Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise - Johann Wolfgang Goethe - E-Book
SONDERANGEBOT

Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise E-Book

Johann Wolfgang Goethe

0,0
19,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 19,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In diesem Band wird Goethes Italienische Reise in den Jahren 1786-1788 von Karlsbad über den Brenner nach Verona, Venedig, Ferrara bis Rom, von dort über Neapel nach Sizilien und wieder zurück nach Rom zusammen mit vielen erläuternden Bildern neu aufgelegt. - Rezension zur maritimen gelben Reihe: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Johann Wolfgang Goethe

Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise

Band 168 der gelben Buchreihe

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Vielen Dank, dass du dich für dieses Buch interessierst! Noch mehr Infos zum Autor und seinem Buch findest du auf neobooks.com - rezensiere das Werk oder werde selbst ebook-Autor bei neobooks.

 

 

- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Der Autor Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe – Italienische Reise

Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise – Auch in Arkadien! – Karlsbad bis auf den Brenner

Vom Brenner bis Verona

Verona bis Venedig

Venedig

Ferrara bis Rom

Rom

Napel

Sizilien

Neapel

Zweiter Römischer Aufenthalt – Vom Juni 1787 bis April 1788

Philipp Neri, der humoristische Heilige

Rom – Januar 1788

Aufnahme in die Gesellschaft der Arkadier

Römischer Karneval

Rom – Februar 1788

Über die bildende Nachahmung des Schönen

Rom – April 1788

Die gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.

Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

* * *

Der Autor Johann Wolfgang von Goethe

Der Autor Johann Wolfgang von Goethe

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/goethe.html

Goethe wurde am 28. August 1749 in Frankfurt(Main) geboren. Er begann sein Studium der Jura 1768 in Leipzig, das er aber wegen einer schweren Krankheit unterbrach und 1771 in Straßburg fortsetzte. Auf Einladung von Herzog Carl August zog er nach Weimar, wo er ab 1776 im Staatsdienst arbeitete. 1786-1788 unternahm er im Alter von etwa 38 Jahren seine erste Italienreise, 1790 die zweite Italienreise. Goethe starb am 22. März 1832 in Weimar.

* * *

Johann Wolfgang von Goethe – Italienische Reise

Johann Wolfgang von Goethe – Italienische Reise

https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/italien.html

* * *

Die Reise

Zweiter Römischer Aufenthalt

Von Juni 1787 bis April 1788

* * *

Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise – Auch in Arkadien! – Karlsbad bis auf den Brenner

Johann Wolfgang von Goethe: Italienische Reise – Auch in Arkadien! – Karlsbad bis auf den Brenner

https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital111.html

Den 3. September 1786.

Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nicht fortgelassen hätte.

Karlsbad

Die Gesellschaft, die den achtundzwanzigsten August, meinen Geburtstag, auf eine sehr freundliche Weise feiern mochte, erwarb sich wohl dadurch ein Recht, mich festzuhalten; allein hier war nicht länger zu säumen.

Goethe-Denkmal in Karlsbad

Ich warf mich ganz allein, nur einen Mantelsack und Dachsranzen aufpackend, in eine Postchaise und gelangte halb acht Uhr nach Zwota, an einem schönen stillen Nebelmorgen. Die oberen Wolken streifig und wollig, die unteren schwer. Mir schienen das gute Anzeichen. Ich hoffte, nach einem so schlimmen Sommer einen guten Herbst zu genießen. Um zwölf in Eger, bei heißem Sonnenschein; und nun erinnerte ich mich, dass dieser Ort dieselbe Polhöhe habe wie meine Vaterstadt, und ich freute mich, wieder einmal bei klarem Himmel unter dem fünfzigsten Grade zu Mittag zu essen.

Stift Waldsassen – Foto: Aconcagua

In Bayern stößt einem sogleich das Stift Waldsassen entgegen – köstliche Besitztümer der geistlichen Herren, die früher als andere Menschen klug waren. Es liegt in einer Teller-, um nicht zu sagen Kesseltiefe, in einem schönen Wiesengrunde, rings von fruchtbaren sanften Anhöhen umgeben. Auch hat dieses Kloster im Lande weit umher Besitzungen. Der Boden ist aufgelöster Tonschiefer. Der Quarz, der sich in dieser Gebirgsart befindet und sich nicht auflöst, noch verwittert, macht das Feld locker und durchaus fruchtbar. Bis gegen Tirschenreuth steigt das Land noch. Die Wasser fließen einem entgegen, nach der Eger und Elbe zu. Von Tirschenreuth an fällt es nun südwärts ab, und die Wasser laufen nach der Donau. Mir gibt es sehr schnell einen Begriff von jeder Gegend, wenn ich bei dem kleinsten Wasser forsche, wohin es läuft, zu welcher Flussregion es gehört. Man findet alsdann selbst in Gegenden, die man nicht übersehen kann, einen Zusammenhang der Berge und Täler gedankenweise. Vor gedachtem Ort beginnt die treffliche Chaussee von Granitsand; es lässt sich keine vollkommenere denken; denn da der aufgelöste Granit aus Kiesel und Tonerde besteht, so gibt das zugleich einen festen Grund und ein schönes Bindungsmittel, die Straße glatt wie eine Tenne zu machen. Die Gegend, durch die sie geführt ist, sieht desto schlechter aus: gleichfalls Granitsand, flachliegend, moorig, und der schöne Weg desto erwünschter. Da nun zugleich das Land abfällt, so kommt man fort mit unglaublicher Schnelle, die gegen den böhmischen Schneckengang recht absticht. Beiliegendes Blättchen benennt die verschiedenen Stationen. Genug, ich war den anderen Morgen um zehn Uhr in Regensburg und hatte also diese vierundzwanzig und eine halbe Meile in einunddreißig Stunden zurückgelegt. Da es anfing, Tag zu werden, befand ich mich zwischen Schwanendorf und Regenstauf, und nun bemerkte ich die Veränderung des Ackerbodens ins Bessere. Es war nicht mehr Verwitterung des Gebirges, sondern aufgeschwemmtes, gemischtes Erdreich. Den Regenfluss herauf hatte in uralten Zeiten Ebbe und Flut aus dem Donautal in alle die Täler gewirkt, die gegenwärtig ihre Wasser dorthin ergießen, und so sind diese natürlichen Polder entstanden, worauf der Ackerbau gegründet ist. Diese Bemerkung gilt in der Nachbarschaft aller größeren und kleineren Flüsse, und mit diesem Leitfaden kann der Beobachter einen schnellen Aufschluss über jeden der Kultur geeigneten Boden erlangen.

Donau bei Regensburg. Zeichnung von Goethe

Regensburg liegt gar schön.

Regensburg – Dom – Donau-Brücke

Die Gegend musste eine Stadt herlocken; auch haben sich die geistlichen Herren wohl bedacht. Alles Feld um die Stadt gehört ihnen, in der Stadt steht Kirche gegen Kirche und Stift gegen Stift. Die Donau erinnert mich an den alten Main. Bei Frankfurt haben Fluss und Brücke ein besseres Ansehen, hier aber nimmt sich das gegenüberliegende Stadt am Hof recht artig aus. Ich verfügte mich gleich in das Jesuitenkollegium, wo das jährliche Schauspiel durch Schüler gegeben ward, sah das Ende der Oper und den Anfang des Trauerspiels. Sie machten es nicht schlimmer als eine angehende Liebhabertruppe und waren recht schön, fast zu prächtig gekleidet. Auch diese öffentliche Darstellung hat mich von der Klugheit der Jesuiten aufs Neue überzeugt. Sie verschmähten nichts, was irgend wirken konnte, und wussten es mit Liebe und Aufmerksamkeit zu behandeln. Hier ist nicht Klugheit, wie man sie sich in Abstracto denkt, es ist eine Freude an der Sache dabei, ein Mit- und Selbstgenuss, wie er aus dem Gebrauche des Lebens entspringt. Wie diese große geistliche Gesellschaft Orgelbauer, Bildschnitzer und Vergolder unter sich hat, so sind gewiss auch einige, die sich des Theaters mit Kenntnis und Neigung annehmen, und wie durch gefälligen Prunk sich ihre Kirchen auszeichnen, so bemächtigen sich die einsichtigen Männer hier der weltlichen Sinnlichkeit durch ein anständiges Theater.

Heute schreibe ich unter dem neunundvierzigsten Grade. Er lässt sich gut an. Der Morgen war kühl, und man klagt auch hier über Nässe und Kälte des Sommers; aber es entwickelte sich ein herrlicher gelinder Tag. Die milde Luft, die ein großer Fluss mitbringt, ist ganz etwas Eigenes. Das Obst ist nicht sonderlich. Gute Birnen hab' ich gespeist; aber ich sehne mich nach Trauben und Feigen.

Der Jesuiten Tun und Wesen hält meine Betrachtungen fest. Kirchen, Türme, Gebäude haben etwas Großes und Vollständiges in der Anlage, das allen Menschen insgeheim Ehrfurcht einflößt. Als Dekoration ist nun Gold, Silber, Metall, geschliffene Steine in solcher Pracht und Reichtum gehäuft, der die Bettler aller Stände blenden muss. Hier und da fehlt es auch nicht an etwas Abgeschmacktem, damit die Menschheit versöhnt und angezogen werde. Es ist dieses überhaupt der Genius des katholischen äußeren Gottesdienstes; noch nie habe ich es aber mit so viel Verstand, Geschick und Konsequenz ausgeführt gesehen als bei den Jesuiten. Alles trifft darin überein, dass sie nicht wie andere Ordensgeistliche eine alte abgestumpfte Andacht fortsetzten, sondern sie dem Geist der Zeit zuliebe durch Prunk und Pracht wieder aufstutzten.

