John Sinclair 1188 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1188 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Wartesaal zum Jenseits.

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Beerdigung Ihrer Mutter. Plötzlich klingelt Ihr Handy, obwohl Sie es abgestellt haben. Sie melden sich trotzdem und hören die Stimme der Toten, die eigentlich vor Ihnen im Sarg liegt.

Eine grauenhafte Vorstellung. Aber Tessa Tomlin erlebte das Unvorstellbare mit ihrer verstorbenen Mutter, die sich aus dem Wartesaal zum Jenseits gemeldet hatte.

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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EPUB
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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumWartesaal zum JenseitsVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Wartesaal zum Jenseits

Tessa Tomlin ist gerade auf der Beerdigung ihrer Mutter, als plötzlich ihr Handy klingelt. Und das, obwohl es eigentlich abgestellt war. Als sie rangeht, spricht ihre verstorbene Mutter mit ihr. Sie meldet sich aus dem Wartesaal zum Jenseits.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-3922-9

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Wartesaal zum Jenseits

»Mag der Tod eines geliebten Menschen für die Hinterbliebenen auch noch so schrecklich und endgültig sein, für den Verstorbenen selbst ist es ein Neuanfang, denn er begibt sich wieder zurück in die Arme unseres Schöpfers.«

Der Geistliche verstummte. Er senkte den Kopf, als wollte er der Leiche im Sarg noch einen letzten Gruß zusenden.

Ungefähr 20 Menschen hatten sich um das Grab versammelt. Darunter befand sich auch Tessa Tomlin, die Tochter der verstorbenen Marga Tomlin.

Tessa weinte leise in ihr Taschentuch. Sie konnte den Tod der Mutter noch immer nicht fassen. Viel zu früh war sie aus dem Leben gerissen worden. Gerade mal 50 Jahre. Kein Alter, aber darauf nahm der Tod keine Rücksicht. Dabei war Marga sehr gläubig gewesen. Als fromm hatte sie sich bezeichnet. Manchmal hatte ihr Benehmen schon etwas Sektiererhaftes an sich gehabt. Dann war es passiert …

Schlagartig. Urplötzlich. Vorbei. Mitten in ihrer kleinen Wohnung und direkt vor dem Altar, an dem sie jeden Abend gekniet und gebetet hatte.

Tessa hatte sie gefunden. Die junge Frau schüttelte den Kopf, als sie daran dachte. Sie hörte nicht, dass der Pfarrer weiterredete, ihre Gedanken glitten zurück, und sie erinnerte sich deutlich an den Gesichtsausdruck der toten Mutter.

Er war so anders gewesen. Nicht zu einer Toten passend, wenn man so wollte. Verklärt, und auf eine gewisse Art und Weise sogar glücklich. Weit geöffnete Augen. Mit einem seltsamen Glanz darin, als hätte die Mutter etwas sehr deutlich gesehen, was den noch lebenden Menschen verborgen blieb.

Das konnte alles Mögliche gewesen sein. Tessa hatte lange vor der Mutter gestanden und sie betrachtet. Dabei war ihr in den Sinn gekommen, dass die Tote bereits in den letzten Minuten des Lebens einen Blick in das Jenseits hatte werfen können. Hinein in den Himmel mit all seiner Herrlichkeit.

Jetzt war alles vorbei. Die drei Tage vor der Beerdigung waren für Tessa ein Albtraum gewesen. Sie hatte ständig das Gefühl gehabt, neben sich zu stehen oder die Welt durch einen Filter wahrzunehmen.

Nun lag die Mutter im Sarg. Im Grab. Auf einem Friedhof. Sogar auf dem kleinen Hügel. Das hatte sie sich immer gewünscht. Man hatte von hier einen wunderschönen Blick über das gepflegte Gelände mit seinen Hecken und den krummen Bäumen, die ihr buntes Kleid längst abgelegt und auf dem Boden verteilt hatten.

Tessa sah die dunklen Vögel, wenn sie den Blick anhob, aber sie sah auch die grauen Dunstschleier, die in den Monat November hineinpassten und den Friedhof zu erobern begannen. Vor einer Stunde hatte noch die blasse Wintersonne geschienen. Jetzt nicht mehr. Sie war fast verschwunden und abgetaucht in den grauen Dunst, sodass sie wie eine zerfranste Scheibe wirkte.

