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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!
Lady Sarahs Horror-Trip.
Das Unheil kam mit der Post!
Lady Sarah Goldwyn fand die Visitenkarte in einem Briefumschlag. Der Name lautete Abel Morley. Eine Adresse in Kensington.
Sarah fuhr hin. Sie betrat ein leeres Haus und erlebte eine unheimliche Erscheinung, die ihr wie ein Gruß aus dem Jenseits vorkam.
Wenig später tauchten die beiden Killer auf. Damit begann Lady Sarahs Horror-Trip.
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Das Unheil kam mit der Post!
Lady Sarah Goldwyn fand die Visitenkarte in einem Briefumschlag. Der Name lautete Abel Morley. Eine Adresse in Kensington.
Sarah fuhr hin. Sie betrat ein leeres Haus und erlebte eine unheimliche Erscheinung, die ihr wie ein Gruß aus dem Jenseits vorkam.
Wenig später tauchten die beiden Killer auf. Damit begann Lady Sarahs Horror-Trip.
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-3928-1
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Mit der Post kam das Unheil!
Lady Sarah Goldwyn war keine Hellseherin. Doch als sie den neutralen Umschlag in der Hand hielt und keinen Absender entdeckte, ahnte sie sofort, dass irgendwas nicht stimmt.
Die Horror-Oma tastete den Brief ohne Absender ab. Einen härteren Gegenstand konnte sie nicht fühlen. Jemand hatte ein normales Papier geknickt und in den Umschlag gesteckt. Eigentlich kein Grund, um misstrauisch zu sein.
Sarah Goldwyn war es trotzdem. Und sie ärgerte sich auch, dass ihre Mitbewohnerin Jane Collins nicht im Haus war …
Jane hatte es zu einer Tagung getrieben, die sich über drei Tage hinzog. Dort trafen sich Privatdetektive und Detektivinnen, um über ihre berufsspezifischen Probleme zu sprechen. Als Ort hatten sie sich ein großes Hotel in Brighton ausgesucht und konnten, wenn das Wetter es zuließ, am Meer spazieren gehen.
Nachdem Sarah sich mit dem Brief ins Wohnzimmer gesetzt und die Brille aufgesetzt hatte, griff sie zu einem Brieföffner und schlitzte das Kuvert auf.
Es passierte nichts.
Kein Attentat. Keine Säure, die ihr plötzlich entgegengespritzt wäre, womit sie auch nicht gerechnet hatte. Es war alles so völlig normal.
Sie klaubte das Papier hervor und entfaltete es. Nichts war beschrieben, aber innerhalb des Papiers verbarg sich eine Nachricht, die jetzt zu Boden fiel.
Die Horror-Oma hob sie auf und hielt eine Visitenkarte in ihrer Hand.
Über ihre Lippen huschte ein Lächeln. Sie fühlte sich auf eine gewisse Art und Weise erleichtert. Eine Visitenkarte war nicht gefährlich, aber ihr Misstrauen blieb trotzdem. Jemand, der ihr eine Visitenkarte schickte, musste seinen Grund haben, der legte sie nicht einfach nur so in den Umschlag. Der wollte etwas von ihr. Zumindest die Neugierde anheizen.
Brief und Umschlag legte sie auf den kleinen Tisch zurück und las das Gedruckte auf der Karte.
Abel Morley, lautete der Name. Sarah flüsterte ihn vor sich, schüttelte den Kopf, las ihn noch mal und zuckte dann mit den Schultern, denn dieser Name sagte ihr nichts.
Auf der Karte war eine Adresse in Kensington angegeben. Also nicht eben die schlechteste Gegend. Wer dort lebte, musste auch das entsprechende Geld haben.
Warum schickt man mir eine Visitenkarte?, überlegte Sarah. Da gab es nur eine Lösung. Man wollte sie neugierig machen. Sie sollte sich also dorthin begeben. In das Haus. Zu dieser Adresse, um weitere Informationen zu erhalten.