Ein sonderbares Gestein wird hier zu Werkstücken verarbeitet, dem Scheine nach eine Art Totliegendes, das jedoch für älter, für ursprünglich, ja für porphyrartig gehalten werden muss. Es ist grünlich mit Quarz gemischt, löcherig, und es finden sich große Flecke des festesten Jaspis darin, in welchem sich wieder kleine runde Flecken von Breccienart zeigen. Ein Stück war gar zu instruktiv und appetitlich, der Stein aber zu fest, und ich habe geschworen, mich auf dieser Reise nicht mit Steinen zu schleppen.

* * *

München, den 6. September.

Den fünften September halb ein Uhr Mittag reiste ich von Regensburg ab. Bei Abach ist eine schöne Gegend, wo die Donau sich an Kalkfelsen bricht, bis gegen Saale. Es ist der Kalk wie der bei Osteroda am Harz, dicht, aber im Ganzen löcherig.

Um sechs Uhr morgens war ich in München, und nachdem ich mich zwölf Stunden umgesehen, will ich nur weniges bemerken. In der Bildergalerie fand ich mich nicht einheimisch; ich muss meine Augen erst wieder an Gemälde gewöhnen. Es sind treffliche Sachen. Die Skizzen von Rubens von der Luxemburger Galerie haben mir große Freude gemacht.

Peter Paul Rubens (ˈrybə (n)s; auch Pieter Pauwel Rubens oder latinisiert Petrus Paulus Rubens, * 28. Juni 1577 in Siegen; † 30. Mai 1640 in Antwerpen) war ein Maler flämischer Herkunft. Er war einer der bekanntesten Barockmaler und Diplomat der spanisch-habsburgischen Krone.

Peter Paul Rubens

Hier steht auch das vornehme Spielwerk, die Trajanische Säule in Modell.

Trajanische Säule von Südost – Foto: Matthias Kabel

Der Grund Lapislazuli, die Figuren vergoldet. Es ist immer ein schönes Stück Arbeit, und man betrachtet es gern.

Trajanssäule. Die Trajanssäule ( italienisch Colonna Traiana, lateinisch Columna Traiana) ist eine Ehrensäule, die 112/113 n. Chr. für den römischen Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.) auf dessen Forum in Rom errichtet wurde. Die monumentale Säule befindet sich noch heute an ihrer ursprünglichen Stelle.

Im Antikensaale konnte ich recht bemerken, dass meine Augen auf diese Gegenstände nicht geübt sind, deswegen wollte ich nicht verweilen und Zeit verderben. Vieles sprach mich gar nicht an, ohne dass ich sagen könnte warum. Ein Drusus erregte meine Aufmerksamkeit, zwei Antonine gefielen mir und so noch einiges. Im Ganzen stehen die Sachen auch nicht glücklich, ob man gleich mit ihnen hat aufputzen wollen, und der Saal oder vielmehr das Gewölbe ein gutes Ansehen hätte, wenn es nur reinlicher und besser unterhalten wäre. Im Naturalienkabinett fand ich schöne Sachen aus Tirol, die ich in kleinen Musterstücken schon kenne, ja besitze.

Es begegnete mir eine Frau mit Feigen, welche als die ersten vortrefflich schmeckten. Aber das Obst überhaupt ist doch für den achtundvierzigsten Grad nicht besonders gut. Man klagt hier durchaus über Kälte und Nässe. Ein Nebel, der für einen Regen gelten konnte, empfing mich heute früh vor München. Den ganzen Tag blies der Wind sehr kalt vom Tiroler Gebirge. Als ich vom Turm dahin sah, fand ich es bedeckt und den ganzen Himmel überzogen. Nun scheint die Sonne im Untergehen noch an den alten Turm, der mir vor dem Fenster steht. Verzeihung, dass ich so sehr auf Wind und Wetter achthabe: der Reisende zu Lande, fast so sehr als der Schiffer, hängt von beiden ab, und es wäre ein Jammer, wenn mein Herbst in fremden Landen so wenig begünstigt sein sollte als der Sommer zu Hause.

Nun soll es gerade auf Innsbruck. Was lass' ich nicht alles rechts und links liegen, um den einen Gedanken auszuführen, der fast zu alt in meiner Seele geworden ist!

* * *

Mittenwald, den 7. September, abends.

Es scheint, mein Schutzgeist sagt Amen zu meinem Kredo, und ich danke ihm, der mich an einem so schönen Tage hierher geführt hat.

Foto: Roland Zumbühl

Der letzte Postillion sagte mit vergnüglichem Ausruf, es sei der erste im ganzen Sommer. Ich nähre meinen stillen Aberglauben, dass es so fortgehen soll, doch müssen mir die Freunde verzeihen, wenn wieder von Luft und Wolken die Rede ist.

Als ich um fünf Uhr von München wegfuhr, hatte sich der Himmel aufgeklärt. An den Tiroler Bergen standen die Wolken in ungeheuren Massen fest. Die Streifen der unteren Regionen bewegten sich auch nicht. Der Weg geht auf den Höhen, wo man unten die Isar fließen sieht, über zusammengeschwemmte Kieshügel hin. Hier wird uns die Arbeit der Strömungen des uralten Meeres fasslich. In manchem Granitgeschiebe fand ich Geschwister und Verwandte meiner Kabinettsstücke, die ich Knebeln verdanke.

Karl Ludwig von Knebel, auch Carl Ludwig von Knebel (* 30. November 1744 auf Schloss Wallerstein bei Nördlingen; † 23. Februar 1834 in Jena) war ein deutscher Lyriker und Übersetzer, sowie der „Urfreund“ von Johann Wolfgang Goethe.

Die Nebel des Flusses und der Wiesen wehrten sich eine Weile, endlich wurden auch diese aufgezehrt. Zwischen gedachten Kieshügeln, die man sich mehrere Stunden weit und breit denken muss, das schönste fruchtbarste Erdreich wie im Tale des Regenflusses. Nun muss man wieder an die Isar und sieht einen Durchschnitt und Abhang der Kieshügel, wohl hundertundfünfzig Fuß hoch.

Ich gelangte nach Wolfratshausen und erreichte den achtundvierzigsten Grad. Die Sonne brannte heftig, niemand traut dem schönen Wetter, man schreit über das böse des vergehenden Jahres, man jammert, dass der große Gott gar keine Anstalt machen will.

Nun ging mir eine neue Welt auf. Ich näherte mich den Gebirgen, die sich nach und nach entwickelten.

Benediktbeuern – Foto: Dr. Wolfgang Pfäfel

Benediktbeuern liegt köstlich und überrascht beim ersten Anblick. In einer fruchtbaren Fläche ein lang und breites weißes Gebäude und ein breiter hoher Felsrücken dahinter. Nun geht es hinauf zum Kochelsee; noch höher ins Gebirge zum Walchensee. Hier begrüßte ich die ersten beschneiten Gipfel, und auf meine Verwunderung, schon so nahe bei den Schneebergen zu sein, vernahm ich, dass es gestern in dieser Gegend gedonnert, geblitzt und auf den Bergen geschneit habe. Aus diesen Meteoren wollte man Hoffnung zu besserem Wetter schöpfen und aus dem ersten Schnee eine Umwandlung der Atmosphäre vermuten. Die Felsklippen, die mich umgeben, sind alle Kalk, von dem ältesten, der noch keine Versteinerungen enthält. Diese Kalkgebirge gehen in ungeheuren ununterbrochenen Reihen von Dalmatien bis an den Sankt Gotthard und weiter fort.

Belsazar Hacquet. Belsazar de la Motte Hacquet, auch Balthasar oder Balthazar Hacquet, (* 1739/1740 in Le Conquet, Bretagne; † 10. Januar 1815 in Wien) war ein vielseitiger Naturwissenschaftler. 

Hacquet hat einen großen Teil der Kette bereist. Sie lehnen sich an das quarz- und tonreiche Urgebirge.

