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Ich habe in meinem Leben schon zahlreiche Kirchen kennengelernt. Alte, neue, große und kleine. Auch Kathedralen und andere große historische Bauten. Aber die Kirche, zu der mich mein deutscher Freund Harry Stahl führte, die war etwas Besonderes. Hier trafen sich nur bestimmte Anhänger, und deren Treffpunkt war die Hexenkirche ...
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Die Hexenkirche
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: DelNido/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-3658-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Hexenkirche
Wenn man ihn entdeckte, war er tot. Da kannte die andere Seite keine Gnade. Wenn man ihn nicht entdeckte, konnte das der Anfang vom Ende für die andere Seite sein.
So dachte Robert Maurer, als er durch die Dunkelheit schlich und sich allmählich seinem Ziel näherte. Er hätte nicht allein zu gehen brauchen, seine Rückendeckung wartete nicht weit entfernt in einem Wagen. Das hatte er sich ausbedungen …
Mit dem Auto war er nicht gekommen. Er hatte das Rad genommen und war an dem Treffpunkt fast pünktlich erschienen, wo Harry Stahl bereits auf ihn wartete.
Robert Maurer hatte mit ihm gesprochen, und Stahl hatte versucht, ihn davon abzuhalten, weiterhin allein durch die Dunkelheit zu hetzen. Aber Maurer war nicht aufzuhalten. Er wollte das tun, was er sich vorgenommen hatte.
Er war dann geduckt noch ein Stück gelaufen, dann hatte er sich in der Nähe des Ziels gegen einen Baumstamm gelehnt und eine Pause eingelegt.
Denn jetzt lag das letzte und das wichtigste Stück vor ihm. Er hoffte, dass sein Plan reif genug war, um auch zu funktionieren. Sollte das nicht der Fall sein, dann konnte es böse für ihn ausgehen. Aber daran wollte er nicht denken.
Er schlug sich weiter durch die Dunkelheit, die sehr dicht war. Es gab zwar einen Himmel über ihm, doch der war in dieser Nacht sternenlos. Es war auch kein Mond zu sehen. Demnach erreicht kein Licht die Erde.
Viele Geräusche konnte er sich nicht erlauben. Es war möglich, dass die andere Seite Wachen aufgestellt hatte, und die waren auch nicht dumm.
Es war ein Gebäude, das ihn so anzog. Früher war es mal eine Kapelle gewesen, und dort hatten auch Versammlungen stattgefunden, die nicht immer der Religion zugewandt waren.
Das war auch heute der Fall. Robert Maurer wusste aber nicht, wer sich da genau in der Einsamkeit versammelte. Er hatte etwas von Hexen gehört, aber nur aus der Ferne beobachtet, wie Menschen aus ihren Autos gestiegen waren, um dann das Gebäude zu betreten.
Das hatte er noch nicht geschafft. Irgendwie fehlte ihm die Traute, möglicherweise war er auch jemand, der zu sehr auf Sicherheit ging. Er hatte sich zurückgehalten und beobachtet. Da hatte er die Gestalten gesehen, die gekommen waren, um die alte Kapelle zu betreten.
Da stimmte was nicht. Etwas Genaues hatte er nicht herausfinden können, und das wollte er auch nicht. Maurer wollte auch nicht zur Polizei gehen, denn er hatte Angst, sich lächerlich zu machen. Aber er hatte gehört, dass ein Nachbar im Nebenhaus einen Job beim BKA hatte. Was er da genau machte, wusste Maurer nicht, doch er überwand sich schließlich, nachdem er sich tagelang gequält hatte.
Dann hatte er Harry Stahl auf der Straße abgepasst und ihn angesprochen. Schon beim ersten Satz hatte er sich gewundert, wie angenehm dieser Nachbar doch war. Er hatte zugehört, einige Fragen gestellt, aber keine konkreten Antworten erhalten. Dann hatte er sich entschlossen, dass er sich selbst überzeugen wollte, wer in der alten Kapelle verkehrte.
Damit hatte Robert Maurer nicht gerechnet. So hatte er den Nachbarn nicht eingeschätzt, und er war happy gewesen. Es hatte nicht mal mehr vieler Worte bedurft, da war Harry Stahl einverstanden gewesen.
Schon für den übernächsten Abend hatten sich die beiden verabredet, um ein Stück in den Taunus zu fahren, wo diese seltsame Kirche stehen sollte. Harry Stahl hatte noch nichts von ihr gehört, doch er war gespannt darauf, sie kennenzulernen.