Sie lachte leise und sagte sich, dass so dumm doch niemand sein konnte.
Das war die eine Seite. Es gab auch noch eine andere. Und die hieß Neugier.
Der Absender hatte Lady Sarah sicherlich nicht ohne Grund ausgesucht. Er kannte sie. Und wenn das stimmte, dann kannte er auch ihre Neugierde.
Bestimmt hätten viele Menschen die Visitenkarte eines Unbekannten kurzerhand in den Papierkorb geworfen. Zu dieser Kategorie gehörte Lady Sarah nicht. Mit dem Eintreffen der Karte war ihre Neugierde geweckt worden. Darauf hatte der Unbekannte bestimmt spekuliert. Er kannte sie also gut genug.
Tatsächlich spielte Sarah mit dem Gedanken, nach Kensington zu fahren. Der Stadtteil lag nicht eben weit von Mayfair entfernt. Wenn sie sich nicht zu sehr täuschte, lag die Straße in der Nähe des Holland Parks.
Ja oder nein?
Sie überlegte. Immer wieder beschäftigte sich Sarah mit dem Namen Morley. Er wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf. In ihrem langen Leben waren ihr viele Menschen begegnet, aber niemand mit dem Namen Abel Morley. Daran hätte sie sich erinnert, denn ihr Gedächtnis war noch top.
Es gab noch eine andere Möglichkeit, mehr über Morley herauszufinden. Unter dem Dach hatte Jane Collins ihr Büro eingerichtet. Unter anderem verbarg sich dort ein normales Archiv, aber auch ein elektronisches. So hätte Sarah auch im Internet nachschauen können, ob der Name dort registriert war.
Nein, das wollte sie nicht. Zudem beschlich sie eine Ahnung, dass sie dort nichts fand. Da war es besser, wenn sie sofort zu dieser angegebenen Adresse fuhr.
Das wollte sie auch tun. Oder? Sie zweifelte noch. Sie überlegte. Sie ärgerte sich wieder, allein im Haus zu sein. Wäre Jane Collins da gewesen, wären sie gemeinsam gefahren. Jane hätte ihr natürlich auch abgeraten, allein einen Besuch abzustatten. So etwas hielt sie für zu gefährlich. Ebenso hätte John Sinclair reagiert, denn alle waren sehr besorgt um sie.
Deshalb rief Sarah ihren Freund, den Geisterjäger, auch nicht erst an. Sie wollte das Haus mal anschauen. Das konnte nicht schaden. Dann konnte sie immer noch entscheiden, was genau zu tun war.
Sie griff zum Telefon und rief ein Taxi an. Danach schlüpfte sie in ihren Mantel und steckte die Visitenkarte in dessen Innentasche. Sie blickte noch aus dem Fenster und fand, dass das Wetter draußen aussah wie eine graue Suppe, die sie allerdings nicht von ihrer Tätigkeit abhalten sollte.
Der frische Tag versprach trotzdem, spannend zu werden …
*
Die Addison Road in Kensington war eine recht breite Straße. Sie führte unter anderem westlich des Holland Parks vorbei, und von ihr zweigten Straßen in zwei unterschiedliche Richtungen ab. Einige davon waren Sackgassen. So auch die Straße, die Lady Sarah dem Taxifahrer als Adresse angegeben hatte.
Der Mann fuhr bis zum Ende und hielt an. »Hier müssen Sie aussteigen, Madam.«
»Danke.« Sarah ließ sich nicht aus dem hohen Wagen helfen. Sie stieg allein aus, beglich die Rechnung und legte noch ein gutes Trinkgeld dazu.
Auf dem Gesicht des Fahrers erschien ein breites Lächeln, und er wünschte Sarah noch einen angenehmen Tag.
