John F. Kennedy - Myriam Werner - E-Book

John F. Kennedy E-Book

Myriam Werner

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Beschreibung

Eine schreckliche Gemeinsamkeit verbindet sie. Die Titanic, die Romanows, Roald Amundsen, Amelia Earhart, Joe Kennedy, Glenn Miller, Kathleen Cavendish-Kennedy und John F. Kennedy.Das Team der Timer-Force ist dem Geheimnis auf der Spur und begegnet Mördern und geheimen Bruderschaften.

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Epilog
Ende
Dramatis Personae
Historische Personen
Quellenverzeichnis

 

 

 

 

 

John F. Kennedy

 

Timer Four

 

 

Myriam Werner

&

Oliver Buck-Werner

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

1. Edition, 2024

© Myriam Werner &

Oliver Buck-Werner 24.04.2024

Bessemerstr. 85

44793 Bochum

Umschlaggestaltung: Werner &

Buck-Werner

Korrektorat: Oliver Buck-Werner

Lektorat: Oliver Buck-Werner

ISBN 9783759206244

 

Aus Gründen der Rechtssicherheit weisen wir darauf hin, dass, gleichwohl sich dieses Buch an historischen Fakten orientiert, es ein Roman bleibt, dessen Charaktere und Handlung der Fantasie entsprungen sind. Die Interpretation bleibt den Leser*innen überlassen.

 

 

 

John F. Kennedy

Timer Four

 

 

 

 

Myriam Werner

&

Oliver Buck-Werner

 

 

 

Das Buch:

Eine mysteriöse Bernsteinkugel rollt durch die Zeit. Berühmte Persönlichkeiten fallen wie Kegel. Wird sie vor dem Präsidenten der USA haltmachen?

 

 

Die Autoren:

 

leben in NRW und wollen mit ihren Leser*innen durch die Zeit reisen, um die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erleben.

 

 

 

 

Für John Fitzgerald KennedyDanke.

 

 

 

 

 

 

... denn sie wissen nicht, was sie tun ...

 

 

 

 

 

Nordatlantik, 1912

 

Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Mit großen hastigen Schritten erreichte William Thomas Stead, genannt Bill, die Kabinentür, riss diese auf und sah nach links und rechts auf den Gang hinaus. Bis auf den erwarteten Besucher war jedoch niemand zu sehen, der Gang war menschenleer. Rasch griff er nach dem Arm des jungen Mannes und zog ihn hinein.

»Haben sie sie dabei? Ist ihnen jemand gefolgt? Weiß irgendwer, dass sie hier sind?«

Fjodor Lepikhin schüttelte den Kopf. »Außer James niemand weiß, dass wir hier treffen. Wird in wenige Zeit kommen. Wir lieber nicht Risiko, zusammen gesehen werden. Lineyka ist bei mir.«

Mit vor Erregung zitternden Händen nahm Bill den in Segeltuch eingeschlagenen Gegenstand entgegen, um ihn vorsichtig auszuwickeln, als der von Fjodor angekündigte Kollege gegen die Tür pochte. Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz – das vereinbarte Zeichen. Bill öffnete, sah erneut auf den Gang hinaus und zog dann den sechsten Schiffsoffizier, James P. Moody, in die Kabine.

»Endlich! Ist ihnen auch niemand gefolgt?«

James grinste. Der stets gutgelaunte Offizier war der Sunnyboy der Besatzung. Überaus gutmütig, hilfsbereit und immer zu Späßen aufgelegt, war er das mit Abstand beliebteste Crew-Mitglied und hatte immer ein offenes Ohr für die Probleme der unteren Dienstränge. So hatte er sich ganz selbstverständlich des jungen russischen Schiffszimmerers Fjodor angenommen, der die Sprache nur gebrochen beherrschte und deshalb nicht viele Kontakte an Bord hatte. Als sein neuer Freund ihn bat, ihn zu dem konspirativen Treffen mit dem berühmten Mr. Stead zu begleiten, war James sofort dazu bereit. Der Ruf des alternden Journalisten, etwas verrückt zu sein, war ihm bis hierher an Bord des Schiffes gefolgt und weckte James’ Neugier.

Nun winkte er lässig ab. »Wer sollte mir zu dieser späten Stunde noch folgen? Die vornehmen Ladys sind ja leider oben und genießen ihre Drinks.« Bedauernd zog er die Mundwinkel nach unten. »Ich kann ohnehin nicht lange bleiben, denn eigentlich habe ich Dienst auf der Brücke. Also, jetzt, da wir alle hier sind – kann ich die Herrscherin der Welt auch endlich einmal sehen?«

In Bills Augen blitzte es warnend auf. »Sie sollten sich nicht darüber lustigmachen. Als ich Zar Alexander III. interviewt habe, hat er mir die Statue zum ersten Mal gezeigt. Es geht eine große mystische Kraft von ihr aus. Angeblich kann ein offener Geist mit ihr durch die Schleier der Zeit sehen. Ich habe dem Zaren deutlich angemerkt, wie viel Respekt er vor der Skulptur hat. Wie die alten Legenden erzählen, hat der Grieche Thales sie mit einem Fluch belegt, so dass jeder, der sie für egoistische Ziele benutzt, mit großem Unglück bestraft wird. Alexander wollte sie für immer im Bernsteinzimmer verschließen. Das scheint auch funktioniert zu haben, bis unser Freund Fjodor sie gestohlen hat.« Vorwurfsvoll sah er den jungen Schiffszimmerer an, der schuldbewusst seine Schultern hochzog und sich seinem Freund James zuwandte.