Nach Walchensee gelangte ich um halb fünf. Etwa eine Stunde von dem Orte begegnete mir ein artiges Abenteuer: ein Harfner mit seiner Tochter, einem Mädchen von elf Jahren, gingen vor mir her und baten mich, das Kind einzunehmen. Er trug das Instrument weiter, ich ließ sie zu mir sitzen, und sie stellte eine große neue Schachtel sorgfältig zu ihren Füßen. Ein artiges ausgebildetes Geschöpf, in der Welt schon ziemlich bewandert. Nach Maria-Einsiedel war sie mit ihrer Mutter zu Fuß gewallfahrtet, und beide wollten eben die größere Reise nach St. Jago von Compostell antreten, als die Mutter mit Tode abging und ihr Gelübde nicht erfüllen sollte. Man könne in der Verehrung der Mutter Gottes nie zu viel tun, meinte sie. Nach einem großen Brande habe sie selbst gesehen ein ganzes Haus niedergebrannt bis auf die untersten Mauern, und über der Türe hinter einem Glase das Muttergottesbild, Glas und Bild unversehrt, welches denn doch ein augenscheinliches Wunder sei. All ihre Reisen habe sie zu Fuße gemacht, zuletzt in München vor dem Kurfürsten gespielt und sich überhaupt vor einundzwanzig fürstlichen Personen hören lassen. Sie unterhielt mich recht gut. Hübsche große braune Augen, eine eigensinnige Stirn, die sich manchmal ein wenig hinaufwärts faltete. Wenn sie sprach, war sie angenehm und natürlich, besonders wenn sie kindisch laut lachte; hingegen wenn sie schwieg, schien sie etwas bedeuten zu wollen und machte mit der Oberlippe eine fatale Miene. Ich sprach sehr viel mit ihr durch, sie war überall zu Hause und merkte gut auf die Gegenstände. So fragte sie mich einmal, was das für ein Baum sei. Es war ein schöner großer Ahorn, der erste, der mir auf der ganzen Reise zu Gesichte kam. Den hatte sie doch gleich bemerkt und freute sich, da mehrere nach und nach erschienen, dass sie auch diesen Baum unterscheiden könne. Sie gehe, sagte sie, nach Bozen auf die Messe, wo ich doch wahrscheinlich auch hinzöge. Wenn sie mich dort anträfe, müsse ich ihr einen Jahrmarkt kaufen, welches ich ihr denn auch versprach. Dort wollte sie auch ihre neue Haube aufsetzen, die sie sich in München von ihrem Verdienst habe machen lassen. Sie wolle mir solche im Voraus zeigen. Nun eröffnete sie die Schachtel, und ich musste mich des reichgestickten und wohlbebänderten Kopfschmuckes mit ihr erfreuen.

Über eine andere frohe Aussicht vergnügten wir uns gleichfalls zusammen. Sie versicherte nämlich, dass es gut Wetter gäbe. Sie trügen ihren Barometer mit sich, und das sei die Harfe. Wenn sich der Diskant hinaufstimme, so gebe es gutes Wetter, und das habe er heute getan. Ich ergriff das Omen, und wir schieden im besten Humor, in der Hoffnung eines baldigen Wiedersehens.

* * *

Auf dem Brenner, den 8. September, abends.

Hierhergekommen, gleichsam gezwungen, endlich an einen Ruhepunkt, an einen stillen Ort, wie ich ihn mir nur hätte wünschen können. Es war ein Tag, den man jahrelang in der Erinnerung genießen kann. Um sechs Uhr verließ ich Mittenwald, den klaren Himmel reinigte ein scharfer Wind vollkommen. Es war eine Kälte, wie sie nur im Februar erlaubt ist. Nun aber bei dem Glanze der aufgehenden Sonne die dunkeln, mit Fichten bewachsenen Vordergründe, die grauen Kalkfelsen dazwischen und dahinter die beschneiten höchsten Gipfel auf einem tieferen Himmelsblau, das waren köstliche, ewig abwechselnde Bilder.

Bei Scharnitz kommt man ins Tirol. Die Grenze ist mit einem Walle geschlossen, der das Tal verriegelt und sich an die Berge anschließt. Es sieht gut aus: an der einen Seite ist der Felsen befestigt, an der anderen steigt er senkrecht in die Höhe. Von Seefeld wird der Weg immer interessanter, und wenn er bisher seit Benediktbeuern herauf von Höhe zu Höhe stieg und alle Wasser die Region der Isar suchten, so blickt man nun über einen Rücken in das Inntal, und Inzingen liegt vor uns. Die Sonne war hoch und heiß, ich musste meine Kleidung erleichtern, die ich bei der veränderlichen Atmosphäre des Tages oft wechsele.

Bei Zirl fährt man ins Inntal herab. Die Lage ist unbeschreiblich schön, und der hohe Sonnenduft machte sie ganz herrlich. Der Postillion eilte mehr, als ich wünschte: er hatte noch keine Messe gehört und wollte sie in Innsbruck, es war eben Marientag, um desto andächtiger zu sich nehmen. Nun rasselte es immer an dem Inn hinab, an der Martinswand vorbei, einer steil abgehenden ungeheuren Kalkwand. Zu dem Platze, wohin Kaiser Maximilian sich verstiegen haben soll, getraute ich mir wohl ohne Engel hin und her zu kommen, ob es gleich immer ein frevelhaftes Unternehmen wäre.

Innsbruck liegt herrlich in einem breiten, reichen Tale zwischen hohen Felsen und Gebirgen. Erst wollte ich dableiben, aber es ließ mir keine Ruhe. Kurze Zeit ergötzte ich mich an dem Sohne des Wirts, einem leibhaftigen Söller. So begegnen mir nach und nach meine Menschen. Das Fest Mariä Geburt zu feiern, ist alles geputzt. Gesund und wohlhäbig, zu Scharen, wallfahrten sie nach Wilten, einem Andachtsorte, eine Viertelstunde von der Stadt gegen das Gebirge zu. Um zwei Uhr, als mein rollender Wagen das muntere bunte Gedränge teilte, war alles in frohem Zug und Gang.

Von Innsbruck herauf wird es immer schöner, da hilft kein Beschreiben. Auf den gebahntesten Wegen steigt man eine Schlucht herauf, die das Wasser nach dem Inn zu sendet, eine Schlucht, die den Augen unzählige Abwechslungen bietet. Wenn der Weg nah am schroffsten Felsen hergeht, ja in ihn hineingehauen ist, so erblickt man die Seite gegenüber sanft abhängig, so dass noch kann der schönste Feldbau darauf geübt werden.

Es liegen Dörfer, Häuser, Häuschen, Hütten, alles weiß angestrichen, zwischen Feldern und Hecken auf der abhängenden hohen und breiten Fläche. Bald verändert sich das Ganze; das Benutzbare wird zur Wiese, bis sich auch das in einen steilen Abhang verliert.

Zu meiner Welterschaffung habe ich manches erobert, doch nichts ganz Neues und Unerwartetes. Auch habe ich viel geträumt von dem Modell, wovon ich so lange rede, woran ich so gern anschaulich machen möchte, was in meinem Inneren herumzieht, und was ich nicht jedem in der Natur vor Augen stellen kann.

Nun wurde es dunkler und dunkler, das Einzelne verlor sich, die Massen wurden immer größer und herrlicher, endlich, da sich alles nur wie ein tiefes geheimes Bild vor mir bewegte, sah ich auf einmal wieder die hohen Schneegipfel vom Mond beleuchtet, und nun erwarte ich, dass der Morgen diese Felsenkluft erhelle, in der ich auf der Grenzscheide des Südens und Nordens eingeklemmt bin.

Ich füge noch einige Bemerkungen hinzu über die Witterung, die mir vielleicht ebendeswegen so günstig ist, weil ich ihr so viele Betrachtungen widme. Auf dem flachen Lande empfängt man Gutes und Böses Wetter, wenn es schon fertig geworden, im Gebirge ist man gegenwärtig, wenn es entsteht. Dieses ist mir nun so oft begegnet, wenn ich auf Reisen, Spaziergängen, auf der Jagd Tag und Nächte lang in den Bergwäldern, zwischen Klippen verweilte, und da ist mir eine Grille aufgestiegen, die ich auch für nichts anders geben will, die ich aber nicht loswerden kann, wie man denn eben die Grillen am wenigsten loswird. Ich sehe sie überall, als wenn es eine Wahrheit wäre, und so will ich sie denn auch aussprechen, da ich ohnehin die Nachsicht meiner Freunde so oft zu prüfen im Falle bin.

Betrachten wir die Gebirge näher oder ferner und sehen ihre Gipfel bald im Sonnenscheine glänzen, bald vorn Nebel umzogen, von stürmenden Wolken umsaust, von Regenstrichen gepeitscht, mit Schnee bedeckt, so schreiben wir das alles der Atmosphäre zu, da wir mit Augen ihre Bewegungen und Veränderungen gar wohl sehen und fassen. Die Gebirge hingegen liegen vor unserem äußeren Sinn in ihrer herkömmlichen Gestalt unbeweglich da. Wir halten sie für tot, weil sie erstarrt sind, wir glauben sie untätig, weil sie ruhen. Ich aber kann mich schon seit längerer Zeit nicht entbrechen, einer inneren, stillen, geheimen Wirkung derselben die Veränderungen, die sich in der Atmosphäre zeigen, zum großen Teile zuzuschreiben. Ich glaube nämlich, dass die Masse der Erde überhaupt, und folglich auch besonders ihre hervorragenden Grundfesten, nicht eine beständige, immer gleiche Anziehungskraft ausüben, sondern dass diese Anziehungskraft sich in einem gewissen Pulsieren äußert, so dass sie sich durch innere notwendige, vielleicht auch äußere zufällige Ursachen bald vermehrt, bald vermindert. Mögen alle anderen Versuche, diese Oszillation darzustellen, zu beschränkt und roh sein, die Atmosphäre ist zart und weit genug, um uns von jenen stillen Wirkungen zu unterrichten. Vermindert sich jene Anziehungskraft im geringsten, alsobald deutet uns die verringerte Schwere, die verminderte Elastizität der Luft diese Wirkung an. Die Atmosphäre kann die Feuchtigkeit, die in ihr chemisch und mechanisch verteilt war, nicht mehr tragen, Wolken senken sich, Regen stürzen nieder, und Regenströme ziehen nach dem Lande zu. Vermehrt aber das Gebirge seine Schwerkraft, so wird alsobald die Elastizität der Luft wiederhergestellt, und es entspringen zwei wichtige Phänomene. Einmal versammeln die Berge ungeheure Wolkenmassen um sich her, halten sie fest und starr wie zweite Gipfel über sich, bis sie, durch inneren Kampf elektrischer Kräfte bestimmt, als Gewitter, Nebel und Regen niedergehen, sodann wirkt auf den Überrest die elastische Luft, welche nun wieder mehr Wasser zu fassen, aufzulösen und zu verarbeiten fähig ist. Ich sah das Aufzehren einer solchen Wolke ganz deutlich: sie hing um den steilsten Gipfel, das Abendrot beschien sie. Langsam, langsam sonderten ihre Enden sich ab, einige Flocken wurden weggezogen und in die Höhe gehoben; diese verschwanden, und so verschwand die ganze Masse nach und nach und ward vor meinen Augen wie ein Rocken von einer unsichtbaren Hand ganz eigentlich abgesponnen.

