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Justine Cavallo kicherte, bevor sie mich ansprach. "Das ist Glendas Ende als normaler Mensch. Aber sie wird wieder erwachen, und dann wird sie dich als Blutsaugerin besuchen. Du kannst dir aussuchen, was du mit ihr machst. Ich brauche sie nicht mehr ..." Es war verdammt hart, was die blonde Bestie mir da gesagt hatte. Und ich wusste auch, dass die Cavallo nicht bluffte. Zugleich war mir auch klar, dass ich Glenda Perkins nicht retten konnte ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Hexentanz und Geistersturm
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-5809-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Hexentanz und Geistersturm
Sie lebte – nein, sie existierte. Ihr Dasein im Dorf der Verdammten war kein Leben mehr. Aber das Schicksal hatte es so gewollt. Die Blutsaugerin Justine Cavallo hatte es angenommen oder annehmen müssen.
Am Anfang war sie auch sehr damit zufrieden gewesen. Es war eine Welt, eine Dimension, in der sie sich bewegen konnte. Sie wurde von den Hexen neutral behandelt, abgesehen von den misstrauischen Blicken, die ihr hin und wieder zugeworfen wurden …
Hexen und Vampire.
Das war eine Konstellation, die eigentlich nicht gut gehen konnte. Aber Assunga, die Anführerin des Hexenclans, hatte dafür gesorgt, dass es gut ging.
Für immer? In alle Ewigkeit?
Über diese beiden Punkte hatte die blonde Bestie schon oft nachgedacht. So positiv sich das auch anhören konnte, für sie war das nichts. Justine Cavallo musste sich bewegen, sie brauchte ihre Freiheit, denn das hatte sie nie vergessen.
Was also tun?
Es gab nur eine Möglichkeit. Sie würde mit Assunga reden müssen, und sie wollte sich auf keine Kompromisse einlassen. Das war auch wichtig. Sie wollte endlich wieder sie selbst sein. Sie wollte ihre eigene Stärke unter Beweis stellen, aber dafür brauchte sie etwas Bestimmtes.
Blut!
Es war ihre Nahrung. Das Blut sorgte dafür, dass sie existieren konnte. Es gab nur ein Problem, und das ließ sich auch nicht zur Seite schieben.
Das Blut, das in den Körpern der Hexen pulsierte, das schmeckte ihr nicht. Sie konnte und wollte es nicht trinken. Es war widerlich. Es war bitter, einfach nur grauenhaft. Die Hexen sahen aus wie normale Menschen, aber das waren sie nicht. Und sie gehorchten voll und ganz der Schattenhexe Assunga. Sie hatte in dieser Welt das Sagen, und das musste die Cavallo leider akzeptieren, obwohl ihr das wirklich mehr als schwerfiel.
Lange würde die Cavallo es nicht mehr aushalten. Die Gier nach Blut steigerte sich. Sie konnte zwar lange ohne diesen Lebenssaft existieren, aber irgendwann war auch da eine Grenze erreicht, und das war jetzt der Fall oder stand zumindest dicht bevor.
Es war eine andere Welt, in der sie sich befand, man konnte auch von einer anderen Dimension sprechen. Aber gewisse Regeln galten auch in dieser Hexenwelt. Da mussten Hierarchien eingehalten werden. Besonders in den Bauten, in denen Menschen lebten, irgendjemand hatte dort immer das Sagen.
Nicht dort, wo die Cavallo wohnte. Sie hatte eine Hütte für sich. Konnte tun und lassen, was sie wollte. Ab und zu bekam sie von Assunga Besuch, während die anderen Hexen es vermieden, sie zu sehen.
Wie lange sollte das noch andauern? Erneut war es finster geworden. Ein gewaltiger Schatten hatte sich über die Welt gelegt. Es war jetzt Nacht geworden, und gerade da verspürte sie den Druck. Es war die Gier nach dem Blut, die immer stärker wurde. Sie würde daran vergehen, wenn nicht bald etwas geschah. Ihr Körper fühlte sich aufgepumpt an, zugleich hatte sie eine große Gier überkommen, die sie nicht in den Griff bekam, die aber unbedingt raus musste. Auch wenn sie es gar nicht richtig wollte, sie musste ihre Not einfach hinausschreien. Die Schreie gellten durch die Hütte, als sollten sie die Wände zusammenkrachen lassen.
Blut!
