John Sinclair 1086 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1086 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1990 - 1999!

Der Vampir und der Engel (1. Teil).

Glasgow-London!

Man konnte die Strecke fliegen oder mit dem Auto fahren, aber man konnte auch die Bahn nehmen.

Das tat Bill Conolly. Eine lange Nacht im Zug. Eine Nacht, in der er es ruhig angehen lassen und es sich bequem machen konnte. Dachte er, doch es kam anders.

Zunächst lernte er das Model Estelle Crighton kennen. Ätherisch, geheimnisvoll, wie selbstvergessen. Beinahe schon wie ein Engel, auf den es jemand abgesehen hatte. Ezra York, ein Vampir, fuhr mit, und er brauchte das Blut junger Frauen. So machte er den Zug Glasgow-London zu einem rollenden Sarg ...

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumDer Vampir und der Engel (1. Teil)Vorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Der Vampir und der Engel (1. Teil)

Glasgow-London!

Man konnte die Strecke fliegen oder mit dem Auto fahren, aber man konnte auch die Bahn nehmen.

Das tat Bill Conolly. Eine lange Nacht im Zug. Eine Nacht, in der er es ruhig angehen lassen und es sich bequem machen konnte. Dachte er, doch es kam anders.

Zunächst lernte er das Model Estelle Crighton kennen. Ätherisch, geheimnisvoll, wie selbstvergessen. Beinahe schon wie ein Engel, auf den es jemand abgesehen hatte. Ezra York, ein Vampir, fuhr mit, und er brauchte das Blut junger Frauen. So machte er den Zug Glasgow-London zu einem rollenden Sarg …

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-3819-2

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Der Vampir und der Engel (1. Teil)

Ob erster oder zweiter Klasse, der hochgewachsenen Gestalt war es gleichgültig, durch welchen Wagen sie sich bewegte. Sie war auf der Suche, auf der Jagd. Sie brauchte Menschen, und sie brauchte das, was in ihnen floss – Blut.

Der Zug rollte durch die finstere Nacht, und niemand ahnte, wer noch mitfuhr …

Geschafft!

Im letzten Augenblick hatte Estelle Crighton den Zug erreicht. Und sie hatte dem jungen Mann, der ihr den Lederkoffer in den Wagen geschoben hatte, noch einen Kuss zugepustet. In das Abteil mit dem reservierten Platz hatte er den Koffer nicht tragen können. Die Zeit reichte einfach nicht aus, denn die Türen schlossen sich bereits.

Die Frau mit den glatten blonden Haaren war froh, in der Wärme zu stehen. Zurück blieb der kalte Dezemberabend, in dem selbst die Luft aus Eis zu bestehen schien. Wäre es ihr nicht gelungen, den Zug zu erreichen, hätte es schweren Ärger gegeben. Konventionalstrafen, die ziemlich hoch waren, denn Estelle war gebucht worden, und man verlangte von ihr, dass sie Termine einhielt.

Sie öffnete den rehbraunen Mantel und wickelte den blauen Kaschmirschal von ihrem Hals weg. Zugleich ruckte der Zug an, und sie hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Mit dem linken Ellbogen rutschte sie noch an einer Scheibe entlang, dann hatte sie sich wieder gefangen und wandte sich nach rechts.

Sie war bereits in die erste Klasse eingestiegen, befand sich im entsprechenden Wagen und brauchte nur noch ihren reservierten Platz zu suchen. Auf einen Platz im angehängten Schlafwagen hatte sie verzichtet. Estelle war es gewohnt, auch im Sitzen zu schlafen. In ihrem stressigen Modeljob lernte man es, jede freie Minute auszunutzen.

Sie war gelaufen und etwas außer Atem. Die Kapuze ihres Mantels war nach hinten gerutscht. Dicht vor dem Fenster blieb sie stehen und schaute ihr Gesicht an. Es malte sich als schwaches Spiegelbild ab. Für einen Moment erschrak die Sechsundzwanzigjährige, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Gesicht von der Scheibe aufgesaugt wurde. Die Züge glitten in das Material hinein, als wollten sie sich mit ihm vereinigen. Estelle war irritiert, denn dieser seltsame Vorgang war ihr nicht zum ersten Mal passiert. In der letzten Zeit war sie des Öfteren damit konfrontiert worden. Immer wenn es geschah, verspürte sie in ihrem Innern ein ungewöhnliches Prickeln.

