John Sinclair 1269 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1269 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Julie.

Julie war ein achtjähriges Mädchen, dessen Zeichnungen Aufsehen erregten. Sie malte wunderschöne Engel, aber sie malte auch einen Engel, der so schrecklich aussah, dass die Leiterin des Heims, in dem die Waise Julie lebte, etwas unternehmen musste.

Sie tat das Richtige. Über meine Freundin Purdy Prentiss geriet ich mit Julie in Kontakt.

Ich sah die Zeichnungen und wurde starr vor Entsetzen.

Die schreckliche Gestalt kannte ich - es war Belial, der Engel der Lügen ...

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumJulieVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Julie

Julie war ein achtjähriges Mädchen, dessen Zeichnungen Aufsehen erregten. Sie malte wunderschöne Engel, aber sie malte auch einen Engel, der so schrecklich aussah, dass die Leiterin des Heims, in dem die Waise Julie lebte, etwas unternehmen musste.

Sie tat das Richtige. Über meine Freundin Purdy Prentiss geriet ich mit Julie in Kontakt.

Ich sah die Zeichnungen und wurde starr vor Entsetzen.

Die schreckliche Gestalt kannte ich – es war Belial, der Engel der Lügen …

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-4003-4

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Julie

Die achtjährige Julie Wilson verzerrte ihr Gesicht zu einer Grimasse, als ich die Tür des kleinen Zimmers aufzog und mich in den Raum hineinschob. Die Veränderung des Gesichts dauerte nur einen kurzen Augenblick, dann begann sie zu schreien und zu kreischen.

„Hau ab! Hau ab! Verschwinde, du Arschloch! Geh! Weg mit dir!“

Ich blieb überrascht stehen, denn mit einem derartigen Empfang hatte ich nicht gerechnet. Julie Wilson saß auf dem Bett und sah aus, als hätte sie einen Stromstoß erhalten. Sie zitterte. Durch ihren Körper rann der Strom, und es hätte mich nicht gewundert, wenn sich ihre blonden Haare in die Höhe gestellt hätten …

Sina Franklin, Erzieherin, Heimleiterin und Krankenschwester zugleich, hatte mich schon gewarnt. Ich hatte diese Warnungen nicht so ernst nehmen wollen, nun war ich vom Gegenteil überzeugt, denn das Kind reagierte für mich völlig unverständlich. Schließlich war ich nicht sein Todfeind. Ich ging keinen Schritt weiter und blieb auf dem graublauen Teppichboden stehen, den Blick auf das im Bett sitzende Mädchen gerichtet.

Julies Gesicht war rot angelaufen. Der Mund darin bildete ein großes Loch. Sie schnappte während des Schreiens nach Luft, verschluckte sich und röchelte so stark, dass es sich schon gefährlich anhörte. Schließlich musste sie husten und verstummte danach. Mit einer heftigen Bewegung drehte sie ihren Körper, damit sie nicht mich, sondern die Wand anschauen konnte, was ihr besser gefiel.

Dicht hinter mir hörte ich das leise Seufzen der Sina Franklin. „Ich habe es Ihnen vorher gesagt, Mr. Sinclair. Julie benimmt sich manchmal sehr ungewöhnlich.“

„Ja, gut ausgedrückt.“

„Sie ist unberechenbar.“

„Und wie kommt das?“

„Warum fragen Sie? Es ist doch klar. Wir wissen es nicht. Wir haben Probleme mit ihr. Sie befindet sich hier als Waise im Heim. Zusammen mit anderen Kindern. Es ist klar, dass wir kein Mutterersatz sein können, dazu sind es zu viele Kinder. Aber niemand verhält sich so wie Julie. Wir wollen natürlich nicht, dass die Kinder irgendwelchen Fremden um den Hals fallen, aber die Reaktion dieses Kindes ist wirklich unnormal.“

„Da sagen Sie was.“

Ich wollte mit Sina Franklin nicht weiter diskutieren, denn das Mädchen war für mich wichtiger. Es war klar, dass die Mitarbeiter bei diesen Kindern hier überfordert waren, zum Glück verhielten sich nicht alle Kinder so, und ich wäre auch nicht auf den Gedanken gekommen, mich beruflich um sie zu kümmern, hätte es da nicht ein Problem gegeben, das Purdy Prentiss, die mir bekannte Staatsanwältin an mich herangetragen hätte. Sie und Sina Franklin kannten sich schon seit ihrer Jugend, und Sina hatte bei der Freundin ihr Herz ausgeschüttet und über die ungewöhnlichen Phänomene gesprochen.