»Ich gedacht, so viel Reichtum, so großer Palast, kleine Figur nicht wichtig. Aber ich schrecklich unruhig seitdem. Fühle ihre Augen – ständig beobachten mich und jede Nacht böse Träume von Menschen in Haus mit blinde Fenster. Als ich reparieren kaputte Schranktür in Mr. Bills Kabine, ich viel russischen Bücher gesehen und mit ihm über Figur gesprochen. Er sehr nett, also ich ihm gestehe, dass Figur nicht meine. Mr. Bill helfen.«

James kratzte sich das Ohr. »Gut und schön, aber warum soll ich dabei sein?«

Verständnislos schüttelte Bill den Kopf. »Für eine spiritistische Sitzung sind drei Leute besser als zwei. Die Drei ist eine heilige Zahl und wird den Energien, die sich uns zeigen wollen, den Weg erleichtern.«

»Klingt irgendwie nach Hokuspokus. Aber wenn du dann wieder besser schlafen kannst, bin ich dabei.« Freundschaftlich klopfte James Fjodor auf die Schulter.

»Setzt euch an den kleinen Tisch, ich hole die Statue.«

Endlich schlug Bill Stead das Segeltuch zurück und blickte ehrfurchtsvoll auf die ungefähr vierzig Zentimeter große Skulptur. In der einen Hand hielt sie eine Art Stab, in der anderen eine Kugel. Im Inneren der Kugel befanden sich unerklärlich glimmende Einschlüsse. Stead drehte die Figur, um das seltsame Schimmern deuten zu können, und doch konnte er nicht ausmachen, was das irritierende Funkeln erzeugte.

»Mr. Bill? Sie in Ordnung?«, riss die Frage des Zimmermanns ihn aus seinen Gedanken.

»Ja, ja, alles gut.« Vorsichtig stellte er die Statue auf die Mitte des Tisches.

»Und jetzt?«, wollte James wissen.

»Ich weiß es nicht. Am besten wird es sein, wir legen gleichzeitig die Hände darauf. Das könnte die Energie verstärken.«

Erwartungsvoll rieb der Journalist mit dem Finger über den Bernstein-Stab. Fjodor legte behutsam, ja nahezu ängstlich, seinen Zeigefinger auf den Kopf der Skulptur. James lachte.

»Das ist schon ein wenig lächerlich, oder?«

Bill blitzte ihn wütend an und nickte in Richtung der Figur. »Diese Art von Energie sollte ihnen Ehrfurcht einflößen, damit ist nicht zu scherzen! Also bitte!«

Obwohl ihn das Gefühl extremer Peinlichkeit überrollte, tätschelte der Offizier die Bernsteinkugel. Nur einen kurzen Moment später zog er überrascht die Augenbrauen zusammen.

»Das kribbelt so merkwürdig in meinem Arm.« Sein Gesicht näherte sich der Kugel, gerade so, als wolle er das Geheimnis des blitzenden Glimmers herauszwingen. Dann hielt seine Hand plötzlich in der Bewegung inne. Seine Pupillen weiteten sich und er starrte ins Leere. Besorgt sah Fjodor seinen Freund an. »James«, flüsterte er. »Du gut? Du okay?«

Doch der Offizier reagierte nicht. Fjodor wollte ihm die Hand auf den Arm legen, doch Bill schüttelte warnend den Kopf. »Lassen sie ihn. Er ist nicht bei uns.« Und an James gewandt: »Sagen sie uns, was sie sehen!«

Dem vorher noch so fröhlichen Offizier trat der Schweiß auf die Stirn und seine Augen glichen tiefen schwarzen Seen. »Sie sind so hübsch und fröhlich ... Aber, er quält sie ... Es ist dunkel. Kalt und dunkel.« Blicklos drehte er seinen Kopf und hob wie in Trance abwehrend die Hand. »Oh Herr, das ist nicht gut ... folgt ihnen nicht. Der Keller ist eine Falle ... Ihr Gesicht – er hat ihr schönes Gesicht zerstört! Nein, nicht die weiße Katze, die Katze – ahh!« Die Fingerspitzen an James Moodys Hand verfärbten sich schwarz und der Gestank verbrannter Haut stieg über dem Tisch auf.

»Net, James, lassen los!« Fjodor sprang auf und stieß seinen Freund so kräftig gegen die Brust, dass seine Hand sich endlich von der Kugel löste. Mit nach oben verdrehten Augen sackte der junge Offizier in sich zusammen.

»Oh mein Gott, das ist eine Sensation! Schnell, Fjodor, geben sie ihm von dem Wasser, das am Bett steht. Ich lege seine Füße hoch.«

Mit einem Stöhnen schlug James Moody die Augen auf. »Was – was ist geschehen? Sind sie gerettet?«

Bill half dem jungen Mann hoch und langsam kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. »Erinnern sie sich daran, was sie gesehen haben?«

Dankbar griff James nach dem Glas Wasser, das Fjodor ihm mit ängstlichem Blick reichte, und trank gierig einen großen Schluck. »Da waren junge Frauen – viele junge Frauen, sehr hübsch und lustig. Ein großer Mann mit Bart war bei ihnen, vielleicht ihr Vater. Und ein kleiner schwarzer Hund. Doch plötzlich wurde alles dunkel und bedrohlich, sie haben sich sehr gefürchtet. Besonders, als sie in den Keller gehen sollten. Ein jüngerer Mann hat teuflisch gelacht und mit einem Bajonett in das Gesicht einer der jungen Frauen gestochen. Immer wieder.« Der Offizier schluchzte auf und rieb sich die Stirn. »Dann hat er mit der Pistole auf eine weiße Katze gezielt und das Bild zerbarst in schreckliche Blitze. Es war einfach fürchterlich!«

Wie gebannt starrten Fjodor und Bill den jungen Offizier an. Der Journalist schüttelte den Kopf und blickte von einem zum anderen. »Die Statue muss zurück, Fjodor! Vielleicht hat Zar Alexander seinem Sohn Nikolaus das Geheimnis der Skulptur anvertraut. Sie muss unbedingt zurück!«