»Danke, Ihnen auch.«
Sie wartete, bis der Wagen nicht mehr zu sehen war. Dann schaute sie sich um. Ja, es ging hier nicht mehr weiter. Die Straße endete in einem Wendehammer, in dem jedoch kein anderes Fahrzeug abgestellt worden war. Das hatte man hier nicht nötig. Wer in dieser Gegend lebte, der wohnte im eigenen Haus oder auch in den Häusern zur Miete, die mit genügend Garagenplätzen ausgestattet waren.
Von Bausünden wollte Sarah nicht sprechen, als sie auch höhere Häuser in den Lücken zwischen den Bäumen entdeckte. Die meisten bestanden aus der alten Bausubstanz und man konnte sie durchaus als Villen bezeichnen.
Sie kam sich allein vor, denn irgendwelche anderen Menschen waren nicht zu sehen. Eine spätmorgendliche Stille hatte sich über das Gelände gesenkt. Im Sommer konnte es hier sicherlich nett sein, im Winter weniger, denn auch diese Gegend wurde vom Grau eines schlechten Wetters nicht verschont.
Sie konnte nicht direkt auf das Haus zugehen, das sie interessierte. Es lag von der Straße entfernt und versteckte sich in einem Garten, in dem Laubbäume wuchsen, die zu dieser Jahreszeit kahl und traurig aussahen.
Die Horror-Oma war eine scharfe Beobachterin. So schnell entging ihr nichts. Auch jetzt, als sie auf das Haus zuging, verhielt sie sich nicht anders. Aus bestimmten Gründen hatte sie auch ihren Stock mitgenommen, dessen mit Gummi besetztes Ende in bestimmten Abständen gegen den feuchten Boden stieß.
Die Umgebung des Hauses sah nicht ungepflegt aus. Nein, das konnte man nicht behaupten. Aber die Horror-Oma kam trotzdem nicht umhin, zuzugeben, dass der Garten doch etwas anders wirkte, als die der Nachbarn. Eine Idee wilder, ungepflegter. Sie hatte auch den Eindruck, vor einem verlassenen Bau zu stehen. Ob es an den Rollos lag, die an einigen Fenstern zur Hälfte oder mehr herabgelassen worden waren, konnte sie nicht sagen.
Dabei war es kein besonders prächtiger Bau. Nicht klotzig, auch nicht protzig, keine Trutzburg mit Türmen oder vielen Gauben und Erkern. Das Haus wirkte völlig normal.
Das Dach war recht flach. Früher mussten die Pfannen mal grau gewesen sein. Im Laufe der Zeit hatte sich dort eine Patina abgelegt, die einen grünlichen Schimmer hatte.
Eine Treppe aus drei recht breiten Stufen führte zum Eingang. Sarah drehte sich noch mal um.
Sie hatte nicht das Gefühl, beobachtet zu werden, aber sie wollte auf Nummer sicher gehen. Im jetzt hinter ihr liegenden Garten bewegte sich nichts. Auch auf der Straße außerhalb ließ sich kein Mensch blicken.
Die Horror-Oma wandte sich der Tür zu und suchte nach einem Hinweis auf den Bewohner. Kein Schild, kein Name. Zumindest nicht beim ersten Hinsehen. Dann entdeckte sie doch etwas.
An der rechten Seite der Türnische fiel das schmale Schild im Mauerwerk kaum auf. Sie musste schon genau hinschauen, um die Buschtaben A und M zu erkennen.
Abel Morley also.
Plötzlich kam sich Sarah lächerlich vor. Sie stand hier vor einer fremden Haustür. Und das nur, weil ihr jemand eine Visitenkarte geschickt hatte, auf der diese Adresse angegeben worden war. Aber das konnte es auch nicht sein. So etwas war kein Versehen. Das tat niemand grundlos. Es musste einfach ein Motiv geben. Genau das wollte Sarah herausfinden. Es kam niemand, um ihr die Haustür zu öffnen. Da sich auch der Verkehrslärm in Grenzen hielt und sehr weit weg war, empfand sie die Stille als belastend.