Es war einfach der Schrei nach Blut. Denn nur Blut garantierte die weitere Existenz der Vampirin.
Justine lief hin und her, bewegte wild ihre Arme und schrie sich den Frust aus dem Leib. Sie wusste auch, dass sie gehört wurde. Ihre Schreie gellten durch die Hexenwelt, und deren Bewohnerinnen zuckten dann immer wieder zusammen, aber das war auch alles.
Sie behielten ihr Blut, obwohl Justine schon mal daran gedacht hatte, sie anzufallen. Es war ihr dann egal, ob das Blut bitter schmeckte oder nicht, aber sie hatte sich im letzten Moment immer zurückgehalten. Ob sie das auch weiterhin so konnte, wusste sie nicht.
In dieser Nacht war es besonders schlimm. Da stand sie dicht vor dem Durchdrehen. Sie rannte in ihrer Hütte nicht nur hin und her, sie warf sich auch auf den Boden, sprang wieder hoch und das Spiel begann von vorn. Dabei schrie sie immer wieder ihren Frust hinaus, aber es brachte ihr nichts ein, denn es gab kein Blut.
Ewig konnte sie auch nicht schreien. Sie kam wieder zu sich, und ihr Schreien wurde leiser und hörte schließlich ganz auf.
Die Cavallo ließ sich auf ihre Liege fallen. Ein normaler Mensch wäre jetzt erschöpft gewesen und hätte schwer geatmet. Aber das war sie nicht, kein normaler Mensch. Sie atmete nicht, sie brauchte es nicht.
Aber die Gier blieb!
Diese Nacht würde sie noch durchhalten können. Ob das in der nächsten auch so sein würde, das stand in den Sternen. So recht daran glauben konnte sie nicht.
Justine Cavallo war eine Person, die nicht alterte. Sie blieb so, wie sie war. Wer sie sah, war sehr bald in ihren Bann geschlagen, denn ihr Aussehen konnte man als perfekt bezeichnen. Sie war so etwas wie ein fleischgewordener Männertraum, mit einem Körper, der alles zu bieten hatte. Und sie zeigte sich auch immer so gekleidet, dass diese Wünsche automatisch aufkamen. Ihr Outfit war eine Lederkleidung, die sehr eng an ihrem Körper lag und jede Kurve nachzeichnete. Hinzu kam das perfekte Gesicht, das ebenfalls nicht alterte, der, wie mal jemand gesagt hatte, sündige Mund, der so brutal sein konnte, wenn sie ihn öffnete und ihre zwei Vampirzähne präsentierte. Sie waren letztendlich wie zwei scharfe Messer, die brutal in die Haut eines Menschen eindrangen.
Und das hatte sie so lange vermisst. Der Schrei nach Blut war eine Folge dessen. Sie konnte nicht mehr. Sie würde alles über Bord werfen und mit den Hexen kurzen Prozess machen, auch wenn Assunga dagegen war. Dann würde es eben zum Kampf kommen, verdammt noch mal. Aber so wie jetzt konnte es auch nicht weitergehen.
Sie stand wieder auf. Kaum hatte sie sich normal hingestellt, da bekam sie auch die Veränderung mit. Sie lief draußen vor dem Haus ab. Sie hörte dort die schrillen Stimmen der Hexen.
Justine eilte zum Fenster.
Es war dunkel, es gab auch kein Fackellicht, das die Nacht erhellt hätte. Aber sie waren da. Die Hexen hielten sich in der Nähe das Hauses auf. Überdeutlich traten sie nicht hervor.
Hin und wieder sah die Vampirin auch ein bleiches Gesicht. Etwas spielte sich dort draußen ab. Die Hexen wollten etwas. Ob von ihr, das war noch die Frage. Es konnte sein, aber zuvor mussten gewisse Vorbereitungen getroffen werden.
Sie verschwanden auch nicht. Dann waren plötzlich Schreie zu hören. Sie klangen irgendwie siegessicher. Wenig später kam jemand auf die Tür zu. Als Vampirin sah die Cavallo in der Dunkelheit besser als ein normaler Mensch, und sie sah, dass es eine der Hexen war.
Nur war sie nicht allein.
Jemand hielt sich an ihrer Seite. Nein, auch nicht so direkt. Sie zog etwas hinter oder neben sich her, und für Justine Cavallo war es so etwas wie ein Klumpen, den sie über den Boden schleifte. Aber sie kam auf die Hütte zu.
