1,99 €
Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 1980 - 1989! Die Mörder-Blumen. Warnung! Wenn du nach London fährst, mach im Stadtteil Southwork einen großen Bogen um das Blumengeschäft "Grillo's Flower Power?! Auf rätselhafte Weise verschwinden in diesem Laden Kunden. Sie verwandeln sich in Blumen und werden verkauft. Warte, bis John Sinclair, der erfolgreiche Oberinspektor von Scotland Yard, das Rätsel gelöst und die Gefahr gebannt hat. John Sinclair - der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Warnung! Wenn du nach London fährst, mach im Stadtteil Southwork einen großen Bogen um das Blumengeschäft “Grillo’s Flower Power”!Auf rätselhafte Weise verschwinden in diesem Laden Kunden. Sie verwandeln sich in Blumen und werden verkauft.Warte, bis John Sinclair, der erfolgreiche Oberinspektor von Scotland Yard, das Rätsel gelöst und die Gefahr gebannt hat.
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-2882-7
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Als Jessica Parker vor dem Blumenladen hielt, ahnte sie nicht, dass ihr schon bald das nackte Grauen begegnen würde. Noch war alles normal. Vielleicht entsprach die Gegend nicht gerade ihrem Geschmack, aber sie brauchte hier ja nicht zu wohnen.
Sie stieg aus ihrem Jaguar. Zuerst sah der Betrachter ein Paar lange Beine, die in modischen gelben Karottenjeans steckten. Was dann folgte, war ein biegsamer Oberkörper, verdeckt vom Seidenfummel eines teuren Modeschöpfers, und das ebenfalls gelbe Kopftuch auf dem Haar gab Jessica die sportliche Note.
Sie drückte die Tür zu, überquerte die Straße und stand vor dem Blumenladen.
Grillo’s Flower Power
Sie las die Zeile über dem Schaufenster und musste lächeln. Grillos Blumenkraft. Ein wenig übertrieben, fand sie, wenn man sich das Geschäft anschaute.
Es lag in einem schmalbrüstigen Haus, das bestimmt schon seine 50 Jahre auf dem Buckel hatte. Links neben der Eingangstür befand sich das Schaufenster des Ladens. Dort standen einige bunte Plastikeimer, aus denen ein paar traurige Blumen schauten. Mit der Blumenkraft schien es also nicht weit her zu sein. Aber Jessica wollte nun mal zu ihrer Freundin nicht ohne Blumen kommen, und sie hatte vergessen, sie in der City zu kaufen.
Man beobachtete sie aus den offenen Fenstern.
Klar, sie und ihr Wagen wirkten hier wie zwei Goldfische unter Karpfen. Ein Schauer glitt über ihren Rücken, als sie die Gesichter der Menschen sah. Wie Masken wirkten sie. Stumm und einfallslos.
Jessica nahm sich vor, so rasch wie möglich wieder zu verschwinden. Das war keine Gegend für das braunhaarige Luxus-Girl.
Vor der Tür blieb sie eine Sekunde stehen. In der oberen Hälfte besaß die Tür eine Scheibe. Jessica konnte in den Laden hineinschauen. Sie sah einen Mann im grauen Kittel. Allerdings nur undeutlich, da ihr der auf der Scheibe klebende Schmutz einen großen Teil der Sicht nahm.
Noch einmal atmete sie tief durch, ignorierte eine innere Stimme, die sie warnte, den Laden zu betreten, und öffnete.
Eine Glocke schlug an.
Die Melodie schwang durch den Raum. Big-Ben-Glockenschlag, wie konnte es auch anders sein. Auf jeden Fall wurde der Mann im Kittel aufmerksam. Er erhob sich aus seiner gebückten Haltung und schaute sich um.
Jessica schloss die Tür. Ihre Blicke tasteten durch den Raum, und dabei fiel ihr zuerst der fast schon widerlich zu nennende Blütenduft auf, der die Luft des Geschäftes schwängerte.
Nein, so roch es normalerweise nicht in einem Blumenladen. In anderen Läden war der Geruch frischer, aber hier stank es regelrecht. Nach alten fauligen Blumen.
