Er ist aber viel zu träge und vorsichtig, um die Initiative zu ergreifen. Dafür lässt er seinem Sohn Marco freie Hand. Und der hat sich vorgenommen, die Dixie-Mafia aus Mississippi und Alabama zu verdrängen. Er hofft auf das ganz große Geschäft.«

»Klar«, knurrte Phil, »so viele anständige Leute zu bestechen kostet eine Kleinigkeit. Auf was für Geschäfte ist man denn so spezialisiert?«

»Drogenhandel, Auftragsmord und Geldwäsche«, kam die knappe Antwort.

»Und wo genau kommen die Gangs sich in die Quere?«, wollte ich wissen.

Nancy Ramirez seufzte resigniert. »Eben das wissen wir noch nicht so genau. Wir vermuten, dass der Konflikt auf der Straße begann. Die Dealer im Dixie-Revier von Biloxi bezogen ihre Ware plötzlich von Zulieferern der Italiener zu günstigeren Preisen.«

»Woher wissen Sie das?«

»Von Kontaktleuten aus der Szene.«

»Wer war für die zuständig?«

Ramirez zögerte einen Moment, ehe sie antwortete. »Das ist es ja gerade, was mir Kopfzerbrechen bereitet. Unter anderem Ben Harper. Er hat immer zu viel riskiert. Womöglich hat ihn ein Auftragskiller auf dem Gewissen.«

Wir schwiegen einen Augenblick.

Peter Brandon schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verdammt, es wird Zeit, dass wir hier aufräumen. Erst recht, wenn der alte Costa mitmischt und uns jede Menge zusätzlichen Ärger einhandelt.«

»Deshalb sind wir hier, Agent«, sagte Phil.

Brandon runzelte die Stirn. »Es ist schwierig, Inspektor, die Verhältnisse bei uns im Süden zu durchschauen, wenn man aus dem Norden kommt.«

Phil und ich quittierten diese Bemerkung schweigend. Womöglich behagte es dem Special Agent in Charge nicht, dass er nun unsere Anweisungen zu befolgen hatte. Ich blieb sachlich. »Für den Mord an Harper kommen neben Cesare Costa also auch Personen aus dem Umfeld der beiden Gangs in Betracht. Es ist demzufolge konsequent, die Ermittlungen in beide Richtungen zu führen. Wobei wir zugleich alles unternehmen sollten, um einen Bandenkrieg auf offener Straße zu verhindern.«

Phil nickte. »Wie’s aussieht, haben wir keine Zeit zu verlieren.«

»So ist es.« Peter Brandon stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und zog ein Aktenbündel aus der Schublade, das er mir aushändigte.

»Wir hatten noch keine Gelegenheit, umfangreicheres Material zusammenzustellen«, sagte er bedauernd. »Aber hier drin finden Sie einiges über Cesare Costas altes Umfeld in Biloxi und über die inneren Strukturen der beiden Mafia-Gangs. Schriftliche Ergebnisse der Spurensicherung liegen noch nicht vor, ebenso kein endgültiger medizinischer Befund.«

Ich bedankte mich und nahm die Unterlagen entgegen. »Wir werden auf jeden Fall Dr. Willson aus Quantico für eine gründliche Obduktion anfordern.«

»Ganz wie Sie wünschen, Inspektor Cotton, aber unsere Leute hier machen auch eine hervorragende Arbeit.«

Seine dunklen, harten Augen hatten sich bei dieser Äußerung etwas verengt und ein Unterton von Missmut war nicht zu überhören.

»Da bin ich völlig sicher«, beruhigte ich ihn. »Wie weit ist es bis Biloxi?«

Er zuckte kurz die Schultern. »Wenn Sie gut durchkommen, so um die zweieinhalb Stunden. Ich habe für Sie schon einen Ford Interceptor aus unserer Fahrbereitschaft bereitstellen lassen.«

Ich blickte zu der jungen Agentin hinüber. »Es wäre sicher hilfreich, wenn Sie morgen nach Biloxi kommen könnten, wenn Inspektor Decker und ich uns mit Terry Stone und Hank Lennox treffen.«

Niemand erhob Einwände und Phil und ich verließen das Jackson Field Office auf der Suche nach einem Imbiss. Wir waren seit Sonnenaufgang auf den Beinen und uns knurrte der Magen.

***