John Sinclair 1270 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1270 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Belials Liebling.

Ich hatte die kleine Julie nicht vergessen, auch wenn es mir nicht gelungen war, sie aus den Klauen des Lügenengels zu befreien. Es gab sie noch, denn plötzlich tauchte sie wieder auf.

Sie erschien in einer Raststätten-Toilette an der Autobahn und warnte vor einem Inferno. Die Warnung erfolgte zu spät. Ein riesiger Truck jagte in die Tankstelle hinein und entfachte einen mörderischen Brand. Julie Wilson war wieder da, und zwar als Belials Liebling.

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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EPUB
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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumBelials LieblingVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Belials Liebling

Ich hatte die kleine Julie nicht vergessen, auch wenn es mir nicht gelungen war, sie aus den Klauen des Lügenengels zu befreien. Es gab sie noch, denn plötzlich tauchte sie wieder auf.

Sie erschien in einer Raststätten-Toilette an der Autobahn und warnte vor einem Inferno. Die Warnung erfolgte zu spät. Ein riesiger Truck jagte in die Tankstelle hinein und entfachte einen mörderischen Brand. Julie Wilson war wieder da, und zwar als Belials Liebling.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-4004-1

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Belials Liebling

In der Nacht wirkte die Raststätte noch ungemütlicher als am Tag.

„Abgefuckt“, pflegte Tino Caresi zu sagen. Er musste es wissen, denn er tat in der Nacht seinen Dienst als Toilettenmann, und dieser Job hatte ihn im Laufe der Jahre zu einem „Philosophen“ gemacht. Nebenbei auch zu einem Menschenkenner.

Er kannte sie alle. Die Eiligen, die Einsamen und Verzweifelten, die Coolen und die Schaumacher, die Ängstlichen und die Randalierer. Ein perfektes Spektrum der Bevölkerung kehrte bei Tino Caresi ein und aus. Ihn konnte so leicht nichts mehr überraschen.

Das dachte er bis zu dem Zeitpunkt im Mai, als er gezwungen wurde, das Leben mit anderen Augen zu sehen und mich zu fragen, was es noch alles gab auf dieser Welt …

Es war nicht viel los in dieser Nacht. Das Gemurmel der zahlreichen Gäste aus den großen Räumen war längst Erinnerung. Es würde wieder einsetzen, wenn die Autobahn befahren wurde und die Autofahrer den ersten Hunger oder Durst verspürten.

Tino Caresi gähnte. Er dachte daran, dass seine Schicht in etwas mehr als zwei Stunden vorbei war, aber diese Zeit würde sich hinziehen, das kannte er. Gerade die letzten Stunden waren die längsten, doch dagegen gab es ebenfalls Mittel.

Zum einen konnte er lesen, zum anderen war es nicht schlecht, ein Nickerchen zu machen.

Tino hatte die Toilette gesäubert, den Waschraum ebenfalls. Er hatte für neue Seife gesorgt und auch für frisches Toilettenpapier.

Mehr aus Zeitvertreib wischte er über die Kacheln hinweg und sah sich dabei immer wieder in den Spiegelflächen. Er wurde älter. Das Haar hatte einen Graustich bekommen, seine Haut sah müde aus. Die ersten Falten konnten einfach nicht übersehen werden, und das ärgerte Tino.

Aber so war das Leben. Und sein Leben spielte sich zum Großteil dort ab, wo andere ihre Notdurft verrichteten. Es war auch nicht weiter tragisch. In jedem Job gab es Ärger. Er sah sich sogar noch als privilegiert an, denn es gab keinen Chef, der ihn beaufsichtigte.

So ließ sich auch die Zeit auf der Toilette ertragen. Er war mit seiner Säuberung zufrieden. Auch Luisa würde es sein. Es war die Frau, die am Tag Dienst tat und mit Tino entfernt verwandt war.

