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Endlich als E-Book: Die Folgen der Kult-Serie John Sinclair aus den Jahren 2000 - 2009!
Der Schlafwandler war ein Mensch, der sich in seinem Zustand mit den Leuten in Verbindung setzte, die ihres Lebens überdrüssig waren. Er trat auf den Plan und begleitete sie in den Tod.
Auch eine gewisse Deborah Crane starb. Sie war eine Freundin von Sheila Conolly. Die glaubte nicht an einen Selbstmord und fing damit an, nachzuforschen.
Nur ahnte sie nicht, dass diese Recherchen für sie zu einem wahren Horrortrip werden würden ...
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung. Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 140
Veröffentlichungsjahr: 2015
John Sinclair ist der Serien-Klassiker von Jason Dark. Mit über 300 Millionen verkauften Heftromanen und Taschenbüchern, sowie 1,5 Millionen Hörspielfolgen ist John Sinclair die erfolgreichste Horrorserie der Welt. Für alle Gruselfans und Freunde atemloser Spannung.
Tauche ein in die fremde, abenteuerliche Welt von John Sinclair und begleite den Oberinspektor des Scotland Yard im Kampf gegen die Mächte der Dunkelheit.
Der Schlafwandler war ein Mensch, der sich in seinem Zustand mit den Leuten in Verbindung setzte, die ihres Lebens überdrüssig waren. Er trat auf den Plan und begleitete sie in den Tod.
Auch eine gewisse Deborah Crane starb. Sie war eine Freundin von Sheila Conolly. Die glaubte nicht an einen Selbstmord und fing damit an, nachzuforschen.
Nur ahnte sie nicht, dass diese Recherchen für sie zu einem wahren Horrortrip werden würden …
Jason Dark wurde unter seinem bürgerlichen Namen Helmut Rellergerd am 25. Januar 1945 in Dahle im Sauerland geboren. Seinen ersten Roman schrieb er 1966, einen Cliff-Corner-Krimi für den Bastei Verlag. Sieben Jahre später trat er als Redakteur in die Romanredaktion des Bastei Verlages ein und schrieb verschiedene Krimiserien, darunter JERRY COTTON, KOMMISSAR X oder JOHN CAMERON.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen RomanheftausgabeBastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG© 2015 by Bastei Lübbe AG, KölnVerlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian MarzinVerantwortlich für den InhaltE-Book-Produktion:Jouve
ISBN 978-3-8387-4308-0
www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.dewww.bastei.de
Dem Leben könnt ihr euch entziehen, dem Tod nicht! T.S. Elliot
Heute Nacht werde ich sterben!, dachte Deborah Crane und freute sich darauf.
Die Frau mit den kurzen blonden Haaren trat ans Fenster und schaute hinaus in die Landschaft an der Rückseite des einsamen Hauses. Der See, auf dessen Oberfläche sich keine Welle bewegte, lag da wie ein riesiges dunkles Auge. Der Wind war im Laufe des Abends eingeschlafen.
Vor dem See standen die Bäume. Sie trugen nur noch die Hälfte ihres Laubes. Auch jetzt, in der Windstille, sanken die Blätter zu Boden. Sie würden dort liegen bleiben, bis sie irgendwann verfaulten …
Genau das werde ich auch!
Deborah nickte vor sich hin, als sie daran dachte. Der Gedanke bereitete ihr keine Angst. Sie hatte sich lange genug mit dem Tod beschäftigt. Alles war ein ständiges Kommen und Gehen, und sie wollte das Gehen beschleunigen.
Sie lächelte und sah ihr Gesicht dabei als schwachen Umriss in der Fensterscheibe. Auf das Ende hatte sie sich gut vorbereiten können – und sie war auch vorbereitet worden. Es würde überhaupt nicht schlimm werden, das hatte ihr Karel versprochen.
Er war ihr Begleiter, ihr Mentor, und er war ein Mensch, der nur in der Nacht kam. Wenn andere Menschen schliefen, begann seine Zeit. Dann wandelte er durch die Dunkelheit und besuchte diejenigen, die es wollten.
Karel war eben außer- und ungewöhnlich. Und er war ein Mensch, der seine Versprechen hielt. Auf ihn konnte man sich hundertprozentig verlassen.