»Net! Ich nix zurück! Will neues Leben, in New York!«

Bill öffnete bereits seinen Mund zu einer harschen Erwiderung, als sich unvermittelt ein tieffrequentes, dumpfes Knirschen in ihre Ohren fraß. Trotz der späten Stunde wurde es in der Kabine plötzlich unnatürlich hell. Sofort wandten sie sich dem Fenster zu, vor dem plötzlich eine geisterhaft weiße Wand vorbeizog. Mit einem lauten Knall barst das Bullauge und faustgroße Eisstücke fielen in die Kabine. James Moody sprang sofort auf. »Shit – ein Eisberg, das muss ein Eisberg sein! Ich muss sofort auf die Brücke!« Hastig rannte er aus der Kabine und ließ die Tür hinter sich weit offenstehen. Auch Fjodor sprang nun auf. »Ich ihm nach, Mr. Bill.«

Bill Stead schloss die Tür hinter Fjodor und griff nach der Segeltuchplane. Vorsichtig, ohne die Statue mit der bloßen Hand zu berühren, versuchte er, die Figur wieder einzuwickeln. Durch seine zitternden Hände geriet sie jedoch ins Rutschen und es blieb ihm nichts anderes übrig, als doch danach zu greifen. Die Kabine verschwand vor seinen Augen und schlagartig wurde ihm eiskalt.

Die schwere, nasse Kleidung zog ihn beständig nach unten. Die Kälte ließ seine Finger taub werden. Er legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf in die Sterne. Wie wunderschön der Himmel doch ist, dachte er. Dann wurde alles ganz still und dunkel.

 

Bill schnappte nach Luft. Was war das? Hatte er gerade wirklich seinen eigenen Tod gesehen? Es war nicht das erste Mal, dass er davon träumte, zu ertrinken. Sein Atem kam und ging in kurzen, heftigen Stößen. Er musste die Statue in Sicherheit bringen, egal, was mit ihm selbst geschah. Bill wickelte die Skulptur fest in das Segeltuch und verzurrte das Paket zusätzlich mit einer von seinen Buchschnüren. Dann verließ er eilends die Kabine.

 

Auf dem Oberdeck hatten sich schon etliche Passagiere versammelt und eine aufgeregte, aggressive Stimmung griff um sich. Frauen weinten und Offiziere brüllten lautstark gegen die Geräuschkulisse an. Das Schiff schien sich zu neigen. Was war bloß geschehen? Jemand rempelte Bill an.

»Verzeihung. Hören sie, Sir, sie müssen wirklich ihre Weste anziehen ... Ach, sie sind es, Mr. Stead. Es ist ernst, wir nehmen Wasser auf!«

William Stead drückte dem verdutzten James Moody das verschnürte Paket in die Hand. »Sie müssen sie um jeden Preis beschützen! Sie muss unbedingt zurück nach Russland, versprechen sie mir das!«

»Das ist doch jetzt nicht wichtig, Mann! Sie müssen ihre Weste holen und anziehen!« Wütend blitzte James den uneinsichtigen Journalisten an, doch der umklammerte eisern seinen Arm.

»Wenn sie mir versprechen, dass sie persönlich dafür Sorge tragen, dass die Statue zurückkehrt, dann hole ich meine Weste. Aber erst, wenn sie mir ihr Wort gegeben haben!«

Über so viel Unvernunft konnte James nur den Kopf schütteln.

»Also, meinetwegen: Ich gebe ihnen mein Wort darauf, dass die Statue zurück nach Russland kommt. Und nun gehen sie endlich!«

William lächelte erleichtert. »Dann kann ich in Frieden sterben.«

»Niemand muss hier sterben! Für den Notfall haben wir die Rettungsboote und außerdem wird ganz bestimmt bald ein Schiff zu Hilfe kommen.«

 

Drei Stunden später tanzten die Rettungsboote weit verstreut in den eiskalten Fluten des Nordatlantiks und James versuchte verzweifelt, das Kentern seines Faltbootes zu verhindern. Das Paket, das der exaltierte Journalist ihm in die Hände gedrückt hatte, rollte wild auf dem Boden hin und her. Die verzweifelten Schreie der im Ozean treibenden Menschen wurden leiser und begannen nach und nach ganz zu verstummen, als James plötzlich William Stead und seinen Freund Fjodor entdeckte. Der junge Schiffszimmermann trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Nur die in seine Hosenträger gekrallte Hand William Steads verhinderte, dass er abtrieb.

»Haltet durch, ich hole euch raus!«, schrie James. Doch sein Faltboot tanzte unkontrollierbar in dem aufgewühlten Ozean und es gelang ihm nicht, die beiden zu bergen. Ein verzweifeltes Schluchzen entrang sich seiner Brust und mit der nächsten Welle wurde er noch einmal nahe an die beiden herangetrieben.

»Lassen sie es gut sein, James, bringen sie sich nicht selbst in Gefahr. Fjodor hat einen Schlag gegen den Kopf bekommen, er ist tot. Und ich kann mich nicht länger halten. Bitte – denken sie daran, dass sie mir ihr Wort gegeben haben. Alles hängt jetzt einzig und allein von ihnen ...« Er konnte den Satz nicht mehr zu Ende sprechen. Die starke Unterkühlung und Erschöpfung verlangsamten den Schlag seines nicht mehr jungen Herzens. Williams Kopf fiel in den Nacken und die Finger seiner Hand öffneten sich. Sein Herz hörte auf, zu schlagen. Während seine gebrochenen Augen blicklos in den überwältigenden Sternenhimmel gerichtet waren, trieb Fjodor in die Dunkelheit davon. Nach einer Weile verschwand auch der Körper William Steads in der nassen Unendlichkeit.

»Nein, bitte ...«, schluchzte James Moody. Es wurde finster, denn sämtliche Lichter des Schiffes erloschen. Bug und Heck des riesigen Schiffes brachen mit einem qualvollen Stöhnen auseinander und begannen zu sinken. Im Todeskampf bäumte sich das gewaltige Heck mit einem herzzerreißenden Ächzen auf.