Wenn die Freunde über den ambulanten Wetterbeobachter und dessen seltsame Theorien gelächelt haben, so gebe ich ihnen vielleicht durch einige andere Betrachtungen Gelegenheit zum Lachen, denn ich muss gestehen, da meine Reise eigentlich eine Flucht war vor allen den Unbilden, die ich unter dem einundfünfzigsten Grade erlitten, dass ich Hoffnung hatte, unter dem achtundvierzigsten ein wahres Gosen zu betreten. Allein ich fand mich getäuscht, wie ich früher hätte wissen sollen; denn nicht die Polhöhe allein macht Klima und Witterung, sondern die Bergreihen, besonders jene, die von Morgen nach Abend die Länder durchschneiden. In diesen ereignen sich immer große Veränderungen, und nordwärts liegende Länder haben am meisten darunter zu leiden. So scheint auch die Witterung für den ganzen Norden diesen Sommer über durch die große Alpenkette, auf der ich dieses schreibe, bestimmt worden zu sein. Hier hat es die letzten Monate her immer geregnet, und Südwest und Südost haben den Regen durchaus nordwärts geführt. In Italien sollen sie schön Wetter, ja zu trocken gehabt haben.

Nun von dem abhängigen, durch Klima, Berghöhe, Feuchtigkeit auf das mannigfaltigste bedingten Pflanzenreich einige Worte. Auch hierin habe ich keine sonderliche Veränderung, doch Gewinn gefunden. Äpfel und Birnen hängen schon häufig vor Innsbruck in dem Tale, Pfirsichen und Trauben hingegen bringen sie aus Welschland oder vielmehr aus dem mittägigen Tirol. Um Innsbruck bauen sie viel Türkisch- und Heidekorn, das sie Blende nennen. Den Brenner herauf sah ich die ersten Lärchenbäume, bei Schönberg den ersten Zirbel. Ob wohl das Harfnermädchen hier auch nachgefragt hätte?

Die Pflanzen betreffend, fühl' ich noch sehr meine Schülerschaft. Bis München glaubt' ich wirklich nur die gewöhnlichen zu sehen. Freilich war meine eilige Tag- und Nachtfahrt solchen feineren Beobachtungen nicht günstig.

Carl von Linné – 1707 – 1778 – unterrichtete Botanik, Diätetik, Materia Medica und hatte die Aufsicht über den Alten Botanischen Garten. Rosén lehrte Praktische Medizin, Anatomie und Physiologie. Für die Gebiete Pathologie und Chemie waren sie gemeinsam verantwortlich.  Linné begann mit der Umgestaltung des Botanischen Gartens und beauftragte damit Carl Hårleman.

Nun habe ich zwar meinen Linné bei mir und seine Terminologie wohl eingeprägt, wo soll aber Zeit und Ruhe zum Analysieren herkommen, das ohnehin, wenn ich mich recht kenne, meine Stärke niemals werden kann? Daher schärf' ich mein Auge aufs Allgemeine, und als ich am Walchensee die erste Gentiana sah, fiel mir auf, dass ich auch bisher zuerst am Wasser die neuen Pflanzen fand.

Was mich noch aufmerksamer machte, war der Einfluss, den die Gebirgshöhe auf die Pflanzen zu haben schien. Nicht nur neue Pflanzen fand ich da, sondern Wachstum der alten verändert; wenn in der tieferen Gegend Zweige und Stängel stärker und mastiger waren, die Augen näher aneinander standen und die Blätter breit waren, so wurden höher ins Gebirge hinauf Zweige und Stengel zarter, die Augen rückten auseinander, so dass von Knoten zu Knoten ein größerer Zwischenraum stattfand und die Blätter sich lanzenförmiger bildeten. Ich bemerkte dies bei einer Weide und einer Gentiana und überzeugte mich, dass es nicht etwa verschiedene Arten wären. Auch am Walchensee bemerkte ich längere und schlankere Binsen als im Unterlande.

Die Kalkalpen, welche ich bisher durchschnitten, haben eine graue Farbe und schöne, sonderbare, unregelmäßige Formen, ob sich gleich der Fels in Lager und Bänke teilt. Aber weil auch geschwungene Lager vorkommen und der Fels überhaupt ungleich verwittert, so sehen die Wände und Gipfel seltsam aus. Diese Gebirgsart steigt den Brenner weit herauf. In der Gegend des oberen Sees fand ich eine Veränderung desselben. An dunkelgrünen und dunkelgrauen Glimmerschiefer, stark mit Quarz durchzogen, lehnte sich ein weißer, dichter Kalkstein, der an der Ablösung glimmerig war und in großen, obgleich unendlich zerklüfteten Massen anstand. Über demselben fand ich wieder Glimmerschiefer, der mir aber zarter als der vorige zu sein schien. Weiter hinauf zeigt sich eine besondere Art Gneis oder vielmehr eine Granitart, die sich dem Gneis zu bildet, wie in der Gegend von Ellbogen. Hier oben, gegen dem Hause über, ist der Fels Glimmerschiefer. Die Wasser, die aus dem Berge kommen, bringen nur diesen Stein und grauen Kalk mit.

Nicht fern muss der Granitstock sein, an den sich alles anlehnt. Die Karte zeigt, dass man sich an der Seite des eigentlichen großen Brenners befindet, von dem aus die Wasser sich ringsum ergießen.

Vom Äußeren des Menschengeschlechts habe ich so viel aufgefasst. Die Nation ist wacker und gerade vor sich hin. Die Gestalten bleiben sich ziemlich gleich, braune, wohlgeöffnete Augen und sehr gut gezeichnete schwarze Augenbraunen bei den Weibern; dagegen blonde und breite Augenbraunen bei den Männern. Diesen geben die grünen Hüte zwischen den grauen Felsen ein fröhliches Ansehen. Sie tragen sie geziert mit Bändern oder breiten Schärpen von Taft mit Franzen, die mit Nadeln gar zierlich aufgeheftet werden. Auch hat jeder eine Blume oder eine Feder auf dem Hut. Dagegen verbilden sich die Weiber durch weiße, baumwollene, zottige, sehr weite Mützen, als wären es unförmliche Mannesnachtmützen. Das gibt ihnen ein ganz fremdes Ansehen, da sie im Auslande die grünen Mannshüte tragen, die sehr schön kleiden.

Ich habe Gelegenheit gehabt zu sehen, welchen Wert die gemeinen Leute auf Pfauenfedern legen, und wie überhaupt jede bunte Feder geehrt wird. Wer diese Gebirge bereisen wollte, müsste dergleichen mit sich führen. Eine solche am rechten Orte angebrachte Feder würde statt des willkommensten Trinkgeldes dienen.

Indem ich nun diese Blätter sondere, sammele, hefte und dergestalt einrichte, dass sie meinen Freunden bald einen leichten Überblick meiner bisherigen Schicksale gewähren können, und dass ich mir zugleich, was ich bisher erfahren und gedacht, von der Seele wälze, betrachte ich dagegen mit einem Schauer manche Pakete, von denen ich ein kurz und gutes Bekenntnis ablegen muss: sind es doch meine Begleiter, werden sie nicht viel Einfluss auf meine nächsten Tage haben!

Ich hatte nach Karlsbad meine sämtlichen Schriften mitgenommen, um die von Göschen zu besorgende Ausgabe schließlich zusammenzustellen. Die ungedruckten besaß ich schon längst in schönen Abschriften von der geschickten Hand des Sekretärs Vogel. Dieser wackere Mann begleitete mich auch diesmal, um mir durch seine Fertigkeit beizustehen. Dadurch ward ich in den Stand gesetzt, die vier ersten Bände unter der treusten Mitwirkung Herders an den Verleger abzusenden, und war im Begriff, mit den vier letzten das gleiche zu tun. Diese bestanden teils aus nur entworfenen Arbeiten, ja aus Fragmenten, wie denn meine Unart, vieles anzufangen und bei vermindertem Interesse liegen zu lassen, mit den Jahren, Beschäftigungen und Zerstreuungen allgemach zugenommen hatte.