Tessa holte tief Luft. Sie schluckte. Sie hatte sich vorgenommen, nicht zu weinen. Sie tat es trotzdem. Es stand nur sie als Verwandte am Grab. Den Vater gab es nicht mehr. Er war irgendwann einmal gegangen. Zur See gefahren und nicht mehr zurückgekehrt. Marga hatte mit ihrer Tochter nie über die Gründe gesprochen, und Tessa hatte auch nicht fragen wollen.

Dennoch waren einige Menschen zusammengekommen. Auch in der Totenmesse hatten sie auf den Bänken gesessen. Fremde Menschen für Tessa. Ihrer verstorbenen Mutter mussten sie jedoch vertraut gewesen sein.

Nicht weinen. Du hast schon genug geweint. Immer wieder hämmerte sie sich den Satz ein. Sie wusste selbst nicht, aus welchem Grund sie das tat. Es war einfach so. Die Tränen anhalten. Keine Blöße zeigen. Sich zusammenreißen, den anderen keine Munition liefern. Außerdem fühlte sich Tessa ständig beobachtet von diesen fremden Augen, in die sie kaum hineinzuschauen wagte.

Einige Male hatte sie es getan und rasch wieder zur Seite geblickt. Die Blicke der Trauergäste hatten ihr einfach nicht gefallen. Sie waren ihr zu vorwurfsvoll gewesen, als gäben die Menschen ihr am Tod der Mutter die Schuld. Es mochte ein Irrtum gewesen sein, aber so war es ihr vorgekommen.

Als Tochter musste sie direkt in der Nähe des offenen Grabes stehen. Wäre es nach ihr gegangen, sie hätte sich mehr nach hinten gestellt, aber das konnte sie sich nicht leisten.

Der Geistliche sprach noch immer. Sie hatte ihn zu Lebzeiten ihrer Mutter nicht gekannt. Er war aber ein Vertrauter ihrer Mutter gewesen und hatte alles an sich gerissen. Jeden Tag war sie in die kleine Kirche gegangen, die so idyllisch lag, gar nicht mal weit vom Friedhof entfernt, und jetzt ebenfalls von Nebelschwaden umschlossen wurde.

Es war eine Welt der Trauer geworden. Eine der Tränen und auch der starren Gesichter, denn sie schauten einzig und allein auf die junge Frau am Grab. Es kam ihr auch weiterhin so vor, als würde nur sie angeschaut werden und niemand sonst.

Tessa bewegte sich etwas zurück. Sie drehte jetzt den Kopf. Sie sah die Gesichter, die oft nur blassen Flecken glichen. Frauen und Männer. Unterschiedlich vom Alter her. Sehr bewegungslos, irgendwie auch in der Trauer erstarrt.

Fast wie Zombies, dachte Tessa und spürte die Gänsehaut auf ihrem Körper noch intensiver.

Schuld? Muss ich mir die Schuld geben? Nein, das sicherlich nicht, obwohl die Menschen um sie herum so aussahen, als wollten sie der Tochter allein die Schuld geben. Harte Blicke, auch wissende. Tessa merkte den leichten Schwindel. Am liebsten hätte sie um sich geschlagen und die Meute vertrieben.

Sie hörte auch nicht mehr, was der Pfarrer sagte, der sich zu ihr umdrehte.

Er war ein Mann, der irgendwie alterslos wirkte. Schmal. Graues Haar, graues Gesicht. Augen, die sie anschauten. Tessa hatte Mühe, dem Blick standzuhalten. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten. Deshalb drückte sie die Finger zu Fäusten zusammen. Auch die anderen Trauergäste kamen jetzt näher. Ein Fuß stieg leicht gegen den hohen Lehmhaufen am Rande des Grabes. Einige Erdklumpen gerieten in Bewegung. Sie rollten über den Rand hinweg in das Grab hinein und schlugen mit einem pochenden Laut auf den Sargdeckel. Tessa hörte das Geräusch überdeutlich.

