John Sinclair 1226 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1226 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Das Versteck.

Das Versteck lag an einem gottverlassenen Ort mitten im Wald und geschützt wie ein Goldschatz.

Das Versteck enthielt das Grauen. Menschen verschwanden in ihm spurlos und niemand klagte an.

Bis zu dem Tag, als Suko und ich in den einsamen Ort fuhren ...

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumDas VersteckVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Das Versteck

lag an einem gottverlassenen Ort mitten im Wald und geschützt wie ein Goldschatz.

Das Versteck enthielt das Grauen. Menschen verschwanden in ihm spurlos und niemand klagte an.

Bis zu dem Tag, als Suko und ich in den einsamen Ort fuhren …

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-3960-1

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Das Versteck

Der helle Sarg markierte den Beginn des Trauerzugs!

Wie ein makabres Schaustück wurde er uns entgegengetragen, und wir fanden keinen Platz, um dem Leichenzug auszuweichen.

Dafür war die Straße einfach zu schmal.

»Anhalten, John!«, sagte Suko und seufzte dabei, denn wie ich wusste auch er, dass wir so schnell wie möglich nach Aberdeen wollten, um dort in ein Flugzeug zu steigen, das uns nach London brachte. Da war jeder noch so geringe Aufenthalt ein Ärgernis. Auch die Zeremonie einer Beerdigung …

Es war kein Ausweichen auf der schmalen Straße möglich. Wir mussten zurückfahren.

Der Sarg wurde von vier Männern getragen. Auf eine gewisse Art und Weise sahen sie altmodisch und makaber zugleich aus. Schwarze Kleidung, auf den Köpfen Zylinder die wirkten wie gekappte Schornsteine, aus denen kein Rauch mehr quoll. Gesichter, die wie aus Holz geschnitzt wirkten.

Ich legte den Rückwärtsgang ein, drehte mich auf meinem Fahrersitz halb nach links und fuhr langsam wieder zurück.

Wo hier der Friedhof lag, hatten wir auf der Herfahrt nicht gesehen. Wir wussten nicht mal, wie das Kaff jenseits der Brücke hieß, das irgendwo zwischen Inverness und Aberdeen lag, weltabgeschieden und versteckt in den schottischen Highlands.

Der Range Rover, ein Leihwagen, ließ sich gut lenken. Aber ich musste schon Acht geben, in der Spur zu bleiben. Eine Ausweichmöglichkeit entdeckte ich auch jetzt nicht, und Suko war der gleichen Meinung, deshalb bat er mich, anzuhalten.

»Und dann?«, fragte ich.

»Möchte ich gerne schauen, ob es eine Möglichkeit für uns gibt. Dazu muss ich erst aussteigen.«

Es war vielleicht ganz gut, wenn Suko Ausschau hielt, und so stoppte ich.

Mein Freund verließ den Wagen. Der Leichenzug näherte sich wie ein langer Wurm aus trauernden Menschen unserem Wagen.

Ich konzentrierte mich wieder auf den Innenspiegel und auch auf die Rückspiegel und sah Suko, wie er mit beiden Händen winkte und mir so bekannt gab, dass ich zurückfahren sollte.

Weit brauchte ich nicht zu fahren, denn schon nach einigen Metern deutete Suko nach rechts, weil er da wohl eine Stelle entdeckt hatte, an der ich anhalten konnte, ohne dabei in den Graben zu fahren.

Der Range Rover rollte sehr langsam. Ich vernahm sogar das Knirschen der Reifen auf dem Untergrund und merkte auch, dass die beiden Reifen an der Fahrerseite leicht rutschten, aber nicht soweit, dass sie in den Straßengraben glitten.

Als ich schließlich den Motor abstellte, schimmerten auf meiner Stirn Schweißperlen, aber ich hatte es geschafft und atmete zunächst tief durch.

Suko öffnete die Tür und streckte den Kopf in den Wagen. »Willst du im Auto bleiben?«

»Nein, nein, ich steige schon aus.«

»Okay.«

Ich kletterte nach draußen und stellte mich vor die Motorhaube, wo auch Suko schon wartete.