So auch jetzt.

Zugleich kam sie sich so leicht vor. Wie angehoben und über dem Boden schwebend, während der Zug den Bahnhof bereits verlassen hätte und durch Vorstädte rollte. Deren Lichter wischten ebenfalls in die Scheibe hinein, um sich dort mit ihrem Gesicht zu vereinigen, sodass ein ungewöhnliches Muster entstand.

Estelle Crighton wusste, dass sie eine Verwandlung durchmachte. Nur war es ihr nicht möglich, sich einen Reim darauf zu machen. Es gab einfach keine Erklärung dafür. Als sie die Augen schloss, da wurde sie fortgetragen. Zumindest kam es ihr vor, schneller zu sein als der Zug und im Gang zu schweben.

Sie riss sich zusammen. Die Augen öffnen, noch einmal durchatmen. Okay, es klappte. Es war wieder alles normal. Plötzlich lächelte sie über sich selbst. Aber sie nahm sich auch vor, einen Arzt oder Spezialisten aufzusuchen, der sie untersuchte. Ein Neurologe wäre gut gewesen oder auch ein Psychiater.

Die Nacht lag noch vor ihr. Eine Nacht, die sie im Abteil verbringen wollte. Von Glasgow bis London brauchte man schon seine Zeit. Sie hätte auch fliegen können, doch wenn eben möglich, mied sie diese Art zu reisen. Eine gewisse Flugangst, die von Jugend an in ihr steckte, war auch jetzt noch vorhanden.

Sie hoffte, dass der Zug um diese Zeit nicht so stark besetzt war und sie noch einen Platz im Speisewagen fand. Etwas essen, dazu eine halbe Flasche Wein, auch ein Wasser, das würde ihr guttun.

Estelle nahm den Koffer hoch. Er kam ihr jetzt leicht vor im Vergleich zur Schlepperei auf dem Bahndamm. Sie ging durch den Gang und passierte die einzelnen Abteiltüren. Um diese Zeit waren noch keine Vorhänge zugezogen worden, sodass sie einen Blick hineinwerfen konnte.

Manche Abteile waren leer, andere wiederum waren nur schwach besetzt und in manchen saß nur ein Fahrgast. Die meisten schauten hoch, wenn sie den Schatten der vorbeigehenden Frau aus den Augenwinkeln wahrnahmen, und Estelle ging immer schnell weiter.

Einige Schritte vor dem Erreichen ihres Abteils wurde sie nervös. Sie konnte sich vorstellen, nicht allein dort zu sitzen. Dass sie einen Begleiter bekam, der unter Umständen kein angenehmer Reisegenosse war. Die schlimmsten Ahnungen huschten ihr durch den Kopf. Vom stinkenden Penner bis hin zum Psychopaten. Plötzlich lag Schweiß auf ihrer Stirn. Sie stellte den Koffer ab und lehnte sich wieder gegen ein Fenster. Das Herz schlug schneller, das Blut stieg ihr ins Gesicht, und mit einer fahrigen Bewegung wischte sie über die Stirn.

Eine Männerstimme schreckte sie auf. »Kann ich Ihnen helfen, Madam?«

Der freundliche Klang holte sie zurück in die Wirklichkeit. Der Mann hatte sich breitbeinig vor ihr aufgebaut, um nicht zu stark zu schwanken.

»Danke, es geht schon. Nur ein kleiner Schwächeanfall. Ich bin zu sehr gelaufen.«

»Wenn das so ist? Sollten Sie Hilfe brauchen, ich stehe zu Ihrer Verfügung.«

Estelle hob den Blick. Ihr gefiel, was sie sah. Der Mann trug blaue Jeans, dazu ein schlammfarbenes Jackett aus Wintertweed, feste braune Schuhe und ein Wollhemd ohne Krawatte. An seiner rechten Hand blinkte ein Ehering. Das dunkelbraune Haar war recht kurz geschnitten, zeigte aber eine große Dichte. Lachfältchen hatten sich um die Augen herum gebildet, und auch der Mund lächelte, während die braunen Augen sie prüfend musterten.