Wie auf einem Friedhof …
Ja, genau. Jessica erinnerte sich. Neulich erst hatte sie an einer Beerdigung teilgenommen. Auf dem Weg zum Grab waren sie an einem Komposthaufen vorbeigekommen. Dort hatte es ebenfalls so gerochen.
Sie rümpfte die Nase.
Der Mann aber kam näher.
Er schälte sich aus dem Halbdunkel des Hindergrundes, passierte die Vasen und Gefäße, in denen seine zum Verkauf angebotenen Blumen standen. Jessica sah Rosen, Veilchen, Gladiolen, Iris, Glockenblumen und sogar Tulpen.
Einige bekam man kaum in dieser Jahreszeit. Und wenn, dann nur zu höheren Preisen.
Drei Schritte von ihr führte eine schmale Wendeltreppe in die oberen Etagen. Daneben blieb der Mann stehen und legte seine linke Hand auf das Geländer.
»Guten Abend, Miss«, sagte er und deutete eine Verbeugung an. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte einen Blumenstrauß.«
»Sehr gut, sehr gut. Hatten Sie da an etwas Bestimmtes gedacht?«
Jessica biss sich auf die Lippe. Sie senkte die Lider, denn sie mochte den Mann nicht, vor allen Dingen nicht den Blick, mit dem er sie anstarrte.
Er war irgendwie lauernd, abschätzend …
Überhaupt war dieser Kerl ein Typ, den Jessica allein vom äußerlichen her schon ablehnte.
Er war kleiner als sie, ging gebeugt und hatte ein rundes Gesicht, dessen Haut an alten Teig erinnerte. Seine Haare waren schwarz. Sie klebten auf dem Schädel, wo sie in der Mitte gescheitelt waren. Die Hände mit den kurzen Stummelfingern wirkten ebenso abstoβend wie der ganze Kerl, und Jessica schüttelte sich.
Sie hatte im Laufe ihrer 23 Jahre zahlreiche Männer kennengelernt, aber selten solch einen widerlichen Typ gesehen. Nur schnell die Blumen aussuchen, und dann weg aus dem Laden.
»Sollen die Blumen für einen Mann oder eine Dame sein?«, fragte der Graukittel.
»Für eine Dame.«
»Aha.« Er lächelte. Dabei zog er seine dicken Lippen auseinander, und Jessica sah den Speichel auf seinen Zähnen blitzen. »Ich heiße übrigens Grillo. Gabriel Grillo.«
»Jessica Parker!« Im nächsten Augenblick hätte sich das Girl selbst irgendwo hintreten können, weil sie so einfach ihren Namen gesagt hatte.
Was ging diesen Kerl überhaupt ihr Name an?
»Ein sehr schöner Name, Miss«, sagte Grillo. »Ein Name, der zu Ihnen passt. Wie eine Blume. Ja, Sie sind wie eine Blume. So schön, so taufrisch, ich sollte wirklich ein Gewächs nach ihnen benennen. Sie müssen wissen, dass ich ein bekannter Züchter bin. Meine Blumen sind überall angesehen, ich habe zahlreiche Preise errungen.« Er lachte und wies in die Runde. »Nicht diese, die Sie hier sehen, schöne Frau. Nein, meine besonderen Freunde hebe ich woanders auf. Wissen Sie eigentlich, dass Blumen auch leben können? Es sind Geschöpfe, die atmen, die sich untereinander verständigen.« Er sprach zischend und flüsternd. Irgendwie übte seine Stimme einen besonderen Reiz auf Jessica aus. Sie hatte ihn längst unterbrechen wollen, es aber nicht fertiggebracht.
Dieser Gabriel Grillo war zwar abstoβend, doch auf eine gewisse Weise faszinierte er sie.
Oder war es seine Stimme?
Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie anders reagierte, als bei ihrem Eintritt. Etwas hatte sie gefangen genommen und beeinflusst. War es der seltsame Duft, der in diesem Raum allgegenwärtig war? Möglich, es sollte ja Menschen geben, die von Düften oder Gerüchen berauscht wurden. Bisher hatte Jessica Parker diese Erfahrung noch nicht gemacht, auch bei Blumengeschäften nicht, und sie kaufte oft Blumen. Aber hier war alles anders.