Da ich nun diese Dinge sämtlich mit mir führte, so gehorchte ich gern den Anforderungen der Karlsbader geistreichen Gesellschaft und las ihr alles vor, was bisher unbekannt geblieben, da man sich denn jedes Mal über das Nichtvollbringen derjenigen Dinge, an denen man sich gern länger unterhalten hätte, bitterlich beschwerte.

Die Feier meines Geburtstages bestand hauptsächlich darin, dass ich mehrere Gedichte erhielt im Namen meiner unternommenen, aber vernachlässigten Arbeiten, worin sich jedes nach seiner Art über mein Verfahren beklagte. Darunter zeichnete sich ein Gedicht im Namen der Vögel aus, wo eine an Treufreund gesendete Deputation dieser munteren Geschöpfe inständig bat, er möchte doch das ihnen zugesagte Reich nunmehr auch gründen und einrichten. Nicht weniger einsichtig und anmutig waren die Äußerungen über meine anderen Stückwerke, so dass sie mir auf einmal wieder lebendig wurden und ich den Freunden meine gehabten Vorsätze und vollständigen Plane mit Vergnügen erzählte. Dies veranlasste dringende Forderungen und Wünsche und gab Herdern gewonnen Spiel, als er mich zu überreden suchte, ich möchte diese Papiere nochmals mit mir nehmen, vor allem aber Iphigenien noch einige Aufmerksamkeit schenken, welche sie wohl verdiene. Das Stück, wie es gegenwärtig liegt, ist mehr Entwurf als Ausführung, es ist in poetischer Prosa geschrieben, die sich manchmal in einen jambischen Rhythmus verliert, auch wohl anderen Silbenmaßen ähnelt. Dieses tut freilich der Wirkung großen Eintrag, wenn man es nicht sehr gut liest und durch gewisse Kunstgriffe die Mängel zu verbergen weiß. Er legte mir dieses so dringend ans Herz, und da ich meinen größeren Reiseplan ihm wie allen verborgen hatte, so glaubte er, es sei nur wieder von einer Bergwanderung die Rede, und weil er sich gegen Mineralogie und Geologie immer spöttisch erwies, meinte er, ich sollte, anstatt taubes Gestein zu klopfen, meine Werkzeuge an diese Arbeit wenden. Ich gehorchte so vielen wohl gemeinten Andrängen: bis hierher aber war es nicht möglich, meine Aufmerksamkeit dahin zu lenken. Jetzt sondere ich „Iphigenien“ aus dem Paket und nehme sie mit in das schöne, warme Land als Begleiterin. Der Tag ist so lang, das Nachdenken ungestört, und die herrlichen Bilder der Umwelt verdrängen keineswegs den poetischen Sinn, sie rufen ihn vielmehr, von Bewegung und freier Luft begleitet, nur desto schneller hervor.

* * *

Vom Brenner bis Verona

Vom Brenner bis Verona

Trient, den 11. September, früh.

Nachdem ich völlig fünfzig Stunden am Leben und in steter Beschäftigung gewesen, kam ich gestern Abend um acht Uhr hier an, begab mich bald zur Ruhe und finde mich nun wieder imstande, in meiner Erzählung fortzufahren. Am Neunten abends, als ich das erste Stück meines Tagebuchs geschlossen hatte, wollte ich noch die Herberge, das Posthaus auf dem Brenner, in seiner Lage zeichnen, aber es gelang nicht, ich verfehlte den Charakter und ging halb verdrießlich nach Hause. Der Wirt fragte mich, ob ich nicht fort wollte, es sei Mondenschein und der beste Weg, und ob ich wohl wusste, dass er die Pferde morgen früh zum Einfahren des Grummets brauchte und bis dahin gern wieder zu Hause hätte, sein Rat also eigennützig war, so nahm ich ihn doch, weil er mit meinem inneren Triebe übereinstimmte, als gut an. Die Sonne ließ sich wieder blicken, die Luft war leidlich; ich packte ein, und um sieben Uhr fuhr ich weg. Die Atmosphäre ward über die Wolken Herr und der Abend gar schön.

Der Postillion schlief ein, und die Pferde liefen den schnellsten Trab bergunter, immer auf dem bekannten Wege fort; kamen sie an ein eben Fleck, so ging es desto langsamer.

Etsch-Fluss – Foto: Michielverbeek

Der Führer wachte auf und trieb wieder an, und so kam ich sehr geschwind, zwischen hohen Felsen, an dem reißenden Etsch-Fluss hinunter. Der Mond ging auf und beleuchtete ungeheure Gegenstände. Einige Mühlen zwischen uralten Fichten über dem schäumenden Strom waren völlige Everdingen.

Als ich um neun Uhr nach Sterzing gelangte, gab man mir zu verstehen, dass man mich gleich wieder wegwünsche. In Mittenwald Punkt zwölf Uhr fand ich alles in tiefem Schlafe, außer dem Postillion, und so ging es weiter auf Brixen, wo man mich wieder gleichsam entführte, so dass ich mit dem Tage in Kollmann ankam. Die Postillions fuhren, dass einem Sehen und Hören verging, und so leid es mir tat, diese herrlichen Gegenden mit der entsetzlichsten Schnelle und bei Nacht wie im Fluge zu durchreisen, so freute es mich doch innerlich, dass ein günstiger Wind hinter mir her blies und mich meinen Wünschen zujagte. Mit Tagesanbruch erblickte ich die ersten Rebhügel. Eine Frau mit Birnen und Pfirsichen begegnete mir, und so ging es auf Teutschen los, wo ich um sieben Uhr ankam und gleich weiterbefördert wurde. Nun erblickte ich endlich bei hohem Sonnenschein, nachdem ich wieder eine Weile nordwärts gefahren war, das Tal, worin Bozen liegt. Von steilen, bis auf eine ziemliche Höhe angebauten Bergen umgeben, ist es gegen Mittag offen, gegen Norden von den Tiroler Bergen gedeckt.

Eine milde, sanfte Luft füllte die Gegend. Hier wendet sich die Etsch wieder gegen Mittag. Die Hügel am Fuße der Berge sind mit Wein bebaut. Über lange, niedrige Lauben sind die Stöcke gezogen, die blauen Trauben hängen gar zierlich von der Decke herunter und reifen an der Wärme des nahen Bodens. Auch in der Fläche des Tals, wo sonst nur Wiesen sind, wird der Wein in solchen eng aneinander stehenden Reihen von Lauben gebaut, dazwischen das türkische Korn, das nun immer höhere Stengel treibt. Ich habe es oft zu zehn Fuß hoch gesehen. Die zaselige männliche Blüte ist noch nicht abgeschnitten, wie es geschieht, wenn die Befruchtung eine Zeitlang vorbei ist.

Bei heiterem Sonnenschein kam ich nach Bozen. Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. Ein absichtliches, wohlbehagliches Dasein drückt sich recht lebhaft aus. Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben, über vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirsiche nebeneinander lagen, dass sie sich nicht drücken sollten. Ebenso die Birnen. Hier fiel mir ein, was ich in Regensburg am Fenster des Wirtshauses geschrieben sah:

Comme les pêches et les mélons sont pour la bouche d'un baron, ainsi les verges et les bâtons sont pour les fous, dit Salomon.

Dass ein nordischer Baron dies geschrieben, ist offenbar, und dass er in diesen Gegenden seine Begriffe ändern würde, ist auch natürlich.

Die Bozener Messe bewirkt einen starken Seidenvertrieb; auch Tücher werden dahin gebracht und was an Leder aus den gebirgigen Gegenden zusammengeschafft wird. Doch kommen mehrere Kaufleute hauptsächlich, um Gelder einzukassieren, Bestellungen anzunehmen und neuen Kredit zu geben, dahin. Ich hatte große Lust, alle die Produkte zu beleuchten, die hier auf einmal zusammengefunden werden, doch der Trieb, die Unruhe, die hinter mir ist, lässt mich nicht rasten, und ich eile sogleich wieder fort. Dabei kann ich mich trösten, dass in unseren statistischen Zeiten dies alles wohl schon gedruckt ist und man sich gelegentlich davon aus Büchern unterrichten kann. Mir ist jetzt nur um die sinnlichen Eindrücke zu tun, die kein Buch, kein Bild gibt. Die Sache ist, dass ich wieder Interesse an der Welt nehme, meinen Beobachtungsgeist versuche und prüfe, wie weit es mit meinen Wissenschaften und Kenntnissen geht, ob mein Auge licht, rein und hell ist, wie viel ich in der Geschwindigkeit fassen kann, und ob die Falten, die sich in mein Gemüt geschlagen und gedrückt haben, wieder auszutilgen sind. Schon jetzt, dass ich mich selbst bediene, immer aufmerksam, immer gegenwärtig sein muss, gibt mir diese wenigen Tage her eine ganz andere Elastizität des Geistes; ich muss mich um den Geldkurs bekümmern, wechseln, bezahlen, notieren, schreiben, anstatt dass ich sonst nur dachte, wollte, sann, befahl und diktierte.

Von Bozen auf Trient geht es neun Meilen weg in einem fruchtbaren und fruchtbareren Tale hin. Alles, was auf den höheren Gebirgen zu vegetieren versucht, hat hier schon mehr Kraft und Leben, die Sonne scheint heiß, und man glaubt wieder einmal an einen Gott.