»Danke«, sagte sie und ärgerte sich über ihre Stimme, die leicht kratzig klang.

»Fahren Sie auch bis London?«

»Ja.«

»Das wird noch eine lange Nacht.«

»Bestimmt.«

Der Fremde reichte ihr die Hand. »Ich heiße übrigens Bill Conolly.«

»Estelle Crighton.« Sie fühlte den warmen Händedruck und fragte sich zugleich, weshalb sie dem Fremden ihren Namen überhaupt gesagt hatte. Sonst war sie auch nicht so vertrauensselig. Beinahe schon hastig zog sie die Hand wieder zurück.

»Kann ja sein, dass wir uns im Laufe der Nacht noch sehen. Ich bin im Speisewagen.«

»Da werde ich auch hingehen.«

»Haben Sie reservieren lassen?«

»Nein.«

Conolly verzog das Gesicht. »Dann wird es nicht leicht sein, einen Platz zu ergattern. Er ist ziemlich ausgebucht, wie ich hörte. Aber«, jetzt lächelte er. »Sie haben Glück.«

»Wieso?«

»Weil an meinem Tisch noch ein Platz frei ist. Sie können es sich ja überlegen. Bis später vielleicht.« Er ging, und Estelle Crighton schaute ihm nach.

Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und war schon leicht ärgerlich. Wie komme ich nur dazu, einem Fremden so zu vertrauen? Diese Frage stellte sie sich öfter. Es war sonst nicht ihre Art. Auch wenn ihr sie als extrovertierte Person zeigte, im Privatleben war sie eher introvertiert. Ihre wenigen Freunde bezeichneten sie oft schon als zu scheu und zurückgezogen. So war sie kaum auf irgendwelchen Mode-Events zu finden, und auch von Partys hielt sie sich fern, wenn eben möglich.

Jetzt war alles anders.

Noch immer im Gang stehend und das leichte Schwingen des Zugs durch Körperbewegungen ausgleichend, dachte sie über den Mann nach. Sie hatte nicht den Eindruck, als wollte er sie plump anmachen. Er sah zwar gut aus, aber er war nicht der Typ, der so etwas nötig hatte. Zudem hatte sie den Ehering an seiner Hand gesehen. Vielleicht war er einfach nur nett und besorgt gewesen? Auch das sollte es in dieser ansonsten kalten Welt noch geben.

Es wurde Zeit, dass sie wieder ihr Abteil erreichte. Sie nahm den Koffer und legte die letzten Schritte bis zu ihrem Abteil zurück. Wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag, und wieder konnte sie den Grund nicht sagen. Dieser Zug war vom äußeren Bild her völlig normal. Nichts wies darauf hin, dass etwas passieren würde, und trotzdem war da dieses dumpfe Gefühl.

Angst?

Durchaus möglich. Es konnte eine tiefe Angst sein, die jetzt allmählich hochgespült wurde, und die sich schon viele Jahre über versteckt gehalten hatte.

Vor der Tür blieb sie stehen. Der Koffer schien mit Bleiplatten bepackt zu sein. Sie schaute in das Abteil – und fand es leer.

Es wäre jetzt Zeit für sie gewesen, einen Jubelschrei auszustoßen. Vergessen waren die Ängste und bedrückenden Gefühle. Es war alles so, wie Estelle es sich erhofft hatte. Sie brauchte nur die Abteiltür aufzuziehen und einzutreten.

Noch zögerte sie. Wieder brachte sie ihr Gesicht dicht vor die Scheibe. Sie durchsuchte jede Ecke, wie jemand, der absolut auf Nummer Sicher gehen will.

Da war nichts zu sehen. Nichts, vor dem sie sich hätte fürchten müssen. Aber sie lächelte auch nicht erleichtert, weil sie daran dachte, wie lange die Fahrt noch dauern würde. In der Zwischenzeit konnte viel, sehr viel passieren.

