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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1990 - 1999!
Horror auf Mallorca (2. Teil).
Der Dämon Baphomet hatte seine Krallen nach der Ferieninsel ausgestreckt. Seine Saat, in der Vergangenheit gelegt, blühte nun voll auf. Wir alle gerieten hinein in den mörderischen Strudel um das Templerkreuz und erlebten den Horror auf Mallorca.
Kein Ballermann, kein Sangria aus Eimern, dafür Baphomet und sein Fluch aus der Vergangenheit.
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Der Dämon Baphomet hatte seine Krallen nach der Ferieninsel ausgestreckt. Seine Saat, in der Vergangenheit gelegt, blühte nun voll auf. Wir alle gerieten hinein in den mörderischen Strudel um das Templerkreuz und erlebten den Horror auf Mallorca.
Kein Ballermann, kein Sangria aus Eimern, dafür Baphomet und sein Fluch aus der Vergangenheit.
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-3808-6
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Seit geraumer Zeit schon hielt sich die alte Frau in der Kirche auf. Sie hockte geduckt in der Bankreihe wie ein zu Stein gewordenes Gespenst. Jeder Besucher, der das kühle Kirchenschiff betrat, musste annehmen, dass sie tief in ihr Gebet versunken war.
Das stimmte nicht. Die Frau wusste sehr wohl, weshalb sie in der Kirche saß. Bestimmt nicht, um der grellen Sonne zu entgehen, auch nicht, um zu beten, nein, sie war geschickt worden, um zu beobachten. Alles unter Kontrolle zu halten, um dann entsprechend zu reagieren.
Sie sah die Menschen, die Fremden, die Touristen, die sich nicht für die Schönheiten in der Kirche interessierten, sondern mehr nach einer Abkühlung suchten. Sie benahmen sich alle gleich. Hielten sich einfach nicht unter Kontrolle. Sie waren schlimm, stöhnten, beschwerten sich über die Sonne draußen und waren froh, in der Kirche den kühlenden Schatten zu erleben.
Nein, nicht alle waren gleich. Ihr fiel ein Paar auf, das sich anders verhielt. Suchend, sich umschauend. Beide kamen zu der Alten, sprachen mit ihr, wollten wissen, wo es zur Sakristei ging und wo sich der Pfarrer befand.
Carlotta gab ihnen die Antworten. Der Pfarrer war nicht da, der Küster ebenfalls nichts. Die beiden verließen die Kirche, aber das wissende Lächeln der alten Frau sahen sie nicht.
Andere Menschen betraten die Kirche, schauten sich um, aber nicht alle interessierten sich nur für die ausgestellten Schönheiten. Es gab auch andere, die sehr zielsicher waren, obwohl sie sich nicht auskannten.
Die alte Frau spürte den Schauer, der plötzlich über ihren Körper rieselte, als sie den hochgewachsenen Mann mit dem dunkelblonden Haar entdeckte. In seiner Begleitung befand sich eine ebenfalls blonde Frau. Die beiden flüsterten miteinander und verhielten sich beinahe wie das Paar, das Carlotta angesprochen hatte.
Sie gingen wieder.
Carlotta blieb in der Bank. Die alten Knochen taten ihr vom langen Sitzen weh. Hin und wieder musste sie die Beine ausstrecken, um nicht starr zu werden. Aber sie wusste auch, dass ihre Zeit bald um war. Lange brauchte sie nicht mehr in der Bank zu bleiben.
Sie stand auf. Sie hatte große Mühe, sich zu strecken und normal stehen zu bleiben. Mit ihren zerfurchten Händen hielt sie sich an der Bank fest. Hände, die beinahe so runzlig wie ihr Gesicht aussahen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem harten Lächeln. Sie hatten es versucht, nicht nur zwei Personen, sondern mehr. Aber sie alle würden sich wundern, vielleicht sogar tödlich wundern.
Carlotta lachte in sich hinein, während sie die Bank verließ. Sie war eine sehr kleine Frau. Das Alter hatte ihre Gestalt gebeugt. Die vielen Jahre schienen schwer auf ihrem Rücken zu lasten. Carlotta trug dunkle Kleidung. Einen Rock, eine Bluse. Beide Kleidungsstücke waren weit geschnitten. Ebenso wie beim Tuch, das sich die alte Frau über den Kopf gehängt hatte, war nicht mit Stoff gespart worden. Dieses Outfit gab ihr ein hexenhaftes Aussehen. Einigen Besuchern fiel es auf, und sie machten einen Bogen um Carlotta, denn sie kam ihnen unheimlich vor.