Justine tauchte vom Fenster weg und ging mit schlendernden Schritten auf die Haustür zu und öffnete sie.
Die Hexe kam auf sie zu. Und jetzt wusste die Cavallo auch, was sie hinter sich herzog. Es war ein Tier. Vielleicht ein totes. Ein großer Hund hätte es sein können, aber auch ein Wolf.
Justines Frage stoppte die Hexe. »Was willst du?«
»Dir was bringen.«
»Und was?«
»Den Wolf.«
Die Cavallo schaute kurz hin und fragte: »Was soll ich mit einem solchen Kadaver?«
»Er ist nicht tot. Er wird gleich wieder zu sich kommen, dann kannst du ihn haben.«
Die Blutsaugerin schüttelte den Kopf. »Was sollte mich an ihm interessieren?«
Die Hexe kicherte, dann sagte sie: »Sein Blut.«
»Ach? Bist du dir sicher?«
»Ja, wir alle sind uns sicher. Wir haben dich schreien hören. Du bist fast durchgedreht. Du brauchst das Blut doch. Ohne wirst du vertrocknen, verdammt.«
»Bin ich bisher vertrocknet?«, fuhr Justine die Hexe an. Sie war sauer, dass so mit ihr gesprochen wurde.
»Nein, aber du bist unzufrieden.«
»Das ist richtig.«
»Und dem wollen wir abhelfen.«
»Mit einem Wolf, wie?«
»Ja. Blut ist Blut.«
Beinahe hätte die Vampirin laut gelacht. »Bist du denn des Wahnsinns?«, fuhr sie die Hexe an. »Das ist nicht wahr. Das kann nicht wahr sein. Du bist …« Sie winkte ab. »So kann nur jemand reden, der keine Ahnung hat.«
»Dann willst du ihn nicht?«
Die Cavallo wollte schon die für sie richtige Antwort geben, aber der Wolf machte ihr einen Strich durch die Rechnung. So außer Gefecht war er nicht, denn plötzlich und ohne Übergang sprang er aus seiner Lage in die Höhe.
Die Hexe konnte ihn nicht mehr halten. Das letzte Stück Leine wurde ihr aus den Fingern gerissen, und jetzt hatte der Wolf freie Bahn. Er stand auf seinen Füßen, und nun war zu sehen, dass er ein verdammt großes Tier war, das sich nicht aufhalten lassen wollte. Es hatte ein Ziel, und das war die Cavallo.
Auch sie reagierte schnell. In diesem Fall aber war sie zu langsam. Sie schaffte es nicht mehr, zur Seite zu weichen, der schwere Körper erwischte sie voll, und auch eine Justine Cavallo konnte sich nicht auf den Beinen halten. Sie flog zurück, weg von der Schwelle und landete im Haus.
Für sie zu hören war noch das harte Lachen der Hexe und der Knall, mit dem die Tür zufiel. Ein letzter Gruß wurde ihr auch noch geschickt. »Jetzt kann du dein Blut trinken, du gieriges Scheißweib!« Das waren die letzten Worte, denen nur noch ein hartes Lachen folgte …
***
So hatte sich die Vampirin den Fortgang nicht vorgestellt. Sie hatte mit einem Wolf nichts am Hut. Es sei denn, man sprach von einem Werwolf, der war ja verwandt, aber nicht mit so einem.
Er war stark. Er war schnell. Er war auch schwer. Und er hatte Justine umgerannt. Sie lag jetzt auf dem Rücken, aber sie hatte auch Glück gehabt, denn der Wolf war nicht auf sie gefallen und hatte so nicht nach ihrer Kehle schnappen können. Er war auf dem etwas glatten Boden zur Seite gerutscht.
Ihr Vorteil.
Noch bevor sich das Tier wieder fangen konnte, war Justine auf den Beinen. Zuerst schaute sie nach rechts. Der Wolf stand, und jetzt sah sie, welch ein großes Tier er war. Groß, kräftig und auch sehr muskulös. Er hielt sein Maul offen. Die Zähne waren gefletscht. Tief in seiner Kehle war ein Knurren zu hören, und für Justine war es so etwas wie das Signal zum Angriff.
Sie hatte sich nicht geirrt.
Das Tier sprang.
Mit seiner gesamten Masse flog er auf die Blutsaugerin zu. Er hätte sie zu Boden gerammt und zerquetscht. Das wäre mit einem normalen Menschen passiert, aber nicht mit der Cavallo. Sie stellte sich dem Tier entgegen und hatte ihre Füße hart gegen den Boden gedrückt.