Purdy Prentiss hatte versprochen, sich darum zu kümmern, und so war ich involviert worden. Ich kannte nur den groben Umriss des Problems. Wegen der Einzelheiten wollte ich mich an Julie persönlich wenden, doch im Moment sah es nicht gut aus.

Trotzdem war ich nicht bereit, aufzugeben. Ich gab ihr noch eine Minute. Sie drehte sich nicht wieder um. Nach wie vor war die Wand mit der hellen Tapete, auf der kleine blaue Blumen zu sehen waren, viel interessanter für sie.

Ich wandte mich an Sina Franklin, die sich neben mich geschoben hatte. „Sie brauchen keine Sorge zu haben, dass ich mich zurückziehe. Ich werde versuchen, auch weiterhin mit ihr zu sprechen.“

„Kann ich bei Ihnen bleiben?“

„Das müssen Sie sogar.“

Sie lächelte knapp. Sina Franklin war eine Frau um die 35. Man konnte sie als einen herben Typ ansehen mit ihrem strengen Haarschnitt, den dichten Brauen, der gestärkten blauen Bluse und dem glatten Rock. So sah früher jemand aus, der erziehen wollte, und das mit recht rigorosen Mitteln. Der Eindruck täuschte. Man brauchte nur einen Blick in die großen braunen Augen zu werfen, um zu erkennen, dass hinter der etwas steifen Maske schon viel Verständnis für die Probleme der Kinder hier steckte. Nur musste sie als Leiterin des Heims eben mehr wie eine Respektsperson auftreten.

„Wie lange wird es wohl dauern, bis wir wieder normal mit Julie reden können?“

„Das kann man nie genau sagen. Sie können es gleich versuchen, aber auch eine Stunde warten. Garantieren kann ich allerdings für nichts, Mr. Sinclair.“

„Gut. Darf ich fragen, ob Julie krank ist?“

„Nein und ja.“

„Das riecht nach einer Erklärung.“

„Krank nicht im eigentlichen Sinne, also nicht körperlich krank. Für mich ist sie seelisch krank. Ich hätte aufschreiben sollen, was sie alles gesagt hat. Aber ich habe es leider vergessen. Es waren Andeutungen, die man normalerweise nicht aus dem Munde eines Kindes hört. Ich für meinen Teil habe sie sogar als apokalyptisch interpretiert.“

„Das ist stark.“

„Sie sagen es.“

Julie hockte auf ihrem Bett und war von Spielzeug umgeben. Puppen, Bilderbücher mit einem sehr harten Umschlag. Buntstifte, Bleistifte, Kugelschreiber, Papier, ein Lineal. Es sah alles so aus, als hätte sie ihr Bett zum Mittelpunkt ihres Lebens gemacht.

Ich war nicht hergekommen, umso schnell aufzugeben. Deshalb gab ich mir einen Ruck und ging auf das Bett zu. Das Zimmer war freundlich eingerichtet. Durch das Fenster drangen die Strahlen einer Maisonne, und eigentlich hätte man sich wohl fühlen können. Die meisten Kinder in diesem Land hatten kein so gutes Zimmer.

Ich blieb neben dem Bett stehen. Ob Julie mich bemerkt hatte, konnte ich nicht sagen, sie zeigte es jedenfalls nicht. Ich beugte mich nach vorn und schaute auf ihren Rücken. Das Mädchen trug ein Kleid, das mehr einem Nachthemd oder einem Gewand ähnelte. Es war nicht so gekleidet wie der große Rest der Kinder in ihrem Alter.

„Julie …“

Ich hatte leise gesprochen und wollte das Kind nicht überfordern. Es gab mir keine Antwort. Als Reaktion schüttelte es den Kopf.

