John Sinclair 1195 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1195 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Der Engelskerker.

Der Engelskerker war in früheren Jahrhunderten ein mörderisches Gefängnis. In der Gegenwart lockte ein Lokal mit dem gleichen Namen die Gäste.

Manchmal aber treffen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Wenn dies eintritt, sind die Gesetze der normalen Welt aufgehoben, und das Grauen hat freie Bahn ...

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumDer EngelskerkerVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Der Engelskerker

Der Engelskerker war in früheren Jahrhunderten ein mörderisches Gefängnis. In der Gegenwart lockte ein Lokal mit dem gleichen Namen die Gäste.

Manchmal aber treffen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Wenn dies eintritt, sind die Gesetze der normalen Welt aufgehoben, und das Grauen hat freie Bahn …

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-3929-8

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Der Engelskerker

Schreie!

Leise zwar, sehr weit entfernt, aber trotzdem zu hören. Unheimlich klangen sie. Fast wie ein fernes Singen und trotzdem getragen von einer nicht unterdrückbaren Angst.

Die rothaarige Dagmar Hansen ließ das Besteck sinken und schaute ihren Partner Harry Stahl an. »He, Harry! Hast du die Schreie auch gehört?«

Harry aß weiter und schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, wenn ich dich enttäuschen muss, Dagmar, aber ich habe nichts gehört …

»Schade.«

Stahl legte das Besteck zur Seite. Er wusste, dass seine Partnerin sich nichts einbildete, auch wenn beide Menschen waren, die sich auf übersinnliche Fälle spezialisiert hatten. Ihm war zunächst mal der Appetit vergangen. Er gab auch keinen Kommentar ab und schaute sich vom seinem Platz aus um.

Es war ein sehr altes Lokal in der Kaiserstadt Goslar, in dem sie saßen. Die Gäste konnten zwischen der unteren Ebene und der ersten Etage wählen. Dagmar und Harry hatten sich für die Plätze oben entschieden.

Es war gemütlich und auch rustikal. Dafür sorgten schon die Balken unter der Decke. Manche Tische waren quer zu den anderen gestellt worden, und zu einem Platz musste der Gast auch zwei Stufen hochgehen, sodass er innerhalb des Raumes noch erhöht saß. Kleine Fenster sorgten zusätzlich für eine gewisse Behaglichkeit, und der rustikale Holzboden passte ebenfalls perfekt.

Außer ihrem Tisch waren noch zwei weitere besetzt. Zwei Paare aßen dort. Harry streifte sie mit einem flüchtigen Blick und stellte an ihrem Verhalten fest, dass sie ebenfalls nichts von den Schreien gehört hatten.

»Du musst dich geirrt haben.« Harry nahm sein Besteck wieder in die Hände, um den Rest der Wurst zu essen.

»Nein, das glaube ich nicht.«

Harry aß ruhig weiter. Seinem Gesicht sah man nicht an, mit welchen Gedanken er sich herumschlug. Er und seine Freundin wollten in einem kalten Januar für ein paar Tage im Harz ausspannen. Die Kaiserstadt Goslar war der ideale Ausgangspunkt. Von dort aus konnten die verschneiten Orte wie Braunlage, Hahnenklee, Bad Grund oder Harzburg schnell erreicht werden. Auch der Brocken mit seiner zu ihm hoch führenden Bahn lag in der Nähe. Sie hatten vorgehabt, Spaziergänge zu machen, mal so richtig die Seele baumeln lassen, und dass es sehr kalt geworden war – in der Nacht fielen die Temperaturen bis in den zweistelligen Minusbereich – störte sie nicht. Man brauchte sich eben nur entsprechend anzuziehen, und das hatten beide getan.

Er schüttelte den Kopf. »Nein, Dagmar.«

»Was meinst du?«

»Keinen Job und …«

Sie ließ ihn nicht ausreden. »Aber ich habe die leisen Schreie gehört, Harry, das musst du mir glauben. Ich habe mich nicht geirrt. Sie waren da.«

Stahl zog ein Gesicht, als hätte ihm das Essen nicht geschmeckt. »Schlimm ist, dass ich dir glaube, Dagmar, das weißt du. Aber wer soll hier geschrien haben?«

»Die Person kenne ich nicht. Ich habe sie auch nicht gesehen, sondern nur gehört. Das ist kein Witz, Harry.« Sie deutete auf ihre Stirn. »Die Schreie waren in meinem Kopf.«

»Tja – und jetzt?«

»Sind sie verschwunden.«

Dagmar Hansen hatte ihren winterlichen Salat mit den gerösteten Putenstreifen und den Croutons bereits gegessen. Ihr Teller war leer. Auf Harrys lagen noch einige Grünkohl-Reste, die er nicht mehr essen wollte. Da der Ober in ihre Nähe kam, winkte er den jungen Mann zu sich, um einen Aquavit zu bestellen, während Dagmar einen Espresso nahm.