Er wusste, dass Kirchen oft zweckentfremdet wurden. Besonders in der letzten Zeit war das Mode geworden. Er dachte daran, dass er hier möglicherweise auf einen speziellen Fall gestoßen war. Alles war möglich.
Und nun war Maurers Traum wahr geworden. Er befand sich auf dem Weg, und Harry Stahl deckte ihm den Rücken.
Aber vor den Erfolg hatten die Götter den Schweiß gesetzt. Das merkte Robert Maurer in diesen Minuten. Die Kleidung klebte auf seiner Haut, auch im Nacken hatte sich der Schweiß gesammelt. Das lag nicht nur an der schwülen Sommernacht, in der die Insekten freie Bahn hatten, sich auf die Menschen zu stürzen. Da standen die verdammten Stechmücken an der ersten Stelle.
Er hatte aufgehört nach ihnen zu schlagen, war einfach weitergelaufen und dann stehen geblieben, als er für einen Moment die Lichter vor sich gesehen hatte.
Das war nicht das Licht von Autoscheinwerfern gewesen. Es hatte sich nämlich bewegt und auch gezuckt, und so war es ihm in den Sinn gekommen, dass es sich um eingeschaltete Taschenlampen handelte. Von diesem Gedanken ließ er sich auch nicht abbringen.
Er ging näher.
Maurer passte sich den Gegebenheiten an. Er duckte sich, wenn es nötig war, er schaufelte Hindernisse zur Seite, und er sah, dass er Erfolg hatte.
Er war schon so nahe herausgekommen, dass er auch die Autos sah, die vor dem Bau parkten. Sehr viele waren es nicht. Vielleicht ein halbes Dutzend. Das kalte Scheinwerferlicht erreichte auch die Eingangstür, die offen stand.
Ein knappes Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. Er hatte nicht damit gerechnet, dieses Bild zu sehen. Das war schon ein Erfolg, daran hielt er sich. Und er war nahe dran.
Minuten verstrichen, ohne dass sich etwas veränderte. Aber Maurer glaubte nicht daran, dass alles so bleiben würde.
Er bewegte sich geduckt weiter vor, denn er wollte eine Stelle erreichen, von der er einen direkten Blick auf den Eingang hatte.
Da blieb er stehen. Es wäre riskant gewesen, jetzt noch weiter zu gehen. Und er war auch mit seinem Standort zufrieden, denn er konnte jetzt einen Blick durch die offene Tür in die Kirche hineinwerfen. Es gab nicht viel zu sehen. Er vermisste Bänke und auch Stühle. Schattenhaft sah er die Andeutung einer Treppe. Und dort, wo sie endete, stand jemand am Altar.
Es war eine Gestalt in einem roten Umhang. Eine nackte Frau. Das erkannte er, weil der Umhang vorn einen breiten Spalt offen stand, sodass er die bloßen Brüste sehen konnte.
Er schluckte heftig, wollte wieder gehen und drehte sich um.
Genau da riss er den Mund auf und schloss ihn nicht wieder. Vor ihm stand jemand. Es war ein Glatzkopf mit einem bösen Gesichtsausdruck. Als Robert Maurer das festgestellt hatte, war es für ihn bereits zu spät.
Eine schwere Handfläche klatschte in sein Gesicht. Der Schlag trieb ihn nicht nur nach hinten, er sorgte auch dafür, dass er rücklings am Boden landete.
Das war’s!, schoss es ihm durch den Kopf …
***
War es richtig gewesen oder falsch?
Harry Stahl wusste es nicht. Er wartete an einer bestimmten Stelle. Er hatte seinen Opel in einer kleinen Senke abgestellt. In der Nähe stand auch das Rad seines Informanten.
Robert Maurer hatte allein gehen wollen. Nichts hatte ihn davon abhalten können. Das wäre er sich schuldig gewesen. Wenn er sich geirrt hätte, dann wäre er zu einer Lachnummer geworden. Das hatte er immer wieder betont und Harry Stahl dennoch nicht überzeugt, aber er hatte nachgegeben und wartete nun an einer bestimmten Stelle, die durchaus auch ein Versteck sein konnte, weil sie etwas tiefer lag.