Eine arme Frau rief mich an, ich möchte ihr Kind in den Wagen nehmen, weil ihm der heiße Boden die Füße verbrenne. Ich übte diese Mildtätigkeit zu Ehren des gewaltigen Himmelslichtes. Das Kind war sonderbar geputzt und aufgeziert, ich konnte ihm aber in keiner Sprache etwas abgewinnen.

Die Etsch fließt nun sanfter und macht an vielen Orten breite Kiese. Auf dem Lande, nah am Fluss, die Hügel hinauf ist alles so eng an- und ineinander gepflanzt, dass man denkt, es müsse eins das andere ersticken. – Weingeländer, Mais, Maulbeerbäume, Äpfel, Birnen, Quitten und Nüsse. Über Mauern wirft sich der Attich lebhaft herüber. Efeu wächst in starken Stämmen die Felsen hinauf und verbreitet sich weit über sie; die Eidechse schlüpft durch die Zwischenräume, auch alles, was hin und her wandelt, erinnert einen an die liebsten Kunstbilder. Die aufgebundenen Zöpfe der Frauen, der Männer bloße Brust und leichte Jacken, die trefflichen Ochsen, die sie vom Markt nach Hause treiben, die beladenen Eselchen, alles bildet einen lebendigen, bewegten Heinrich Roos.

Der Maler Johann Heinrich Roos – 1631 – 1685 schulte sich spätestens seit seiner Lehre in Amsterdam regelmäßig vor der Natur. Seine zahlreichen Skizzenbücher sind gefüllt mit Zeichnungen von Landschaften und immer wieder von Weidevieh und Hirtenszenen.

Und nun, wenn es Abend wird, bei der milden Luft wenige Wolken an den Bergen ruhen, am Himmel mehr stehen als ziehen, und gleich nach Sonnenuntergang das Geschrille der Heuschrecken laut zu werden anfängt, da fühlt man sich doch einmal in der Welt zu Hause und nicht wie geborgt oder im Exil. Ich lasse mir's gefallen, als wenn ich hier geboren und erzogen wäre und nun von einer Grönlandsfahrt, von einem Walfischfange zurückkäme. Auch der vaterländische Staub, der manchmal den Wagen umwirbelt, von dem ich so lange nichts erfahren habe, wird begrüßt.

Johann Heinrich Roos – Landschaft in Morgenstimmung

Das Glocken- und Schellengeläute der Heuschrecken ist allerliebst, durchdringend und nicht unangenehm. Lustig klingt es, wenn mutwillige Buben mit einem Feld solcher Sängerinnen um die Wette pfeifen; man bildet sich ein, dass sie einander wirklich steigern. Auch der Abend ist vollkommen milde wie der Tag.

Wenn mein Entzücken hierüber jemand vernähme, der in Süden wohnte, von Süden herkäme, er würde mich für sehr kindisch halten. Ach, was ich hier ausdrücke, habe ich lange gewusst, so lange, als ich unter einem bösen Himmel dulde, und jetzt mag ich gern diese Freude als Ausnahme fühlen, die wir als eine ewige Naturnotwendigkeit immerfort genießen sollten.

* * *

Trient, den 10. September, abends.

Ich bin in der Stadt herumgegangen, die uralt ist und in einigen Straßen neue, wohlgebaute Häuser hat. In der Kirche hängt ein Bild, wo das versammelte Konzilium einer Predigt des Jesuitengenerals zuhört. Ich möchte wohl wissen, was er ihnen aufgebunden hat. Die Kirche dieser Väter bezeichnet sich gleich von außen durch rote Marmorpilaster an der Fassade; ein schwerer Vorhang schließt die Türe, den Staub abzuhalten. Ich hob ihn auf und trat in eine kleine Vorkirche; die Kirche selbst ist durch ein eisernes Gitter geschlossen, doch so, dass man sie ganz übersehen kann. Es war alles still und ausgestorben, denn es wird hier kein Gottesdienst mehr gehalten. Die vordere Türe stand nur auf, weil zur Vesperzeit alle Kirchen geöffnet sein sollen.

Wie ich nun so dastehe und der Bauart nachdenke, die ich den übrigen Kirchen dieser Väter ähnlich fand, tritt ein alter Mann herein, das schwarze Käppchen sogleich abnehmend. Sein alter, schwarzer, vergrauter Rock deutete auf einen verkümmerten Geistlichen; er kniet vor dem Gitter nieder und steht nach einem kurzen Gebet wieder auf. Wie er sich umkehrt, sagt er halblaut für sich: „Da haben sie nun die Jesuiten herausgetrieben; sie hätten ihnen auch zahlen sollen, was die Kirche gekostet hat. Ich weiß wohl, was sie gekostet hat und das Seminarium, wie viele Tausende.“ Indessen war er hinaus und hinter ihm der Vorhang zugefallen, den ich lüftete und mich still hielt. Er war auf der oberen Stufe stehengeblieben und sagte: „Der Kaiser hat es nicht getan, der Papst hat es getan.“ Mit dem Gesicht gegen die Straße gekehrt und ohne mich zu vermuten, fuhr er fort: „Erst die Spanier, dann wir, dann die Franzosen. Abels Blut schreit über seinen Bruder Kain!“ und so ging er die Treppe hinab, immer mit sich redend, die Straße hin. Wahrscheinlich ist es ein Mann, den die Jesuiten erhielten, und der über den ungeheuren Fall des Ordens den Verstand verlor und nun täglich kommt, in dem leeren Gefäß die alten Bewohner zu suchen und nach einem kurzen Gebet ihren Feinden den Fluch zu geben.

Ein junger Mann, den ich um die Merkwürdigkeiten der Stadt fragte, zeigte mir ein Haus, das man des Teufels Haus nennt, welches der sonst allzeit fertige Zerstörer in einer Nacht mit schnell herbeigeschafften Steinen erbaut haben soll. Das eigentliche Merkwürdige daran bemerkte der gute Mensch aber nicht, dass es nämlich das einzige Haus von gutem Geschmack ist, das ich in Trient gesehen habe, in einer älteren Zeit gewiss von einem guten Italiener aufgeführt.

Abends um fünf Uhr reiste ich ab; wieder das Schauspiel von gestern Abend und die Heuschrecken, die gleich bei Sonnenuntergang zu schrillen anfangen. Wohl eine Meile weit fährt man zwischen Mauern, über welche sich Traubengeländer sehen lassen; andere Mauern, die nicht hoch genug sind, hat man mit Steinen, Dornen und sonst zu erhöhen gesucht, um das Abrupfen der Trauben den Vorbeigehenden zu wehren. Viele Besitzer bespritzen die vordersten Reihen mit Kalk, der die Trauben ungenießbar macht, dem Wein aber nichts schadet, weil die Gärung alles wieder heraustreibt.

* * *

Den 11. September, abends.

Hier bin ich nun in Roveredo, wo die Sprache sich abschneidet; oben herein schwankt es noch immer vom Deutschen zum Italienischen. Nun hatte ich zum ersten Mal einen stockwelschen Postillion; der Wirt spricht kein Deutsch, und ich muss nun meine Sprachkünste versuchen. Wie froh bin ich, dass nunmehr die geliebte Sprache lebendig, die Sprache des Gebrauchs wird!

* * *

Wie sehr wünschte ich meine Freunde einen Augenblick neben mich, dass sie sich der Aussicht freuen könnten, die vor mir liegt!

Heute Abend hätte ich können in Verona sein, aber es lag mir noch eine herrliche Naturwirkung an der Seite, ein köstliches Schauspiel, der Gardasee, den wollte ich nicht versäumen, und bin herrlich für meinen Umweg belohnt. Nach fünfen fuhr ich von Roveredo fort, ein Seitental hinauf, das seine Wasser noch in die Etsch gießt. Wenn man hinaufkommt, liegt ein ungeheurer Felsriegel hinten vor, über den man nach dem See hinunter muss. Hier zeigten sich die schönsten Kalkfelsen zu malerischen Studien. Wenn man hinabkommt, liegt ein Örtchen am nördlichen Ende des Sees und ist ein kleiner Hafen oder vielmehr Anfahrt daselbst, es heißt Torbole. Die Feigenbäume hatten mich schon den Weg herauf häufig begleitet, und indem ich in das Felsamphitheater hinabstieg, fand ich die ersten Ölbäume voller Oliven.

Gardasee – Foto: Ampfinger

Gardasee – Foto: Manfred Heyde

Hier traf ich auch zum ersten Mal die weißen kleinen Feigen als gemeine Frucht, welche mir die Gräfin Lanthieri verheißen hatte.

Aus dem Zimmer, in dem ich sitze, geht eine Türe nach dem Hof hinunter; ich habe meinen Tisch davor gerückt und die Aussicht mit einigen Linien gezeichnet. Man übersieht den See beinah in seiner ganzen Länge, nur am Ende links entwendet er sich unseren Augen. Das Ufer, auf beiden Seiten von Hügeln und Bergen eingefasst, glänzt von unzähligen kleinen Ortschaften.

Nach Mitternacht bläst der Wind von Norden nach Süden, wer also den See hinab will, muss zu dieser Zeit fahren; denn schon einige Stunden vor Sonnenaufgang wendet sich der Luftstrom und zieht nordwärts. Jetzt am Nachmittag weht er stark gegen mich und kühlt die heiße Sonne gar lieblich.

