John Sinclair 1313 - Jason Dark - E-Book

John Sinclair 1313 E-Book

Jason Dark

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Beschreibung

Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!

Der falsche Engel.

Als ich Lorna Peel kennen lernte, wollte sie, dass ich sie beschützte. Sie sprach von einer unheimlichen Gefahr. Von einem Lauern im Dunkeln. Ich tat ihr den Gefallen, blieb jedoch skeptisch.

Bis wir ihre tote Zwillingsschwester fanden, die noch eine Nachricht in ihren starren Fingern hielt.

Die Botschaft wies auf Lucio, ihren Mörder, hin. Sie selbst hatte sich dem Klub der Engelsfreunde angeschlossen. Diese Spur führte mich zu Lucio. Er war der falsche Engel.

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

CoverJohn Sinclair – Die SerieÜber dieses BuchÜber den AutorImpressumDer falsche EngelVorschau

John Sinclair – Die Serie

John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.

Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.

Über dieses Buch

Der falsche Engel

Als ich Lorna Peel kennen lernte, wollte sie, dass ich sie beschützte. Sie sprach von einer unheimlichen Gefahr. Von einem Lauern im Dunkeln. Ich tat ihr den Gefallen, blieb jedoch skeptisch.

Bis wir ihre tote Zwillingsschwester fanden, die noch eine Nachricht in ihren starren Fingern hielt.

Die Botschaft wies auf Lucio, ihren Mörder, hin. Sie selbst hatte sich dem Klub der Engelsfreunde angeschlossen. Diese Spur führte mich zu Lucio. Er war der falsche Engel.

Über den Autor

Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve

ISBN 978-3-8387-4059-1

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de

Der falsche Engel

Rote Stiefel, ein kurzes weißes Kleid, dunkelblondes Haar – genauso sah die Frau aus, mit der ich mich treffen wollte. Ich sah sie durch die Scheiben des Wagens, als die U-Bahn in der Station angehalten hatte.

Gern hätte ich etwas über den genauen Grund des Treffens erfahren, doch den hatte sie mir nicht genannt. Am Telefon hatte sie nicht sprechen wollen. So war zwischen uns abgemacht worden, dass sie zu einer bestimmten Zeit an einer bestimmten Haltestelle in die U-Bahn stieg. Den genauen Grund wusste ich nicht. Ich kannte nur ihren Namen. Die Frau hieß Lorna Peel. Das war sie also. Und als sie mir gegenüberstand, sah ich, dass sie Angst hatte. Todesangst.

Vor dem Treffen hatte ich versucht, etwas über sie herauszufinden. Aber selbst die Spezialisten beim Yard hatten nichts Verdächtiges oder Auffälliges finden können, und genau das hatte meine Spannung noch erhöht.

Ich glaube, es gibt keine U-Bahn-Station auf der Welt, wo kein Gedränge herrscht. Zu bestimmten Zeiten war es besonders schlimm, und das erlebte ich auch hier. Der späte Nachmittag oder frühe Abend brachte den Berufsverkehr, und der hatte es mal wieder in sich. Da drängten die Menschen aus den Wagen, andere wollten hinein, und es war auch für Lorna Peel nicht leicht, in einen bestimmten Wagen zu steigen. Ich war früher eingestiegen und hatte mich an unsere Absprache gehalten. So stand ich im zweiten Wagen hinter der Zugmaschine.

Durch das Fenster schaute ich zu und sah, dass das große Schieben allmählich nachließ. Aber erst zwei Haltestellen weiter standen wir uns in dem Gedränge gegenüber. Lorna wusste, wie ich aussah, und sie hatte sich sehr gut beschrieben.

Ich lächelte ihr zu.

Sie gab das Lächeln zurück. Etwas scheu, sogar leicht verlegen. Die Augen konnte sie dabei nicht ruhig halten. Sie bewegte die Pupillen von einer Seite zur anderen wie jemand, der nach bestimmten Feinden sucht, sie aber noch nicht gefunden hat.

„Zufrieden?“, fragte ich.