Deborah Crane änderte ihre Blickrichtung. Jetzt schaute sie schräg in die Höhe, weil sie den Himmel suchte, der wie eine dunkle Platte hoch über ihr lag.
Aber die Platte hatte auch ein Loch. Kreisrund war es in die Schwärze geschnitten. Doch wer ganz genau hinschaute, musste seine Meinung ändern. Es war kein runder Ausschnitt im Himmel, sondern einfach nur der volle Mond, der auf die Erde nieder glotzte, als wollte er die gesamte Welt mit seinem Auge beobachten.
Vollmond war eine gute Zeit, um zu sterben, und Deborah wusste auch, wie sie sterben und welchen Weg sie nehmen würde. Es war ja nicht so weit. Nur wenige Schritte durch die Natur gehen und dann langsam dem Tod entgegen schreiten.
Perfekt …
Sie drehte sich um. Auf dem Tisch stand noch die Kanne mit dem Tee. Er war mittlerweile kalt geworden, aber sie gönnte sich trotzdem noch einen Schluck und spürte auch, dass er ihr gut tat. Kalt rann er ihre Kehle hinab, und sie lächelte sich in der Scheibe erneut zu, diesmal mit der Tasse in der Hand. Es sollte der letzte Schluck in ihrem Leben werden.
Wann kam er?
Als sie die Teetasse abstellte, klopfte es an der Tür, und sie zuckte zusammen. Sie wusste jetzt, dass er da war. Kein Fremder hätte sich hierher verirrt und an die Tür geklopft. Karel hatte sein Versprechen gehalten.
Sie wollte rufen, dass die Tür nicht verschlossen war, doch da hatte er sie schon geöffnet und trat ein.
Karel war ein hoch gewachsener Mann mit eckigen Schultern. Er war mit einem Mantel bekleidet, der in der Mitte mit einem Gürtel zusammengehalten wurde. Unter dem Mantel trug er ein helles Hemd oder einen dünnen Pullover.
Sein Gesicht war markant geschnitten. Man konnte es nicht mehr vergessen, wenn man es einmal gesehen hatte. Hager, aber nicht eingefallen, mit einer kräftigen Nase, einem breiten Mund, einem eckigen Kinn, zurückgekämmten, graublonden Haaren und Augen, deren Glanz sich Deborah nicht hatte entziehen können.
Sie ging davon aus, dass sie nicht die einzige Person war, der das nicht gelang. Diese Augen hatten Charisma. Sie steckten voll innerer Kraft, und die Frau wusste, dass dieser Mensch seinen Blick wechseln konnte, ganz wie es ihm beliebte.
Er hatte das Besondere an sich. Wenn ein Mensch wie er auf einer Party erschien, waren alle anderen zu Statisten degradiert. Da gab es dann nur ihn, und ihm gebührte die alleinige Aufmerksamkeit aller. Ganz besonders die der weiblichen Gäste, die sich seiner Faszination nicht entziehen konnten.
So war es auch Deborah Crane ergangen. Sie hatte sich einfach fallen lassen. Sie war in den Augen versunken, und sie hatte von ihm so wunderbare Dinge gehört. Er genoss ihr vollstes Vertrauen, sie war ihm hörig. Er hätte mit ihr alles anstellen können, doch er hatte die Lage nicht ausgenutzt. Es ging ihm um etwas anderes. Er wollte sich nicht sexuell befriedigen und die Frauen auch nicht.
Er redete mit ihnen, und er hatte auch sehr intensiv mit Deborah gesprochen.
Jetzt hatte er das kleine Haus betreten, und sie sah ihn auf sich zu kommen.
Er ging nicht, er schwebte. Als gäbe es zwischen seinen Füßen und dem Boden ein Luftkissen. Es war seine Art, so zu wandeln, als wollte er sich damit von den anderen Menschen abheben. Niemand sollte ihm dabei zu nahe kommen. Er war derjenige, der die Zeichen setzte, ihm musste man einfach folgen. Wer ihn zum ersten Mal sah, der hätte ihn auch für einen Schlafwandler halten können, der in seinem Zustand sogar in der Lage war, sich sicher auf irgendwelchen Dachfirsten zu bewegen.