Carlotta näherte sich dem Ausgang. Ihre Füße hobt sie kaum an. Ihr fehlte einfach die Kraft. Und so schlurfte sie über den Steinboden hinweg. Hin und wieder griff sie mit ihrer faltigen Hand nach den gebogenen Enden der Sitzreihen, um dort für kurze Zeit Halt zu finden. Sie wirkte wie jemand, mit dem man Mitleid haben konnte, aber Carlotta war zäh.
Sie passte auf, sie gab acht. Ihre Augen waren nicht schlecht. Sie beobachtete alles genau. Jeden Besucher schaute sie an, der in ihre Nähe kam.
Keine Gefahr. Sie waren normal, wollten nur die Kirche sehen oder sich abkühlen. Die unnormalen Besucher waren bereits verschwunden und würden an ihrer Niederlage zu knacken haben.
Carlotta erreichte die Tür. Es fiel ihr schwer, sie zu öffnen. Ein grauhaariger Tourist half ihr dabei, und Carlotta bedankte sich mit wenigen gemurmelten Worten.
Aus dem Dunkel der Kirche ging sie hinein in den hellen Schein. Es war das Hineingleiten in das herrliche Licht. In den Glanz der Sonne, die noch immer als glühendes Auge am Himmel stand und ihre Strahlen in die Tiefe schickte. Die Hitze lastete auf dem gepflasterten Hof. Sie hätte die alte Frau noch mehr in die Knie drücken können, aber Carlotta hielt sich tapfer. Der Körper straffte sich. Sie ging nicht mehr so krumm. Ein Energiestoß hatte sie erfasst und ihr die nötige Kraft gegeben. Sie richtete sich auf und bewegte sich beinahe schon gerade über den Platz mit den heißen Steinen hinweg.
Ihr Ziel lag auf der anderen Seite. Dort malte sich ein Gitter ab. Dahinter lag der kleine, aber schon recht dicht bewachsene Friedhof. Die Sträucher waren im Laufe der Zeit gewachsen und hatten sich ausgebreitet, sodass sie schon beinahe so etwas wie eine Mauer bildeten, die nur wenige Lücken aufwies.
Wer durch sie blickte, sah die Grabsteine oder auch die Statuen, die auf den Gräbern standen.
Auch jetzt wurde Carlotta von den Touristen kaum beachtet. Die Menschen waren mit sich selbst beschäftigt. Sie ärgerten sich über die heiße Sonne und beeilten sich, so schnell wie möglich in die Kirche zu gelangen. Der alten Frau schien die Hitze nichts auszumachen. Noch immer schützte das dunkelbraune Kopftuch sie gegen die Sonne. Auf ihrem Gesicht schimmerte kaum ein Schweißtropfen. Der faltige und magere Körper schien keine Flüssigkeit mehr zu besitzen.
Am Zaun bewegte sie sich entlang. Hier gab es Schatten. Zweige hatten sich durch die Lücken gedrückt und streiften ihre Arme. Es roch auch etwas kühler, aber es lag auch der Geruch von Staub in der Luft, denn die Frische des Regens fehlte völlig. Die Erde lechzte nach Wasser. Wann es wieder regnen würde, das wusste nur der Himmel. So dörrte die Sonne das Land weiterhin aus.
Sie erreichte ein kleines Tor. Von der Kirche aus war es für einen Fremden nicht zu sehen. Man musste sich schon gut auskennen, um es überhaupt zu finden.
Das Tor war in das normale Gitter integriert. In seiner Nähe und auf der anderen Seite hatte sich der Bewuchs besonders stark ausgebreitet und verdeckte es völlig.
Das Tor war nicht abgeschlossen, aber schwer zu öffnen. Carlotta lehnte sich dagegen und setzte ihr gesamtes Gewicht ein, um es nach innen zu schieben.