Mit einer heftigen Bewegung zog Estelle Crighton die Abteiltür auf. Noch blieb sie auf der Schwelle stehen und saugte die Luft ein. Hier durfte nicht geraucht werden, die Luft hätte also rein sein müssen, und trotzdem störte sie etwas.

Estelle konnte nicht sagen, was das für ein Geruch war. Sie stellte nur fest, dass sie übersensibel reagierte, was den Geruch anging, und über ihren Rücken rann grundlos ein Schauer.

Sei froh, dass du ungestört bist! hämmerte sie sich ein. Benimm dich nicht wie eine Zicke!

Die junge Frau riss sich zusammen. Sie nahm den Koffer wieder hoch und betrat das Abteil mit den grüngepolsterten Sitzen. Sie sah das Fenster mit den abgerundeten Kanten und dahinter die schottische Landschaft in einem düsteren Grau vorübergleiten. Es gab auch Vorhänge, die sie zuziehen konnte, doch das wollte sie noch lassen oder es sich später überlegen.

Wenig später war sie froh, dass sie es geschafft hatte, den Koffer in das Gepäcknetz zu wuchten. Danach schlüpfte sie aus dem Mantel und hängte ihn an einen Haken.

Sie trug ein beigefarbenes Kaschmir-Twinset, eine braune Hose mit Marlene-Dietrich-Beinen und Stiefeletten.

In Fahrtrichtung setzte sich Estelle ans Fenster. Jetzt, als sie etwas zur Ruhe gekommen war, spürte sie das Schaukeln des Waggons, aber es störte sie nicht mehr. Das sanfte Fahren, das Dahingleiten tat ihren Nerven gut. Wenn es so blieb, würde sie irgendwann einschlafen und auch den Speisewagen vergessen, obwohl der nette Fremde sicherlich einen interessanten Abend versprach, ohne dass sie mit irgendwelchen Hintergedanken rechnen musste.

Estelle Crighton war eine Träumerin. Manchmal malte sie sich das Leben so aus, wie sie es gern hätte. Dann sah sie sich in einem wunderschönen Haus mit Garten wohnen. Sie hatte einen Mann, dessen Gesicht aber stets im Schatten blieb, und sie war auch Mutter von zwei Kindern, die durch den sommerlichen Garten tobten, wobei ihr Lachen ansteckend war.

Eine wunderschöne, eine heile, aber auch eine kitschige Welt, die aber nie so recht völlig positiv war, denn über ihr lag stets ein dräuender Schatten.

Die Frau wusste nicht, was es bedeutete. Der Schatten konnte durchaus eine Vorahnung dessen sein, was noch auf sie zukam. Später, denn sie war noch jung und viele Jahre lagen noch vor ihr. Sie hätte darüber glücklich sein können, und doch verfiel sie immer mehr in Melancholie.

Den Grund konnte sie nicht sagen. Er hing auch nicht mit Äußerlichkeiten zusammen, denn finanziell ging es ihr gut. Sie führte ein tolles Leben, sie war als Model ausgebucht, kannte die großen Städte Europas und auch die meisten der Welt, denn die Mode war eben international.

Trotzdem war sie nicht glücklich. Sie überkam immer stärker der Eindruck, dass etwas mit ihrem Leben nicht stimmte. Da lief etwas schief, da konnten auch Dinge im Verborgenen liegen, die erst zum Vorschein kamen.

Der Blick in die Scheibe, der Blick gegen die Scheibe, in der sie wieder ihr Gesicht sah, mit dem sie jedoch nicht zufrieden sein konnte. Wieder lösten sich die Umrisse auf. Sie verschwanden in der vom gelblichen Licht getroffenen Scheibe und vermischten sich mit den schattenhaften Bildern, die ab und zu von außen her über das Glas hinweghuschten.

Estelle nahm es als Omen wahr. Als eine bestimmte Bedeutung, die einzig und allein ihr galt. Sie war der Mittelpunkt, und um sie drehte sich alles.

Warum verschwamm ihr Gesicht? Warum zeichnete es sich nicht normal ab wie bei anderen Menschen auch? Was steckte da in ihr? War sie etwas Besonderes?