„Ja. Bis jetzt …“

„Super.“

Sie sagte nichts. Ich beobachtete die junge Frau. Sie musste zwischen 25 und 30 sein. Ihr Haar war halblang. Sie trug ein helles Kleid, dessen Rock leicht ausgestellt war und über den Knien endete. Die roten Stiefel reichten mit ihren Schäften fast bis zu den Knien, und ihr gesamtes Outfit wirkte auf mich ein wenig halbseiden. Es konnte durchaus sein, dass Lorna Peel nicht eben einem sehr bürgerlichen Beruf nachging. Für mich war das noch kein Grund, sie zu verdammen. Sie war eine Frau, die Probleme hatte, das sah ich ihrem gesamten Gehabe an und auch dem Ausdruck ihrer Augen.

Es gab um uns herum zu viele Zuhörer. So hatte es wenig Sinn, mit ihr über die Probleme zu sprechen, die sie quälten. Wenn wir die Bahn verlassen hatten, würde die Zeit noch kommen. Deshalb stellte ich auch keine Fragen.

Obwohl ich mich jetzt in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt, blieb der unstete Ausdruck in ihren Augen. Hin und wieder leckte sie mit der Zungenspitze über die spröden Lippen. Auch der leichte Schweißfilm auf dem Gesicht war nicht zu übersehen.

„Wann müssen wir raus?“

„An der übernächsten.“

„Gut.“ Ich rechnete kurz nach. Es war eine Station, die noch im Bereich des Hafens lag. Südlich des Flusses. Die Haltestelle Tower Bridge hatten wir passiert. Zumindest war es keine Gegend, in die der Londoner seine Gäste führt.

Lorna sprach nicht mehr. Nur ihre ängstlichen Blicke blieben weiterhin bestehen. Mit ihnen suchte sie den Wagen ab, und auch ich wurde davon angesteckt und schaute mich um.

Ich sah nichts Verdächtiges. Wenn es tatsächlich eine Gefahr gab, dann hielt sie sich gut versteckt oder hatte sich einen Tarnmantel übergestreift.

Das Rumpeln der Wagenschlange war zu hören und auch zu spüren. Die Menschen schaukelten hin und her. Sie wurden durch einen düsteren Tunnel transportiert, als hätten sie eine Reise zum Mittelpunkt der Erde gebucht, um dort nach versunkenen Kulturen zu suchen.

Nur hin und wieder huschten Lichtschleier vorbei. Kaum waren sie zu sehen, verschwanden sie schon wieder, bis es plötzlich hell wurde und ich mitbekam, wie Lorna aufatmete.

Wir rollten in die Station.

Wieder das gleiche Spiel. Die Menschen außen vor den Wagen. Das recht scharfe Abbremsen. Aus den Schemen wurden Gesichter, dann kam die Schlange zum Stehen.

Die Türen öffneten sich mit einem Zischen. Etwas frischere Luft strömte in die Wagen. Menschen stiegen aus. Andere warteten, um einsteigen zu können. Lorna hatte sich von mir weggedreht, um auf eine Tür zuzugehen. Ich erwischte ihre Hand, merkte ihr leichtes Zusammenzucken, doch sie ließ es geschehen, dass ich die Hand weiterhin fest hielt. Ich merkte nur, dass sie schweißfeucht war.

Es lag nicht am Wetter, denn in London war es nach einer kurzen sonnigen Periode wieder kühl geworden. So gehörte es sich eigentlich für den Monat April, der für seine Unbeständigkeit bekannt ist.

Fast wäre Lorna beim Verlassen des Wagens noch ausgerutscht. Sie fing sich wieder und drehte mir ihr Gesicht zu.

Es war blass. Es war schmal. Die Nase stach etwas spitz hervor. Blasse Lippen, die unruhigen Augen. Wenn ich ihr Gesicht mit dem Outfit verglich, dann passte meiner Ansicht nach beides nicht zusammen. Bei diesen Stiefeln und dem kurzen Rock hätte man sie wirklich für eine andere Person halten können. Möglicherweise war sie das auch. Wie auch immer, jetzt hatte sie Angst.

Wir waren beide dem Pulk der Menschen ausgewichen und blieben nun stehen, und zwar so, dass wir uns gegenseitig ins Gesicht schauten. Lorna war etwas verlegen. Die blassen Wangen hatten eine gewisse Röte bekommen. Sie sah aus wie jemand, der nicht weiß, was er sagen soll. Als ich in ihre Augen schaute, stellte ich fest, dass sie ziemlich blass waren. Beinahe gläsern, mit einem leichten Grünstich.