Sie schützte ihr Gesicht mit den Händen, um nicht von den Zweigen getroffen zu werden. Sie glichen zähen Armen, die sie nicht weiterlassen wollten. Die immer nach ihr schlugen, wobei die trocken gewordenen Blätter raschelten.
Mit dem Rücken drückte die Alte das Tor wieder zu. Carlotta ging davon aus, dass sie von niemand beobachtet worden war. Für den Friedhof interessierten sich die Besucher nicht. Zudem wurden sie von seiner hohen Umfriedung abgeschreckt.
Carlotta hatte freie Bahn, nachdem sie sich durch die Büsche gewühlt hatte. Sie breitete ihre Arme aus, sie schaufelte die Zweige zur Seite, sie suchte und fand immer einen festen Tritt und erreichte kurz darauf einen schmalen Weg, der tiefer in den Friedhof hineinführte.
Ein stummes Gelände. Im Licht und im Schatten liegend. Ein Teil des Sonnenlichts wurde gefiltert und erreichte den Boden oder die Gräber nur als gesprenkeltes Muster.
Die Alte kannte den Weg. Für die Grabsteine und die Gräber hatte sie keinen Blick. Carlotta wusste sehr genau, wohin sie zu gehen hatte. Jeder Stein hier war ihr bekannt. Zwar sah sie den Friedhof nicht als eine zweite Heimat an, doch verlaufen konnte sie sich hier nicht. Außerdem wollte sie keinen Hauptweg erreichen, sondern nur eine bestimmte Stelle auf dem Friedhof.
Weit brauchte sie ihre alten Füße nicht mehr zu bewegen. Schon bald sah sie die schmale Eisenbank, die ebenfalls längst Rost angesetzt hatte. Sie schlurfte hin, und diesmal schabten unter ihren Füßen die kleinen Kieselsteine gegeneinander.
Auf der Bank nahm sie seufzend Platz. Ihr Mund verzerrte sich dabei, aber es war eher ein scharfes Grinsen als ein zufriedenes Lächeln.
Sie erinnerte sich an etwas, das sehr wichtig und erfolgreich gewesen war. Jetzt brauchte sie nur die Früchte ihrer Arbeit zu ernten. Die Zeit verstrich nur langsam, und Carlotta war auch froh darüber. Sie genoss es, auf der Eisenbank zu sitzen und mit nach hinten gelegtem Kopf und leicht geöffneten Augen, aus denen sie einen Ausschnitt des Himmels sah, der sich jenseits der Baumkronen abzeichnete.
Hin und wieder fuhr ein warmer Windstoß über den Friedhof. Er spielte mit den schon trocken gewordenen Blättern und ließ sie rascheln.
Die Schritte raschelten nicht. Sie knirschten leise. Trotz des Alters war Carlottas Gehör noch in Ordnung. Sie hatte die Geräusche sehr genau wahrgenommen. Durch nichts allerdings zeigte sie an, dass sie Bescheid wusste.
Sie wartete auf den Besucher und schaute erst hoch, als er vor ihr stand und sie seinen Schatten spürte.