Ein Trauer- oder Leichenzug ist ja nichts Besonderes. Überall auf der Welt werden auf diese Art und Weise Menschen von den noch lebenden Freunden, Verwandten und Bekannten zu Grabe getragen.

Ob der Platz breit genug war, um zunächst die vier Sargträger vorbeizulassen, war nicht genau zu erkennen. Es sah jedenfalls nicht gut aus, und ich hoffte auch nicht, dass die Hälfte der Mannschaft im Graben weitermarschieren musste.

Es war einfach gespenstisch, und mich durchströmte kein gutes Gefühl. Den Grund kannte ich nicht, denn so eine Beerdigung war etwas völlig Normales. Dennoch hatte ich meine Probleme damit. Alles wirkte auf mich irgendwie aufgesetzt, und dazu konnte auch die Umgebung beitragen.

Schottland!

Mir schoss der Begriff durch den Kopf: Man konnte dieses Land lieben, aber auch hassen. Touristen, die herkamen und es durchfuhren oder durchwanderten, liebten es. Dass es im Sommer oft regnete und Nebelschwaden durch die Täler zogen, wie aus dem Jenseits entlassene Botschafter, machte ihnen nichts aus. Auch nicht die oft schmalen Straßen, auf denen manchmal nur ein Fahrzeug Platz hatte und bei Gegenverkehr bis zu eingebauten Ausweichstellen vor- oder zurückgefahren werden musste, aber es gab ein Schottland, mit dem keine Ehre eingelegt werden konnte. In den einsamen Tälern lebten die Menschen oft vor sich hin wie schon seit Generationen, und Fremden gegenüber hatte sich das Misstrauen gehalten.

Wir waren durch einen Wald gefahren, hatten eine Brücke überquert und schauten nun in den kleinen Ort hinein, der von Hügelketten eingeschlossen war, sodass es am Abend ziemlich früh dunkel wurde und die Flügel der Dämmerung auch diesen kleinen Ort schnell erfassten.

Aber das war es nicht, was mich störte. Ich konnte den Grund meines Gefühls nicht beschreiben. Okay, es war eine Ahnung, dass irgendetwas hier nicht normal ablief. Es hing nicht mit den äußerlich sichtbaren Tatsachen zusammen, hier schwebte etwas unter der Oberfläche, und der Blick auf den Ort konnte mir auch keine Freude bringen. Alles kam mir noch düsterer vor.

Die Hitze war verschwunden. Allerdings hatte es noch nicht geregnet. Nur die feuchte Luft war über das Land hinweggetrieben und hatte es benetzt. Dabei waren die Temperaturen nur minimal gesunken, sodass wir nicht von einer Abkühlung sprechen konnten.

Allmählich hatte ich den Eindruck, dass sich der Trauerzug noch langsamer bewegte als zuvor. Er sah fast aus wie ein Probelauf für einen Film.

Die vier Sargträger gingen auch nicht steif, wie es zuvor gewirkt hatte. Da sie unterschiedlich groß waren, schaukelte der helle Sarg zwischen ihnen hin und her, und die in Schwarz gekleideten Träger erinnerten mich immer mehr an die Gestalten der Leichenbestatter aus einem Lucky-Luke-Comic.

Inzwischen waren die vier Sargträger so nahe an uns herangekommen, dass ich ihre Gesichter besser sah. Auch sie wirkten irgendwie gleich, obwohl die Männer unterschiedlich alt waren. Aber sie hatten allesamt eine schon verbissene Trauermiene aufgesetzt.

Hinter dem Sarg gingen die Trauergäste, Frauen, Männer, auch ein paar Kinder. Mir fiel auf, dass niemand weinte.

»Was stört dich genau?«, fragte Suko, dem mein Zustand nicht verborgen geblieben war.

Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das genau wüsste, wäre mir wohler.«

»Da scheint niemand richtig zu trauern.«

»Genau. Es kommt mir vor, als hätten die Leute alles so erwartet und nun die Bestätigung bekommen.«

»Vielleicht war die Person, die jetzt da im Sarg liegt, früher todkrank, sodass der Tod für ihn wie eine Erlösung gewesen ist.«

»Das kann auch sein.«

Der Himmel hatte sich der Stimmung angepasst oder sie erst richtig geschaffen. Er lag als graue Decke über uns, und es zeigten sich so gut wie keine Lücken. Die Sonne war nicht mal als schwacher Kreis zu sehen.

Es wurde eng für die Sargträger, obwohl ich den Wagen zur Seite gefahren hatte. In der normalen Formation würden die Träger mit dem Sarg nicht passieren können, da mussten sie schon hintereinander gehen und die Kiste, die aus der Nähe schlichter aussah, als sie von Weitem gewirkt hatte, über den Kopf heben.

Bisher war die kleine Prozession in einem bestimmten Rhythmus gegangen, was sich nun änderte, denn die Träger hatten bemerkt, dass sie nicht vorbeikamen.

Einer von ihnen gab den anderen einen Befehl. Die Männer stoppten und setzten den Sarg auf dem Boden ab.

Die Sargträger sahen nicht eben freundlich aus. Sie wirkten eher wütend.

Der Mann, der das Sagen hatte, gab den Trägern ein Handzeichen und trat vor. Keiner rührte sich. Die Menschen hinter dem Sarg waren stehen geblieben wie Marionetten, denen man die Fäden durchgeschnitten hatte. Sie schienen mir nicht bei der Sache zu sein, und alle wirkten irgendwie gleich.

Mein Gefühl sagte mir, dass hier etwas faul war. Etwa so faul wie der Geruch, der aus dem Straßengraben zu mir hochwehte, in dem das dunkle Wasser eines stehenden Bachs schimmerte.

Vor uns blieb der Mann mit dem Zylinder stehen. Er trug einen schwarzen Gehrock, den er sicherlich von seinem Großvater geerbt hatte. Die Klamotte war ihm zudem zu eng, er wirkte darin lächerlich, aber auch jetzt konnte ich nicht darüber grinsen, weil das andere in dieser Umgebung stärker war.

Im Gesicht des Mannes fielen die beiden dichten dunklen Augenbrauen, die etwas breite Nase und die langen Ohren auf.

»Was wollt ihr hier?«, fragte er. Seine Stimme klang heiser.

»Nur durchfahren.«

»Ihr versperrt uns den Weg.«

»Das wissen wir«, sagte Suko, »aber es geht nicht anders. Wir können den Wagen ja nicht wegtragen. Wir haben ihn schon so weit wie möglich an die Seite gefahren, aber mit ein wenig gutem Willen kommen Sie schon vorbei. Sie brauchen nur hintereinander zu gehen, dann klappt die Sache, denke ich.«

Der Mann überlegte. Dann grinste er Suko an und schüttelte den Kopf. »Ihr seid fremd hier. Wir haben euch nicht gerufen. Ihr stört uns. Und deshalb werdet ihr Platz schaffen.«

»Ach. Und wie soll das gehen?«

»Ihr könntet den Wagen in den Graben setzen.«

Suko blieb gelassen. »Das ist keine gute Idee, Meister. Sollen wir ihn dann wieder rausziehen?«

»Das ist nicht mein Problem, denn das Auto gehört mir nicht. Habt ihr verstanden?«

»Haben wir, aber es ist trotzdem besser, wenn Sie und Ihre Freunde den Sarg anheben und …«

»Nein!«

Das sah nicht gut aus. Wahrscheinlich war nicht nur der Zylinderträger so stur, sondern auch alle anderen Menschen des Leichenzugs, die uns ziemlich feindselig betrachteten.

»Warum nicht?«, fragte Suko.