„Ich denke, Sie können jetzt aufatmen, Lorna, wir haben es geschafft.“

Dem wollte sie nicht zustimmen. „Da bin ich mir nicht sicher. Aber es ist gut, dass wir uns gefunden haben.“

„Okay, angenommen. Sie wissen, wer ich bin. Polizist, und ich möchte Sie fragen, warum wir uns getroffen haben. Ich meine, Sie müssen von mir gehört haben. Sie werden wissen, womit ich mich beschäftige, und sicherlich haben Sie auch einen triftigen Grund.“

Bevor sie sprach, zuckten ihre Mundwinkel. „Ja, den habe ich.“

„Das dachte ich mir“, erklärte ich locker, auch, um ihr etwas die Spannung zu nehmen. „Wie sieht Ihr Grund aus?“

„Ich habe Angst.“

„Tja“, murmelte ich, „die haben leider viele Menschen in der heutigen Zeit.“

„Bei mir ist es eine spezielle. Deshalb habe ich Sie auch gebeten, mich zu treffen.“

„Okay. Jetzt bin ich hier. Sagen Sie es deutlicher. Ich muss mich darauf einstellen können.“

Lorna Peel nickte vor sich hin. Dann murmelte sie mit kaum hörbarer Stimme: „Ich habe große Angst davor, dass man mich tötet, Mr. Sinclair …“

*

So überrascht wie es ein nicht Eingeweihter sicherlich gewesen wäre, war ich nicht. Ich fiel nicht aus allen Wolken, ich bedauerte sie nicht, und ich erklärte auch nicht, dass sie jetzt keine Angst mehr zu haben brauchte. Ich nickte ihr nur zu und übernahm dann das Wort.

„Sind Sie sicher, Lorna, dass man Sie töten will?“

Die Frau schaute sich um, als wäre sie davon überzeugt, dass ihre Feinde in der Nähe lauerten. „Ja, das bin ich.“

„Und warum?“

Sie schien auf diese Frage gewartet zu haben, denn sie hob schnell die Schultern.

„Wollen Sie es mir nicht sagen?“

„Nicht sofort, Mr. Sinclair.“

„Bitte, nennen Sie mich einfach John. Lassen Sie das Mister weg. Es klingt zu förmlich.“

„Danke.“

„Und nun?“

Lorna schüttelte den Kopf. „Bitte, John, nicht hier. Ich fühle mich unwohl. Das ist nicht meine Welt, wenn Sie verstehen. Ich … ich … möchte am liebsten weg.“

„Kann ich verstehen. Und wohin?“

„Nach oben.“

„Gibt es einen besonderen Ort dort, an dem wir uns in Ruhe unterhalten können?“

„Ja, ich denke schon.“

„Dann kennen Sie sich hier aus?“

„Ich bin hier aufgewachsen.“

„Okay, gehen wir.“

Auch mir gefiel es in der Station nicht. Das hing vor allem mit der Luft zusammen, die mir irgendwie feucht und stickig vorkam. Die Decke, die alten Wände, die verschmutzten Reklametafeln, all das sorgte auch bei mir für ein etwas bedrückendes Gefühl.

Trotz meiner Nähe wich der unstete Ausdruck in den Augen der Frau nicht. Sie war nervös. Die Angst saß bei ihr einfach zu tief, um sie mit ein paar Sätzen vertreiben zu können. Ich war wirklich gespannt darauf, was sie mir zu sagen hatte.

Über eine Treppe gingen wir nach oben und waren beide froh, bessere Luft einatmen zu können. Die Umgebung war recht belebt, aber sie gehörte wirklich nicht zu denen, die man vorzeigt. Hier lebten die Bewohner, denen es normal ging. Und normal bedeutet nichts besonderes in einer riesigen Stadt, in der die Preise explodiert waren.

Auch jetzt schaute sich Lorna vorsichtig um. Sie hatte mir zwar den Grund genannt, der allerdings war mir zu wenig gewesen, und deshalb nahm ich dieses Thema wieder auf.