Deborah kannte ihn nicht näher und auch noch nicht lange, doch sie hatte sich seiner Faszination nicht entziehen können. Einer wie Karel war einfach unbeschreiblich.
Und jetzt war er hier, um sie abzuholen. Er wollte sie auf ihrem Weg begleiten, und das Zeichen, das er setzte, verstand sie sehr gut.
Als er seine Arme ausbreitete, da wusste sie Bescheid und flog ihm entgegen. Jetzt leuchteten auch ihre Augen. Die Freude, die sie durchschoss, war wie ein breiter Strom, der sie einfach fortschwemmte, selbst ihre Gedanken.
Karel umarmte sie.
Es tat ihr gut, ihn zu spüren. Es war einfach nur wunderbar, und sie ließ sich in seine Umarmung hineinsinken. Vorhin war sie noch aufgeregt gewesen, nun hatte eine große Ruhe sie erfasst, und die würde auch nicht mehr verschwinden, hoffte sie.
»Geht es dir gut, Debbie?«
Er nannte sie immer Debbie, was sie freute. Es klang so vertraut, denn so war sie auch in der Kindheit genannt worden.
»Du bist ja bei mir.«
»Ja, ich bin da.«
»Dann geht es mir gut.«
»Und du bist bereit für das Neue?«
»Das bin ich.«
»Es ist die Ewigkeit, Debbie.«
»Das weiß ich.«
»Und du weißt, dass es dabei kein Zurück gibt. Du kannst nicht mehr umkehren und dich anders entscheiden. Die Entscheidung, die du jetzt getroffen hast, ist endgültig. Weißt du das?«
»Ja.«
»Möchtest du jetzt gehen?«
Deborah zögerte einen Moment. Dann aber nickte sie und flüsterte: »Ja, ich will jetzt weg.«
»Deshalb bin ich hier.«
Er drückte die Frau von sich, und zwar so weit, dass sie ihn anschauen konnte, was sie auch tat. Sie blickte in sein Gesicht, das einen so entrückten Ausdruck aufwies und zugleich einen entspannten.
So sah ein Mensch aus, der zwar normal durchs Leben schritt, der aber trotzdem schlief. Der Vergleich mit einem Schlafwandler war Deborah schon öfter in den Sinn gekommen, aber sie dachte nicht näher darüber nach. Sie hatte sich entschlossen, und da war es nicht gut, wenn man irgendwelchen hemmenden Gedanken nachhing.
»Sollen wir?«
»Ja, du hattest mich schon gefragt.«
»Ich gehe gern auf Nummer sicher.«
»Und ich will.«
Er reichte ihr den Arm. Deborah nahm ihn gern. Sie fühlte sich in seiner Nähe so geborgen. Er musste sich umdrehen, dann schauten beide auf die Tür, die Karel nicht geschlossen hatte.
»Bitte«, sagte er nur.
Er brauchte das Wort nicht zu wiederholen. Freudig verließ Deborah Crane mit ihm das Haus …
*
Draußen hätte es sehr dunkel sein müssen, aber das traf nicht zu, denn der Mond am Himmel streute sein kaltes Licht nach unten. Und so schaffte er es, der Erde einen gewissen Glanz zu geben, den viele Menschen so liebten und davon sprachen, sich im Licht des Mondes baden zu können.
Sie schritten vom Haus weg und schlugen den Weg nach rechts ein. Da sie das Haus an der Vorderseite verlassen hatten, mussten sie noch an der Seite herumgehen, um den Weg einschlagen zu können, der zum See führte.
Bald sah Deborah ihn vor sich, wenn sie durch die Lücken zwischen den Bäumen schaute. Und wieder musste sie sich eingestehen, dass die Oberfläche wie platt gebügelt dalag. Nur ein paar angefaulte Blätter schwammen darauf wie winzige Boote, die sich irgendwann vollgesaugt hatten und sanken.
Sie schritten schweigend dahin. Manchmal raschelte das Laub an ihren Füßen, wenn es durch die Schuhe bewegt wurde. Ansonsten blieb es still, und Deborah schaute auf ihre Atemwölkchen, die sich vor ihren Lippen bildeten.