Daran konnte sie nicht glauben. nein, nicht jetzt, nicht hier im Zug. Es musste eine andere Bedeutung haben oder sogar eine Bestimmung. Darüber musste sie einfach nachdenken, und zugleich spürte sie den Stich tief im Magen.

Ja, es hing einzig und allein mit ihr zusammen. Die Umwelt hatte damit nichts zu tun.

Estelle lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Wie unter Zwang schloss sie die Augen. »Ich bin es«, flüsterte sie vor sich hin. »Ich bin es, an der alles hängt.«

Wieder überkam sie das Gefühl der Traurigkeit. Es waren die Momente, in denen sie sich so überflüssig und nutzlos vorkam. Wie jemand, bei dem der große Schicksalsschlag dicht bevorstand, und dem er nicht ausweichen konnte.

Sie hatte das Gefühl, weinen zu müssen und riss sich stark zusammen, um es nicht zu tun. Ihr Kopf war nicht von Schmerzen erfüllt, aber von einem ungewöhnlichen Brausen, als hätten es fremde Gedanken geschafft, in sie einzudringen. Fremde und trotzdem irgendwo auch vertraute Gedanken, mit denen sie nicht so leicht fertig wurde.

Es war ihr alles nicht so neu. Die Gedanken waren schon früher durch ihren Kopf geglitten, aber nie so intensiv wie jetzt. Wenn sie schon über ein Schicksal nachdachte, dann kam es ihr so nahe vor. Es brauchte nur wenige Schritte zurückzulegen, um sie zu erreichen.

Estelle Crighton schreckte aus ihren Gedanken hoch.

Jemand hatte die Tür aufgerissen.

Sie drehte den Kopf – und sah den Mann!

*

Das war ein solcher Augenblick wie ihn sich Estelle gewünscht hatte. Sie blieb sitzen wie eine Tote, das blasse Gesicht verlor noch mehr an Blut. Sie hoffte, den anderen normal anschauen zu können, und nur mit Mühe unterdrückte sie das Zittern.

Er stand noch immer in der Tür. Wie hineingedrückt. Er füllte den Raum aus. In seiner Kleidung kam er Estelle vor wie ein düsterer Todesbote, der die Gefilde der Hölle verlassen hatte, um auf der Erde abzurechnen.

Der Mann war groß. Durch die schwarze Kleidung wirkte er noch kompakter. Der lange Mantel reichte ihm bis über die Waden hinweg. Er hatte ihn nicht geschlossen, und sie erkannte, dass er darunter einen grauen Pullover und eine graue Hose trug. Ein Gepäckstück besaß er nicht. Dies wiederum gab ihr die Hoffnung, dass er bald ausstieg, wobei nichts darauf hindeutete.

Der Fremde schaute sich um mit einem Blick, der gleichgültig über Estelle hinwegstreifte. Das Haar war ebenfalls dunkel und glatt nach hinten gekämmt, wobei er es an den Seiten bis zu den Ohren hin gekämmt hatte, damit die Spitzen dort aufliegen konnten.

Er sah sehr männlich aus mit seiner hohen, jetzt etwas angekrausten Stirn, der geraden Nase, die am Beginn der unteren Stirn wie eine Kuhle eingedrückt war und erst dann richtig hervortrat, um über einem breiten Mund mit etwas weichen Lippen zu enden. Die Schatten auf den Wangen ließen auf einen Bartansatz schließen. Vom Alter her war er schlecht zu schätzen. Er musste zwischen 30 und 40 sein.

Für Estelle war die Zeit stehen geblieben. Sie wusste, dass nur Sekunden vergangen waren, die ihr vorkamen wie lange und auch bange Minuten. Der Neuankömmling benahm sich nicht anders wie jeder andere Reisende auch. Er schickte ihr ein flüchtiges Lächeln entgegen und erkundigte sich, ob die restlichen Plätze noch frei wären.

Am liebsten hätte Estelle ein »Nein« geschrien, aber sie konnte einfach nicht ablehnen, und so nickte sie.

»Danke, das ist gut.«