Die ungläubig aufgerissenen Augen des sechsten Offiziers James P. Moody erblickten ein letztes Mal den Schriftzug des stolzen Schiffes, ehe es endgültig in seine eisige Gruft hinabglitt. Er brannte sich für immer in seine Netzhaut. Titanic.

 

James Paul Moody tauchte weder auf den Listen der identifizierten Todesopfer, noch auf denen der Überlebenden auf. Er war wie vom Erdboden verschwunden und allgemein ging man davon aus, dass er seinen Gang in die Ewigkeit in den eisigen Tiefen des Atlantiks angetreten hatte. Charles Lightoller, der zweite Offizier und James’ Freund, betonte in vielen Interviews immer wieder, wie selbstlos und vorbildlich der sechste Offizier den Passagieren geholfen hatte. Er vermisste seinen Freund, den er am Tag des Unglücks während einer kurzen Abwesenheit auf der Brücke vertreten hatte, unendlich.

 

Viele Jahre später, nach dem Tod seiner beiden Söhne Brian und Roger im Zweiten Weltkrieg, erhielt er eine seltsame Karte aus Russland. Ein einziger Satz stand darauf zu lesen.

 

Es tut mir so leid.

Ein alter Freund.

 

Charles Lightoller hätte sein Leben darauf verwettet, dass James sie geschickt hatte.

CERN

Eve strich sich durch ihr deutlich gekürztes Haar und wie meist fielen die vorderen Strähnen zurück ins Gesicht. Um sie – wie früher – hinter die Ohren zu schieben, waren sie nun doch zu kurz. Nervös versuchte sie, die Strähnen zur Seite zu pusten, was – wie immer – erfolglos blieb. Genervt warf sie einen letzten Blick auf ihre Unterlagen. Außer ihr nahmen noch drei weitere Timer an der Studie teil. Tira Davis und Melanie Rogall waren im Institut untergebracht. Henry Wedig hingegen konnte ausschließlich an den Wochenenden Zeit für die Timer-Force aufbringen.

Alle Timer waren hochempathische Persönlichkeiten und in der Zeit zwischen null und ein Uhr zur Welt gekommen. Sie alle fühlten eine übernatürliche Nähe zu jeweils einer Person, deren Leben in der Vergangenheit lag. Innerhalb der Studie wurden diese Personen als Zielpersonen bezeichnet. Die Kombination aus überstarker Empathie und der besonderen Geburtszeit führte dazu, dass Timer eine Art Duplikat von sich in der Vergangenheit erzeugen konnten. Bisher waren sie jedoch nur dazu in der Lage, diese eine Person aufzusuchen und zeitlich nie vor dem ersten Sprung zu ihr zurückzugelangen. Das wiederum bedeutete, dass mit erhöhter Frequenz der Sprünge unweigerlich das Ende dieser besonderen Beziehung näherrückte. Was bei ihren Vergangenheitsbesuchen möglich oder unmöglich war, wurde hier im CERN ebenso erforscht wie die physikalischen Gegebenheiten.

 

Eve Linden bildete eine Ausnahme. Es war ihr nicht nur gelungen, ihre Zielperson, König Ludwig II. von Bayern, von seinen Feinden unbemerkt, zu retten, sondern ebenfalls zu weiteren Personen empathische Verbindungen aufzubauen. König Ludwig hatte sich zur Überraschung der Timer-Force ebenfalls als Timer herausgestellt. Auch er war in der Geisterstunde zur Welt gekommen und hatte bei Eves Besuchen eine so starke Verbindung zu ihr aufgebaut, dass er ihr in ihre Zeit folgen konnte. Er war der einzige Timer, der nicht nur ein Duplikat von sich erzeugen konnte, sondern ebenfalls dazu in der Lage war, körperlich zu reisen. Eve und Ludwig sahen sich nur noch selten, denn der König hatte aus Gründen der Sicherheit beschlossen, sich im Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts aufzuhalten.

Anfang des Monats traf Eve sich stets mit den anderen Timern, um die Planung für die folgenden Wochen durchzusprechen. Natürlich wollten sie alle gerne zu ihren Zielpersonen springen, doch der Leiter der Timer-Force, Lukas Pelz, legte großen Wert darauf, dass jeder am Fitnessprogramm, den regelmäßigen Gesundheitschecks und der psychologischen Betreuung teilnahm. Dr. Tom Thelen war ein regelrechter Sportfanatiker und gab sich die größte Mühe, selbst absolute Sportmuffel wie Eve für diverse körperliche Herausforderungen zu begeistern. Die angebotene psychologische Betreuung hingegen wurde nach anfänglicher Scheu von den meisten sehr gerne und gut angenommen. Dr. David Reimer sah nicht nur blendend aus, sondern war zusätzlich äußerst einfühlsam. Seine Fähigkeit, alles mit Humor zu nehmen, verhinderte, dass allzu große Peinlichkeit bei solch intimen Gesprächen aufkam. Das beliebteste Team-Mitglied war allerdings Martin Gröger, genannt Teddy. In dem unendlich großen Herzen des technischen Leiters hatten nicht nur seine Frau Amelie und seine kleine Tochter Nike Platz, sondern absolut jeder. Mit seiner treuherzigen und stets hilfsbereiten Art schlug er in Sachen Beliebtheit sogar den jungen SITT-Kollegen Luca Claas. Der war der jüngste im Team und seine Stelle war erst vor kurzem geschaffen worden. Das Security Intelligent Technics Team, SITT, war für alle IT-Lösungen rund um die Zielpersonen zuständig. Alles, was sich innerhalb der Timer-Force abspielte, unterlag strengster Vertraulichkeit. Ohne Genehmigung durch den Teamleiter durften die Timer nicht einmal den anderen Timern gegenüber verraten, wer ihre Zielperson war. Auch hier bildete Eve Linden die berühmte Ausnahme. Sie hatte mit Abstand die größten Fähigkeiten und die meiste Erfahrung. Deshalb koordinierte sie die Abläufe der Timer und vermittelte zwischen deren Wünschen und den Anforderungen des Teamleiters. Ihre frühere Arbeit für ein Antiquariat hatte ihr außerdem zu sehr guten Geschichtskenntnissen verholfen. So konnte sie den Timern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Obwohl sie ein aufbrausendes Temperament besaß, schätzten sie doch alle wegen ihrer Kollegialität und großen Empathie. Das letzte Team-Mitglied, Raven Geretz, war der einzige Ur-Schweizer im Team und für die statistischen Analysen zuständig. Häufig wurde er teamübergreifend eingesetzt und seine Fähigkeit, Dinge für sich zu behalten, war wesentlicher Bestandteil seiner Tätigkeit.