Sie durchquerten die Lücken zwischen den Bäumen. Der weiche Grasboden dämpfte ihre Tritte. Das kalte Mondlicht senkte sich auf sie herab und sorgte bei den Bäumen für einen fahlen Glanz. Es war Spätherbst, aber schon jetzt lag eine winterliche Starre über der Gegend, obwohl sich auf dem Wasser noch keine Eisschicht gebildet hatte.
Nachdem sie den Schutz der Bäume verlassen hatten, sahen sie das Gewässer deutlicher. Nach wie vor lag es glatt vor ihren Augen, als wollte es nicht gestört werden. Kein Rascheln, keine Tierlaute und es war auch kein leises Klatschen der Wellen zu hören.
Die letzten Meter zum Ufer hin waren leicht abschüssig. Hier wuchs das Gras höher. Dahinter lag ein Gürtel aus Schilfgewächsen, die aus dem Wasser ragten.
Keiner von ihnen sprach. Es war genug gesagt worden.
Aber Deborah konnte das leichte Zittern nicht unterdrücken. Ein Schauer hatte sich auf ihrer Haut festgefressen, und er lief auch über ihr Gesicht.
Noch einmal dachte sie daran, dass der Weg, den sie jetzt ging, endgültig war. Es gab kein Zurück mehr. Sie besaß nicht die Kraft, sich umzudrehen, um zurückzugehen. Sie blieb auf dem eingeschlagenen Weg, und ihr Arm rutschte auch nicht aus dem Griff ihres Begleiters.
Alles war anders geworden. Ihr Leben, das sie sonst geführt hatte, lag weit zurück. Sie wollte sich nicht daran erinnern und einfach hineinschreiten in das echte Glück, von dem ihr Karel so intensiv erzählt hatte. Bei ihr war die ärztliche Kunst am Ende gewesen, man hatte sie aufgegeben. Aber Karel hatte ihr Mut gemacht.
»Mit dem Tod wirst du in das neue Leben eintreten«, hatte er gesagt. Und genau das lag jetzt vor ihr.
Beide blieben stehen, als der Boden unter ihnen weicher geworden war und das Wasser fast ihre Fußspitzen berührte. Es war so still um sie herum. Die Welt schien eingefroren zu sein. Kein Geräusch, auch kein leises Plätschern.
Karel schob den Arm aus seiner Beuge weg. Seine Hand streichelte die Schulter der Frau, und Deborah hörte die leise Frage: »Bist du bereit?«
»Ja, das bin ich.«
»Wunderbar. Und für dich gibt es kein Zurück mehr?«
»Nein.«
»Das wollte ich hören. Dann tu dir selbst den Gefallen und gehe den Weg ins neue Leben.«
»Und du?«
»Ich bleibe hier. Meine Begleitung endet hier. Ich habe dich lange genug unterstützt. Was nun folgt, das geht nur dich allein etwas an, aber ich kann dir versprechen, dass wir uns wiedersehen. Irgendwann einmal, denn nichts geht verloren.«
»Ich hoffe es.«
»Es ist so.«
Deborah Crane senkte den Blick und schaute auf das Wasser. Es war noch immer der glatte Spiegel, in dem sie sich allerdings selbst nicht sah. Sie spürte auch den Drang, in den kleinen See zu gehen, und sie störte sich nicht an der Kälte, die sie erfassen würde, denn das Wasser war alles andere als warm.
Und so setzte sie den ersten Schritt. Eigentlich hatte sie noch etwas sagen wollen, aber plötzlich saß ihre Kehle zu. Sie brachte kein Wort mehr hervor und hörte nur das leise Plätschern, als sie in das Wasser stieg.
Kalt war es!
Deborah glaubte, in eine Eisschale getreten zu sein. Den leisen Schrei unterdrückte sie nur mit Mühe, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, nicht mehr weitergehen zu können.
Aber sie musste.
Da war die unsichtbare Hand in ihrem Rücken, die sie weiterschob und so schritt sie hinein in den See, der auf sie gewartet zu haben schien. Er war tief, das wusste Deborah, doch am Ufer sah es anders aus, da war er ein flaches Gewässer. Wer ihn nicht kannte, der war überrascht, wenn er plötzlich absackte.