»Wir haben hier das Recht.«

»Aber das ist nicht der Wilde Westen«, erklärte ich mit ruhiger Stimme. Erst als der Typ mich anschaute, sprach ich weiter. »Sehen Sie mal, Mister, da wird jemand zu Grabe getragen. Ein Mensch, dessen Seele sicherlich den großen Frieden gefunden hat, und Sie wollen hier eine Auseinandersetzung provozieren? Denken Sie nicht an den Toten?«

»Es ist egal. Es ist unser Recht, diesen Weg zu gehen. Sie halten ihn versperrt.«

»Nein, nicht ganz. Sie können ja vorbei.« Beinahe hätte ich laut gelacht. Es war fast unmöglich, dass wir uns wegen eines solchen Mists stritten.

»Ihr habt hier nichts zu suchen«, wurde uns erklärt.

»Das wissen wir. Es ist auch kein Problem. Wir sind in einer Minute verschwunden. Seien Sie doch nicht so stur. Das Leben ist zu kurz, Mister.« Ich deutete auf den Sarg. »Sie sehen doch. Da ist jemand gestorben, der sicherlich noch gern gelebt hätte. Kann ich mir jedenfalls vorstellen.«

»Das geht euch nichts an.«

»Ist auch richtig. Aber wir haben nun mal das Pech, eine Abkürzung genommen zu haben. Wir wollen nach Aberdeen und haben noch einige Meilen vor uns. In der Stadt steigen wir in ein Flugzeug, dann ist Schottland uns los.«

Der Typ wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Die anderen warteten schweigend im Hintergrund.

Der Mann räusperte sich. Er drehte sich mit einer scharfen Bewegung um, gab den anderen drei Männern ein Zeichen und erklärte ihnen, was sie zu tun hatten. Der Sarg sollte über die Köpfe gehoben werden. Hintereinander mussten sie gehen und uns so passieren. Das war wirklich kein Problem für sie.

Suko und ich schauten zu. Wir betrachteten auch die Totenkiste, und zumindest ich war der Meinung, dass es sich hier weniger um einen Sarg handelte als um einen sehr primitiv zusammengenagelten Aufenthaltsort eines Toten, der so schnell wie möglich weggeschafft werden sollte. Die Bretter lagen nicht mal dicht an dicht. Es gab zwischen ihnen noch fast fingerbreite Lücken, als sollte die Leiche genügend Luft bekommen, was natürlich Unsinn war.

Suko hatte seine rechte Zeigefingerspitze gegen das Kinn gedrückt. »Irgendwas ist hier faul«, murmelte er.

»Sehr richtig. Oder sagen wir so. Eine normale Beerdigung erleben wir nicht.«

»Ist auch kein normaler Ort.«

»Selbst für ein Kaff wie dieses ist das ungewöhnlich.«

»Außerdem«, sagte Suko leise, »haben wir auf der Herfahrt keinen Friedhof gesehen. Das hier kommt mir alles nicht echt vor. Es wirkt wie gestellt. Als hätte man uns mitten in ein Theaterstück platziert, das aber keine Komödie ist, sondern mehr ein Drama.«

Ich hatte mir die anderen Menschen angeschaut. Und wieder fiel mir ihr apathisches Verhalten auf. Okay, niemand ist fröhlich, wenn er zu einer Beerdigung geht. Diese Leute wirkten zwar deprimiert, aber zugleich, als hätten sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden und wären erleichtert.

Es schaute uns auch niemand an. Die Menschen standen da wie Puppen, denen man die Köpfe nach unten gedrückt hatte.

Die vier Sargträger bückten sich. Sie hoben die Totenkiste an, aber sie ließen die schmalen Griffe los und hievten den Sarg in die Höhe, um ihn dann über ihre Köpfe zu stemmen und so weiterzutragen.

Da sie auf unseren Vorschlag eingegangen waren, hätte ich eigentlich beruhigt sein können. Ich war es jedoch nicht. Weiterhin hatte ich das Gefühl, dass wir dicht vor etwas Unbekanntem standen, das uns beruflich interessieren musste.

Auch Suko zog ein Gesicht, als wäre er unzufrieden mit allem, was wir erlebten.