 

Eve war gerade dabei, sich eine große Tasse Kaffee einzuschenken, als Lukas den Kopf zur Tür hereinsteckte. »Guten Morgen, Sonnenschein. Gut geschlafen? Bitte sei so nett und schicke mir Tira nach eurer Besprechung. Wir wollen sie gerne dabei haben, wenn wir weitere Tests mit der Katze machen.«

»Nenn‘ ihn nicht immer die Katze, du weißt genau, dass Tira empfindlich darauf reagiert. Wieso bist du überhaupt am frühen Morgen schon so unnatürlich fröhlich?« Missmutig trank Eve einen Schluck Kaffee. Der hätte ruhig etwas stärker sein können, dachte sie stirnrunzelnd.

»Sorry, aber ehe wir nicht hundertprozentig wissen, dass der Kater wirklich Marcel ist, nenne ich ihn lieber Katze. Sahar ist am nächsten Wochenende zu Besuch bei Fiamma und wir nutzen die Gelegenheit für ein Treffen. Darauf freue ich mich jetzt schon.«

Am liebsten hätte Eve sich in obszöner Geste den Finger in den Hals gesteckt. Sahar Caldo war die jüngere und fast noch schönere Schwester der Ressortleiterin Fiamma Caldo. Vor kurzem hatte Lukas mit der rassigen Südländerin einen One-Night-Stand, was Eve immer noch einen Stich versetzte. Zwar beendeten Eve und Lukas ihre Liebelei im gegenseitigen Einverständnis, ehe sie richtig angefangen hatte, doch so ganz kam sie nicht von ihren Eifersuchtsgefühlen los.

»Hm«, brummte sie kurz angebunden. »Ich sage es ihr.« Verärgert über sich selbst schüttelte sie unwillig den Kopf. Schließlich hatten sie beide befunden, dass eine professionelle Zusammenarbeit für das ganze Team besser wäre.

Ehe Lukas die Tür schließen konnte, begrüßte Melanie ihn mit einem fröhlichen Hallo und schob sich an ihm vorbei.

»Bin ich zu spät?«, wollte sie wissen.

»Nein, nein. Im Gegenteil, du bist sogar die Erste. Nimm dir doch gerne einen Kaffee. Sicher bist du schon aufgeregt wegen deines ersten Sprungs unter kontrollierten Bedingungen. Deine Zielperson finde ich übrigens außergewöhnlich spannend. Darf ich fragen, wie du ausgerechnet auf sie gekommen bist?«

Melanie lachte. »Das war wirklich komisch, denn anfangs konnte ich sie überhaupt nicht ausstehen und dachte, sie wäre der Inbegriff einer unterbelichteten, künstlich aufgepimpten Blondine. Da meine Eltern aber total die Film-Freaks sind, liefen bei uns zu Hause die alten Klassiker praktisch in Dauerschleife. Als ich dann mal über sie lästerte, hat sich mein Vater sehr aufgeregt und gemeint, ehe ich mir ein Urteil erlaubte, sollte ich mich besser informieren. Natürlich fühlte ich mich furchtbar gemaßregelt, habe aber trotzdem damit angefangen, nachzuforschen. Ich wollte ihm unbedingt beweisen, dass ich richtig lag.«

Während Eve ihren Worten lauschte, dachte sie unwillkürlich an Ludwig. Auch er war sein Leben lang und sogar darüber hinaus verleumdet und vorverurteilt worden. Sie nickte verständnisvoll. »Und dann?«

»Je mehr Dokus ich über sie sah und je mehr ich mich durch Biographien und alte Berichte wühlte, desto sympathischer wurde sie mir. Mein Mitgefühl wuchs ebenso wie der Wunsch, ihr zu helfen. Aber was das betrifft, hat Lukas Pelz mir schon ordentlich den Kopf gewaschen. Obwohl der Flurfunk munkelt, dass es schon mal einem Timer gelungen sei, seine Zielperson zu retten. Ich wüsste zu gern, ob das stimmt. Es hat wohl keinen Sinn, dich danach zu fragen ...?« Neugierig sah Melanie Eve an. Die setzte ein unbeteiligtes Gesicht auf. »Geredet wird viel. Aber logisch betrachtet, ist das doch sehr unwahrscheinlich. Wie Lukas bereits erklärt hat: Die Zeit lässt sich in ihren Grundsätzen nicht verändern. Sonst würden alle Konstanten instabil und die Folge wäre vermutlich ein Zusammenbruch der relevanten Strukturen oder die Bildung von Multiversen. Welche Auswirkungen hätte das für die Menschheit? Also, ich kann mir das nicht vorstellen.«

Melanie nickte zustimmend. »Ja, das leuchtet mir ein. Aber Marilyn ist so eine tolle Persönlichkeit. Na ja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Es wäre auch zu schön gewesen ...«, seufzte sie.

Eine Weile starrte Eve in ihre Kaffeetasse, ehe sie den Blick wieder hob.