Die Kälte biss in ihren Beine. Sie stieg auch höher, je weiter sie ging. Bald schwappte das Wasser um ihre Hüften, und Deborah hob die Arme an. Sie schaute nach vorn zum anderen Ufer hin. Ihr Blickwinkel hatte sich verändert, und jetzt kam ihr die Oberfläche noch größer vor, als wäre das andere Ufer so weit entfernt, dass sie es niemals erreichen konnte.
Sie schritt weiter.
Der Widerstand vergrößerte sich, was sie kaum merkte, denn manchmal glaubte sie zu schweben, und sie dachte daran, dass auch ihr Mentor so gegangen war.
Einmal legte sie den Kopf zurück und schaute hoch zum Nachthimmel. Der Mond schien direkt über ihr zu stehen, als wollte er sie genau beobachten und ihr den richtigen Weg zum Ziel weisen.
Das alles erlebte sie sehr intensiv, viel deutlicher als sonst, und sie spürte plötzlich die Wärme, die in ihr hochstieg. Es mochte daran liegen, dass ihr Herz schneller schlug, als wollte es sie davor warnen, noch weiter zu gehen.
Aber sie hörte nicht auf diese Warnung, denn eine andere Stimme durchdrang ihre Erinnerung. Es war die ihres Mentors, der sie darauf vorbereitet hatte, den Weg zu beschreiten. Er hatte von einem großen und nie endenden Glück gesprochen, das sie erleben würde, und darauf setzte sie auch in diesen Augenblicken.
Es war schon jetzt ihre eigene Welt. Die Tiefe zerrte an ihren Füßen. Der Grund war schlammig geworden. Aber er wollte sie nicht festhalten, und so schritt sie weiter der Seemitte entgegen und damit auch der Tiefe, die sie verschlingen würde.
Um ihre Lippen spielte ein Lächeln. Trotz der Kälte lag eine dünne Schweißschicht auf ihrer Stirn. Sie spürte auch den Druck hinter ihren Augen und hatte das Gefühl, dass etwas ihren Brustkasten und ihr Herz zusammenpressen wollte.
Noch einmal drehte sie ihren Kopf.
Karel stand am Ufer und beobachtete alles. Er hatte sich nicht um einen Zentimeter vom Fleck weg bewegt. Er schaute in ihre Richtung. Deborah hatte gedacht, dass er die Hand heben und ihr zum Abschied noch einmal zuwinken würde. Doch das tat er nicht. Er ließ sie allein, und es gab keine Unterstützung mehr von seiner Seite.
»Ich komme«, flüsterte sie, und es hörte sich an, als hätte sie schon jetzt mit dem Jenseits gesprochen, das sie bald mit seinen gewaltigen Schwingen umfassen würde.
Der nächste Schritt und der leise Schrei!
Obwohl Deborah darauf vorbereitet gewesen war, hatte sie sich doch überraschen lassen. Sie sackte weg, denn plötzlich gab es keinen Grund mehr unter dem linken Fuß. Als hätte sie zuvor am Rand eines Abgrunds gestanden, so ging es jetzt in die Tiefe.
Sie verschwand.
In einer Reflexbewegung hatte sie noch beide Arme in die Höhe gerissen, aber da gab es nichts, was sie hätte retten können. Es huschte kein Geist aus dem dunklen Nachthimmel herab, der ihre Hände umfasste und sie aus dem Wasser zog.
Deborah Crane sank in die Tiefe.
Nicht schnell, sehr langsam. Sie veränderte auch ihre Haltung nicht, sie fühlte sich nach unten gezogen, um den Grund zu erreichen, der für sie zum Grab werden sollte.
Plötzlich war die Kälte überall. Sie umklammerte den Körper, und die zusammengepressten Lippen würden nicht mehr lange geschlossen bleiben. Noch hatte sie eine Chance, wenn sie anfing zu schwimmen, um wieder an die Oberfläche zu gelangen.
Das tat sie nicht.
Sie ging ihren Weg.
Es zog sie hinab.