»Sie möchten also einen Strauß haben?« , fragte Grillo. »Und wie viel gedenken Sie anzulegen?«
»Drei Pfund.«
»Oh.« Grillo riss die Augen auf. Jessica sah, dass er völlig glanzlose Pupillen besaß. Er schaute sich um. »Nein, meine Liebe, die Blumen hier werde ich Ihnen nicht verkaufen. Sie bekommen andere. Besondere Blumen.«
»Andere?«
»Ja, wenn Sie sich einige Minuten gedulden würden, ich bin gleich zurück …«
»Aber ich …« Jessica wollte etwas einwenden, doch sie konnte es auf einmal nicht.
»Ja?«, fragte Grillo. Er hatte schon seinen rechten Fuß auf die erste Stufe gesetzt.
Jessica lächelte. »Es ist gut, suchen Sie die Blumen aus.«
»Danke. Sie werden überrascht sein. Sogar sehr überrascht, meine Liebe.« Er nickte und verschwand nach oben.
Jessica wartete, bis er nicht mehr zu sehen war. Plötzlich merkte sie, dass sie schwitzte. Sie wischte sich über die Stirn. Als sie die Hand zurückzog, sah sie, dass sie feucht glänzte.
Was war das nur? Dieser Blumenladen, in dem kaum eine Lampe brannte und dessen Innern im Dämmerlicht lag, übte eine seltsame Faszination auf sie aus.
Noch war es nicht zu spät. Noch konnte sie verschwinden. Ja, geh raus, sagte eine innere Stimme. Dieser Kerl ist nicht geheuer.
Jessica nickte. Sie wollte ihre Schritte in Richtung Ausgang lenken, doch wie unter einem Zwang ging sie nach links, wo sich das Schaufenster befand.
Dort blieb sie für einen Moment stehen.
Ihren Wagen konnte sie kaum sehen, da die Scheibe aus ziemlich undurchsichtigen Glas bestand. Von oben nach unten liefen lange Wasserstreifen. Eingetrocknete Salze und Kristalle, die das an der Scheibe herunterlaufende kühlende Wasser hinterlassen hatte.
Die Schritte des Blumenhändlers waren verstummt. Eine seltsame Ruhe breitete sich aus, hinzu kam das Dämmerlicht, dann der Duft, eine Atmosphäre, die Jessica überhaupt nicht behagte. Sie bekam plötzlich Atembeschwerden.
Das Girl trat wieder zurück. Mit dem Schuh stieß sie gegen einen auf dem Boden stehenden Plastikeimer, wobei das Wasser überschwappte. Es hinterließ auf den Fliesen eine dunkle Lache.
Beim Umdrehen hatte Jessica noch etwas anderes bemerkt.
Eine Tür.
Sie befand sich neben der halbrunden schmalen Verkaufstheke und führte wohl in den Lagerraum des Blumenhändlers. Normalerweise hätte das Girl die Tür übersehen, so etwas interessierte sie nicht, aber in diesem Fall übte dieser Durchgang eine nahezu magische Anziehungskraft auf sie aus.
Jessica ging näher.
Abrupt blieb sie stehen.
Sie hatte Stimmen gehört.
Raunende, flüsternde und lockende Stimmen, die urplötzlich da waren, und sie ansprachen.
»Komm zu uns! Du bist schön. Du bist wie eine Blume«, wisperte es. »Wir brauchen dich – Jessica …«
Der Name! Himmel, wieso kannten diese Stimmen ihren Namen? Klar, sie hatte ihn dem Blumenhändler gesagt, aber es war doch kein anderer im Raum gewesen.
Woher kannte man dann ihren Namen? Und wer rief sie da?
Jessica zitterte plötzlich. Unbehagen und ein Gefühl der Angst breitete sich in ihrem Innern aus. Nervös huschte ihre Zunge über die spröden Lippen.
Der nächste Schritt.
Jetzt stand sie nur noch wenige Yards vor der Hintertür.