»Auf jeden Fall würde ich sie gerne kennenlernen, deine Marilyn.«

 

Argwöhnisch beobachtete Lukas, wie der weiße Kater Tira in den Technikraum folgte. Martin Teddy Gröger zückte sofort eine kleine Packung, aus der er eine Quarkmaus schüttelte. Er hockte sich in die Knie, quietschte mit befremdlich hoher Stimme ein freundliches »Miez-Miez« und warf dem Kater die Maus zu. Der hechtete mit einem Satz hinterher und pfotelte das Leckerchen zwischen den Stuhlbeinen hindurch vor Lukas’ Füße, ehe er es genüsslich und mit einem lauten Knacken verspeiste.

»Ihh, Martin, wie ekelig ist das denn? Muss das wirklich sein?« Angewidert schüttelte der Teamleiter den Kopf.

»Was ist denn daran ekelig?«, entrüstete sich Tira empört. »Ich finde es bei weitem ekeliger, mit anzusehen, wie manche Leute ihr Frühstücksei hinrichten!«

Martin war rot angelaufen. Immer, wenn ihm etwas peinlich oder unangenehm war, nahm sein gutmütiges Gesicht die Farbe reifer Himbeeren an. »Aber er ist doch so niedlich, Lukas. Als er noch Marcel war, mochten wir dieselbe Sorte Müsli-Riegel ...«

Lukas raufte sich die Haare und wies auf das beleuchtete Feld vor sich. »Vielleicht bist du so nett, Tira, und setzt ihn schon mal unter das Spektrometer. Achte bitte darauf, dass er innerhalb der Markierungen bleibt.«

Mit einem lautlosen Satz sprang der Kater auf den von Lukas angewiesenen Platz. Dabei starrte er den Teamleiter an und fauchte leise. Martin lachte.

»Er war schon früher schnell beleidigt.«

Lukas bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick und verlegen wandte Martin sich dem Spektrometer zu, um die Feinjustierung zu beenden. Tira legte Lukas ihre Hand auf den Arm. »Ich weiß, du hältst mich für verrückt. Aber ich glaube nicht, dass der Kater Marcel ist, sondern dass er irgendwie mit in dem Kater steckt. Ich kann das nicht besser erklären, aber für mich fühlt es sich so an.«

»Benutzt er eigentlich das Katzenklo?«, wollte der Technikleiter neugierig wissen.

»Martin! Schluss jetzt mit dem Unsinn, fangen wir endlich mit dem wissenschaftlichen Teil an, falls du dich vom Thema Katze losreißen kannst!«

 

Nach einer guten halben Stunde gähnte der Kater mit weit aufgerissenem Maul und präsentierte dabei seine beachtlichen Fangzähne. Mit einem Satz sprang er auf Tiras Schulter und steckte die Nase in ihr Haar.

»Das kitzelt«, lachte Tira und schob ihn so in Position, dass er wie ein flauschig weißer Schal ihren Hals wärmte.

Lukas seufzte. »Meinst du, du könntest ihn noch einmal zurücksetzen?«

Tira wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Eve sich von der Wand löste, von der aus sie das Ganze schweigend verfolgt hatte. »Ne, Lukas. Ist mal gut jetzt. Das ist kein Timer, sondern eine Timer-Cat, und ich denke, er hat deutlich gemacht, dass es ihm jetzt reicht. Respektieren wir das doch bitte.«

Der Teamleiter kannte Eve gut genug, um zu wissen, dass es besser war, nachzugeben. Wenn es um Tiere ging, war mit Eve nicht zu spaßen. Sie besaß ein großes Herz für alles, was kreuchte und fleuchte, und betonte vehement, dass Tiere und Menschen den gleichen Wert besaßen und eben nur nicht dieselbe Sprache teilten. »Okay. Wir setzen uns am besten sofort an die Auswertung, Martin. Das, was ich gerade hier gesehen habe, scheint mir vielversprechend zu sein. Eve, kannst du bitte in zwei Stunden zu mir ins Büro kommen?«

»Selbstverständlich. Ich wollte ohnehin noch etwas mit dir besprechen. Also, bis später dann.« Sie kraulte die Katze hinter dem Ohr, was die mit einem begeisterten Schnurren quittierte. »Ich finde, wir sollten ihm einen Namen geben. Katze ist so unpersönlich.«

Tira nickte heftig. »Bei meinen Recherchen habe ich herausgefunden, dass Anastasia Romanows kleine weiße Katze auf den Namen Ahmar hörte. Vielleicht gefällt ihm der Name ja.«

Nachdrücklich stupste der Kater mit dem Kopf gegen Tiras Wange. Eve lächelte.

»Also abgemacht: Ahmar.«

Norma Jeane

Obwohl es bereits später Nachmittag war, sorgte die weiße Schneedecke für eine fast unnatürlich helle Beleuchtung. Bäume und Sträucher waren überzogen mit dicken Mützen von bizarrsten Formen und abgesehen von dem Knarzen und Knirschen des winterlichen Teppichs war es mucksmäuschenstill. Norma drehte sich wie ein wirbelnder Derwisch immer schneller um sich selbst, bis sie sich keuchend und mit ausgebreiteten Armen in den Schnee fallen ließ. Ihre strahlend blauen Augen verloren sich im Quecksilber des winterlichen Himmels und sie seufzte tief.

»Ist das nicht herrlich hier, André? Ich gebe zu, dass ich nicht sicher war, ob diese Reise wirklich eine gute Idee ist, aber alleine dieser Moment ist es wert. Als wären wir außerhalb der Zeit. Keine Termine, keine Verpflichtungen, nur diese himmlische Ruhe und wundervoller Frieden.« Ein entrücktes Lächeln ließ ihr Gesicht in fast überirdischer Schönheit aufleuchten.