„Bitte, Lorna, Sie müssen mir doch sagen können, vor wem Sie sich fürchten. Es wäre besser, wenn Sie mir eine Beschreibung geben. Damit wäre mir schon geholfen.“

„Das kann sein.“

„Und?“

Sie blieb stehen. „Ich kann es Ihnen nicht sagen, John. Ich weiß es nicht. Es gibt die Gefahr. Sie ist nicht normal. Sie ist unheimlich, und sie hat mit mir zu tun.“

„Warum?“

„Weil ich so etwas wie eine Verräterin bin.“

Für die nächste Frage ließ ich mir Zeit. Ich wartete ab, ob sie noch etwas hinzufügte, was nicht eintrat. Wir standen inmitten dieser lebhaften Gegend auf dem Gehsteig und fühlten uns wie zwei Menschen, die eine Insel erreicht hatten.

„Wen haben Sie verraten?“

Lorna wollte mich bei ihrer Antwort nicht ansehen. Sie schaute auf eine graue Hauswand, in der selbst die Fensterscheiben grau wirkten und auch die Gesichter der Menschen, die dahinter zu sehen waren, denn die beiden Fenster gehörten zu einem Friseurladen.“

„Meine Familie. Meine Beschützer.“

„Aha. Vater, Mutter und …“

„Nein, nein. Mit denen habe ich keinen Kontakt mehr. Meine Familie ist eine andere.“

„Und welche?“

Sie schüttelte schnell den Kopf. „Nicht hier, John, bitte nicht hier. Lassen Sie uns woanders hingehen.“

„Damit habe ich keine Probleme. Wohin?“

Plötzlich sah ich sie lächeln. „Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt hier eine kleine Gartenanlage. Da haben die Leute ihre Parzellen. Nahe der Bahn.“

„Wollen Sie dorthin?“

„Gern.“

„Warum?“

„Weil ich mich da sicherer fühle. Und Sie werden doch sicherlich bei mir bleiben – oder?“

„Das denke ich schon. Schließlich haben wir uns nicht grundlos getroffen.“

„Ich freue mich auch darüber.“

Von Lorna Peel ließ ich mich führen. Ihre Worte hatten mich sehr wachsam gemacht, und so schaute ich mich heimlich sehr genau um, als wir gingen. Mir fiel nichts Verdächtiges auf, aber ich steckte auch nicht in Lorna Peels Lage.

„Darf ich mal fragen, wie Sie überhaupt auf mich gekommen sind?“

„Ja, ich habe was in der Zeitung über Sie gelesen, John. Das ist etwas länger her, doch ich habe es nicht vergessen. Und jetzt habe ich mich wieder daran erinnert.“

Ich lächelte. Das klang glaubhaft. Hin und wieder konnte ich es nicht vermeiden, dass mein Name in der Zeitung stand. Besonders bei Fällen, die spektakulär waren.

„Reicht das?“, fragte sie.

„Für den Augenblick schon.“

„Dann wollen wir jetzt gehen.“

„Zu diesem Garten?“

„Es bleibt dabei.“

Ich schaute auf ihre roten Stiefel. Trotz der hohen Absätze konnte sie darin gut laufen. „Und in dieser kleinen Gartenanlage fühlen Sie sich sicher?“

„Es ist besser als hier.“

„Warum? Ich kenne sie zwar nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass sie unübersichtlicher ist.“

„Als Kind war ich oft dort.“

„Mit Ihren Eltern?“

„Nein, mit meinen Großeltern. Bei ihnen bin ich aufgewachsen. Meine Eltern haben sich getrennt. Das waren noch welche aus der Hippie-Generation. Wenn Sie mich direkt fragen, würde ich sie als bindungsunfähig bezeichnen. Es war schon besser, dass sie sich getrennt haben.“

„Leben Ihre Großeltern denn noch?“

„Nein, leider nicht mehr“, sagte sie traurig. „Ich habe mich allein durchgeschlagen.“

Ich sah ihr an, dass sie sich nicht weiter über ihre Vergangenheit auslassen wollte, und stellte deshalb keine Fragen. Nachdem wir etwa hundert Meter gegangen waren, lenkte Lorna Peel ihre Schritte in eine schmale Gasse hinein.