Beide bestätigten, dass es ihnen geschmeckt hatte und nahmen das Gespräch erst wieder auf, als der Kellner verschwunden war.

»Du hörst also nichts mehr?«

»So ist es.«

»Aber du bist sicher, dass du sie …«

»Ja, ja, ich bin mir sicher. Sie waren in meinem Kopf. Sie waren auch in den Ohren zu hören, das habe ich mir nicht eingebildet, Harry. Das musst du mir glauben.«

»Kein Problem, wenn du das sagst, glaube ich es. Nur frage ich mich, wer da geschrien hat.«

Sie hob die Schultern.

Harry stellte eine ganz andere Frage. »Ob das mit dem Namen des Lokals zusammenhängt?«

»Wie meinst du das?«

»Engelskerker. Wir sind hier in einem Engelskerker. So lautet der Name.«

»Ja, stimmt.« Dagmar lächelte freudlos. »Der Name hat mich fasziniert.«

Harry winkte locker ab. »Du darfst nicht vergessen, dass wir hier – sagen wir mal – in einem mystischen und mythischen Gebiet leben. Denk an die zahlreichen Geschichten aus dem Harz, die sich um Hexen und Geister drehen. Da kommt einiges zusammen, denke ich. Schau dich um. Überall findest du die Reste der alten Geschichten. Du kannst ihnen gar nicht entkommen. Auf jeder Ansichtskarte sind sie vermerkt. Oder jeder zweiten.«

Dagmar lächelte spöttisch. »Und deshalb soll ich die Schreie gehört haben?«

»Nein, natürlich nicht. Aber ich wollte nur gewisse Dinge mit einfließen lassen.«

Der Kellner brachte die Getränke. Der junge Mann war so groß, dass er wegen der zu niedrigen Decke den Kopf einziehen musste.

»Dann hätten wir auch gern die Rechnung«, sagte Harry.

»Sehr wohl.«

»Zahlst du?«, fragte Dagmar.

»Ich bin so frei.«

»Danke.« Sie schlug leicht auf den Tisch. »Hätte ich das vorhin gewusst, dann hätte ich …«

»Ja, ja, ja, dann hättest du Champagner oder zumindest Sekt bestellt und den besten Rotwein zum Filet.«

»Aber nicht zum Rind.«

»Klar, BSE. Das Thema.« Harry hob sein Glas mit dem eiskalten Aquavit und prostete ihr zu. »Auf unseren kleinen Urlaub.«

»Danke.« Dagmar trank den Espresso, der sehr heiß war. Sie schüttelte sich ebenso wie Harry Stahl bei seinem kalten Getränk. Danach zahlte er und legte noch ein Trinkgeld hinzu, das den jungen Mann strahlen ließ.

Bevor der sich verdrücken konnte, hielt Harry ihn mit einer Frage auf. »Nur ganz kurz, Meister.«

»Ja, bitte.«

»Haben Sie in diesem Lokal schon mal Schreie gehört? Ich meine, nicht Schreie der Gäste, sondern leise Rufe, die aus einer kaum fassbaren Entfernung kamen. Als läge jemand in der Nähe, der unter einer großen Qual leidet.«

Der junge Mann schaute Harry ins Gesicht. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Dagmar Hansen schüttelte den Kopf, doch Harry schaute den Kellner so entwaffnend an, dass dieser sich verpflichtet fühlte, etwas zu sagen.

»Ich weiß nicht so recht, was Sie meinen, mein Herr …«

»Schreie eben …«

»Eigentlich nicht.«

Harry sah, dass sich der Kellner unwohl fühlte, aber gab nicht auf. »Das Lokal hier heißt doch Engelskerker.«

»Stimmt.«

»Warum? Ist hier mal jemand eingekerkert worden? Hat man hier eine Person gefangen gesetzt?«

Der junge Mann bekam einen roten Kopf. Er wollte nicht unhöflich sein und suehte nach einer Antwort. »So genau kenne ich mich hier nicht aus, wenn ich ehrlich bin. Es ist schon ein komischer Name, das stimmt, aber hier in Goslar erleben Sie das oft. Hier ist ja der Bereich der Hexen …«

»Ja, das wissen wir. Aber Sie haben hier im Lokal nie ferne Schreie gehört?«

»Bisher noch nicht.«

Harry lächelte ihm zu, nickte und sagte schlicht: »Danke sehr, mein Lieber.«

Stahl wartete, bis der junge Mann verschwunden war, und kümmerte sich wieder um seine Partnerin. »Da hast du es gehört. Es gibt die Schreie nicht.«

»Moment, Harry, für ihn nicht. Ich aber bleibe dabei. Ich habe sie gehört.«

»Ja, ja, das sagst du.«

»Warum willst du mir nicht glauben?« Sie schaute ihn ernst an und bohrte ihre Blicke in seine Augen.