Und wieder vernahm sie die Stimmen.
»Jessica! Jessica, komm zu uns!«
Da wurde ihr klar, wo die Stimmen aufklangen. Hinter der geheimnisvollen Tür. Ja, ganz deutlich hatte sie es vernommen.
Jessica Parker warf einen Blick hoch zur Wendeltreppe. Von Gabriel Grillo war noch immer nichts zu sehen. Sie hörte ihn auch nicht. Wahrscheinlich werkelte er in irgendeinem Raum herum und suchte den Blumenstrauß zusammen. Für diesen Preis bekam sie einen recht ansehnlichen, und sie glaubte, dass es noch ein paar Minuten dauern würde, bis Grillo zurückkehrte.
Zeit für den Raum hinter der Tür.
Jessica erschrak über ihre eigenen Gedanken. Was hatte sie überhaupt dort zu suchen?
Nichts, aber auch gar nichts. Wenn sie den Raum betrat, war das Hausfriedensbruch. – Andererseits lockten die Stimmen. Sie riefen nach ihr, und es wäre unhöflich gewesen, nicht dem Ruf zu folgen. Außerdem war sie neugierig.
Also doch.
Sie legte eine Hand auf die kühle Metallklinke und spürte die raue Haut auf ihrem Rücken. Durch die Nase atmete sie die Luft ein, dann gab sie sich selbst einen Stoß und drückte die Klinke nach unten.
Die Tür war offen.
Jessica Parker betrat den geheimnisvollen Raum, und das Verhängnis nahm seinen Lauf …
*
Zuerst fiel ihr das Licht auf.
Es war ein seltsames Licht. Bunt, klar und doch verwaschen. Die Kundin befand sich plötzlich in einer völlig anderen Welt. In einem Paradies der Blumen.
Jessica schloss die Tür. Sie drückte sie leise und sacht ins Schloss, Grillo sollte nichts hören.
Tief atmete sie ein.
Ja, hier war die Luft klarer. Und auch reiner. Sie musste mit Ozon angereichert worden sein, damit die Blumen nicht so schnell verwelkten.
Und was es für Blumen waren!
Prachtvolle Züchtungen, die das Herz eines jeden Gärtners hätten höher schlagen lassen. Jessica war beeindruckt. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an so viel Schönheit.
Aus großen Glasvasen wuchsen langstielige Rosen. Manche hatten ihre Blätter geöffnet, andere waren noch zu. Sie sah große, gelbe Gerbera, Iris und Gladiolen. Weiterhin Tulpen, Spinnen und auch Orchideen.
Letztere waren die sehönsten, die sie je in ihrem Leben gesehen hatte. Nur – wo befanden sich die Menschen, die sie gerufen hatten? Jessica schaute sich um. Sie sah keine Person, es gab auch keine Fenster, durch die sie hätten verschwinden können, sondern nur die eine Tür.
Wer hatte sie dann gerufen?
Jessica hob den Kopf. Das Licht wurde von an der Decke hängenden Lampen abgestrahlt. Kaltes Licht, das die Blumen manchmal blass aussehen ließ. Aber nicht nur Blumen waren vorhanden, sondern auch Gewächse. Sie standen in terrarienförmigen Glasgefäßen, und Jessica bekam einen Querschnitt der auf der Erde vorkommenden Moose und Farne zu sehen.
Einmalig …
»Jessica … komm … komm zu uns …«
Da waren die Stimmen wieder. Diesmal lauter als zuvor. Sehr deutlich vernahm sie ihren Namen.
Aber die Rufer – wo steckten sie?
Jessica verzog das Gesicht, als würde sie unter Qualen leiden. Sie war plötzlich nervös, ihr Herz klopfte schneller, ein dünner Schweißfilm lag auf ihrer Haut. Bis jetzt hatte sie sich noch nicht von der Tür weiter weggetraut, doch nun machte sie die ersten zaghaften Schritte in den Raum hinein und trat näher an die Vasen heran.
Da fiel ihr etwas auf.
Aus den Vasen ragten nicht nur die herrlichen Blumen, sondern zusätzlich schmale beschriftete Holzstiele.