„Bitte, Julie, ich will dir nichts Böses. Ich möchte mit dir nur ein paar Worte reden.“

„Neiiiinnn!“ Der Aufschrei war mehr ein Kreischen, dann fuhr sie mit einer wilden Bewegung herum.

Ich zuckte zurück, blickte dabei auf ihr Gesicht und hatte das Gefühl, eine Furie anzuschauen. Das war kein Kind mehr. Vom Wuchs her schon, aber die Augen machten mir Angst. Sie besaßen einen Ausdruck, der nicht zu einem Kind dieses Alters passte und mich erschreckte.

„Julie …“

„Neiiinnnn!“, schrie sie wieder. Diesmal noch lang gezogener. „Ich will nicht, ich will es nicht!“ Und was sie nicht wollte, bewies sie mir in den folgenden Sekunden. Sie griff blitzschnell nach den sie umgebenden Gegenständen und bewarf mich damit.

Die Stifte flogen ebenso auf mich zu wie die Bücher mit den harten Einbänden. Ich wurde einige Male getroffen. Eine Umschlagkante ratschte über mein Ohr hinweg. Das Lineal behielt das Mädchen in der Hand und schlug damit nach mir.

Ich hätte sie leicht packen und beruhigen können, das wollte ich jedoch nicht. Nur nicht anrühxen. Das war hier nicht meine Sache. Die musste ich Sina Franklin überlassen.

Noch immer bewarf sie mich mit den Stiften. Sie schimpfte mich dabei aus, und die verwendeten Ausdrücke waren nicht dazu angetan, mich lächeln zu lassen. Wie irre war sie, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich zurückzuziehen, wo Sina Franklin auf mich wartete.

Julie bemerkte es. Ihre Arme sanken wieder nach unten. Sie hatte mich zurückgeschlagen, und darauf war es ihr angekommen. Ihr Gesicht war hochrot angelaufen, als sie den Kopf in meine Richtung drehte. Es war ein wirklich böser Blick, den sie mir zuwarf. Einen solchen erwartet man nicht von einem Kind.

Aber ich wich ihm nicht aus. Ich konzentrierte mich auf die Augen. Gut, ich kannte das Kind nicht so genau, aber der Ausdruck der Augen erschreckte mich schon. Er hatte sich verändert. Sie waren so schrecklich blass geworden, als hätte sich Nebel darin festgesetzt.

Ich schaute kurz zu der Erzieherin.

Sina Franklin zuckte mit den Schultern. „Es ist ein Zustand“, erklärte sie mir. „Mehr nicht.“

„Wissen Sie Genaueres?“

„Nein, Mr. Sinclair, leider nicht. Sie können mich alles fragen, aber da muss ich passen. Ich komme nicht mit und bin nur froh, dass sie es auch gesehen haben. Ich dachte, Sie wären skeptisch …“

„Nein, nein, Mrs. Franklin, so ist das nicht. Wenn Purdy Prentiss mich bittet, mich um etwas zu kümmern, dann hat sie einen Grund.“ Wir standen noch an der Tür und beobachteten das Kind.

Julies Anfall war vorbei. Sie beruhigte sich wieder. Sie blieb auf dem Bett hocken und schaute nach unten, als wäre der Bezug besonders interessant für sie.

Ich machte mir natürlich meine Gedanken und hatte auch für mich eine vorläufige Lösung gefunden, aber darauf hatte ich Sina noch nicht angesprochen.

Sie sah, dass mir eine Frage auf der Seele brannte, und sprach mich an. „Nun, was ist mit Ihnen?“

„Ich weiß nicht, wie ich sie einschätzen soll. Ich bin kein Psychologe. Aber wenn ich in meiner Umgebung eine derartige Person habe, dann frage ich mich, ob es nicht besser wäre, wenn sich ein Fachmann, ein Psychologe, um sie kümmert.“

Fast mitleidig blickte sie mich an. „Glauben Sie denn, wir hätten das nicht getan?“