Harry blies die Luft aus. »Ich möchte dir ja glauben, und ich glaube dir auch, Dagmar. Ich weiß ja, dass du als Psychonautin etwas Besonderes bist, aber es ist auch für mich verdammt schwer, mich in deine Lage zu versetzen. Wer schreit, hat Angst, das weiß ich auch. Und hier muss jemand Angst haben, den wir nicht sehen.«

»Das denke ich auch«

»Und wer?«

»Zumindest ist es eine Frau.«

»Das ist immerhin etwas.«

»Es war der Schrei einer Frau, Harry, das weiß ich genau. Und sie hat sich angehört, als litte sie unter starker Angst.« Dagmar ballte die Hände zu Fäusten. »Unter einer großen Qual. Ein mörderischer Druck, wenn du verstehst.«

»Klar.«

Sie deutete auf ihren Kopf. »Hier ist etwas«, flüsterte sie. »Hier in der Nähe. Vielleicht sogar hier im Raum.« Sie bewegte den Kopf. »Aber nicht zu sehen.«

»Engelskerker«, murmelte Harry.

»Was meinst du?«

Er wiederholte das Wort. »Das Lokal heißt ja so. Und wie viele Gebäude hier wird es auch seine Geschichte haben. Ein Kerker, in dem Engel sind, die man irgendwann mal eingesperrt hat. Oder auch nur ein Engel. So jedenfalls würde ich den Namen interpretieren.«

»Und jetzt hat dieser Engel um Hilfe geschrien – oder?«

»Man könnte es so ansehen. Aber das weiß ich alles nicht, Harry. Es war nur eine Idee. Jedenfalls glaube ich nicht, und das sage ich noch mal, dass ich mich geirrt habe. Nein, ich habe mich nicht geirrt. Ich habe es gehört.«

»Okay.«

Für Dagmar Hansen war das Thema damit erledigt. Sie schob den Stuhl zurück, um Platz zum Aufstehen zu haben. Beide sprachen nicht darüber, während sie ihre dicken, mit Gänsedaunen gefütterten Jacken überstreiften, aber sie hingen schon ihren Gedanken nach, das war ihren Gesichtern anzusehen.

Hintereinander gingen sie die schmale Holztreppe hinab. Unten hielten sich mehr Gäste auf. Die Theke war umlagert, und der Wirt winkte ihnen zum Abschied zu. Er war ein Mann mit dunklen gescheitelten Haaren und einem Oberlippenbart.

Auch der junge Kellner hielt sich in diesem Bereich auf. Er stand in der Ecke und rauchte eine Zigarette, zog sich aber schnell zurück, als er die beiden sah. Er wollte auf keinen Fall irgendwelche Fragen gestellt bekommen.

Bevor sie die Tür erreichten, mussten sie noch einen Vorhang zur Seite schieben. Eine dicke, aber nicht sehr hohe Tür ließ sich nur etwas mühsam nach außen schieben. Mit ihrer Unterseite kratzte sie über den Schnee hinweg, der nicht weggetaut war und durch den Frost eine harte Kruste erhalten hatte.

Das Außenlicht streute seine Helligkeit in die Tiefe und gab dem Eis einen anderen Anstrich. Es sah fast wertvoll aus, als der Schein darüber hinwegfloss.

Dagmar und Harry blieben vor dem Lokal stehen und atmeten tief die kalte Luft ein. Und kalt war es. Die Temperaturen waren noch weiter gesackt. Aber es wehte so gut wie kein Wind, deshalb ließ sich die Kälte ertragen. Auch das große Rad der alten Mühle, nur ein paar Meter entfernt, drehte sich nicht. Eis hing als lange Zapfen von den Schaufeln des Rads herab. Selbst das Wasser des schmalen Mühlbachs schien eingefroren zu sein. Die beiden hörten nicht das leiseste Plätschern.

In der Stadt selbst war es ebenfalls ruhig. Vom nahen Marktplatz waren hin und wieder Stimmen zu hören oder manchmal Schritte, die über den harschigen Schnee kratzten.

Ihr Hotel lag nur um die Ecke. Direkt am Marktplatz stand das historische Gebäude, in dessen Keller sie noch einen Abschlussdrink nehmen wollten.

Harry drehte sich bereits nach rechts, um durch die Gasse zum Marktplatz zu gehen, als er Dagmars Stimme hörte.

»Augenblick mal.«

Harry wandte sich wieder um. »Was ist denn?«

Dagmar gab die Antwort auf ihre Weise. Sie hatte die Kapuze wieder abgestreift, um den Kopf frei zu haben. Mit zwei Schritten hatte sie die Mauer des Lokals erreicht und neigte dort ihr Ohr dagegen.