* * *

Johann Jacob Volkmann – 1732 – 1803

* * *

Zugleich lehrt mich Volkmann, dass dieser See ehemals Benacus geheißen, und bringt einen Vers des Virgil, worin dessen gedacht wird:

Fluctibus et fremitu resonans Benace marino.

Der erste lateinische Vers, dessen Inhalt lebendig vor mir steht, und der in dem Augenblicke, da der Wind immer stärker wächst und der See höhere Wellen gegen die Anfahrt wirft, noch heute so wahr ist als vor vielen Jahrhunderten. So manches hat sich verändert, noch aber stürmt der Wind in dem See, dessen Anblick eine Zeile Virgils noch immer veredelt.

Geschrieben unter dem fünfundvierzigsten Grade fünfzig Minuten.

* * *

In der Abendkühle ging ich spazieren und befinde mich nun wirklich in einem neuen Lande, in einer ganz fremden Umgebung. Die Menschen leben ein nachlässiges Schlaraffenleben: erstens haben die Türen keine Schlösser; der Wirt aber versicherte mir, ich könnte ganz ruhig sein, und wenn alles, was ich bei mir hätte, aus Diamanten bestünde; zweitens sind die Fenster mit Ölpapier statt Glasscheiben geschlossen; drittens fehlt eine höchst nötige Bequemlichkeit, so dass man dem Naturzustande hier ziemlich nahe kommt. Als ich den Hausknecht nach einer gewissen Gelegenheit fragte, deutete er in den Hof hinunter. „Qui abasso può servirsi!“ Ich fragte: „Dove?“ – „Da per tutto, dove vuol!“ antwortete er freundlich. Durchaus zeigt sich die größte Sorglosigkeit, doch Leben und Geschäftigkeit genug. Den ganzen Tag verführen die Nachbarinnen ein Geschwätz, ein Geschrei, und haben alle zugleich etwas zu tun, etwas zu schaffen. Ich habe noch kein müßiges Weib gesehen.

Der Wirt verkündigte mir mit italienischer Emphase, dass er sich glücklich finde, mir mit der köstlichsten Forelle dienen zu können. Sie werden bei Torbole gefangen, wo der Bach vom Gebirge herunter kommt und der Fisch den Weg hinauf sucht. Der Kaiser erhält von diesem Fange zehntausend Gulden Pacht. Es sind keine eigentlichen Forellen, groß, manchmal fünfzig Pfund schwer, über den ganzen Körper bis auf den Kopf hinauf punktiert; der Geschmack zwischen Forelle und Lachs, zart und trefflich.

Mein eigentliches Wohlleben aber ist in Früchten, in Feigen, auch Birnen, welche da wohl köstlich sein müssen, wo schon Zitronen wachsen.

* * *

Den 13. September, abends.

Heute früh um drei Uhr fuhr ich von Torbole weg mit zwei Ruderern. Anfangs war der Wind günstig, dass sie die Segel brauchen konnten. Der Morgen war herrlich, zwar wolkig, doch bei der Dämmerung still. Wir fuhren bei Limone vorbei, dessen Berggärten, terrassenweise angelegt und mit Zitronenbäumen bepflanzt, ein reiches und reinliches Ansehen geben. Der ganze Garten besteht aus Reihen von weißen viereckigen Pfeilern, die in einer gewissen Entfernung voneinander stehen und stufenweise den Berg hinaufrücken. Über diese Pfeiler sind starke Stangen gelegt, um im Winter die dazwischen gepflanzten Bäume zu decken. Das Betrachten und Beschauen dieser angenehmen Gegenstände ward durch eine langsame Fahrt begünstigt, und so waren wir schon an Malcesine vorbei, als der Wind sich völlig umkehrte, seinen gewöhnlichen Tagweg nahm und nach Norden zog. Das Rudern half wenig gegen die übermächtige Gewalt, und so mussten wir im Hafen von Malcesine landen. Es ist der erste venezianische Ort an der Morgenseite des Sees. Wenn man mit dem Wasser zu tun hat, kann man nicht sagen, ich werde heute da oder dort sein. Diesen Aufenthalt will ich so gut als möglich nutzen, besonders das Schloss zu zeichnen, das am Wasser liegt und ein schöner Gegenstand ist. Heute im Vorbeifahren nahm ich eine Skizze davon.

* * *

Den 14. September.

Der Gegenwind, der mich gestern in den Hafen von Malcesine trieb, bereitete mir ein gefährliches Abenteuer, welches ich mit gutem Humor überstand und in der Erinnerung lustig finde. Wie ich mir vorgenommen hatte, ging ich morgens beizeiten in das alte Schloss, welches ohne Tor, ohne Verwahrung und Bewachung jedermann zugänglich ist. Im Schlosshofe setzte ich mich dem alten auf und in den Felsen gebauten Turm gegenüber; hier hatte ich zum Zeichnen ein sehr bequemes Plätzchen gefunden; neben einer drei, vier Stufen erhöhten verschlossenen Tür, im Türgewände ein verziertes steinernes Sitzchen, wie wir sie wohl bei uns in alten Gebäuden auch noch antreffen.

Ich saß nicht lange, so kamen verschiedene Menschen in den Hof herein, betrachteten mich und gingen hin und wider. Die Menge vermehrte sich, blieb endlich stehen, so dass sie mich zuletzt umgab. Ich bemerkte wohl, dass mein Zeichnen Aufsehen erregt hatte, ich ließ mich aber nicht stören und fuhr ganz gelassen fort. Endlich drängte sich ein Mann zu mir, nicht von dem besten Ansehen, und fragte, was ich da mache. Ich erwiderte ihm, dass ich den alten Turm abzeichne, um mir ein Andenken von Malcesine zu erhalten. Er sagte darauf, es sei dies nicht erlaubt, und ich sollte es unterlassen. Da er dieses in gemeiner venezianischer Sprache sagte, so dass ich ihn wirklich kaum verstand, so erwiderte ich ihm, dass ich ihn nicht verstehe. Er ergriff darauf mit wahrer italienischer Gelassenheit mein Blatt, zerriss es, ließ es aber auf der Pappe liegen. Hierauf konnt' ich einen Ton der Unzufriedenheit unter den Umstehenden bemerken, besonders sagte eine ältliche Frau, es sei nicht recht, man solle den Podestà rufen, welcher dergleichen Dinge zu beurteilen wisse. Ich stand auf meinen Stufen, den Rücken gegen die Türe gelehnt, und überschaute das immer sich vermehrende Publikum. Die neugierigen starren Blicke, der gutmütige Ausdruck in den meisten Gesichtern und was sonst noch alles eine fremde Volksmasse charakterisieren mag, gab mir den lustigsten Eindruck. Ich glaubte, das Chor der Vögel vor mir zu sehen, das ich als Treufreund auf dem Ettersburger Theater oft zum Besten gehabt. Dies versetzte mich in die heiterste Stimmung, so dass, als der Podestà mit seinem Aktuarius herankam, ich ihn freimütig begrüßte und auf seine Frage, warum ich ihre Festung abzeichnete, ihm bescheiden erwiderte, dass ich dieses Gemäuer nicht für eine Festung anerkenne. Ich machte ihn und das Volk aufmerksam auf den Verfall dieser Türme und dieser Mauern, auf den Mangel von Toren, kurz auf die Wehrlosigkeit des ganzen Zustandes und versicherte, ich habe hier nichts als eine Ruine zu sehen und zu zeichnen gedacht.

Man entgegnete mir: wenn es eine Ruine sei, was denn daran wohl merkwürdig scheinen könne? Ich erwiderte darauf, weil ich Zeit und Gunst zu gewinnen suchte, sehr umständlich, dass sie wüssten, wie viele Reisende nur um der Ruinen willen nach Italien zögen, dass Rom, die Hauptstadt der Welt, von den Barbaren verwüstet, voller Ruinen stehe, welche hundert- und aber hundertmal gezeichnet worden, dass nicht alles aus dem Altertum so erhalten sei, wie das Amphitheater zu Verona, welches ich denn auch bald zu sehen hoffte.

Der Podestà, welcher vor mir, aber tiefer stand, war ein langer, nicht gerade hagerer Mann von etwa dreißig Jahren. Die stumpfen Züge seines geistlosen Gesichts stimmten ganz zu der langsamen und trüben Weise, womit er seine Fragen hervorbrachte. Der Aktuarius, kleiner und gewandter, schien sich in einen so neuen und seltenen Fall auch nicht gleich finden zu können. Ich sprach noch manches dergleichen; man schien mich gern zu hören, und indem ich mich an einige wohlwollende Frauengesichter wendete, glaubte ich, Beistimmung und Billigung wahrzunehmen.