„Und?“

„Es gab kein Ergebnis.“ Sie senkte den Blick. „Leider waren es nur zwei Sitzungen. Unsere finanziellen Mittel sind begrenzt, und auch Psychologen arbeiten nicht umsonst. Wir hätten sie länger von den Fachleuten befragen lassen sollen, doch dazu ist es nicht gekommen. Ich wusste mir keinen Rat mehr und habe dann mit Purdy gesprochen und sie mit Ihnen. Ich weiß nicht genau, wer Sie sind, Mr. Sinclair. Purdy erzählte mir nur, dass Sie beim Yard arbeiten.“

„Das stimmt.“

„Aber ist das ein Fall für einen Polizisten?“

„Es könnte einer werden.“

„Wie wollen Sie vorgehen?“

Ich lächelte nach dieser Frage und sagte: „Haben Sie nicht etwas von einer Hinterlassenschaft gesagt, Mrs. Franklin?“

„Stimmt. Sie meinen die Zeichnungen, die mir ein Rätsel aufgeben?“

„Ja, von ihnen sprach auch Purdy.“

„Die sehen wir uns in meinem Büro an. Ich habe sie dort unter Verschluss gehalten.“

„Danke, das wäre gut.“

Bevor wir gingen, warf ich noch. einen letzten Blick auf Julie Wilson. Genau in diesem Augenblick hob sie den Kopf, als wollte sie mir noch einen Abschiedsgruß zusenden.

Unsere Blicke trafen sich.

Das Mädchen lächelte noch. Es war ein Lächeln, das mir nicht gefallen konnte. Ich stufte es als hinterhältig und irgendwie auch wissend ein. Als wäre alles nur Theater, was sie da in den letzten Minuten getrieben hatte.

Das Lächeln dauerte nur wenige Sekunden. Dann war es zerbrochen, und der etwas stoische Ausdruck erwischte wieder ihr Gesicht. Sie ließ den Kopf hängen und starrte gegen die Knie.

„Können wir, Mr. Sinclair?“

„Ja, natürlich.“

Wir gingen. In mir blieb mehr als nur ein ungutes Gefühl zurück …

*

Der Mai hat helle und schon recht lange Tage. Obwohl wir Abend hatten, schien noch das Licht der Sonne gegen die Lamellen der beiden Rollos vor den Fenstern. Dennoch brauchte Sina Franklin das Licht nicht einzuschalten, denn das natürliche reichte aus.

Der Raum war mit hellen, nicht zu wuchtigen und deshalb freundlich wirkenden Möbeln eingerichtet. Bunte Stoffe waren über die Sitzflächen der beiden Stühle gezogen worden, auf dem glatten Parkettboden malten sich einige Schrammen ab, und der Schreibtisch war mit Papieren und Schnellheftern bedeckt. Dazwischen ragte der Computer wie ein klotziger Turm in die Höhe.

„Möchten Sie etwas trinken,- Mr. Sinclair?“

„Wäre nicht schlecht.“

„Ich kann Ihnen nur Mineralwasser anbieten.“

„Etwas anderes hätte ich auch nicht gewünscht.“

„Dann sind wir uns ja einig.“

Sie holte das Wasser aus einem Schrank, den sie aufschließen musste. Ich sah, dass er in zwei Fächer unterteilt worden war. Nicht nur das Wasser befand sich dort, es lagen auch einige Unterlagen darin. Danach griff die-Erzieherin.

Wieder landete ein Schnellhefter auf ihrem Tisch. Eine kleine Flasche Wasser bekam ich gereicht und verzichtete auf ein Glas.

Meinen Platz fand ich in einer kleinen Sitzecke. Zu ihr gehörte ein viereckiger Tisch, der von zwei kleinen Sesseln umgeben war.

Beide tranken wir aus den Flaschen, nachdem wir die Verschlüsse aufgedreht hatten. Es war warm geworden, nicht nur in den Räumen, sondern auch draußen, und in den letzten Stunden war sogar eine gewisse Schwüle hinzugekommen.

Sina Franklin hatte den Schnellhefter mitgebracht. „Die Akte Julie Wilson“, erklärte sie.