Ihr Ende war gut zu sehen, denn dort war eine Brücke, über die soeben ein Zug rollte. Vor der Brücke senkte sich die schmale Straße etwas, und Lorna sagte: „Dahinter sind wir am Ziel.“

„Bei den Gärten?“

„Ja.“

Die schmale Straße wurde nur recht wenig befahren. Trotz des trüben Wetters spielten Kinder im Freien. Zumeist hielten sie sich auf den Gehsteigen auf. Fenster standen weit offen. Stimmen waren ebenso zu hören wie Musik oder die Geräusche aus den laufenden Fernsehern.

Sie schluckten auch die Geräusche der Schritte, die von den Absätzen der Stiefel hinterlassen wurden. Lorna sagte jetzt nichts mehr. Sie hielt den Kopf gesenkt und beobachtete ihre Schuhe. Mir fiel erst jetzt auf, dass sie keine Handtasche bei sich trug, und als wir unter der Brücke hergingen, blieb sie plötzlich stehen.

Ihren Rücken drehte sie der Wand zu, schaute mich direkt an und fragte: „Kennen Sie das Lauern im Dunkeln, John?“

Ich war wegen der Frage leicht verunsichert und sagte deshalb: „Nicht wirklich.“

„Aber ich.“ Sie zog die Schultern hoch wie jemand, der friert. Meiner Ansicht nach war sie auch zu dünn angezogen. Als hätte sie fliehen müssen und einige Teile vergessen.

„Aber ich kenne es.“

„Erzählen Sie?“

Lorna bewegte ihren Kopf. „Es ist nicht einfach, John. Man muss es spüren. Es ist der Verfolger. Das Lauern im Dunkeln. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.“

Es war ein Rätsel, über das ich nachdenken sollte. Ich schob es zunächst mal vor mir her, denn meine Gedanken drehten sich um einen anderen Punkt. War es möglich, dass sich eine Macht Lorna ausgesucht hatte, um mir eine Falle zu stellen? Dass ein Gegner auf meine Hilfsbereitschaft spekulierte und diese nun ausnutzte, um mich ins offene Messer laufen zu lassen?

Daran hatte ich zwar vor unserem Treffen kurz gedacht, nun aber drängte sich der Gedanke nahezu auf. Nur traute ich mich nicht, Lorna danach zu fragen, weil ich sie nicht verunsichern wollte.

„Lassen Sie uns gehen!“

Der Satz wurde von einem rauschenden und ratternden Geräusch verschluckt, als über unseren Köpfen ein Zug über die Brücke donnerte und für einige Vibrationen sorgte.

Lorna ging jetzt sehr schnell, als könnte sie es nicht erwarten, früh genug ans Ziel zu gelangen. Sie ging erst langsamer, als sie die Brücke hinter sich gelassen hatte.

Als ich sie einholte, schaute sie kurz zurück. „Ich … ich … habe immer Angst, dass die Brücke zusammenbricht, wenn ich darunter herlaufe, ehrlich, John.“

„Sie hat so lange gehalten, dass sie auch weiterhin halten wird.“

„Meinen Sie?“

„Bestimmt.“

Sie schüttelte sich. Ich hatte sie nicht beruhigen können und sprach auch nicht weiter auf sie ein, denn die neue Umgebung war für mich interessanter geworden.

Die Straße gab es noch. Sie durchschnitt nur nicht mehr die beiden Häuserzeilen. Rechts lag ein Brachgelände, das wohl zur Bahn gehörte. Links von uns breiteten sich die Gärten aus, die auch nicht unbedingt so freilagen, weil sie teilweise von alten Mauerresten verdeckt wurden.

Für einen Schrebergarten war das Gelände nicht eben ideal. Auf der anderen Seite sucht sich jeder Mensch einen kleinen Flecken Grün, auf dem er sein Glück finden und verteidigen kann.

Mir ging ein bestimmter Satz nicht aus dem Kopf. Lorna Peel hatte vom „Lauern im Dunkeln“ gesprochen. Bis es dunkel wurde, hatten wir noch einige Stunden Zeit, sodass die Gefahr eigentlich jetzt nicht bestand. Allerdings konnte sie mit dem Begriff Dunkel auch etwas im übertragenen Sinne gemeint haben.

Es war vieles möglich. Für mich blieb sie nach wie vor eine rätselhafte Person.