Er ging wieder zurück in den Vorraum und wollte eine rauchen. Der Griff in die Kitteltasche, das Fassen nach der Schachtel – und das Anhalten. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Er war nicht mehr allein, obwohl er niemanden sah. Caresi hatte etwas gehört. Allerdings mehr im Unterbewusstsein. Keine harten und schnellen Schritte, doch es war etwas da. Auf dem Gang, in den er noch nicht hineinschaute.

Über seinen Rücken rieselte ein kalter Schauer, wie von der Hand eines Toten hinterlassen. Tino sah davon ab, eine zu rauchen und wollte zunächst nachschauen, was sich auf dem Flur abspielte.

Den Laut oder das Geräusch hatte er nicht identifizieren können. Beides war einfach da gewesen, und er schlich zur Tür, um in den Gang zu schauen.

An einen Überfall dachte er auch, aber der Gedanke lag etwas tiefer in ihm verborgen. Man hatte mal versucht, ihn zu überfallen. Zwei Junkies, die so fertig gewesen waren, dass sie kaum auf den eigenen Beinen hatten stehen können. Er war mit ihnen fertig geworden, ohne selbst etwas abbekommen zu haben.

Und jetzt?

In den Gang gehen, nachschauen und handeln. Oder auch nicht, falls nichts passiert war.

Er lauschte …

Es war nichts mehr zu hören, doch darauf wollte sich Tino nicht verlassen, und so ging er einen langen Schritt nach vorn, erreichte die Tür und schaute hinaus.

Nein!

Es war ein Ruf, der in seinem Kopf aufdröhnte. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht mit dem Bild, das er sah, als er den Kopf nach rechts drehte.

Im Flur stand völlig allein und mit einer Puppe im Arm ein Kind!

*

Es war kein Schock, den der Toilettenmann überwinden musste, sondern nur seine Überraschung, denn in all den Jahren seines Berufslebens hatte er so etwas noch nicht erlebt. Er war sich nicht mal sicher, ob es das Kind überhaupt gab, und er musste zunächst über seine Augen streichen und zwinkern, ob es das Bild tatsächlich gab.

Ja, es blieb!

Die Kleine mit den blonden Haaren stand einfach im Flur, etwa in der Mitte zwischen der Treppe und den Toilettenräumen. Sie trug ein orangefarbenes Kleid, hielt ihre Puppe fest, hatte ein rundes, niedliches Gesicht und schaute Tino an.

Sie wirkte nicht ängstlich. Nicht einmal zu fremd in dieser Umgebung, obwohl sie ein Fremdkörper war. Die großen Augen standen weit offen, und aus ihnen schaute sie den Toilettenmann an.

Tino überlegte verzweifelt, was er sagen sollte. Er konnte das Mädchen nicht einfach so im Gang stehen lassen. Er musste es fragen, was es wollte. Klar, wer hier herunter kam, der hatte ein menschliches Bedürfnis. Komischerweise traute er dieses der Kleinen nicht zu. Sie machte ihm irgendwie einen anderen Eindruck. Allerdings nicht den eines verlaufenen Kindes, sondern eines Mädchens, das seinen Weg bis zu einem bestimmten Ziel gefunden hatte.

Wie sollte er die Kleine ansprechen? Tino war nicht auf den Kopf gefallen. Er konnte sich gut mit Worten ausdrücken. In diesem Fall war er überfragt. Alles, was ihm in den Sinn kam, das passte ihm nicht und schien fehl am Platze zu sein.

Auch die Kleine tat nichts. In diesem kalten Licht wirkte sie wie ein Fremdkörper. Der Vergleich mit einem vom Himmel gefallenen Engel kam ihm in den Sinn. Das war natürlich Unsinn. Sie war kein Engel, sondern ein normaler Mensch.

Er musste sich schon zusammenreißen und nickte seiner Besucherin schließlich zu.

„Hi …“

Eine blöde Anmache, das gestand er sich selbst. Aber es waren ihm keine anderen Worte eingefallen.

Das Mädchen bewegte sich nicht oder kaum. Es konnte sein, dass sie kurz genickt hatte, aber sicher war er sich da auch nicht.