Eine Zeit war nicht abgemacht worden, und Harry dachte daran, seine Partnerin Dagmar Hansen anzurufen. Sie war zu Hause, arbeitete ebenfalls beim BKA und hatte dem Plan auch zugestimmt und gemeint, es wäre besser, wenn man sich Freunde in der Nachbarschaft erhielt.
So war Harry dann gefahren, doch jetzt war ihm langweilig. Es war zwar schon dunkel geworden, doch Harry ging davon aus, dass seine Partnerin noch nicht im Bett lag.
Er telefonierte mit ihr, und Dagmars Stimme klang hellwach.
»Aha, du. Hast du Erfolg gehabt?«
»Nein, noch nicht.«
»Hatte ich mir gedacht.«
Da war Harry anderer Meinung. »Es geht nicht immer so aalglatt. Wir müssen abwarten.«
Da stimmte sie zu und stellte danach sofort eine weitere Frage. »Und was hast du für ein Gefühl?«
»Gar keines.«
»Aha.«
Harry lachte leise. »Ich warte einfach nur ab.«
»Und dieser Maurer?«
»Den habe ich allein gehen lassen.«
Dagmar Hansen gab ein zischendes Geräusch ab. »Wenn das mal gut geht, Harry.«
»Er wollte es so. Ich stehe auch nicht weit entfernt und kann schnell eingreifen. Ich jedenfalls habe ihm geraten, sich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Das könnte leicht ins Auge gehen.«
»Das sehe ich auch so. Glaubst du ihm denn, was diese Kirche angeht?«
»Ich denke schon. Sollte sich der Verdacht bestätigen, haben wir nicht viel zu lachen.«
»Okay, dann wünsche ich dir Glück. Und pass auf dich auf.«
»Danke, das werde ich.«
Das Gespräch war beendet, und Harry Stahl lächelte vor sich hin. Es hatte ihm gut getan, mit seiner Partnerin zu reden. Da war er von der normalen Welt nicht zu abgeschlossen. Jetzt musste nur noch Maurer bei ihm erscheinen, dann war alles gut und hoffentlich in trockenen Tüchern.
Harry hatte die Fenster seines Wagens nach unten fahren lassen. Er wollte auch hören, wenn sich etwas ereignete, was nicht zu der nächtlichen Ruhe passte.
Bisher war alles ruhig geblieben. Es gab keine Veränderungen, aber Harry traute dem Frieden nicht, und er hatte ein verdammt ungutes Gefühl …
***
Robert Maurer lag auf dem Rücken. Er kam so schnell nicht mehr hoch, und er fühlte sich wie ein großer Käfer, den jemand auf den Rücken geworfen hatte.
Und das war einer gewesen, der jetzt vor ihm stand, den Kopf etwas gesenkt hatte und auf ihn niederschaute. Sein Gesicht verschwamm vor den Augen des Liegenden. In seinem Kopf spürte er die Schmerzen. Sie glichen kleinen Schlägen, die ihn immer wieder erwischten und ihn leise stöhnen ließen.
Dennoch bewegte er sich. Das musste er tun. Er wollte nicht länger vor den Füßen des Glatzkopfs liegen bleiben. Er drehte sich auch nach rechts und streckte dabei seinen Arm aus, wobei die Hand gegen etwas Hartes stieß.
Instinktiv griff er danach. Seine ausgestreckten Finger schafften es, den Gegenstand zu umfassen. Es war ein Stein.
Stein?
Plötzlich zuckte es durch seinen Körper. Es war wie ein Stromstoß, der ihn erreichte. Es war eine Idee gewesen, die ihn plötzlich erfasst hatte.
Jetzt war der Stein wichtig. Er stand praktisch im Mittelpunkt, und Maurer musste es nur noch schaffen, auf die Beine zu kommen, und das möglichst schnell.
Er stöhnte. Er wollte dem Kerl etwas vorspielen. Und der schien darauf reinzufallen. Er flüsterte etwas, von dem Robert Maurer nur die Hälfte verstand. Da ging es dann um Rache und Tod und um das Antreten bei der Hexe.
Maurer hörte genau hin. Er wollte alles behalten, was man ihm sagte, stöhnte wieder und wartete darauf, dass der andere ihn in die Höhe zog.
Das wollte er auch. An der linken Seite griff er zu, was eigentlich perfekt war. So lag die rechte Seite frei. Und den Stein hielt Maurer in der rechten Hand.
Er hob den Arm.