»Da bist du ja.«
Der Mann nickte. »Fast pünktlich.«
»Setz dich.«
Er nahm neben ihr Platz. Sie schaute nach links und wusste sofort, dass der Mann unter einem inneren Druck stand. Sein Gesicht zeigte eine starke Anspannung, der Schweiß verteilte sich dort wie hingemalt. Der Bart, die Augen, die nervösen Bewegungen der Hände, das alles registrierte Carlotta schon, enthielt sich aber eines Kommentars. Der Mann konnte nichts mehr aushalten. »Ist alles so gekommen, wie wir es uns vorgestellt haben?«
»Ja.«
»Bitte.« Er legte eine Hand auf Carlottas Schultern. »Bitte, Tante, du musst schneller reden. Ich will es wissen. Wir beide wissen, dass es ungemein wichtig für uns ist.«
Carlotta nickte. »Si, Carlos, das stimmt. Alles ist wichtig. Aber am wichtigsten ist die Zeit. Wir haben Zeit, jetzt ja, denn es ist so eingetroffen, wie du es dir gedacht hast.«
»Dann waren sie in der Kirche.«
»Ja.«
»Wer?«
»Ich kenne sie nicht, Carlos, du hast sie mir beschrieben. Der Mann und die Frau.«
Carlos Fuentes schloss für einen Moment die Augen. »Die beiden aus London also. John Sinclair und Jane Collins.« Er lachte leise. »Er hat den Köder geschluckt, das ist gut, sehr gut. Ich habe genau das Richtige getan. Sinclair hat Blut geleckt. Er wird sich mit den anderen herumschlagen und wir haben gewonnen – hoffe ich jedenfalls. Verdammt, Tante, wir können reich werden. Wir können auch mächtig sein, wenn alles so eintrifft, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Si, mein Neffe, das können wir.« Sie legte eine kleine Pause ein. »Wenn alles so läuft, wie du es dir vorgestellt hast.«
Carlos Fuentes hatte genau hingehört. Er war auch zusammengezuckt und schüttelte hastig den Kopf. »Was soll das, Carlotta? Warum sagst du so etwas. Gibt es Probleme?«
Die alte Frau wusste, dass sie von der Seite her angestarrt wurde. Sie drehte den Kopf nicht und schaute weiterhin nach vorn. »Ich weiß nicht, ob es Probleme gibt«, sagte sie flüsternd, »aber es könnte sein, dass du dich geirrt hast.«
»Ach ja? Warum? Wieso?«
Sie räusperte sich. »So ganz hat mir das alles nicht gefallen, da bin ich ehrlich, Junge. Da war noch ein Paar in der Kirche. vor diesem Sinclair und der Frau.«
»Ja und?«
»Sie erkundigten sich bei mir nach dem Pfarrer und auch nach dem Küster.«
Carlos Fuentes saß plötzlich wie auf heißen Kohlen. »Verdammt, was hast du gesagt?«
»Nicht viel. Die Wahrheit schon.«
Damit konnte sich Fuentes nicht zufriedengeben. Er schüttelte den Kopf und stöhnte leicht. »Moment mal, Tante, du hast ihnen die Wahrheit gesagt?«
»Das war nicht schlimm. Der Pfarrer ist krank, der Küster ist nicht da. Nur glaube ich nicht, dass sich das Paar unbedingt für die beiden Menschen interessiert hat.«
»Davon kannst du ausgehen.« Er räusperte sich. »Du musst doch wissen, wer sie gewesen sind. Ich meine, waren es Spanier, Deutsche oder …«
»Oder, mein Junge. Engländer. Wie dieser Sinclair mit seiner blonden Begleiterin. Das konnte ich hören, auch wenn sie Spanisch gesprochen haben.«
Fuentes nickte vor sich hin, ohne etwas zu sagen. »Also Engländer.« Er lachte. »Bestimmt kein Zufall, nein, daran glaube ich nicht. Aber mich würde interessieren, wie das alles zusammenhängt. Es bereitet mir schon Sorge, wenn du verstehst.«
»Klar, denn du gehst davon aus, dass noch andere Personen hinter dem Kreuz her sind.«
»Genau das ist es, Tante. Es sind noch andere Personen hinter ihm her. Sie haben es irgendwo erfahren, von wem auch immer. Ich kann alles nicht so genau in die Reihe bekommen, denn da läuft noch einiges durcheinander, aber ich lasse mich auch nicht verrückt machen. Wichtig ist unser Ziel.«
Die alte Frau lächelte. »Da hast du recht.«
Bisher war Fuentes noch nicht auf das ihm so wichtige Thema zu sprechen gekommen. Er hatte sich zurückgehalten, auch wenn es ihm schwergefallen war. Mit einem sehr starren und schon hypnotisierenden Blick sah er seine Tante an.
»Hast du es?« brach es aus Fuentes hervor.
Sie nickte.
Er schloss die Augen. Die Kopfbewegung war für ihn wichtig gewesen. Sie sagte ihm mehr als alle Worte. Er konnte jubeln, er konnte zufrieden sein. Als er das Rascheln der Kleidung dicht neben sich hörte, da drehte er den Kopf und schaute wieder hin.
Carlotta hatte in ihre Rocktasche gegriffen und zog etwas hervor. Es war größer als ihre Hand, es hatte auch ein bestimmtes Eigengewicht, und sie fasste den Gegenstand in der unteren Hälfte an, als sie sich ihrem Neffen zudrehte.