Beide prallten zusammen.
Der Wolf gab ein Knurren oder Brüllen ab. Er wollte seine Zähne in den Menschen hacken und ihm die Stücke aus dem Körper reißen, aber dagegen hatten die Cavallo etwas.
Sie war ein Wesen, das keine Schmerzen verspürte, wenn es normal angegriffen wurde. Allerdings konnte sie auch zerrissen werden, aber nicht in diesem Fall.
Sie schlug zurück.
Und das mit dem Kopf.
Den rammte sie gegen den Schädel des Wolfes, und dann zeigte sie, wie hart der ihre war.
Der Wolf jaulte auf. Er schleuderte seinen Kopf zurück. Und er war aus dem Rennen.
Die Cavallo ließ nicht locker. Sie packte ihn, wuchtete ihn herum und schleuderte ihn zu Boden. Er wollte sofort wieder hoch. Dagegen hatte Justine etwas.
Bevor er sich versah, warf sie sich auf ihn. Und jetzt zeigte sie, welch eine Kraft in ihr steckte. Sie schaffte es, den Wolf zu Boden zu drücken, und sie hatte ihn sogar auf den Rücken gelegt, damit sie direkt gegen die Kehle schauen konnte.
Das war wichtig.
Sie biss zu.
Sie tat es nicht mit dem gleichen Genuss wie beim Biss in die menschliche Kehle. Auch hatte ein Mensch kein Fell am Hals. Dieses hier war zwar nur dünn, aber es stellte schon ein gewisses Hindernis dar. Dennoch biss sie zu.
Jetzt zeigte es sich, wie hart ihre Zähne waren. Die Spitzen durchdrangen auch diese Haut ohne Probleme. Eigentlich hätte sich das Tier wehren müssen, sich zumindest hin und her bewegen. Es lag komischerweise recht still auf dem Boden. Es war wohl überrascht, paralysiert oder wie auch immer. Jedenfalls musste die Cavallo zum zweiten Biss ansetzen, um das Blut fließen zu sehen und nicht nur zu riechen.
Sie tat es.
Wieder hackten die Zähne zu. Sie waren wie Messer, als sie in den Hals eindrangen. Sie rissen Wunden, aus denen plötzlich das Blut sprudelte. Es war wohl eine wichtige Ader getroffen worden, denn der rote Saft schoss plötzlich in die Höhe.
Und die Vampirin wusste genau, was sie zu tun hatte. Sie brachte ihren offenen Mund über den Blutstrahl und sorgte dafür, dass der rote Saft in ihren Mund spitzte, wobei sie noch anfing zu gurgeln.
Sie trank.
Und jetzt wehrte sich der Wolf. Auf dem Rücken liegend zuckte er hin und her. Er schlug auch mit den Pfoten um sich, aber das machte der Cavallo nichts. Auch wenn sie getroffen wurde, es war ihr egal. Schmerzen verspürte sie keine.
Sie trank. Sie war so ausgehungert, so durstig, wobei sich sogar ihr Aussehen verändert hatte, denn die Haut kam ihr längst nicht mehr so fest vor.
Das hier aber war wie eine Quelle, die leer getrunken werden musste. Und sie hatte ihren Kopf gesenkt, sodass die Lippen jetzt auf dem Hals lagen.
Sie trank. Es war ein wunderbares Gefühl, das sie erlebte, obwohl das Blut keinem Menschen gehörte. Aber es war Blut, und darauf kam es ihr an.
Aber auch das war mal vorbei. Justine löste ihre Lippen vom Hals des Tiers und hob ihren Kopf an. Sie atmete nicht durch, wie es ein Mensch getan hätte, sondern stöhnte auf. Es tat ihr gut, so etwas erlebt zu haben, jetzt fühlte sie sich besser und wieder stark. Dass es Tierblut gewesen war, darüber wollte sie nicht weiter nachdenken.
Sie blieb knien. Nach einer Weile stand sie auf und schaute auf den leblosen Kadaver. Da hatten ihr die Hexen letztendlich doch einen Gefallen getan, das musste sie ehrlicherweise zugeben.
Dass ihre Lippen blutverschmiert sein würden, das stand für sie fest. Sie fuhr mit dem Handrücken darüber hinweg, sah die rote Flüssigkeit darauf und leckte sie weg.