Als ich jedoch des Amphitheaters zu Verona erwähnte, das man im Lande unter dem Namen Arena kennt, sagte der Aktuarius, der sich unterdessen besonnen hatte, das möge wohl gelten, denn jenes sei ein weltberühmtes römisches Gebäude, an diesen Türmen aber sei nichts Merkwürdiges, als dass es die Grenze zwischen dem Gebiete Venedigs und dem österreichischen Kaiserstaate bezeichne und deshalb nicht ausspioniert werden solle. Ich erklärte mich dagegen weitläufig, dass nicht allein griechische und römische Altertümer, sondern auch die der mittleren Zeit Aufmerksamkeit verdienten. Ihnen sei freilich nicht zu verargen, dass sie an diesem von Jugend auf gekannten Gebäude nicht so viele malerische Schönheiten als ich entdecken könnten. Glücklicherweise setzte die Morgensonne Turm, Felsen und Mauern in das schönste Licht, und ich fing an, ihnen dieses Bild mit Enthusiasmus zu beschreiben. Weil aber mein Publikum jene belobten Gegenstände im Rücken hatte und sich nicht ganz von mir abwenden wollte, so drehten sie auf einmal, jenen Vögeln gleich, die man Wendehälse nennt, die Köpfe herum, dasjenige mit Augen zu schauen, was ich ihren Ohren anpries, ja der Podestà selbst kehrte sich, obgleich mit etwas mehr Anstand, nach dem beschriebenen Bilde hin. Diese Szene kam mir so lächerlich vor, dass mein guter Mut sich vermehrte und ich ihnen nichts, am wenigsten den Efeu schenkte, der Fels und Gemäuer auf das reichste zu verzieren schon Jahrhunderte Zeit gehabt hatte.

Der Aktuarius versetzte drauf, das lasse sich alles hören, aber Kaiser Joseph sei ein unruhiger Herr, der gewiss gegen die Republik Venedig noch manches Böse im Schilde führe, und ich möchte wohl sein Untertan, ein Abgeordneter sein, um die Grenzen auszuspähen.

„Weit entfernt“, rief ich aus, „dem Kaiser anzugehören, darf ich mich wohl rühmen, so gut als ihr, Bürger einer Republik zu sein, welche zwar an Macht und Größe dem erlauchten Staat von Venedig nicht verglichen werden kann, aber doch auch sich selbst regiert und an Handelstätigkeit, Reichtum und Weisheit ihrer Vorgesetzten keiner Stadt in Deutschland nachsieht. Ich bin nämlich von Frankfurt am Main gebürtig, einer Stadt, deren Name und Ruf gewiss bis zu euch gekommen ist.“

„Von Frankfurt am Main!“ rief eine hübsche junge Frau, „da könnt Ihr gleich sehen, Herr Podestà, was an dem Fremden ist, den ich für einen guten Mann halte; lasst den Gregorio rufen, der lange daselbst konditioniert hat, der wird am besten in der Sache entscheiden können.“

* * *

Schon hatten sich die wohlwollenden Gesichter um mich her vermehrt, der erste Widerwärtige war verschwunden, und als nun Gregorio herbeikam, wendete sich die Sache ganz zu meinem Vorteil. Dieser war ein Mann etwa in den Fünfzigern, ein braunes italienisches Gesicht, wie man sie kennt. Er sprach und betrug sich als einer, dem etwas Fremdes nicht fremd ist, erzählte mir sogleich, dass er bei Bolongaro in Diensten gestanden und sich freue, durch mich etwas von dieser Familie und von der Stadt zu hören, an die er sich mit Vergnügen erinnere. Glücklicherweise war sein Aufenthalt in meine jüngeren Jahre gefallen, und ich hatte den doppelten Vorteil, ihm genau sagen zu können, wie es zu seiner Zeit gewesen und was sich nachher verändert habe. Ich erzählte ihm von den sämtlichen italienischen Familien, deren mir keine fremd geblieben; er war sehr vergnügt, manches Einzelne zu hören, z. B. dass der Herr Allesina im Jahre 1774 seine goldene Hochzeit gefeiert, dass darauf eine Medaille geschlagen worden, die ich selbst besitze; er erinnerte sich recht wohl, dass die Gattin dieses reichen Handelsherrn eine geborene Brentano sei. Auch von den Kindern und Enkeln dieser Häuser wusste ich ihm zu erzählen, wie sie herangewachsen, versorgt, verheiratet worden und sich in Enkeln vermehrt hätten.

Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast über alles gegeben, um was er mich befragt, wechselten Heiterkeit und Ernst in den Zügen des Mannes. Er war froh und gerührt, das Volk erheiterte sich immer mehr und konnte unserem Zwiegespräch zuzuhören nicht satt werden, wovon er freilich einen Teil erst in ihren Dialekt übersetzen musste.

Zuletzt sagte er: „Herr Podestà, ich bin überzeugt, dass dieses ein braver, kunstreicher Mann ist, wohl erzogen, welcher herumreist, sich zu unterrichten. Wir wollen ihn freundlich entlassen, damit er bei seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malcesine zu besuchen, dessen schöne Lage wohl wert ist, von Fremden bewundert zu sein.“ Ich verstärkte diese freundlichen Worte durch das Lob der Gegend, der Lage und der Einwohner, die Gerichtspersonen als weise und vorsichtige Männer nicht vergessend.

Dieses alles ward für gut erkannt, und ich erhielt die Erlaubnis, mit Meister Gregorio nach Belieben den Ort und die Gegend zu besehen. Der Wirt, bei dem ich eingekehrt war, gesellte sich nun zu uns und freute sich schon auf die Fremden, welche auch ihm zuströmen würden, wenn die Vorzüge Malcesines erst recht ans Licht kämen. Mit lebhafter Neugierde betrachtete er meine Kleidungsstücke, besonders aber beneidete er mich um die kleinen Terzerole (Pistole), die man so bequem in die Tasche stecken konnte.

Er pries diejenigen glücklich, die so schöne Gewehre tragen dürften, welches bei ihnen unter den peinlichsten Strafen verboten sei. Diesen freundlich Zudringlichen unterbrach ich einige Mal, meinem Befreier mich dankbar zu erweisen.

Terzerol

„Dankt mir nicht“, versetzte der brave Mann, „mir seid Ihr nichts schuldig. Verstünde der Podestà sein Handwerk und wäre der Aktuar nicht der eigennützigste aller Menschen, Ihr wäret nicht so losgekommen. Jener war verlegener als Ihr, und diesem hätte Eure Verhaftung, die Berichte, die Abführung nach Verona auch nicht einen Heller eingetragen. Das hat er geschwind überlegt, und Ihr wart schon befreit, ehe unsere Unterredung zu Ende war.“

Gegen Abend holte mich der gute Mann in seinen Weinberg ab, der den See hinabwärts sehr wohlgelegen war. Uns begleitete sein fünfzehnjähriger Sohn, der auf die Bäume steigen und mir das beste Obst brechen musste, indessen der Alte die reifsten Weintrauben aussuchte.

Zwischen diesen beiden weltfremden, wohlwollenden Menschen, in der unendlichen Einsamkeit dieses Erdwinkels ganz allein, fühlte ich denn doch, wenn ich die Abenteuer des Tages überdachte, auf das lebhafteste, welch ein wunderliches Wesen der Mensch ist, dass er dasjenige, was er mit Sicherheit und Bequemlichkeit in guter Gesellschaft genießen könnte, sich oft unbequem und gefährlich macht, bloß aus der Grille, die Welt und ihren Inhalt sich auf seine besondere Weise zuzueignen.

Gegen Mitternacht begleitete mich mein Wirt an die Barke, das Fruchtkörbchen tragend, welches mir Gregorio verehrt hatte, und so schied ich mit günstigem Wind von dem Ufer, welches mir lästrygonisch (Wein von Formiäauf Sizilien) zu werden gedroht hatte.

* * *

Nun von meiner Seefahrt! Sie endete glücklich, nachdem die Herrlichkeit des Wasserspiegels und des daran liegenden brescianischen Ufers mich recht im Herzen erquickt hatte. Da, wo an der Abendseite das Gebirge aufhört, steil zu sein, und die Landschaft flacher nach dem See fällt, liegen in einer Reihe, in einer Länge von ungefähr anderthalb Stunden, Gargnano, Boiacco, Cecina, Toscolan, Maderno, Verdom, Saló, alle auch wieder meist in die Länge gezogen. Keine Worte drücken die Anmut dieser so reich bewohnten Gegend aus. Früh um zehn Uhr landete ich in Bartolino, lud mein Gepäck auf ein Maultier und mich auf ein anderes. Nun ging der Weg über einen Rücken, der das Tal der Etsch von der Seevertiefung scheidet. Die Urwasser scheinen hier von beiden Seiten gegeneinander in ungeheuren Strömungen gewirkt und diesen kolossalen Kieseldamm aufgeführt zu haben. Fruchtbares Erdreich ward in ruhigeren Epochen darüber geschlemmt; aber der Ackersmann ist doch stets aufs Neue von den immer wieder hervordringenden Geschieben geplagt. Man sucht so viel als möglich ihrer loszuwerden, baut sie reihen- und schichtenweise übereinander und bildet dadurch am Wege hin sehr dicke Quasimauern. Die Maulbeerbäume sehen wegen Mangel an Feuchtigkeit nicht fröhlich auf dieser Höhe. An Quellen ist nicht zu denken. Von Zeit zu Zeit trifft man Pfützen zusammengeleiteten Regenwassers, woraus die Maultiere, auch wohl die Treiber ihren Durst löschen. Unten am Fluss sind Schöpfräder angebracht, um die tieferliegenden Pflanzungen nach Gefallen zu wässern.