„Musst du zur Toilette?“ Auch eine dumme Frage, aber hier unten lag sie auf der Hand, und damit entschuldigte er sich.

Die Kleine sagte wieder nichts.

„Bitte … äh … bist du allein? Warten deine Eltern oben oder andere Leute, die du kennst?“

Zum ersten Mal erlebte Caresi einen Erfolg, denn die Kleine, die er auf acht oder neun Jahre schätzte, schüttelte den Kopf. Nun ja, immerhin hatte sie ihn verstanden, und den übrigen Panzer würde er auch noch brechen.

Er wollte es noch genauer wissen, nickte ihr ebenfalls zu und flüsterte: „Du bist allein?“

„Ja.“

Ha, jetzt hatte er ihre Stimme vernommen. Er war froh darüber und atmete innerlich auf. So anders war das Kind auch nicht. Vielleicht konnte er dem Mädchen helfen. Es sah wirklich so aus, als hätte es sich verlaufen, aber auf der anderen Seite machte es diesen Eindruck nicht. Und seine Puppe hielt es fest wie eine Beute, die es nie mehr im Leben loslassen wollte.

„Hast du auch einen Namen?“, fragte Caresi.

„Ich bin Julie …“

„Aha. Ein schöner Name, wirklich. Julie.“ Er lächelte. „Kannst du mir auch sagen, was du hier unten zu suchen hast?“ Komisch, Tino wollte noch immer nicht glauben, dass sie gekommen war, um zur Toilette zu gehen.

„Ich schaue mich um.“

„So allein?“

„Ja.“

„Warum? Wo sind deine Eltern?“

„Tot!“

Tino Caresi konnte nicht anders. Er musste schlucken, und er hätte sich beinahe sogar verschluckt. Er merkte, wie sein Herz schneller schlug und spürte einen kalten Schauer auf seinem Rücken. Er glaubte Julie, doch er fragte sich, was diese junge Waise dann um diese Zeit hier unten tat.

War sie irgendwo weggelaufen? Hatte sie es in einem Heim oder bei der Verwandtschaft nicht mehr ausgehalten?

Es konnte auch sein, dass sie ihn anlog und ihr Spielchen mit ihm trieb. Sein Blick glitt von Julie weg und erfasste die Puppe. Er konnte sich geirrt haben, und deshalb schaute er genauer hin. Wenn ihn nicht alles täuschte, besaß die Puppe die gleichen Gesichtszüge wie das Mädchen selbst, wenn nicht ähnliche. Nur war deren Haar schwarz, und wenn er genauer hinblickte, dann sah das Gesicht der Puppe irgendwie böse aus. Es war längst nicht so offen wie das ihrer Besitzerin. Je länger er hinschaute, desto mehr verstärkte sich das Gefühl. Dazu mochten auch die dunklen Augen beitragen, die in den Höhlen lagen wie glänzende Knöpfe. Der Mund war klein, zudem verzogen, und sehr helle Zähne lugten zwischen den Lippen hervor. Es konnte sogar sein, dass sie irgendwelche Spitzen besaßen, und plötzlich kam ihm das Bild einer Vampirpuppe in den Sinn.

Aber das konnte es auch nicht sein. Das durfte es nicht sein. Ein derartiges Spielzeug gab es nicht. Tino konnte es sich zumindest nicht vorstellen. Auf dem Kleid und dicht unter den beiden halbrunden Kragenhälften malten sich einige Flecken ab. Sie waren dunkler als der Stoff. Da dachte er plötzlich an Blut, obwohl er sich mit dem Gedanken nicht anfreunden konnte.

Er blieb bei dem letzten Thema. „Und … äh … deine Eltern sind wirklich tot?“

Sie nickte wieder.

Oh Scheiße!, dachte er und strich über sein dunkles Haar hinweg.