Die Augen des Mannes weiteten sich und zuckten zugleich. Sein Mund stand offen. Er spürte den Schauer auf der Haut, ihm war heiß und kalt zugleich geworden.
»Ja …!« keuchte er. »Ja, das ist es. Das genau ist das Templerkreuz …«
*
In den folgenden Sekunden sprach keiner von ihnen. Die Zeit schien eingefroren zu sein. Für Carlos Fuentes hatte sich die Umgebung stark reduziert. Die Gräber, die Bäume und Büsche waren in den Hintergrund abgetaucht. Er verließ sich voll und ganz auf sein begrenztes Sichtfeld, aus dem sich das Kreuz hervorhob. Seine Lippen zuckten, und seine Augen hatten einen feuchten Schimmer bekommen. Der Anblick des Kreuzes hatte ihm die Sprache verschlagen.
»Es ist so schön«, flüsterte er schließlich, »so wunderschön.«
Seine Tante sagte nichts. Sie schaute ihren Neffen an, der seine Gefühle nicht mehr für sich behalten konnte. Er sprach über das Kreuz, er beschrieb es. »Dieses alte Silber, es sieht aus wie neu. Die Steine, der Corpus …«, er blickte hoch und flüsterte: »Kann … kann … ich es nehmen?«
»Ja, es gehört uns.«
Carlos streckte der Tante seine rechte Hand entgegen. Sie zitterte, er schaffte es einfach nicht, sich unter Kontrolle zu halten. Jetzt war der Moment erreicht, auf den er so lange gewartet hatte. Dieses wunderbare und wundersame Kreuz, das den Templern gehört hatte. Damals, vor Hunderten von Jahren, als die Mönchsritter auszogen, um das Heilige Land zu verteidigen.
Die Hände des Mannes und der Frau berührten sich. Carlos schwitzte. Die Haut seiner Tante war trocken wie altes Papier. »Es wird uns den Weg zum Schatz der Templer zeigen, das weiß ich. Davon bin ich überzeugt. Auch wenn schon viele nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden haben, keiner von ihnen besaß diesen Sesam öffne dich!, sowie wir ihn jetzt in den Händen halten.« Über sein Gesicht floss ein breites’ Lächeln, und die Augen funkelten.
Carlotta sagte nichts. Sie hatte ihrem Neffen das Kreuz übergeben. Er hielt es so dicht vor sein Gesicht, als wollte er es im nächsten Moment küssen. »Es ist alles so gelaufen, wie ich es mir gedacht habe. Unsere Gegner schlagen sich mit Sinclair herum, sodass wir freie Bahn haben.«
Carlotta sagte nichts dazu.
»Bist du zufrieden, Neffe?« fragte sie.
»Ja, sehr.« Er nickte und lächelte sie knapp an. »Wie hast du es geschafft, Tante Carlotta?«
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort und sagte dann: »Ich war dort und trotzdem nicht da.«
»Wie meinst du das?«
»Man hat mich nicht gesehen.«
»Wer?«
Carlotta räusperte sich. »Sie waren bereits da. Sie sind schneller gewesen als ich, aber sie haben mich nicht gesehen. Der Küster versuchte, sie aufzuhalten. Er zeigte sich stur. Er wollte auch den Tresor nicht öffnen.«
»Verstehe«, flüsterte Fuentes. »Und was passierte dann?«
»Sie haben ihn gefoltert. Aber sie merkten nicht, dass ich mich in der Nähe versteckt hielt.« Jetzt kicherte die alte Frau wie ein Teenager. »Der Küster kannte die Kombination des Schlosses. Er hat sie hinausgeschrien, und ich habe die Ohren weit offengehalten. Ich war dann schneller als die beiden anderen. Ich öffnete den Tresor, nahm das Kreuz heraus und lief weg.«
Fuentes staunte seine Tante an. »Nein, das ist doch nicht wahr! Das gibt es nicht. Das kannst du nicht gemacht haben.«
»Warum denn nicht? Würdest du das Kreuz sonst in den Händen halten, Carlos?«
»Stimmt auch wieder.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nur nicht begreifen, dass du es geschafft hast, diese abgebrühten Typen zu hintergehen.«