Ein kurzer Befehl noch, dann reckten die Männer den Sarg endgültig über die Köpfe.

Und da passierte es.

Ein Schrei!

Laut, aber trotzdem gedämpft, was auch seinen Grund hatte. Denn der Schrei war aus dem Sarg gedrungen …

*

Also doch!

Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf. Zugleich bekam ich eine Gänsehaut.

Ich brachte kein Wort hervor. Damit stand ich nicht allein. Auch die Sargträger und Trauergäste verhielten sich still. Sie waren in ihrem Schrecken erstarrt.

Den Schrei hatte sich keiner von uns eingebildet. Und er stammte auch nicht von einer Person außerhalb der Totenkiste. Seine Quelle lag im Innern des primitiven Sargs, was wohl jeder der Anwesenden wusste.

Sie wollten eine lebendige Person begraben! Das war nicht zu fassen.

Es hätte kein Mann begraben werden sollen, sondern eine weibliche Person. Der Schrei war von einer Frau abgegeben worden, daran gab es nichts zu rütteln.

Jeder wartete wohl auf den nächsten, der allerdings nicht folgte. Dafür hörten wir, zumindest die, die in der Nähe des Sargs standen, ein leises Wimmern, begleitet von dumpf klingenden Geräuschen, die im Innern des Sargs entstanden waren.

Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Person in ihrer hündischen Angst gegen die Seitenwände und auch gegen das Oberteil des Sargs schlug.

Auch die vier Sargträger waren geschockt. Noch standen sie unbeweglich und hielten die Totenkiste über dem Kopf. Das hielt jedoch nicht lange an, denn plötzlich erwischte sie ein Zittern, und sie schienen noch bleicher zu werden.

Der Sarg schwankte. Mal nach rechts, dann nach links, denn die Männer schafften es nicht mehr, ihn waagerecht zu halten.

»Vorsicht!«, rief ich.

Es konnte sein, dass mein Ruf den endgültigen Anstoß gegeben hatte, denn plötzlich rutschte die Totenkiste genau zu unserer Seite hin weg, weil einer der Sargträger in die Knie gebrochen war.

Es kam wie es kommen musste.

Niemand hielt den Sarg auf oder fing ihn ab. Auch Suko und ich nicht, und so prallte er vor unserem Wagen mit großer Wucht zu Boden. Zu groß für die hastig zusammengenagelte Kiste, denn der Deckel löste sich. Er sprang in die Höhe, als hätte er von unten einen Stoß bekommen. Auch die Seiten brachen ein, dann aber kippte der Sarg zur Seite und damit uns entgegen.

Uns stockte der Atem.

Zusammengekrümmt wie ein Embryo im Mutterleib rollte eine junge, in ein Leichenhemd gekleidete Frau heraus und uns beinahe vor die Füße …

*

Das war so etwas wie der zweite Höhepunkt in diesem makabren Spiel, dem niemand entwischen konnte. Wir hatten das Drehbuch nicht geschrieben, es war uns vom Schicksal aufgedrückt worden. In dieser einen und sehr langen folgenden Sekunde war uns klar, dass sich unser Weg nach Aberdeen verzögern würde, denn wo gab es das denn, dass Menschen einen Lebenden begraben wollten?

Es war auf einmal totenstill. Niemand wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben. Jeder schaute auf den halb zerstörten Sarg und wartete wahrscheinlich darauf, dass sich die »Tote« erheben und schreiend davonlaufen würde. Den Gefallen tat sie den Leuten nicht. Die junge Frau blieb auf dem Boden liegen, und nur ihr heftiges Atmen war jetzt zu hören.

Ich nahm mir die Zeit, sie genauer anzuschauen. Sie trug ein Leichenhemd, zumindest einen alten beigefarbenen Kittel. Das Haar war dunkelbraun. Das runde Gesicht war durch das erlebte Entsetzen gezeichnet, und die Augen standen weit offen, ohne jedoch etwas wahrzunehmen. Sie starrten nur ins Leere.