Da stand Clarissa bei den Rosen, Mary bei den Gerbera, Janine bei den Orchideen.
Seltsam …
Die Blumen besaßen Frauennamen.
Warum? Weil sie so außergewöhnlich schön waren? Oder weil dem Züchter die Namen so gut gefielen?
Das braunhaarige Girl ging weiter. Jessica schritt nur auf Zehenspitzen, sie wollte keinen Laut verursachen. Und plötzlich weiteten sich ihre Augen, als sie vor der leeren Vase ihre Schritte stoppte.
Dort befanden sich nach wie vor keine Blumen, dafür aber steckte dort ein schmales Stück Holz. Es war ebenfalls mit einem Namen versehen.
Das Mädchen las halb laut und mit zitternden Lippen.
»Jessica!«
*
Für einen Moment schloss sie die Augen. Schwindel erfasste sie, und sie musste ein paar Mal tief durchatmen, um sich zu fangen.
Jessica!
Ein Zufall?
Vielleicht – vielleicht auch nicht. Sie glaubte nicht mehr an Zufälle, seitdem sie die Stimmen gehört und diesen Raum betreten hatte. Nein, das war eine Manipulation.
Abermals hörte sie die Stimmen.
»Jessica, jetzt bist du das.«
Das Girl wirbelte herum. Wer hatte da gesprochen.
Und wieder. »Jessica!«
Ihre Augen wurden groß. Ja, auf einmal war ihr alles klar. Die Blumen hatten sie gerufen!
Die Blumen?
Unmöglich. Blumen konnten nicht sprechen. Höchstens im Märchen oder in der Legende, aber nicht in der Wirklichkeit.
Wie ein Pfeil schoss es durch Jessicas Herz. Sie machte auf dem Absatz kehrt und lief zur Tür.
Einen Schritt davor blieb sie abrupt stehen. »Wo willst du denn hin, Jessica? Bitte, lauf nicht fort. Du gehörst doch zu uns. Wir haben alles vorbereitet.«
Jessica warf den Kopf in den Nacken. Ihr Mund öffnete sich, die Hände wurden zu Fäusten. Ein heiseres Stöhnen drang über ihre Lippen. Die Knie gaben nach.
Dann ging sie rückwärts.
Den ersten Schritt, den zweiten, den dritten – bis sie an den Blumen stand.
Clarissa, stand bei den Rosen. Es war ein gewaltiger Strauß, der sich oberhalb des Vasenrandes kelchförmig ausbreitete. Und er verströmte einen betäubenden Duft.
Jessica Parker senkte den Kopf. Ihr Gesicht näherte sich den herrlichen Rosen. Tief sog sie den Duft der Blumen ein, und verdrehte dabei die Augen.
Ja, das tat gut.
Ein zweiter Atemzug.
Schwindel erfasste sie. Jessica Parker fiel nach vorn, ihr Gesicht berührte die Rosen, aber da waren plötzlich keine Blumen mehr, sondern Arme.
Lange, grüne Arme, die sich aus der Vase reckten und nach ihr griffen. Hände, die über ihr Gesicht fuhren und die Haut streichelten. Und ein Gesicht.
Aus den zahlreichen Blütenkelchen formte sich ein wunderschönes Frauenantlitz, von langen roten Haaren umgeben, mit hochstehenden Wangenknochen und einem sinnlichen Mund.
Jessica wurde gepackt. Ihr Oberkörper schwebte plötzlich über dem Boden, als wäre er leicht wie eine Feder. Das fremde schöne Gesicht befand sich dicht vor dem ihren, der Mund öffnete sich, zeigte perlweiße, makellose Zähne – und zwei spitze Eckbeißer.
Vampirzähne!
Urplötzlich schlugen sie zu.
Jessica Parker merkte noch den Stich an ihrem Hals, und dann fühlte sie die Woge der Leichtigkeit, die alles andere überschwemmte und sie hinwegtrug …
*
Zehn Minuten später!
Die Klinke glitt nach unten. Jemand drückte behutsam die Tür von außen auf.
Gabriel Grillo erschien.