Sie war davon ausgegangen, dass der Pfarrer ihr kondolieren würde. Aber er streckte ihr nicht die Hand entgegen. Wie ein Denkmal blieb er an der Seite des Grabes stehen und begann mit einer neuen Rede. Er wandte sich nicht mehr an die Tote, sondern an die Trauergäste.

Tessa mochte seine Stimme nicht. Sie klang ihr zu salbungsvoll, und auch jetzt hatte sie diesen Ausdruck nicht verloren.

»Unsere Schwester ist von uns gegangen. Sie hat den Weg als Erste geschafft. Und sie ist dabei, das zu sehen, was wir später ebenfalls zu sehen bekommen. Wir sollten uns darauf vorbereiten, wir sollten uns freuen und daran denken, dass sie es geschafft hat, worauf wir noch hinarbeiten. Der Tag des Schmerzes kann auch zu einem Tag der Freude oder des Glücks werden. Wie haben wir immer gesagt? Die Wartezeit ist vorbei, zumindest für unsere Schwester Marga. Deshalb sollten wir auch dankbar sein und uns mit ihr freuen …«

Tessa begriff die Worte nicht. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Wie konnte jemand so reden? Das passte nicht ans Grab einer Toten. Wahrscheinlich hatte sie zu wenige Beerdigungen erlebt und war nicht auf dem Laufenden. Möglicherweise redete man heute so. Auch wenn, sie war trotzdem nicht in der Lage, dies zu begreifen. So redete man nicht an einem Grab. Für sie war es ein Novum.

Sie schaute sich wieder vorsichtig um. Gesichter und Gestalten rahmten sie ein. Freunde der Mutter. Keine Träne floss. Kein Blick war verschleiert, und die Trauergäste kamen ihr auf einmal so unheimlich vor.

Fast wie Teufel, die sich verkleidet hatten. Tessa musste unwillkürlich den Kopf schütteln. Alle sahen es, aber nur der Pfarrer reagierte.

»Glaubst du mir nicht, meine Tochter?«

Jetzt, da Tessa direkt angesprochen worden war, hatte sie die Antwort nicht parat. Sie ärgerte sich selbst über ihr Schulterzucken und hörte, wie ein pfeifender Atemzug über ihre Lippen drang.

»Meine Mutter ist tot!«, sprach sie, nur um irgendetwas zu sagen. »Tot, verstehen Sie?«

»Ja, ich verstehe. Aber Sie sollten es trotzdem anders sehen. Sie ist auf dem Weg und schon fast am Ziel.« Bei diesen Worten begannen die Augen des Pfarrers zu glänzen. »Sie ist dort, wo wir alle hinkommen werden. Sie hat es geschafft!«

Tessa spürte Wut in sich hochsteigen. Sie bekam einen roten Kopf und musste sich zusammenreißen, um nichts Falsches zu sagen. »Wissen Sie eigentlich, dass meine Mutter noch so verdammt jung gewesen ist? Sie hätte nicht zu sterben brauchen. Sie wurde brutal mitten aus dem Leben gerissen. Was Sie hier tun und reden, das ist doch alles Täuschung. Okay, dreißig Jahre später hätte ich es verstanden, aber meine Mutter war gerade Fünfzig.«

»Sie war vorbereitet, meine Teure.«

»Unsinn.«

»Jeder von uns ist vorbereitet. Wir alle sind ihre Freundinnen und Freunde gewesen. Wir können es so gut nachvollziehen. Wir Menschen befinden uns alle in der Warteschleife, um nach ihrem Verlassen das große Ziel zu erreichen.«

Tessa hatte das Gefühl, einen Schlag gegen den Kopf zu bekommen. So etwas hatte ihr noch nie jemand gesagt. Am liebsten hätte sie gelacht, doch das wäre verkehrt gewesen. Stattdessen spürte sie den Drang in sich, auf der Stelle kehrtzumachen und einfach wegzulaufen. Nur nichts mehr von diesen Leuten sehen. Sie widerten sie an. Für Tessa waren das keine Freunde, sondern falsche Freunde. Auch das Leben ihrer Mutter wollte sie von nun an mit anderen Augen sehen. Schon jetzt stand für sie fest, dass die Verstorbene ein großes Geheimnis mit sich herumgetragen hatte.