„Und?“

Sie hob die Schultern. „Es ist nicht die Akte, die Sie vielleicht erwarten. Also mit den Krankheitsunterlagen oder den Berichten über ihr Verhalten.“ Sie klopfte auf den Deckel. „Nein, in diesem Hefter befindet sich das, was Purdy Prentiss und mich nachdenklich gemacht hat.“ Sie hob den Blick, sodass ich direkt in die braunen Augen schauen konnte. „Es sind ihre Zeichnungen.“

„Die Bilder …“

„Genau die.“

„Das hat Purdy mir gegenüber auch angedeutet. Sie sind gewissermaßen der eigentliche Grund meines Besuchs hier.“

Sina Franklin lächelte einen Moment vor sich hin. „Ich wusste es, Mr. Sinclair, und deshalb bin ich gespannt, wie Sie die Zeichnungen interpretieren. Vorweg muss ich sagen, dass Julie kein großes Zeichentalent ist. Hier allerdings hat sie sich selbst übertroffen, wie Sie gleich erkennen können.“

„Ich bin gespannt.“

Wir rückten mit unseren Sesseln näher zusammen. Sina legte die Akte auf den Tisch, schlug sie auf, und ich sah einige lose Blätter darin, aber auch die erste Zeichnung.

Es war ein Engel!

Im Moment war ich überrascht, weil ich mit Engeln schon meine Erfahrungen hatte machen können. Und sie waren nicht immer positiv gewesen, das kam noch hinzu. Aber dieser Engel hier war einfach schön, und er entsprach auch der kindlichen Vorstellungswelt. Es war mit einem gelben Stift gezeichnet worden. Ein weiches Gesicht mit goldenen Augen, einem roten Mund, und die Gestalt des Engels war von einem wallenden Gewand umgeben, das allerdings die Flügel frei ließ, die sich hinter dem Rücken wie zwei mächtige Schwingen aufbauten.

Sina Franklin hatte mir eine gewisse Zeit gegeben. „Nun, Mr. Sinclair, was sagen Sie?“

Ich schaute auf die dem Betrachter zugestreckten Hände, die leer waren. Trotzdem bekam ich einen bestimmten Eindruck. Der Engel sah aus, als wollte er mir etwas überreichen, obwohl sich nichts in seinen Händen befand.

„Er ist sehr schön gemalt.“

„Das ist wohl wahr. Wenn man bedenkt, dass Julie nicht eben ein Malgenie ist, kann man das schon als ein kleines Kunstwerk betrachten.“

„Liebt sie Engel?“

„Das kann man jetzt so sagen, obwohl es nicht immer so gewesen ist. Wenn sie malte, dann eben die Engel, und dieser hier ist nicht der Einzige. Aber blättern Sie weiter.“

Sie hatte es mit einem bestimmten Unterton in der Stimme gesagt. So war ich neugierig geworden und schlug das nächste Bild auf.

Es war natürlich wieder ein Engel. Beim ersten Hinschauen glaubte ich, dass er identisch mit dem war, den ich schon gesehen hatte. Dann erkannte ich meinen Irrtum.

Dieser Engel sah anders aus. Zumindest vom Gesicht her, und die Farben waren auch nicht ganz so hell. Sie hatte zwar keine anderen genommen, dennoch wirkten sie etwas düsterer, und auch der Ausdruck des Gesichts war weniger freundlich. Die Mundwinkel hatten einen Knick nach unten bekommen, und auch das Gold der Augen hatte sich zurückgezogen. So sahen sie viel blasser aus.

„Was sagen Sie, Mr. Sinclair?“

Ich deutete auf die Zeichnung. „Da scheint Julie sich in einem etwas anderen Zustand befunden zu haben.“

„Das denke ich auch. Aber nehmen Sie sich die anderen Zeichnungen vor. Sie werden immer den gleichen Engel sehen, nur eben in anderen Variationen. Ich gehe zumindest davon aus, dass es der gleiche Engel ist, aber ich kann mich auch irren.“

„Wir werden sehen.“

Eine Sekunde später lag die dritte Zeichnung vor mir, die ich betrachtete. Ja, es war wieder der gleiche Engel, aber diesmal in noch dunkleren Farben gezeichnet. Das Gesicht wirkte keineswegs freundlich auf mich. Ich fand es’ sogar abweisend und runzelte die Stirn.

„Es gefällt Ihnen nicht, oder?“

„Nicht besonders.“

„Aber es ist ein Engel.“