„Was willst du denn hier?“

„Geh lieber …“

„Bitte?“

„Geh hier weg!“

Verstanden hatte er sie, nur nicht begriffen, und deshalb schüttelte er den Kopf. „Warum soll ich denn hier weggehen, Julie? Ich habe noch Dienst. Er dauert. bis zum Feierabend. Ich kann dich natürlich schützen und der Polizei übergeben. Es ist nicht gut, wenn ein Mädchen um diese Zeit hier herumläuft. Das musst du verstehen. Vielleicht bist du auch ausgerissen, aber du musst zurück. Ich weiß, dass es nicht toll ist, in einem Heim zu sein, das ist mir alles klar, aber sonst … na ja … du musst eben hören auf das, was ich gesagt habe.“

Er ärgerte sich über seine eigenen’ Worte. Er hatte zu viel und nicht das Richtige gesagt, nur war ihm nichts anderes eingefallen, und jetzt wollte er abwarten, was passierte. Es musste doch eine Reaktion von ihrer Seite aus geben.

„Du musst weggehen!“

Tino lachte krächzend. Er fasste es nicht. Es war einfach verrückt. Er schlug gegen seine Stirn. Die Worte hatten sich angehört wie eine Warnung.

„Warum soll ich denn gehen, Julie?“

„Du könntest sterben!“

Es war eine sehr schlichte Antwort gewesen, doch die Worte hatten ihn tief getroffen. Tino spürte, wie das Blut in seinen Kopf stieg und sich die Haut rötete. Ihm war eigentlich nie der Gedanke an den Tod gekommen, und so etwas aus dem Mund eines Kindes zu hören, war der große Hammer.

„Ich könnte sterben?“

„Ja.“

„Wie denn?“

„Es wird passieren, wenn du nicht gehst. Es wird wirklich passieren. Geh lieber. Du musst flüchten.“

Sie sagte nichts mehr. Noch einmal traf ihn ein Blick ihrer hellen Augen, und der sah in der Tat aus wie eine optische Warnung. Er merkte sogar, dass ihm kalt wurde und sich die Haut auf seinem Rücken wieder zusammenzog.

„Ein Überfall?“ Es war seine Version einer Geschichte, die er sich vorstellen konnte, doch Julie gab ihm keine Antwort mehr. Sie drehte sich weg, und er schaute auf ihren Rücken. Dann ging sie auf die Treppe zu, die nach oben führte, und ließ einen Menschen zurück, der sich nicht bewegen konnte und erst mit dem fertig werden musste, was ihm in den letzten Minuten widerfahren war.

Tino Caresi glaubte an einen Traum und doch wieder nicht daran. Er strich über seine Stirn. Er stierte dorthin, wo die blonde Julie gestanden hatte, aber sie war nicht mehr zu sehen und tatsächlich gegangen. Die Treppe mit den breiten Stufen führte in die Höhe. Eigentlich hätte er das Echo ihrer Schritte dort hören müssen, nur drang von dort nichts an seine Ohren.

Er streifte seine Handflächen an seinem Kittel ab und bekam sie so trocken. Dann hielt ihn nichts mehr auf dem Fleck. Er hatte das Kind gesehen, doch er konnte es nicht vergessen und konnte es vor allen Dingen nicht einfach so laufen lassen. Dagegen musste er etwas tun. Ob Julie die Wahrheit gesagt hatte oder nicht, das spielte für ihn im Moment keine Rolle. Er musste sie noch sehen und mit ihr reden, denn er hatte auch das Gefühl, dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte. Julie war derartig ernst gewesen, dass er nicht an eine Lüge glaubte.

Der Gang mit den Fliesen und dem hellen Licht kam ihm jetzt noch kälter und abweisender vor als sonst. Die Treppe bestand aus einem dunklen Gestein. Sie war recht lang. Tino hoffte, Julie noch zu sehen, als er die unterste Stufe erreichte.

Pech gehabt – Julie war verschwunden!