Tessa wusste auch nicht, wohin sie blicken sollte. Sie wollte den hellbraunen Sarg nicht sehen, und sie wollte auch nicht in die Gesichter der anderen schauen. Sie fühlte sich von diesen verdammten Blicken regelrecht ausgezogen.

Die Menschen kamen ihr vor, als stünden sie nur hier, um auf etwas Bestimmtes zu warten, was letztendlich auch mit ihr zu tun hatte. Vielleicht wollten sie beobachten, wie sie als Tochter reagierte. Jede ihrer Bewegungen stand unter Kontrolle, und sie merkte, wie es in ihr eiskalt wurde und ihr Blut wie Eis durch ihre Adern zu kriechen schien. Sie atmete durch den offenen Mund, die Sekunden dehnten sich in die Länge. Es gab für sie nichts mehr, das noch normal war.

Jeder hörte das Klingeln.

Eine Melodie. Zart, aber trotzdem fordernd. Wieder bekam Tessa einen roten Kopf. Die Knie gaben nach. Sie fluchte innerlich, denn es war ihr Handy, das sich gemeldet hatte.

Aber warum?

Eigentlich unmöglich. Sie hatte es abgestellt. Es hätte gar nicht klingeln dürfen.

Oder doch nicht?

Sie war irritiert. Das Handy klingelte weiter. Eine fröhliche Melodie. Komponiert von Mozart. Um Tessa herum standen die Glotzer und warteten darauf, dass sie sich meldete.

Die Hände bewegten sich nervös. In irgendeiner Tasche steckte der Apparat. Innen – außen?

Innen!

Endlich. Sie hatte ihn. Die Hand zitterte. Noch mehr kam sich Tessa vor wie auf einer Bühne. Die Hand war schweißnass, und der schmale Apparat wäre ihr beinahe aus den Fingern gerutscht.

An, aus?

Er war aus. Und trotzdem …

Sie meldete sich, denn jetzt war ihr alles egal. »Ja, bitte, wer spricht dort?«

Eine kurze Pause. Danach das leise Lachen. Tessa wurde schon da vom Grauen erfasst, doch es potenzierte sich noch, als sie die fragende Singsang-Stimme hörte.

»Wie geht es dir, Kind?«

Tessa schrie auf. Das Handy rutschte aus der Hand. Es landete dicht vor der Graböffnung. Die junge Frau selbst brach zusammen, denn die Stimme aus dem Handy hatte ihrer toten Mutter gehört …

*

Warum werde ich nicht bewusstlos? Warum sterbe ich nicht? Warum drehe ich nicht durch?

Auf Tessa stürmten plötzlich Fragen ein. Sie fühlte sich wie in einem Karussell sitzend, das sich immer schneller drehte, um sie mitzureißen. Das war der reine Wahnsinn. Das war wie ein Tritt gegen den Magen und das Gesicht zugleich.

Vor ihren Augen war die Welt verschwunden. Sie sah alles nur noch in düsteren Farben. Erst nach einer Weile wurde ihr klar, dass sie auf dem Boden hockte, den Grabhügel im Rücken. Sie fühlte sich getreten und kleingemacht, während das Herz wie verrückt in ihrer Brust pumpte. Jeder Schlag tat ihr weh und schien ihre Brust sprengen zu wollen. Erst ganz allmählich schälte sich die normale Welt wieder hervor, und so sah sie die Trauergäste und den Pfarrer, der ihr Handy aufgehoben hatte und hineinsprach.

Mit wem er redete, wusste Tessa nicht. Sie wollte es auch nicht glauben, dass er Kontakt mit ihrer Mutter hatte. Das war ihr einfach alles zu viel.

Sie hörte auch nicht, was er sagte. Er stand auf dem Fleck und hatte die Stimme gedämpft.

Jemand reichte ihr seine Hand. Es war ein Mann im dunklen Mantel. Gar nicht mal so alt, aber sehr starr aussehend. Erst wollte Tessa die Hand nicht umfassen. Dann überlegte sie es sich anders und ließ sich in die Höhe ziehen.