Statt der erwarteten Antwort klickte die Kamera weiterhin ihr geschäftiges Stakkato in den romantischen Winterzauber und Norma Jeane rollte sich mit einem erneuten Seufzen auf den Bauch. Vorwurfsvoll sah sie den Fotografen an.

»Entschuldige, Schatz, aber mit deiner Schönheit kann selbst diese wundervolle Natur nicht konkurrieren. Ich muss sie einfach festhalten – für immer.« Der Gesichtsausdruck André des Dienes’ war frei von Bedauern.

Das Lächeln wich aus Normas Gesicht und machte einer nachdenklichen Miene Platz.

»Für immer ...? Ist das nicht schrecklich lange? Und wen wird man auf den Bildern sehen, André? Eine naive junge Frau mit lauter Flausen im Kopf, die sich wie ein Hund auf dem Boden wälzt? Ein weiteres Sternchen, das dem großen Ruhm nachjagt? Einen Traum, der zusammen mit dem Schnee schmelzen wird? Ach, ich glaube, nichts ist für immer. Überleg doch mal, wie schnell das alles wieder verschwunden sein wird. Und dann ist es so, als wäre es nie dagewesen. Wie traurig ...«

»Aber Schatz, was sind denn das für dunkle Gedanken in deinem schönen Kopf? Durch meine Bilder werde ich dafür sorgen, dass es für immer sein wird. Noch in hundert Jahren wird man deine atemberaubende Schönheit auf ihnen erkennen! Keine Sorge, ich mache dich unsterblich!«

Norma stützte sich auf die Knie, erhob sich und klopfte den weichen Pulverschnee von ihrer Hose.

»Unsterblich, André? Sagt man das nicht über die Leute, die gestorben sind und von denen man immer noch spricht? Dann setzt unsterblich doch voraus, dass man zuvor gestorben ist, nicht wahr?«

»Meine Güte, du schaffst es aber wirklich, aus einer glückseligen Stimmung eine Depressive herauszuzerren. Du bist noch so jung – der Tod sollte dich weder beschäftigen noch schrecken. Er ist deine Aufmerksamkeit nicht wert! Mit ein wenig Glück hast du mindestens noch sechzig Jahre vor dir und ich wette, du wirst auch dann noch umwerfend sein!«

So schnell, wie im Kino die Bilder auf der Leinwand wechselten, so schnell änderte der Stimmungswechsel Normas Gesichtszüge. Rasch bückte sie sich und formte aus dem aufgehobenen Schnee einen Ball, mit dem sie auf Andrés Kamera zielte.

»Hast du genug Bilder? Mir wird langsam kalt. Vielleicht können wir ja morgen bei Sonnenlicht noch eine Serie schießen, ja?« Der Schneeball traf Andrés Mütze und rieselte ihm von dort kalt in seinen Nacken.

»Na warte ...« Schnell hängte er sich die Kamera um und rannte auf Norma zu, die bereits laut quietschend in Richtung der Bungalows flüchtete.

Aus einer der großen Tannen löste sich ein Schneebehang und zerstob in tausend glitzernde Kristalle. Als hätte die vorherige Szene nie stattgefunden, war der Vorhang gefallen.

CERN

Genervt sah Eve zum zweiten Mal auf ihre Armbanduhr, die genau vier Minuten mehr als bei ihrem letzten Blick anzeigte. Sie hasste es, wenn man sie warten ließ. Erst zitierte Lukas sie mit gewichtiger Miene in sein Büro – und dann glänzte er durch Abwesenheit. Nun gut, fünf Minuten würde sie ihm noch zugestehen, aber dann ... Als die Tür hinter ihr geöffnet wurde, meckerte sie unfreundlich: »Wie schön, dass Majestät auch endlich zu erscheinen geruhen.«

»Hm, an diese Anrede könnte ich mich gewöhnen, wenn auch nicht an den Ton. Außerdem wusste ich gar nicht, dass du auch dazukommst. Trotzdem schön, dich zu sehen.« David Reimer strubbelte Eve von hinten durch ihre Haare.

»Ihh, nicht, lass das! Ich dachte, du bist Lukas. Hat er dich auch herbestellt? Weißt du, worum es geht?«

Doch ehe David antworten konnte, stürmte der mit Ungeduld erwartete Lukas herein.

»Entschuldigt bitte, aber ich wurde noch in der Technik aufgehalten. Und damit bin ich auch schon fast bei dem Grund, aus dem ich euch hergebeten habe ...«

»Gibt es keinen Kaffee?«, maulte Eve. »Du warst auch schon mal besser vorbereitet. Erst unpünktlich sein, und dann noch nicht einmal Kaffee mitbringen ...« Vorwurfsvoll blickte sie ihn an.

Lukas, dadurch aus dem Konzept gebracht, starrte verwirrt zurück. »Äh, ja, also vielleicht kann ich euch nachher ein Stückchen Kuchen und einen Kaffee spendieren, um das wieder gutzumachen. Aber jetzt würde ich wirklich gern erklären, was Martin und Tom herausgefunden haben. Bei den Tests, die wir mit der Katze ...«

Eves strafender Blick ließ ihn erneut ins Stocken geraten.

»Die Katze hat einen Namen!«

»Ja, äh, wie war der noch gleich? Alma, oder so ähnlich, hm?«

»Ahmar, du Ignorant!«

David seufzte. Offensichtlich waren die beiden heute wieder in Hochform. Seitdem Eve und Lukas sich kannten, bestand zwischen ihnen eine sexuelle Spannung, die sich in häufigen und sehr hitzigen Wortgefechten entlud.

»Oh bitte, Eve, jetzt lass ihn doch mal ausreden. Um so eher kommst du an deinen Kaffee und ich an ein leckeres Stück Kuchen.«

Dankbar sah Lukas seinen Freund und Kollegen an.