Tino blieb stehen und dachte nach. Wohin konnte sie gelaufen sein? Es gab nur eine Lösung. Ins Rasthaus oder auf den großen Parkplatz, der die Raststätte ebenso umgab wie eine Tankstelle. Normalerweise verließ Tino seinen Arbeitsplatz nicht. In diesem Fall hatte er einen besonderen Grund, und deshalb eilte er Julie nach. Er lief mit langen Schritten die Stufen hoch und nahm zwei auf einmal. Die Sorge um Julie war für ihn wie ein Motor, und dann dachte er auch an ihre Warnung, dass ihm etwas passieren könnte.

Genau das trug dazu bei, dass er seine Schritte noch mehr beschleunigte. In seinem Reich hätte er sich zu sehr eingeschlossen gefühlt. Da war es schon besser, wenn er ins Freie lief und sich dort genauer umschaute. Es lagen ihm noch so verdammt viele Fragen auf der Zunge, und nur Julie konnte die Antworten geben.

An Vorahnungen hatte er nie so recht geglaubt, nun aber änderte er seine Meinung, und das bereitete ihm schwere Sorgen …

*

„Sinclair“, meldete ich mich, und meine Stimme klang etwas gehetzt, weil ich vom Flur her erst in meine Wohnung gelaufen war, um dort den Telefonhörer abzuheben.

„Sina Franklin hier.“

„Ach, Sie sind es.“

„Bitte, John, entschuldigen Sie die Störung. Ich wollte Sie nicht auf der Dienststelle anrufen. Sie haben sicherlich genug zu tun, und so habe ich mir eben den frühen Abend ausgesucht.“

„Unsinn, Sina, Sie hätten auch am Vor- und Nachmittag anrufen können.“

„Danke, dass Sie das sagen.“ Ich hörte ein seufzendes Geräusch. „Können Sie sich denken, weshalb ich Sie kontaktiert habe?“

„Es geht um Julie Wilson – oder?“

„Genau.“

Diesmal seufzte ich. Innerlich und unhörbar. Sina Franklin hatte mich an einen Fall erinnert, den ich als eine verdammte Niederlage einstufte.

Julie Wilson, das achtjährige Mädchen, das als Waise in einem Heim lebte, war von Visionen überfallen worden. Es hatte Engel gemalt. Zuerst wunderbar und sehr schön, doch dann wurden die Engel immer düsterer und schrecklicher und endeten schließlich in einer Gestalt, die dem Betrachter nur Angst einjagen konnte.

Sina Franklin hatte die Bilder einer Freundin gezeigt, der Staatsanwältin Purdy Prentiss. Und sie wiederum war eine Freundin von mir. Sie wusste gut über mich Bescheid und hatte mich auf die Zeichnungen aufmerksam gemacht. 1

So war ich in das Heim gefahren, hatte dort Sina Franklin kennengelernt, auch Julie und deren Zeichnungen, von denen mich besonders die Letzte erschreckt hatte, denn diesen Engel, den sie da gemalt hatte, den kannte ich verdammt gut.

Es war Belial, Engel der Lügen!

Er hatte Kontakt mit dem achtjährigen Mädchen aufgenommen. Was das bedeutete, konnte ich nur ahnen, und es waren verdammt böse Vorahnungen, die sich dann bewahrheiteten.

Weder die Heimleiterin noch ich hatten es geschafft, Belial zu stoppen. Belial war uns zuvorgekommen, er hatte Julie Wilson entführt, und wir waren machtlos geworden.

Natürlich machten wir uns beide Sorgen um Julie. Nur glaubte ich nicht daran, dass er ihr ein Leid antun würde. Nein, das nicht. Er musste mit dem Kind andere Pläne haben, denn er war es ja gewesen, der mit Julie den Kontakt aufgenommen hatte. Nur durch seine Tipps war es ihr gelungen, die Engel zu malen.

Sina Franklin und ich wussten nicht, wohin Julie durch den Lügenengel gebracht worden war, aber wir wollten am Ball bleiben. Besonders die Heimleiterin und Erzieherin, die sich für die Waise verantwortlich fühlte.