Die Haut kam ihr vor wie ein kaltes Stück Fleisch. Da gab es einfach keine Wärme. Sie kam auf die Füße, ging einen falschen Schritt und wäre beinahe in das Grab gestürzt, aber der Mann hielt sie fest. Dabei flüsterte er etwas, was sie nicht verstand.

Der Geistliche hielt noch immer das Handy fest. Er sprach nicht mehr und streckte Tessa das flache Gerät entgegen. Die junge Frau zögerte, danach zu greifen, und tat es, als der Pfarrer nickte.

Es fiel ihr wahnsinnig schwer, es gegen das Ohr zu drücken. Als sie Kontakt bekam, hatte sie das Gefühl, einen Klumpen Eis an ihrem Ohr zu spüren.

Es war aus, aber es war trotzdem an. Sie befand sich in einer Lage, in der sie es herausfinden konnte, ohne gleich durchzudrehen. Sie hörte, dass jemand Kontakt haben wollte.

»Wie geht es dir, Kind?«

Tessa hatte nur für sich hörbar diese Frage wiederholt. Dabei aber in das Handy gesprochen. Sie erhielt sogar eine Antwort. eine Flüsterstimme, eingepackt in leises Rauschen.

»Wir sind ja so dicht beisammen. Die Toten und die Lebenden. Du glaubst gar nicht, wie wenig uns trennt, meine Tochter. Es ist alles so wunderbar geregelt.«

Tessa konnte nicht sprechen. Sie hatte das Gefühl, jemand hätte ihr die Beine weggezogen. Jetzt schwebte sie plötzlich zwischen Himmel und Erde wie ein Geist, der sich nicht entscheiden kann, in welche Richtung er sich bewegen will.

Was ihre Mutter gesagt hatte, stimmte schon. Das war alles okay. Es gab das Jenseits. Es gab auch das Diesseits. Aber dass sich die Toten meldeten, das hatte sie bisher nicht erlebt. Zumindest nicht in der Wirklichkeit. So etwas gab es nur in Filmen oder auch in irgendwelchen Romanen.

»Tessa …?«

Sie musste schlucken.

»Warum sagst du nichts?«

»Mutter?« Endlich – endlich hatte sie das Wort hervorgebracht. Es war ihr so irrsinnig schwer gefallen. Sie konnte noch immer nicht daran glauben, und wieder hatte sie das Gefühl, dass der Fleck, auf dem sie stand, zu einem Kreisel wurde. Tessa bewegte ihre Arme, weil sie Halt finden wollte. Und sie schaute dabei zum blassblauen Himmel, als wäre dort die feinstoffliche Gestalt der Mutter zu sehen, aber da sah sie nichts. Nur den leichten Dunst und die kahlen Äste der Bäume.

»Es ist schön, dich zu hören. Aber du klingst so traurig, und das gefällt mir nicht.«

Es war Tessa jetzt gleichgültig, ob man ihr zuhörte oder nicht. Sie musste jetzt einfach sprechen, und sie redete auch laut. »Himmel, du bist tot, Mutter. Ich … ich … muss einfach traurig sein. Soll ich denn darüber lachen?«

»Nein, Tessa, nein.«

»Bist du denn nicht tot?«

»Ich bin glücklich.«

»Haha …« Ein scharfes Lachen verließ Tessas Mund. Sie hatte sich einfach nicht zurückhalten können. Nein, das wollte sie nicht glauben. Aber das Lachen kehrte sich um. Es wurde zu einem Schluchzen. Plötzlich hasste Tessa das Gerät, das sie in der Hand hielt. Sie hätte es am liebsten mit ihren Fingern zerknackt und weggeworfen. Sie hasste die Menschen um sich herum. Ihre Mienen, ihre gespielte Anteilnahme. Plötzlich kamen sie ihr vor wie Geier. Selbst der Geistliche glotzte sie aus starren Augen an.

»Wo bist du, Mutter?«

»In einer anderen Welt. Im Wartesaal zum Jenseits!«

Die letzte Antwort war für die junge Frau zu viel. Sie schrie noch mal auf und schleuderte das Gerät mit einer wütenden Bewegung zur Seite. Fast hätte es den Kopf einer Frau getroffen. Es flog dicht an ihrem Ohr vorbei und krachte gegen einen krummen Baumstamm.