»Also, bei einigen Tests haben wir Ahmar unter anderem Texte vorgelesen oder Bilder gezeigt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die K..., dass Ahmars Gehirnareale die gleiche neuronale Spannung abbilden und die gleiche Aktivität zeigen, wie es ein menschliches Gehirn tun würde, wenn man dem Probanden dieselben Bilder zeigt.«

David runzelte die Stirn. »Du meinst also, es besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass Ahmar wie ein Mensch denkt? Also, wie Marcel?«

Lukas nickte bestätigend. »Wir haben die Tests mehrfach wiederholt und sind immer zum selben Ergebnis gelangt. Deshalb hat Martin vorgeschlagen, dass wir die sonst für EEG-Aufzeichnungen eingesetzten Messbänder modifizieren und Ahmar anlegen. Er will versuchen, das Ganze mit einem Sprachmodul zu koppeln, so dass wir Ahmars Gedanken hören können. Wenn es möglich wäre, auf diesem Weg mit ihm zu kommunizieren, wüssten wir endlich genau, was an dieser Marcel-in-the-cat-Story dran ist.«

Eve sprang von ihrem Stuhl auf. »Aber – das ist ja Wahnsinn! Geht das wirklich? Das müssen wir auf jeden Fall vor Tira geheimhalten. Falls es nicht funktioniert oder sich herausstellen sollte, dass Ahmar ausschließlich nur an Martins Quarkmäuschen denkt, wäre das eine Katastrophe für sie. Und außerdem: Ist das für Ahmar gefährlich?«

»Nein, Martin und Tom meinen, es bestehe kein Risiko.«

Eve wiegte zweifelnd den Kopf. »Na ja, aber keiner der beiden ist Tierarzt. Vielleicht sollten wir doch lieber einen Tierarzt hinzuziehen. Schließlich gibt es nicht umsonst Human- und Tiermediziner.«

David legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm.

»Mach dir keine Sorgen, die beiden haben recht. Es ist ja nicht so, dass man ihn unter Strom setzt. Die geringen Spannungen, die dabei auf das Gehirn wirken, sind vollkommen ungefährlich. Darauf gebe ich dir mein Wort.«

»Wann soll das Ganze stattfinden?«, wollte Eve, die sich durch Davids Expertise beruhigt sah, wissen.

Automatisch sah Lukas auf die Uhr. »Martin meint, er kann die technischen Voraussetzungen bis zum Wochenende umsetzen. Das würde allerdings wieder mal eine lange Extra-Schicht für uns bedeuten. Eve, du müsstest natürlich nicht dabei sein, wir können dir auch nachher ...«

»Auf gar keinen Fall! Natürlich bin ich dabei! Hauptsache, es gibt ausreichend Kaffee. Am besten, ich bringe ihn selbst mit. Außerdem passt das zeitlich hervorragend. Zufällig ist Tira nämlich am Wochenende mit ihrer Tante im Balima Spa. Wir hätten also freie Bahn.«

David nickte. »Am Sonntag habe ich bereits eine berufliche Verpflichtung, aber am Samstag wäre ich natürlich dabei.«

Zufrieden sah Lukas die beiden an.

»Na dann ... Hoffen wir mal, dass die K... Ahmar, etwas Interessantes zu erzählen hat.«

Johnny

»Gibst du auf?!« Erbarmungslos schloss sich der Arm enger um seinen Hals. Ruckzuck hatte sich ein großer Kreis aus vor Begeisterung johlenden Kids um die beiden Sparringspartner gebildet.

»Nun komm schon, gib endlich auf!« Ohne jede Anstrengung hielt der größere der beiden Jungs den kleineren unerbittlich im Schwitzkasten fest. Trotz seiner sehr schlanken Figur besaß er bereits stählerne Muskeln und die Mädchen sahen bewundernd zu ihm auf.

Johns Kopf war inzwischen puterrot und er wusste genau, dass er sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte. Trotzdem wollte er seinem Bruder nicht die Genugtuung gönnen, es auszusprechen. Hier, wo alle es hören konnten, würde er ganz sicher nicht seine Niederlage eingestehen. Seine Rückenmuskulatur brannte wie Feuer und langsam wurde ihm schwarz vor Augen.

»Ich gebe nicht auf«, schrie er mit der ihm verbleibenden Luft trotzig.

Joe lachte und wollte seinem jüngeren Bruder gerade die Beine wegziehen, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, als ihm plötzlich ein Knie wegknickte und er aus dem Gleichgewicht geriet. Sein Griff löste sich und Johnny kam frei. Die Menge johlte und lachte, während Kathleen, genannt Kick, mit vor Wut blitzenden Augen und mit in die Hüften gestemmten Händen vorwurfsvoll auf ihn herabsah. Ohne zu zögern, hatte sie ihrem großen Bruder in die Kniekehle getreten. Bei so vielen Geschwistern lernte man schnell, sich zu behaupten, wenn es notwendig war. Mit der ganzen Würde ihrer zehn Lebensjahre schüttelte sie verständnislos den Kopf. »Du weißt genau, dass Johnny noch nicht wieder ganz gesund ist. Warum musst du ihn nur immerzu ärgern? Außerdem bist du zwei Jahre älter als er – das ist unfair!«

John wäre vor lauter Scham am liebsten im Boden versunken. Obwohl Kick seine Lieblingsschwester war, wünschte er sie in diesem Moment auf den Mond. Wie peinlich, von seiner zehnjährigen Schwester gerettet zu werden, und das vor all den Mädchen ...

Joe hingegen lachte gutmütig und wuschelte seiner kleinen Schwester freundlich durch die braunen Locken. »Du hast das Herz einer Löwin, Kick Kennedy. Eines Tages wirst du bestimmt einen Prinzen heiraten und deine Untertanen erbarmungslos herumkommandieren.«

Kathleen zeigte ihm einen Vogel. »Du spinnst, Joe Kennedy. Aber nachdem du alle Mädchen beeindruckt hast, kannst du heimkommen und den Abwasch machen.

---ENDE DER LESEPROBE---