Nur wenige Vögel zwitscherten, und selbst diese Laute hörten sich irgendwie trauriger an als im Sommer und bei hellem Sonnenschein.
Wieder verschwinden oder warten, bis jemand kam? Schellen konnte sie nicht, denn sie hatte bisher noch keinen Klingelknopf entdeckt. Das Warten war nicht ihre Sache. Auf der anderen Seite wollte sie einfach nicht glauben, dass sich jemand einen Spaß mit ihr erlaubt hatte.
Warten oder gehen?
Sarah ging. Allerdings nur einen Schritt auf die Tür zu, sodass sie dagegen stieß. Sie hatte es nicht einmal bewusst getan, aber der Erfolg stellte alles in den Schatten.
Die Tür war nicht verschlossen gewesen. Durch den leichten Druck hatte sie nachgegeben, und jetzt schwang sie nach innen und gab Lady Sarah den Weg frei.
Die Horror-Oma holte tief Luft. »Na«, sagte sie, »dann wollen wir mal …«
*
Das Haus war kalt!
Nicht nur vom Gefühl her, sondern auch von der Temperatur. Es kam Sarah ausgekühlt vor, als sie über die Schwelle getreten war und die ersten Schritte in den leeren, saalartigen Empfangsbereich hineinging, der nicht mal zu groß war, ihr allerdings trotzdem so vorkam, weil sie die einzige Person war, die sich in diesem unteren Bereich aufhielt. Sie wartete einige Sekunden ab, und als sich dann nichts tat, drückte sie die Tür wieder zu.
Sie hatte plötzlich das Gefühl, eingeschlossen zu sein, aber das war wohl nur Einbildung.
Sie wollte das Innere des Hauses auf sich einwirken lassen und blieb zunächst stehen. Zuerst fiel ihr die breite Holztreppe auf, die sich nach oben wand. Die Decke war zwar düster, wirkte aber nicht zu bedrohlich, weil es genügend Fenster gab, durch die das Licht fallen konnte. Nur bei einem hing das Rollo zur Hälfte nach unten.
Sie schnupperte. Wollte wissen, ob das Haus bewohnt war. Menschen hinterlassen Spuren, die auch aus Gerüchen bestehen. In einem bewohnten Haus roch es anders als in einem leeren. Sarah hatte ein gutes Gespür dafür, das hier allerdings versagte. Sie hätte nicht behaupten können, dass das Haus bewohnt war.
Ein hohe Standuhr glänzte matt. Eine Kristallvase funkelte auf einer Kommode. Die Bilder an den Wänden wiesen dunkle Landschaftsmotive aus. Sie hätten auch Szenen aus einer Sumpflandschaft darstellen können.
Der alte Holzfußboden, auf dem Sarah stand, war von einer Patina überzogen, und von der Decke herab hing ein Kronleuchter, dessen Glasperlen wie schmutzige Diamanten schimmerten.
Ein leeres Haus?
Bis jetzt ja.
Aber das Haus hatte auch verschiedene Zimmer. Und zu Zimmern gehören Türen. Von dieser großen Diele führten drei Türen ab, von denen eine halb offen stand.
Wie für mich geschaffen, dachte Sarah, und sie glaubte auch daran, dass dies so war. Man wollte sie in das dahinter liegende Zimmer locken. Sie ging davon aus, dass sie dort den zweiten Hinweis zur Wahrheit finden konnte.
Sarah knöpfte ihren Mantel auf. Darunter trug sie ein dunkelblaues langes Kleid. Auf eine Kette hatte sie verzichtet und als einzigen Schmuck nur eine ovale Brosche aus Gelbgold angelegt. So ganz ohne konnte sie nicht gehen. Da war sie trotz ihres Alters ziemlich eitel. Vor der Brust hing noch die Brille, deren Lederband auch den Nacken der Frau berührte.
Ein letzter Blick. Alles klar. Niemand war da, um sie zu begrüßen oder aufzuhalten.