Das sah der Glatzkopf nicht und sah auch nicht, wie von der Seite her eine Hand mit dem Stein auf ihn zuraste und er keine Chance hatte, den Folgen zu entgehen.
Der Stein traf genau die Schläfe.
Es war kein Schrei, und es war auch kein Stöhnen, was aus dem halb offenen Mund des Glatzkopfs drang. Er riss seine Augen noch weiter auf, damit aber war es vorbei.
Der Mann sackte zusammen und fiel schräg auf den anderen Körper. Das war es für ihn. An der Schläfe zeigte sich eine Wunde, aus der Blut sickerte.
Robert Maurer sah zu, dass er den Körper zur Seite schieben konnte. Nur so schaffte er es, wieder auf die Füße zu kommen.
Er musste sich zunächst ausruhen. Breitbeinig stand er da und wartete erst einmal ab. Der Treffer steckte ihm noch in den Knochen, aber man hatte ihn nicht ausschalten können.
Auch gut!, schoss es ihm durch den Kopf. Das ist deine Chance. Du musst verschwinden.
Das tat er.
Den Weg kannte er. Das Ziel auch. Es war der Wagen, in dem Harry Stahl auf ihn wartete. Wenn er den erreichte, konnte er durchatmen, aber erst mal musste er weg.
Er hörte auch die Stimmen von der Kirche her. Möglicherweise fing bald ihre Feier an, die Robert Maurer schon jetzt als eine Schwarze Messe ansah. Und auch die Gestalt im roten Umhang hatte er nicht vergessen. Das war der Boss, die Chefin oder wie auch immer.
Er rannte weg.
Der Wald war sein Freund. Er würde ihn schützen, das glaubte er fest, aber ob er tatsächlich entkommen war, das stand noch längst nicht fest …
***
Harry Stahl saß in seinem Opel und wartete. Dass dem so war, gefiel ihm nicht mehr, aber er hatte es nicht anders gewollt. So hatte er Robert Maurer allein gehen lassen.
Der Mann war noch nicht zurück. Zwar hatten die beiden Männer keine Zeit abgemacht, doch Sorgen machte sich Harry schon. Wenn sich die Feinde entsprechend eingerichtet hatten, konnte verdammt viel passieren.
Die Scheiben hatte er nach unten gefahren. So konnte er in die Dunkelheit hinein lauschen und musste zugeben, dass ihm keine fremden Geräusche untergekommen waren. Bisher war alles normal abgelaufen. Die Laute, die er gehört hatte, waren völlig normal gewesen. Sie gehörten zum Wald dazu.
Auch wusste Harry nicht, wo die Kirche genau lag. Alles war einfach zu schnell gegangen. Da hatten sich die Ereignisse überschlagen, und jetzt musste was passieren.
Das traf auch zu. Da die Fenster offen waren, hörte er das Geräusch, das von außen her an seine Ohren drang. Es war vorerst nicht zu identifizieren, bis einige Sekunden vergangen waren und ein heftiges Keuchen an seine Ohren drang.
Da kam jemand.
Das Keuchen stammte auch nicht von einem Tier, sondern von einem Menschen. Und als Harry nach links schaute, da sah er Robert Maurer auf das Auto zu taumeln. Er hatte es geschafft, aber er war verdammt fertig.
Harry blieb nicht länger sitzen, öffnete die Wagentür und sprang ins Freie. Er wollte Maurer entgegenlaufen, um ihn abzustützen. Nach drei Schritten bereits fiel er in Harrys Arme. Er wurde von ihm umschlungen, zum Opel geschafft und auf den Beifahrersitz gedrückt.
Robert Maurer blieb sitzen. Er verdrehte seine Augen. Er holte tief Luft, und es war zu hören, dass er unter Schnappatmen litt. Der Mann hatte einiges hinter sich und war am Ende seiner Kraft angelangt.
Das Gesicht glänzte, als wäre es mit Öl eingerieben worden. Maurer zitterte zudem. Er hielt den Mund offen, und Harry konnte sich vorstellen, dass sein Mitstreiter Durst hatte. Eine Flasche Wasser ohne Kohlensäure stand bereit.
Harry drückte sie in die zittrigen Hände des Mannes, der sich mit einem Blick bedankte. Danach hob er beide Hände und setzte die Flasche an die Lippen. Er war ein wenig zu hastig. Die Öffnung rutschte ab. Wasser klatschte heraus und auf das Hemd.