Harry konnte nur den Kopf schütteln. Für ihn war Dagmar verrückt geworden, aber er hielt sich mit einem Kommentar zurück. Er ging zu ihr, als sie ihm zuwinkte.

»Was ist denn?«

»Leg dein Ohr an die Mauer, Harry. Horche selbst, und dann sag mir, was du hörst.«

Er schaute sie skeptisch an, wollte jedoch kein Spielverderber sein und legte das Ohr gegen das kalte Fachwerk. Dagmar war zur Seite getreten, um ihn nicht zu stören. Sie schaute für einen Moment hoch in den blau wirkenden und sehr klaren Himmel mit all seinen zahlreichen Sternen. Es war ein wunderbares Bild, das sie am liebsten fotografiert hätte.

Derartige Nächte erlebte man nicht oft, und Dagmar ließ sich davon faszinieren.

Der Blick auf Harry.

Er stand noch immer an der gleichen Stelle. Seine Haltung hatte sich etwas verändert. Sie wirkte jetzt gespannter, als stünde er unter Strom. Vor seinem Mund zerflatterte der Atem, und dann sah sie, wie er langsam den Kopf schüttelte.

»Und?« Sie trat näher.

Harry Stahl löste sich von der Wand. Seinem Gesicht war anzusehen, was er dachte. Oder auch nicht dachte, denn er sah ziemlich durcheinander aus.

»Hast du die Schreie gehört, Harry?«

Stahl nickte nur …

*

Dagmar Hansen sagte nichts, aber sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

Harry kam auf sie zu. Der harte Schnee knirschte unter seinen Sohlen, und erst als er dicht neben ihr stand und sie seinen warmen Atem spürte, war er wieder in der Lage, ein Wort zu sagen.

»Schreie«, flüsterte er, »es waren Schreie, wie du schon gesagt hast. Schlimm. Schreie von Personen, die nicht zu sehen waren. Oder von einer Person. Ich weiß es nicht. Jedenfalls war es grauenhaft. Ich weiß auch nichts …«

»Sie sind im Haus, Harry.«

»In der Wand.«

»Ja, auch.«

»Der Engelskerker.«

Dagmar sah an der Fassade hoch. Sie sah das Eis an der Dachrinne, das nach unten hing und aussah wie Kerzen ohne Docht. »Irgendetwas stimmt hier nicht, Harry. Irgendwas mit dem Gebäude. Irgendetwas kann ich auch durch meine Anwesenheit gestört haben. Ich habe die Schreie so empfunden, als hätte jemand schreckliche Angst. Das große Leiden, die große Furcht vor Qual und Folter.« Sie zuckte mit den Schultern. »Genaues kann ich nicht sagen, aber es ist schon interessant.«

»Klar, das ist es.«

Sie musste lachen. »Warum sagst du das mit einem so seltsamen Unterton?«

»Ganz klar, Dagmar. Wir sind nach Goslar gefahren, um einige Tage zu entspannen, aber wie ich uns kenne, ist es damit wohl vorbei. Oder sehe ich das falsch?«

»Nicht unbedingt. Wenn jemand Hilfe braucht, müssen wir uns darum kümmern.«

»Urlaub vorbei?«

Sie wollte keine konkrete Antwort geben. »Für dich schon, oder wie muss ich das sehen?«

»Warten wir es ab«, sagte er nur …

*

Lady Sarah Goldwyn hatte ihr Versprechen gehalten und richtig einen ausgegeben. Die ganze Band war zusammengekommen, und wir hatten wirklich einen Freitag hinter uns, der es in sich gehabt hatte. Erst in den frühen Morgenstunden waren wir auseinander gegangen, und ich war froh, in mein Bett zu kommen.

Ebenso froh war Lady Sarah, noch am Leben zu sein, denn ihr Horror-Trip hätte auch leicht tödlich enden können. Das war nicht passiert, und Sarah fühlte sich im Augenblick wie auf hohen Wellen schwimmend, und Jane Collins, die ebenfalls mitgefeiert hatte, hatte ihr inneres Gleichgewicht auch wieder zurückgefunden, denn sie hatte Sarahs Horror-Trip nicht erlebt.

Als ich schließlich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen. Ich erlebte das verfluchte Gefühl, alles in Bewegung zu sehen. Der Schrank schwebte scheinbar an mir vorbei, die Lampe ebenfalls, auch die Tür, und als ich die Augen schloss, da kam ich mir wie in einem Boot vor, das schwankend auf hohen Wellenkämmen schaukelte.

Bei diesen Feiern folgt die Strafe oft auf dem Fuß, aber ich hatte zu den Getränken auch nicht nein sagen wollen. Irgendwann schlief ich trotzdem ein und war überhaupt nicht mehr vorhanden. Ein tiefer, fast totenähnlicher Schlaf hatte mich übermannt.