Sarah setzte sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Immer wieder stieß sie mit dem Gummiende ihres Stocks auf und hinterließ dabei so gut wie kein Geräusch.
Wohl aber ihre Schritte. Durch ihr Gewicht fingen die alten Bohlen an zu stöhnen, als wollten sie sich beschweren, dass sie belastet wurden. Sarah war keine ängstliche Frau, eher vorsichtig, und auch jetzt versuchte sie, die Geräusche so gut wie möglich zu vermeiden. Sie hielt auch den Atem etwas zurück, als sie durch das fremde Haus auf die offene Tür zuging.
Sie konnte schon jetzt einen Blick in den dahinter liegenden Raum werfen. Viel war dort nicht zu sehen. Der Teil der Einrichtung wirkte auf sie völlig normal, denn sie entdeckte den Teil eines Bücherregals.
Die Tür war schnell erreicht. Sarah wollte auch nicht länger stehen bleiben. Mit ihrem Stock schob sie das Hindernis zur Seite, das bis zum Anschlag aufschwang.
Der erste Blick beruhigte Sarah. Es war niemand da, der im Sessel sitzend auf sie gewartet hätte. Zwei standen so, dass sie sie von der Seite her einsehen konnte. Hochlehnige Ledersessel wie in den Londoner Klubs.
Sie stand tatsächlich auf der Schwelle zu einer kleinen Bibliothek oder einem Arbeitszimmer. Von den Wänden war nicht viel zu sehen. Drei von ihnen waren mit Regalen zugestellt, in denen sich Buchrücken an Buchrücken schmiegte. Nur die Tür bildete eine Unterbrechung. Die Wand, an der das Fenster lag, das nicht zugezogen war und so Licht einließ, war mit einer gelb-blassen Streifentapete bedeckt. Der hohe Spiegel fiel trotzdem auf. Vielleicht auch wegen seines breiten Goldrahmens, der die helle Fläche umgab. Er hing über einer Kommode, auf deren Platte Bilder standen. Dazwischen war eine Kerze aufgestellt worden, deren Docht schwarz verkohlt hochragte. Die Kerze hatte gebrannt, und das nach unten laufende geschmolzene Wachs hatte sich erhärtet und Knubbel gebildet.
Ein großer Teppich dämpfte Sarahs Schritte. Ihre Neugierde war nicht gestillt. Hier hatte sie auch einen Grund, sich nach etwas Bestimmtem umzuschauen, und der Blick der Horror-Oma richtete sich auf die alte Kommode mit den drei Schubladen. Das Holz war dunkel. Der Form nach konnte die Kommode in die Jugendstilzeit hineinpassen.
Sarah ging um ein Stehpult herum, auf dem nichts lag, kein Papier, kein Schreibgerät. Das Haus war leer, es wirkte leer und verlassen, und trotzdem wollte die Horror-Oma das so nicht hinnehmen. Das Gefühl ließ sich einfach nicht vertreiben, und auf ihr Gefühl hatte sie sich immer verlassen können.
Sie wusste, dass sie nicht allein war. Etwas befand sich in diesem Haus, das Sarah allerdings nicht beschreiben und nur auf eine spezielle Art und Weise spüren konnte.
Der Spiegel zog sie an. Er wirkte auf sie wie ein mächtiger Magnet, und Sarah entdeckte sich selbst darin. Sie sah sich durch das Zimmer schleichen und trotz des Teppichs vorsichtig auftreten. Ebenso vorsichtig umging sie einige Möbelstücke, achtete auch nicht auf die Titel der Bücher, streifte beinahe an einer Stehlampe entlang und erreichte schließlich ihr Ziel.
Klar und hell gab der Spiegel ihr eigenes Bild zurück. In der Fläche bewegte sich nur etwas, wenn auch Sarah leicht unruhig wurde, aber der Spiegel war für sie nicht wichtig. Sie interessierte sich mehr für die beiden unterschiedlich großen Bilder, die auf der Kommode standen.